Begriff und Bedeutung der Eingliederung
Der Begriff Eingliederung bezeichnet im deutschen Recht einen Vorgang, bei dem eine Person oder ein Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen in eine bestehende rechtliche, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Struktur integriert wird. Der Ausdruck findet sich in zahlreichen Rechtsgebieten wieder, darunter insbesondere im Sozialrecht, Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht sowie im Bereich des Steuerrechts. Die rechtliche Ausgestaltung der Eingliederung richtet sich stets nach dem jeweiligen Anwendungsbereich und ist häufig mit besonderen Rechten, Pflichten und Ansprüchen verbunden.
Eingliederung im Sozialrecht
Eingliederungshilfe nach dem SGB IX
In sozialrechtlicher Hinsicht besitzt die Eingliederung vor allem im Kontext der Eingliederungshilfe eine zentrale Rolle. Nach § 90 ff. SGB IX verfolgt die Eingliederungshilfe den Zweck, Menschen mit Behinderungen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen oder zu erleichtern. Ziel ist, eine möglichst selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilnahme im Rahmen des sozialen, schulischen und beruflichen Lebens zu fördern und Benachteiligungen abzubauen.
Anspruchsvoraussetzungen
Ein Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht, wenn eine Behinderung vorliegt oder eine solche droht und dadurch die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich beeinträchtigt ist. Die Leistungen reichen von medizinischen, schulischen und beruflichen Unterstützungsmaßnahmen bis hin zu Hilfen zur sozialen Integration.
Rechtsfolgen
Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind genau geregelt und können neben Sachleistungen auch Geldleistungen sowie persönliche Betreuung umfassen. Rechtsgrundlage ist insbesondere § 99 SGB IX, der das Verfahren und die Rechte der Leistungsberechtigten konkretisiert.
Eingliederung in das Arbeitsleben (SGB III, SGB IX)
Auch die Eingliederung in den Arbeitsmarkt stellt einen wichtigen Anwendungsfall dar. Gemäß §§ 33 ff. SGB IX erhalten Personen mit Behinderung spezielle Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Darüber hinaus regeln §§ 16 ff. SGB III arbeitsmarktbezogene Eingliederungsleistungen für Personen, die Arbeit suchen oder in das Erwerbsleben zurückkehren möchten.
Maßnahmen der Arbeitsförderung
Maßnahmen wie Eingliederungszuschüsse, Förderprogramme und Weiterbildungskurse dienen der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Die Agentur für Arbeit und andere Träger unterstützen dabei mit finanziellen Hilfen und individuellen Förderprogrammen.
Eingliederung im Gesellschaftsrecht
Eingliederung bei Kapitalgesellschaften
Im deutschen Gesellschaftsrecht, insbesondere nach dem Aktiengesetz (AktG), bezeichnet die Eingliederung den Vorgang, dass eine einheitliche Leitung einer abhängigen Gesellschaft durch ein herrschendes Unternehmen übernommen wird (§ 319 ff. AktG). Damit verbunden ist die Übernahme sämtlicher Rechte der abhängigen Gesellschaft durch das herrschende Unternehmen, ohne dass die abhängige Gesellschaft aufgelöst wird.
Voraussetzungen und Verfahren
Die Eingliederung setzt voraus, dass das herrschende Unternehmen sämtliche Anteile der abhängigen Gesellschaft hält. Es erfolgt ein notariell zu beurkundender Eingliederungsbeschluss und die Eintragung ins Handelsregister. Minderheitsgesellschafter sind in diesem Fall besonders geschützt und haben Anspruch auf angemessene Abfindungsleistungen.
Rechtsfolgen
Nach erfolgter Eingliederung gehen sämtliche Rechte und Pflichten der abhängigen Gesellschaft, mit Ausnahme gewisser Sonderrechte, auf das herrschende Unternehmen über. Die Steuerung der Geschäftstätigkeit erfolgt dann zentral durch das eingliedernde Unternehmen.
Eingliederung im Arbeitsrecht
Definition und Bedeutung
Im Arbeitsrecht bezeichnet Eingliederung die tatsächliche Eingliederung einer Arbeitskraft in eine bestehende Betriebsorganisation. Diese ist Voraussetzung für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und Abgrenzungskriterium gegenüber freier Mitarbeit oder selbstständiger Tätigkeit.
Kriterien der Eingliederung
Wesentliche Merkmale der Eingliederung sind die Weisungsgebundenheit, die Einordnung in den Arbeitsablauf, die Nutzung betrieblicher Infrastruktur sowie die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung. Der Grad der Eingliederung entscheidet maßgeblich über die Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften.
Eingliederung im Steuerrecht
Eingliederung im Rahmen umsatzsteuerlicher Organschaften
Im Steuerrecht, insbesondere im Umsatzsteuerrecht, ist die Eingliederung Voraussetzung für das Bestehen einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Eine Organschaft liegt vor, wenn finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung gegeben sind, wodurch eine mehrere rechtlich selbständige Unternehmen steuerlich wie ein Unternehmen behandelt werden.
Voraussetzungen
- Finanzielle Eingliederung: Die Muttergesellschaft hält die Mehrheit an den Anteilen
- Wirtschaftliche Eingliederung: Gleichartigkeit der Tätigkeiten oder wirtschaftliche Verbindung
- Organisatorische Eingliederung: Einbindung der Tochterunternehmen in Führungsstrukturen der Muttergesellschaft
Rechtsfolgen
Durch die Organschaft greifen besondere umsatzsteuerliche Haftungen sowie steuervertretungsrechtliche Besonderheiten. Die Umsätze werden konsolidiert, Umsatzsteuer wird zentral abgeführt.
Sonstige Rechtsgebiete
Eingliederung im Migrationsrecht
Im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wird die Eingliederung als Ziel der Integrationsmaßnahmen und Voraussetzungen für aufenthaltsrechtliche Privilegien herangezogen. Unter Eingliederung wird hier die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Integration von Migranten verstanden, die durch staatliche Fördermaßnahmen unterstützt wird.
Rechtsschutz und Verfahrensfragen
Rechtsschutzmöglichkeiten bei Eingliederungsmaßnahmen
Betroffene, die Eingliederungsleistungen beanspruchen oder sich durch Eingliederungsmaßnahmen benachteiligt sehen, können im Verwaltungs- oder Zivilrechtsweg Rechtsschutz erlangen. Insbesondere im Sozialrecht stehen Verfahren vor den Sozialgerichten gemäß SGG offen, während gesellschafts- und arbeitsrechtliche Streitigkeiten vor den jeweiligen Fachgerichten zu klären sind.
Literatur und weiterführende Hinweise
Für weitergehende Informationen zum Begriff der Eingliederung und deren Rechtsgrundlagen bieten die jeweiligen Gesetzestexte (SGB IX, SGB III, AktG, UStG, AufenthG) sowie anerkannte Kommentare und Fachaufsätze einen vertieften Einblick in die rechtlichen Einzelheiten und Entwicklungslinien.
Mit dieser umfassenden Darstellung werden die verschiedenen rechtlichen Dimensionen des Begriffs Eingliederung aufgezeigt und in ihrer jeweiligen Relevanz und Rechtsfolge erläutert.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat einen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung und wo ist dieser geregelt?
Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung haben Personen, die aus gesundheitlichen Gründen, insbesondere wegen Behinderung oder drohender Behinderung, dauerhaft, nicht nur vorübergehend, in ihrer Teilhabe am Arbeitsleben, am gesellschaftlichen Leben oder an der Bildungsbiografie beeinträchtigt sind. Die Anspruchsgrundlagen finden sich vor allem im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), insbesondere in § 90 SGB IX für Menschen mit Behinderungen und § 19 SGB II in Bezug auf das Eingliederungsleistungen für arbeitslose Personen. Darüber hinaus greifen spezialgesetzliche Regelungen, beispielsweise nach dem SGB III oder dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Es ist zu differenzieren, durch welchen Rehabilitationsträger – z.B. Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Rentenversicherung, Unfallversicherung, Jugendämter oder die Eingliederungshilfe nach SGB XII/SGB IX – die Eingliederungsleistungen erbracht werden, da daran unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen geknüpft sind. Entscheidend ist jeweils ein individueller Rehabilitationsbedarf, der durch einen Antrag festgestellt werden muss. Außerdem beeinflusst die Art der Einschränkung (z.B. körperlich, geistig, seelisch) die Zuständigkeit des Trägers.
Wie verläuft das Antragsverfahren auf Eingliederungsleistungen aus rechtlicher Sicht?
Das Antragsverfahren für die Eingliederungsleistungen ist reguliert durch §§ 14 ff. SGB IX sowie die Verfahrensvorschriften der jeweiligen Sozialgesetzbücher. Der Antrag kann formlos gestellt werden, es empfiehlt sich jedoch die mündliche oder schriftliche Einreichung unter Benennung des jeweiligen Bedarfs beim zuständigen Träger der Rehabilitation. Nach Eingang des Antrags ist der Träger verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen festzustellen, ob er selbst zuständig ist oder den Antrag nach Maßgabe des § 14 SGB IX an den nach seiner Auffassung zuständigen Träger weiterzuleiten. Der förmliche Verwaltungsakt über die Gewährung oder Ablehnung der Eingliederungsleistung muss mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sein und ist dem Antragsteller bekanntzugeben. Zudem ist im Falle einer Ablehnung zwingend eine Begründung erforderlich. Bestehen mehrere Leistungsträger, gilt das Prinzip der umfassenden Beratung (§ 23 SGB I) und der Teilhabeplanung (§§ 19, 20 SGB IX).
Welche Rechtsmittel stehen gegen abgelehnte Eingliederungsleistungen zur Verfügung?
Gegen einen ablehnenden Bescheid des Rehabilitationsträgers oder Sozialleistungsträgers bezüglich der Eingliederungsleistungen steht dem Betroffenen das Widerspruchsverfahren zu. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Zugang des ablehnenden Bescheids schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen (§ 84 SGG). Nach erfolglosem Widerspruch kann binnen eines Monats Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben werden (§ 87 SGG). Das sozialgerichtliche Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 183 SGG) und kann – insbesondere bei Eilbedürftigkeit (etwa drohender Nachteil für den Antragsteller) – durch einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (gerichtlicher Eilantrag nach §§ 86b SGG) beschleunigt werden. Es besteht zudem die Möglichkeit, sich im Rahmen des Verfahrens von einer Rechtsanwältin, einem Anwalt oder einer Sozialberatungsstelle unterstützen zu lassen.
Welche Pflichten haben Leistungsempfänger im Rahmen der Eingliederung?
Die Rechtslage sieht vor, dass Leistungsempfänger verpflichtet sind, an allen zur Eingliederung dienenden Maßnahmen aktiv mitzuwirken (§§ 60 ff. SGB I, § 66 SGB I). Dies beinhaltet insbesondere die Verpflichtung, wahrheitsgemäß Auskünfte zu erteilen, erforderliche Unterlagen und Nachweise vorzulegen, an Untersuchungen – z.B. zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit oder Behinderung – mitzuwirken sowie Eingliederungsmaßnahmen zu nutzen (z.B. Teilnahme an Schulungen, Therapien, Trainingsmaßnahmen). Bei Arbeitslosengeld II-Empfängern ist die Einbindung in eine Eingliederungsvereinbarung (§ 15 SGB II) verpflichtend. Kommt ein Leistungsempfänger seinen Mitwirkungspflichten nicht nach, kann dies zu Leistungseinschränkungen oder zur vollständigen Einstellung der Eingliederungsleistung führen (§ 66 SGB I).
In welchem Umfang können Eingliederungsleistungen durch Dritte, wie z.B. Arbeitgeber, erbracht oder ergänzt werden?
Rechtlich ist vorgesehen, dass Eingliederungsleistungen auch im Zusammenwirken mit Dritten erfolgen können. Arbeitgeber können nach § 185 SGB IX Eingliederungszuschüsse erhalten, wenn sie schwerbehinderte Menschen einstellen, sowie nach § 16 SGB II Zuschüsse für die Eingliederung von Arbeitslosen beantragen. Gemäß § 22 SGB I ist die Kooperation zwischen Leistungsträgern und Dritten ausdrücklich zulässig, wobei Leistungsträger insbesondere auch Hilfen zur Teilhabe im beruflichen Kontext in Form von Praktika, Probe-Arbeitsverhältnissen oder Betriebstrainings initiieren und begleiten dürfen. Arbeitgeber erhalten dabei – unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen, etwa der Beschäftigungspflicht nach dem SGB IX – staatliche Unterstützung zur Förderung von Eingliederung, was den Arbeitnehmern zugutekommt.
Wie werden Umfang und Inhalt der Eingliederungsleistungen festgelegt?
Der Umfang und die Art der Eingliederungsleistungen richten sich gesetzlich nach dem individuellen Bedarf des Leistungsberechtigten (§ 4 Abs. 1 SGB IX, § 19 Abs. 1 SGB II). Im Rahmen einer sogenannten Bedarfsermittlung, die nach den Grundsätzen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) erfolgt, werden die persönlichen Beeinträchtigungen und Lebensumstände umfassend analysiert, um einen Teilhabeplan zu erstellen (§§ 117 ff. SGB IX). Die Bedarfsermittlung hat personenzentriert zu erfolgen und soll die notwendigen Leistungen sowohl nach Art als auch nach Dauer, Intensität und Zielsetzung konkret definieren. Die Leistungsgewährung soll stets den Grundsatz der individuellen und am Wunsch des Leistungsbeziehers ausgerichteten Förderung beachten (§ 8 SGB IX).
Können Eingliederungsleistungen zeitlich befristet oder dauerhaft gewährt werden?
Nach rechtlicher Lage können Eingliederungsleistungen sowohl zeitlich befristet als auch unbefristet erbracht werden (§ 26 SGB IX). Entscheidend ist die Art des Bedarfs und das festgestellte Ziel der Eingliederung. Viele Leistungen (vor allem im Bereich der Rehabilitation oder beruflichen Teilhabe) sind auf den Zeitraum der Maßnahme beschränkt, zum Beispiel bei Umschulungen, Trainings oder Integrationsmaßnahmen. Eine wiederholte oder dauerhafte Leistungsbewilligung ist möglich, wenn der Bedarf fortbesteht und sich die Lebenssituation des Berechtigten nicht wesentlich verändert hat. Bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung ist die laufende Überprüfung gesetzlich vorgesehen, um die Angemessenheit und Notwendigkeit der Leistungen (§ 48 SGB X) regelmäßig zu evaluieren.