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Eigentumsfreiheitsanspruch


Begriff und rechtliche Einordnung des Eigentumsfreiheitsanspruchs

Der Eigentumsfreiheitsanspruch ist ein gesetzlich geregelter Anspruch, der dem Eigentümer eine besondere rechtliche Position zur Abwehr von Beeinträchtigungen seines Eigentums einräumt. Er findet seine rechtliche Grundlage im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und ist integraler Bestandteil des Sachenrechts. Ziel dieses Anspruchs ist es, dem Eigentümer die Möglichkeit zu verschaffen, sich gegen unbefugte Einwirkungen auf seine Sache zur Wehr zu setzen und den ursprünglichen Rechtszustand wiederherzustellen.

Gesetzliche Verankerung

Der Eigentumsfreiheitsanspruch ist in § 1004 BGB, dem sogenannten „Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch“, kodifiziert. Er ergänzt den Herausgabeanspruch des Eigentümers gemäß § 985 BGB und wird in der Regel dann relevant, wenn das Eigentum nicht insgesamt entzogen, sondern auf sonstige Weise beeinträchtigt wird.

Wortlaut von § 1004 BGB

  • Absatz 1: „Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.“
  • Absatz 2: „Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.“

Abgrenzung zu anderen Ansprüchen

Der Eigentumsfreiheitsanspruch ist abzugrenzen vom Anspruch auf Herausgabe der Sache nach § 985 BGB. Während § 985 BGB auf den vollständigen Entzug des Besitzes durch einen Nichtberechtigten abzielt, knüpft § 1004 BGB an andere tatsächliche und rechtliche Beeinträchtigungen an. Gegenstand des Eigentumsfreiheitsanspruchs sind also insbesondere Störungen, die nicht zu einem vollständigen Besitzentzug führen.


Voraussetzungen des Eigentumsfreiheitsanspruchs

Für die Durchsetzung des Eigentumsfreiheitsanspruchs müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Diese sind im Folgenden im Einzelnen dargestellt.

Eigentümerstellung des Anspruchstellers

Voraussetzung ist, dass der Anspruchsteller tatsächlich Eigentümer der betroffenen Sache ist. Die Eigentümerstellung muss zum Zeitpunkt der Geltendmachung bestehen und im Rechtsstreit ggf. nachgewiesen werden. Miteigentümer können den Anspruch ebenfalls geltend machen, soweit ihre Eigentümerstellung betroffen ist.

Vorliegen einer Beeinträchtigung

Die Beeinträchtigung des Eigentums kann sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Natur sein. Typische Beispiele sind das Abstellen von Fahrzeugen auf fremden Grundstücken, Lärmimmissionen oder das Verunreinigen einer Sache.

Arten der Beeinträchtigung

  • Sachliche Eingriffe: Jeder unmittelbare oder mittelbare Eingriff in die Sachsubstanz oder die Benutzung der Sache.
  • Störende Handlungen: Unerlaubte Handlungen, die das Eigentum in anderer Form als durch Besitzentzug beeinträchtigen (z. B. Überwuchs, Einwirkungen durch Dritte, Zuleitung von Wasser).

Kein Ausschluss des Anspruchs

Der Anspruch ist gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, sofern eine Duldungspflicht besteht. Eine solche kann sich aus Gesetz, Vertrag oder aufgrund dinglicher Rechte Dritter ergeben. Auch öffentlich-rechtliche Vorschriften, wie das Baurecht oder nachbarrechtliche Regelungen, können eine Duldungspflicht begründen.

Anspruchsgegner: Störerbegriff

Als Störer gilt, wer die Beeinträchtigung des Eigentums adäquat verursacht hat, unabhängig davon, ob dieses Verhalten vorsätzlich, fahrlässig oder ohne Verschulden erfolgte. Man unterscheidet zwischen Handlungsstörer (verursacht die Beeinträchtigung durch aktives Tun) und Zustandsstörer (ermöglicht oder duldet einen beeinträchtigenden Zustand).


Umfang und Durchsetzung des Eigentumsfreiheitsanspruchs

Inhalt und Ziele des Anspruchs

Der Eigentumsfreiheitsanspruch verfolgt zwei Hauptziele:

  1. Beseitigung bereits eingetretener Beeinträchtigungen

Der Eigentümer kann verlangen, dass die Störung beseitigt wird (sog. Beseitigungsanspruch).

  1. Abwehr zukünftiger (erneuter) Beeinträchtigungen

Sind weitere Beeinträchtigungen zu erwarten, kann der Eigentümer ein Unterlassungsbegehren geltend machen (sog. Unterlassungsanspruch).

Form der Anspruchsdurchsetzung

Der Eigentumsfreiheitsanspruch kann grundsätzlich auf dem Zivilrechtsweg durchgesetzt werden. Das Gericht kann den Störer zur Beseitigung der Störung oder zur Unterlassung weiterer Störungen verurteilen. In dringenden Fällen kann eine einstweilige Verfügung beantragt werden.

Beispiele

  • Entfernung illegal entsorgten Mülls vom eigenen Grundstück
  • Unterlassung übermäßiger Geruchsimmissionen
  • Beseitigung von Pflanzenwurzeln, die in das eigene Grundstück hineinwachsen

Ausschluss und Grenzen des Eigentumsfreiheitsanspruchs

Duldungspflichten

Der Anspruch ist nicht durchsetzbar, wenn gesetzliche Vorschriften ausdrücklich eine Duldungspflicht vorsehen. Beispiele hierfür sind nachbarrechtliche Duldungspflichten oder Baulasten.

Rechtsmissbräuchlichkeit

Ein Anspruch nach § 1004 BGB ist ausgeschlossen, wenn er missbräuchlich geltend gemacht wird, etwa bei Bagatellfällen oder wenn dem Störer der Gebrauch der Sache unverhältnismäßig erschwert würde.

Vorrangige Regelungen

In manchen Fällen gehen spezielle Gesetze oder öffentlich-rechtliche Vorschriften dem Eigentumsfreiheitsanspruch vor (z. B. im Umweltrecht oder bei Enteignungen).


Verhältnis zu Schadensersatzansprüchen

Der Eigentumsfreiheitsanspruch ist grundsätzlich unabhängig von einem Schadensersatzanspruch. Während § 1004 BGB auf die Beseitigung und Unterlassung gerichtet ist, tritt ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 BGB zusätzlich hinzu, wenn durch die Beeinträchtigung ein Vermögensschaden eingetreten ist.


Bedeutsamkeit und praktische Relevanz

Der Eigentumsfreiheitsanspruch ist ein wesentlicher Bestandteil des Sachenrechts und spielt im Alltag eine erhebliche Rolle für den Schutz des Eigentums. Er gewährleistet, dass der Eigentümer vor unberechtigten Eingriffen Dritter umfassend geschützt ist, und schafft so Rechtssicherheit im Eigentumsschutz. Typische Anwendungsbereiche finden sich im Nachbarrecht, bei Grundstücksstreitigkeiten, im Verkehrsrecht und bei allen sonstigen Eigentumsstörungen.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 985, 1004
  • Literatur zu Sachenrecht und Nachbarrecht
  • Bundesgerichtshof (BGH) – Rechtsprechung zu § 1004 BGB

Siehe auch:

  • Herausgabeanspruch (§ 985 BGB)
  • Abwehranspruch (§ 862 BGB)
  • Störerhaftung
  • Nachbarrecht

Hinweis: Dieser Beitrag stellt eine allgemeine Darstellung des Eigentumsfreiheitsanspruchs dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit spezieller Einzelfallkonstellationen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist zur Geltendmachung des Eigentumsfreiheitsanspruchs berechtigt?

Zur Geltendmachung des Eigentumsfreiheitsanspruchs ist ausschließlich der Eigentümer der betroffenen Sache berechtigt. Das Eigentum muss hierbei rechtlich vollwirksam und zum Zeitpunkt der Beeinträchtigung tatsächlich bestehen. Es genügt nicht, lediglich Besitz an der Sache zu haben; der Besitzschutz unterliegt besonderen Regeln (§ 862 BGB). Darüber hinaus hat der Eigentümer das Recht, auch gegen mehrfache und unterschiedliche Störer vorzugehen, soweit deren Handlungen (oder Unterlassungen) seine Befugnisse aus dem Eigentumsrecht beeinträchtigen. Minderjährige oder anderweitig geschäftsunfähige Eigentümer handeln grundsätzlich durch ihre gesetzlichen Vertreter. Der Eigentumsfreiheitsanspruch kann auch von Miteigentümern gemeinschaftlich geltend gemacht werden, wobei Besonderheiten des Gesamthand- oder Bruchteilseigentums zu beachten sind.

Gegen wen kann sich der Eigentumsfreiheitsanspruch richten?

Der Anspruch richtet sich gegen den sogenannten Störer, also gegen jede natürliche oder juristische Person, die eine unberechtigte Beeinträchtigung des Eigentümers verursacht hat oder fortdauern lässt. Grundsätzlich wird zwischen Handlungsstörer (jemand, der durch aktives Verhalten die Störung herbeigeführt hat) und Zustandsstörer (jemand, der für den störenden Zustand verantwortlich ist, z. B. als Grundstückseigentümer) unterschieden. Eine Störerhaftung setzt dabei kein Verschulden voraus, sondern erfasst auch haftungsrechtlich neutrale Zustände, soweit dem Betroffenen die Beseitigung der Störung möglich und zumutbar ist. Mitverschulden und Dritteinflüsse können die Verantwortlichkeit jedoch einschränken.

Welche Arten von Beeinträchtigungen werden vom Eigentumsfreiheitsanspruch erfasst?

Der Eigentumsfreiheitsanspruch schützt das Eigentum vor jeder vom Störer ausgehenden Beeinträchtigung, die nicht durch das Gesetz oder durch Einwilligung des Eigentümers gerechtfertigt ist. Hierzu zählen vor allem Sachentziehungen und Sachbeschädigungen, aber auch Beeinträchtigungen, die keinen physischen Charakter (z. B. Immissionen, Überwuchs, Zutrittsverweigerungen, Anbringen von Plakaten) haben. Entscheidend ist, dass der berechtigte Gebrauch durch den Eigentümer beeinträchtigt wird, insbesondere bei dauerhaften Eingriffen oder wiederholt drohenden Störungen. Nur unerhebliche und sozial übliche Beeinträchtigungen fallen nicht unter den Anspruch.

Welche Rechtsfolgen sieht der Eigentumsfreiheitsanspruch vor?

Der Eigentumsfreiheitsanspruch begründet primär einen Anspruch auf Beseitigung der gegenwärtigen Störung und auf Unterlassung zukünftiger (gleichartiger) Beeinträchtigungen gemäß § 1004 BGB. Bei einer bereits abgeschlossenen Störung (z. B. einmalige Besitzstörung ohne Wiederholungsgefahr) besteht der Anspruch nur noch auf Unterlassung künftiger Störungen. Im Rahmen der gerichtlichen Durchsetzung kann auf Abwehr, Beseitigung oder die Rückgabe (sofern mit Besitzverlust verbunden) geklagt werden. Weitergehende Ansprüche, wie etwa Schadensersatz, sind hiervon getrennt zu prüfen und erfordern das Vorliegen von Verschulden nach § 823 BGB.

Welche Ausschlussgründe begrenzen den Eigentumsfreiheitsanspruch?

Der Eigentumsfreiheitsanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eingriff gesetzlich gestattet oder vom Eigentümer selbst genehmigt worden ist. Ein Anspruch ist ferner ausgeschlossen, wenn der Störer ein Recht zur Duldung der Einwirkung hat (z. B. durch Nachbarrecht, Notstand oder hoheitliche Maßnahme aufgrund behördlicher Anordnung). Zudem verliert der Eigentümer den Anspruch, solange die Beeinträchtigung unwesentlich oder sozialadäquat ist. Weiterhin kann die Durchsetzung verjährt oder verwirkt sein, wenn der Eigentümer über längere Zeit untätig geblieben ist und dadurch Vertrauenstatbestände geschaffen wurden.

Welche Bedeutung hat der Eigentumsfreiheitsanspruch im Verhältnis zu anderen dinglichen Ansprüchen?

Der Eigentumsfreiheitsanspruch (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB) steht selbstständig neben anderen dinglichen Ansprüchen, wie dem Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) und dem Schadensersatzanspruch (§ 823 BGB). Während § 985 BGB die Herausgabe des Besitzes an den Eigentümer regelt, richtet sich § 1004 BGB auf die Abwehr und Beseitigung eigentumswidriger Eingriffe. Beide Ansprüche können parallel bestehen, verfolgen jedoch unterschiedliche Zwecke, was insbesondere bei der Anspruchsdurchsetzung bedeutsam ist. Wichtige Abgrenzungskriterien ergeben sich aus Art und Inhalt der Beeinträchtigung.

Muss der Eigentümer vorgerichtlich zur Beseitigung der Störung auffordern, bevor er gerichtliche Maßnahmen ergreift?

Grundsätzlich besteht keine gesetzliche Pflicht, vor Einleitung gerichtlicher Maßnahmen eine außergerichtliche Aufforderung zur Beseitigung der Störung (Abmahnung) auszusprechen. Gleichwohl ist eine solche Aufforderung im Interesse der Prozessökonomie und der Kostenschonung regelmäßig angezeigt, da sie dem Störer die Möglichkeit gibt, die Störung freiwillig zu beseitigen. In bestimmten Fallkonstellationen (z. B. drohende Gefahr weiterer Störungen oder Verhinderung rechtsmissbräuchlichen Verhaltens) kann eine fehlende Abmahnung bei der Kostenentscheidung im Zivilverfahren Berücksichtigung finden. Eine Abmahnung dient somit vielfach als Voraussetzung für einen erfolgreichen Unterlassungsantrag (§ 93 ZPO).