Eigentumsfreiheitsanspruch

Eigentumsfreiheitsanspruch: Begriff und Grundgedanke

Der Eigentumsfreiheitsanspruch – auch negatorischer Anspruch genannt – schützt das Eigentum vor Störungen, ohne dass dem Eigentümer der Besitz vollständig entzogen wurde. Er richtet sich darauf, bestehende Beeinträchtigungen zu beseitigen und künftige Störungen zu unterlassen. Im Mittelpunkt steht die Abwehr unbefugter Einwirkungen auf eine Sache, die jemandem gehört, etwa ein Grundstück, ein Gebäude oder eine bewegliche Sache.

Der Anspruch dient der Erhaltung der ungestörten Nutzung des Eigentums. Er setzt an, wenn eine Einwirkung das Eigentum beeinträchtigt, ohne es dem Eigentümer wegzunehmen. Dadurch grenzt er sich von Herausgabe- und Besitzschutzansprüchen ab.

Abgrenzung zu anderen Ansprüchen

Herausgabe statt Abwehr

Wird dem Eigentümer der Besitz an seiner Sache entzogen, ist regelmäßig die Herausgabe der Sache maßgeblich. Der Eigentumsfreiheitsanspruch greift typischerweise dann, wenn der Besitz beim Eigentümer verbleibt, dieser aber in der Nutzung gestört wird.

Besitzschutz versus Eigentumsschutz

Besitzschutzansprüche stehen dem Besitzer zu, auch wenn er nicht Eigentümer ist. Der Eigentumsfreiheitsanspruch schützt hingegen die Rechtsposition des Eigentümers selbst. Beide Schutzsysteme existieren nebeneinander und verfolgen unterschiedliche Zwecke.

Schadensersatz ist etwas anderes

Der Eigentumsfreiheitsanspruch zielt auf Abwehr (Beseitigung und Unterlassung). Geldersatz für bereits eingetretene Schäden fällt in einen anderen Anspruchsbereich und setzt zusätzliche Voraussetzungen voraus.

Voraussetzungen des Eigentumsfreiheitsanspruchs

Eigentümerstellung

Aktiv berechtigt ist, wer Eigentümer der betroffenen Sache ist. Bei gemeinschaftlichem Eigentum können die Mitberechtigten den Anspruch grundsätzlich gemeinschaftlich geltend machen.

Beeinträchtigung des Eigentums

Erforderlich ist eine Beeinträchtigung, die weniger als eine vollständige Entziehung des Besitzes darstellt. Typisch sind Immissionen (z. B. Lärm, Gerüche, Rauch), das Abstellen von Gegenständen, das Anbringen von Leitungen, Überwuchs von Pflanzen oder sonstige Einwirkungen, die die Nutzung beeinträchtigen.

Störerbegriff

Anspruchsgegner ist der Störer. Störer ist, wer die Beeinträchtigung verursacht oder andauern lässt und rechtlich oder tatsächlich die Möglichkeit hat, sie zu verhindern oder zu beseitigen. Unterschieden wird häufig zwischen dem Handlungsstörer (aktive Verursachung) und dem Zustandsstörer (Störung geht von einer Sache aus, für die er verantwortlich ist).

Wiederholungsgefahr für Unterlassung

Für den Unterlassungsteil des Anspruchs ist eine konkrete Wiederholungsgefahr maßgeblich. Sie wird bei bereits eingetretenen Störungen in der Regel vermutet und kann durch glaubhafte Umstände entkräftet werden.

Inhalt und Reichweite

Beseitigungsanspruch

Der Eigentümer kann die Beseitigung der Störung verlangen. Dies umfasst die Entfernung von Anlagen, Gegenständen oder Zuständen, die das Eigentum beeinträchtigen, sowie die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands.

Unterlassungsanspruch

Zur Sicherung der zukünftigen Nutzung kann der Eigentümer verlangen, dass vergleichbare Störungen künftig unterbleiben. Der Unterlassungstitel zielt auf die Verhinderung erneuter Beeinträchtigungen.

Kostenlast und Nebenansprüche

Die Beseitigung hat grundsätzlich der Störer auf eigene Kosten vorzunehmen. Begleitend können Auskunfts-, Duldungs- oder Kostenerstattungsfragen auftreten; sie knüpfen an allgemeine Regeln an und hängen vom Einzelfall ab.

Verjährung und Verwirkung

Solange die Störung andauert, besteht das Beseitigungsbegehren fort. Der Unterlassungsanspruch lebt, solange Wiederholungsgefahr gegeben ist. Unabhängig davon kann ein Anspruch ausnahmsweise verwirken, wenn über längere Zeit Untätigkeit und ein besonderes Vertrauen des Störers zusammentreffen.

Typische Fallgruppen

Nachbarliche Einwirkungen

Dazu zählen etwa Lärm, Gerüche, Rauch, Erschütterungen oder der Überwuchs von Bäumen und Sträuchern auf das Nachbargrundstück. Je nach Art, Intensität und Ortsüblichkeit kann eine Duldungspflicht bestehen oder ein Abwehrrecht in Betracht kommen.

Leitungen und Gegenstände auf fremdem Grund

Das unbefugte Verlegen von Leitungen, das Abstellen von Fahrzeugen oder Containern auf einem Grundstück sowie fest verankerte Einrichtungen ohne Berechtigung sind typische Anwendungsfälle.

Bauliche Eingriffe

Überbauten, Anbauten oder sonstige bauliche Veränderungen, die in den Luftraum oder die Substanz des Nachbargrundstücks hineinragen, können den Anspruch auslösen, sofern keine Berechtigung besteht.

Abgrenzung zu öffentlichen Einwirkungen

Geht eine Beeinträchtigung von hoheitlicher Tätigkeit aus oder besteht eine öffentlich-rechtliche Duldungspflicht, ist der Eigentumsfreiheitsanspruch eingeschränkt oder ausgeschlossen. Dann gelten besondere Regelungsmechanismen.

Grenzen des Anspruchs

Duldungspflichten und Rechtfertigungen

Der Anspruch entfällt, wenn der Eigentümer die Einwirkung zu dulden hat. Duldungspflichten können sich aus Nachbarrecht, vertraglichen Nutzungsrechten oder besonderen Rechtfertigungsgründen ergeben.

Interessenabwägung und Zumutbarkeit

In Bereichen mit wechselseitigen Einwirkungen, insbesondere im nachbarschaftlichen Verhältnis, erfolgt eine Abwägung. Maßstab sind unter anderem Ortsüblichkeit, Intensität und Vermeidbarkeit der Beeinträchtigung sowie die Belange beider Seiten.

Durchsetzung und prozessuale Aspekte

Anspruchsgegner

Passiv verantwortlich ist der Störer. Das kann der Verursacher, der Inhaber der Störungsquelle oder derjenige sein, der die Störung beherrscht oder duldet, obwohl er sie verhindern könnte.

Beweisfragen

Die betroffene Seite muss Beeinträchtigung und Kausalzusammenhang darlegen. Bei typischen Immissionen können Messungen, Zeugen oder dokumentierte Beobachtungen zur Sachverhaltsaufklärung beitragen.

Vorläufige Sicherung

Neben der Entscheidung in der Hauptsache kommen Formen der vorläufigen Sicherung in Betracht, wenn ein rasches Einschreiten zum Schutz des Eigentums erforderlich erscheint. Hierbei gelten gesteigerte Anforderungen an Dringlichkeit und Glaubhaftmachung.

Häufig gestellte Fragen

Was unterscheidet den Eigentumsfreiheitsanspruch vom Herausgabeanspruch?

Der Herausgabeanspruch setzt an, wenn dem Eigentümer der Besitz entzogen wurde. Der Eigentumsfreiheitsanspruch greift bei Störungen ohne Besitzentzug und zielt auf Beseitigung und Unterlassung der Beeinträchtigung.

Gegen wen richtet sich der Eigentumsfreiheitsanspruch?

Er richtet sich gegen den Störer. Das ist, wer die Beeinträchtigung verursacht oder andauern lässt und sie rechtlich oder tatsächlich beenden kann. Dazu zählen Verursacher und Verantwortliche für die Störungsquelle.

Welche Beeinträchtigungen sind erfasst?

Erfasst sind unbefugte Einwirkungen auf das Eigentum, etwa Lärm, Gerüche, Rauch, Erschütterungen, Überwuchs, unzulässige Leitungen oder das Abstellen von Gegenständen. Entscheidend sind Art, Intensität und Zumutbarkeit der Einwirkung.

Verjährt der Eigentumsfreiheitsanspruch?

Solange die Störung fortbesteht, besteht der Beseitigungsanspruch fort. Der Unterlassungsanspruch setzt auf die Wiederholungsgefahr ab. Unabhängig davon kann ein Anspruch in besonderen Konstellationen verwirken.

Muss der Eigentümer gewisse Einwirkungen dulden?

Ja, in bestimmten Konstellationen. Duldungspflichten können sich aus nachbarschaftlichen Regeln, vertraglichen Gestattungen oder besonderen Rechtfertigungsgründen ergeben. Ob eine Duldungspflicht besteht, hängt vom Einzelfall ab.

Kann ein Mieter den Eigentumsfreiheitsanspruch geltend machen?

Der Anspruch steht dem Eigentümer zu. Mieter verfügen über eigene Schutzinstrumente zum Schutz ihres Besitzes, die unabhängig vom Eigentumsfreiheitsanspruch sind.

Wer trägt die Kosten der Beseitigung der Störung?

Grundsätzlich hat der Störer die Störung auf eigene Kosten zu beseitigen. Einzelne Kostenfolgen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls und allgemeinen Regeln.

Was bedeutet Wiederholungsgefahr beim Unterlassungsanspruch?

Wiederholungsgefahr meint die konkrete Wahrscheinlichkeit erneuter Störungen. Nach einer bereits erfolgten Beeinträchtigung wird sie regelmäßig vermutet und kann durch belastbare Umstände entkräftet werden.