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Eigentümer-Besitzerverhältnis


Definition und Grundlagen des Eigentümer-Besitzerverhältnisses

Das Eigentümer-Besitzerverhältnis ist ein zentrales Rechtsinstitut im deutschen Sachenrecht. Es beschreibt das Verhältnis zwischen dem Eigentümer einer Sache und einer anderen Person, die diese Sache tatsächlich besitzt (Besitzer), ohne unbedingt deren rechtlicher Eigentümer zu sein. Das Eigentümer-Besitzerverhältnis ist regelmäßig von hoher praktischer Bedeutung, etwa bei Vermietungen, Leihverhältnissen oder bei Besitzvertretungen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt die wichtigsten Fragen zu diesem Thema vor allem in den §§ 985 ff. BGB.

Begriffsbestimmung

Eigentümer ist derjenige, der die rechtliche Herrschaft über eine Sache innehat (§ 903 BGB). Besitzer ist, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt (§ 854 BGB). Ein und dieselbe Person kann zugleich Eigentümer und Besitzer sein, typischerweise sind diese Positionen jedoch getrennt, beispielsweise bei Mietverhältnissen. Das Eigentümer-Besitzerverhältnis beschreibt die Beziehung dieser beiden Rechtssubjekte zur Sache und zueinander.


Rechtsgrundlagen und Systematik im BGB

Zentrale Vorschriften

Die gesetzlichen Regelungen zum Eigentümer-Besitzerverhältnis finden sich vorrangig in den §§ 985 bis 1003 BGB. Hier werden insbesondere Herausgabeansprüche und Ausgleichsansprüche, aber auch Sondervorschriften bei gutgläubigem Erwerb, Recht zum Besitz und Gebrauchserhaltungsansprüche geregelt.

Systematische Einordnung

Das Eigentümer-Besitzerverhältnis ist ein typisches Schuldverhältnis eigener Art. Es entsteht kraft Gesetzes und nicht durch Vertrag oder einseitige Willenserklärung. Es bildet eine selbstständige Anspruchsgrundlage für verschiedene Ansprüche zwischen Eigentümer und Besitzer.


Ansprüche im Eigentümer-Besitzerverhältnis

Herausgabeanspruch (§ 985 BGB)

Der Herausgabeanspruch ist der zentrale Anspruch des Eigentümers gegen den unrechtmäßigen Besitzer. Der Eigentümer kann vom Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, sofern der Besitzer kein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) gegenüber dem Eigentümer hat.

Recht zum Besitz (§ 986 BGB)

Der Besitzer ist nicht zur Herausgabe verpflichtet, wenn ihm ein Recht zum Besitz zusteht (z.B. aus Miet- oder Leihvertrag). Hierbei kommt es auf das Bestehen und den Umfang des Rechts zum Besitz an.

Nutzungs- und Verwendungsersatz (§§ 987-993 BGB)

Das Gesetz differenziert, ob der Besitzer gutgläubig (kein böser Glaube) oder bösgläubig (kennt das fehlende Eigentum) ist.

Gutgläubiger Besitzer

Ein gutgläubiger Besitzer ist grundsätzlich nicht zum Nutzungsersatz verpflichtet. Eine Ausnahme gilt, wenn er von der Rechtshängigkeit der Herausgabeklage Kenntnis erlangt (§ 987 BGB).

Bösgläubiger und unrechtmäßiger Besitzer

Ein unrechtmäßiger, insbesondere bösgläubiger Besitzer haftet dem Eigentümer für gezogene Nutzungen und schuldhafte verschuldete Verschlechterungen und Beschädigungen der Sache (§ 990, § 991 BGB).

Ersatz von Verwendungen

Für vom Besitzer getätigte Verwendungen sieht das Gesetz einen Ausgleich vor (§ 994-996 BGB). Zu unterscheiden sind notwendige und nützliche Verwendungen, für die der Eigentümer ggf. Wertersatz zu leisten hat, sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen.

Ansprüche des Besitzers gegen den Eigentümer

Auch der Besitzer kann unter Voraussetzungen Ansprüche gegen den Eigentümer geltend machen. So besteht beispielsweise ein Anspruch auf Ersatz der notwendigen Verwendungen (§§ 994, 996 BGB) und Schutz vor Herausgabe gegen denjenigen, dem kein besseres Recht zum Besitz zusteht.


Sonderformen des Eigentümer-Besitzerverhältnisses

Mittelbarer Besitz und Besitzmittlungsverhältnis

Oft wird der Besitz durch weitere Rechtsverhältnisse vermittelt, etwa beim Mieter als unmittelbarem Besitzer gegenüber dem Vermieter als mittelbarem Besitzer. Das Eigentümer-Besitzerverhältnis kann hierdurch erweitert und modifiziert werden.

Eigentumsvorbehalt

Beim Eigentumsvorbehalt bleibt der Veräußerer bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung Eigentümer, der Erwerber wird bereits Besitzer. Dies begründet ein besonderes Eigentümer-Besitzerverhältnis mit speziellen Besitzschutz- und Herausgabeansprüchen.

Besitzdiener (§ 855 BGB)

Ein Besitzdiener übt die Sachherrschaft nicht für sich selbst, sondern für einen anderen aus. Das Eigentümer-Besitzerverhältnis liegt sodann zwischen dem Eigentümer und dem mittelbaren Besitzer.


Beendigung und Übertragung des Eigentümer-Besitzerverhältnisses

Das Eigentümer-Besitzerverhältnis endet grundsätzlich mit der Rückgabe oder dem Verlust der Sache. Eine Übertragung der Position als Besitzer kann durch Übereignung, Besitzkonstitut oder andere Rechtsgeschäfte erfolgen.


Bedeutung in der Praxis

Das Eigentümer-Besitzerverhältnis spielt insbesondere bei folgenden Rechtsverhältnissen eine entscheidende Rolle:

  • Miet- und Pachtverhältnisse
  • Leihverträge
  • Verwahrung
  • Sicherungsübereignung
  • Besitzschutz und -wehr (§§ 859 ff. BGB)

Es regelt dabei ausgewogen die Rechte und Pflichten sowohl des Eigentümers als auch des Besitzers, um den Schutz des jeweiligen Interesses zu gewährleisten.


Zusammenfassung

Das Eigentümer-Besitzerverhältnis stellt ein fundamentalen Bestandteil des Sachenrechts dar. Es regelt das Verhältnis zwischen dem dinglichen Recht des Eigentümers und dem tatsächlichen Besitz an einer Sache. Dabei differenziert das Gesetz zwischen verschiedenen Fallkonstellationen und Ansprüchen, um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen von Eigentümer und Besitzer zu ermöglichen. Die gesetzlichen Regelungen sind detailliert und decken ein breites Spektrum möglicher Konflikte und Ansprüche ab, wodurch das Eigentümer-Besitzerverhältnis zu einem der wichtigsten Institute des deutschen Zivilrechts zählt.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Ansprüche hat der Eigentümer gegenüber dem Besitzer, wenn dieser die Sache ungenehmigt nutzt?

Der Eigentümer einer Sache kann gegenüber dem Besitzer, der diese ohne Erlaubnis nutzt, verschiedene Ansprüche geltend machen. Zentral ist hierbei der sogenannte Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB („Eigentumsherausgabeanspruch“). Dieser ermöglicht es dem Eigentümer, die Sache vom unberechtigten Besitzer zurückzufordern. Darüber hinaus bestehen Besitzschutzansprüche gemäß §§ 861, 862 BGB, sofern der Eigentümer zuvor selbst Besitzer war und widerrechtlich vom Besitz verdrängt wurde. Zusätzlich kann der Eigentümer unter Umständen Schadensersatz verlangen, wenn durch die Nutzung der Sache ein Schaden entstanden ist (vgl. §§ 987 ff. BGB). Der Umfang des Schadensersatzes richtet sich insbesondere danach, ob der Besitzer gutgläubig oder bösgläubig handelt. Bösgläubige Besitzer haften in der Regel umfassender, etwa auf Nutzungsersatz und auf Ersatz für Verschlechterungen oder den Untergang der Sache (§§ 990, 992 BGB). Zudem kann der Eigentümer die Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen verlangen, wenn Wiederholungsgefahr besteht (§ 1004 BGB). All diese Ansprüche setzen jedoch voraus, dass der Anspruchsteller tatsächlich Eigentümer ist und der Besitzer keine eigenen Rechte wie Besitzrecht aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Rechtsverhältnis geltend machen kann.

Kann ein gutgläubiger Erwerber Besitzerrechte gegenüber dem Eigentümer geltend machen?

Im deutschen Recht kann ein gutgläubiger Erwerber einer beweglichen Sache in bestimmten Fällen ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) gegenüber dem Eigentümer geltend machen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der Erwerber die Sache von einem Nichtberechtigten erworben hat, jedoch im guten Glauben an die Berechtigung des Veräußerers war (§§ 932 ff. BGB). Der Erwerber erlangt dann selbst Eigentum an der Sache und kann dem bisherigen Eigentümer den Eigentumsherausgabeanspruch entgegensetzen. War der Erwerb jedoch nicht wirksam (z.B. wegen gestohlener Ware, § 935 BGB), bleibt der Eigentümer weiterhin zum Besitz berechtigt, und der Erwerber muss die Sache herausgeben. Ein gutes Beispiel zur Unterscheidung ist der Erwerb eines Gebrauchtwagens von einem Dieb (kein gutgläubiger Erwerb möglich) im Gegensatz zum Erwerb von einer Privatperson auf einem Flohmarkt (gutgläubiger Erwerb möglich, wenn keine offensichtlichen Zweifel bestehen). Das Besitzrecht basiert hierbei auf dem Erwerbstatbestand; gibt es kein den Eigentumsverlust ausschließendes Hindernis, kann auch der gutgläubige Erwerber dem Eigentümer Rechte entgegenhalten.

Ist der Besitzer zur Herausgabe der Sache immer verpflichtet?

Der Besitzer ist keineswegs immer zur Herausgabe der Sache an den Eigentümer verpflichtet. Die Verpflichtung zur Herausgabe entsteht nur dann, wenn der Besitzer kein eigenes Recht zum Besitz hat. Ein Recht zum Besitz kann sich aus verschiedenen Quellen ergeben, zum Beispiel aus vertraglichen Vereinbarungen wie Miete, Pacht, Leihe oder Nießbrauch (§ 986 BGB). Auch gesetzliche Besitzrechte wie das Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) oder Besitzrechte aus Gefährdungslagen (z.B. Finder einer verlorenen Sache, § 971 BGB) sind zu berücksichtigen. Darüber hinaus können besondere Eigentumserwerbsformen, wie der gutgläubige Erwerb, die Besitzrechte beeinflussen (vgl. vorherige Frage). Erst wenn kein solches Besitzrecht vorliegt oder dieses ausgelaufen ist, kann der Eigentümer den Herausgabeanspruch wirksam geltend machen.

In welchen Fällen kann der nicht-berechtigte Besitzer zur Auskunft über die Nutzung der Sache verpflichtet werden?

Ein unberechtigter Besitzer kann gemäß § 987 BGB dazu verpflichtet werden, dem Eigentümer Auskunft über die Nutzung der Sache zu erteilen. Dies ist insbesondere relevant, um dem Eigentümer die Geltendmachung von Schadensersatz- oder Nutzungsherausgabeansprüchen zu ermöglichen. Beispiele sind die Offenlegung von Erträgen bei der unbefugten Vermietung einer Wohnung oder die Ermittlung des Nutzenumfangs bei der widerrechtlichen Benutzung eines Fahrzeugs. Die Pflicht zur Auskunft erstreckt sich auf alle Tatsachen, die für die Bemessung von Ansprüchen nach §§ 987-993 BGB erheblich sind, einschließlich Art, Umfang und Dauer der Nutzung sowie die hierbei erzielten Vorteile oder Gewinne. Die Auskunftspflicht wird insbesondere dann scharf gefasst, wenn der Besitzer bösgläubig ist, das heißt, Kenntnis vom fehlenden Besitzrecht hatte.

Welche Rolle spielt die Bösgläubigkeit des Besitzers im Eigentümer-Besitzerverhältnis?

Die Bösgläubigkeit des Besitzers hat erhebliche Auswirkungen auf das Eigentümer-Besitzerverhältnis. Ein bösgläubiger Besitzer, der weiß oder aus grober Fahrlässigkeit nicht weiß, dass er nicht zum Besitz berechtigt ist, trifft eine verschärfte Haftung (§§ 990, 991 BGB). Insbesondere haftet er dem Eigentümer nicht nur auf Nutzungsherausgabe (§ 987 BGB), sondern auch auf Ersatz von Schäden, die aus der Nutzung, Verschlechterung oder dem Untergang der Sache resultieren. Bei gutgläubigen Besitzern beschränkt sich die Haftung auf das Herausgabeverlangen und ggf. auf die Herausgabe tatsächlich gezogener Nutzungen. Bösgläubige Besitzer unterliegen dagegen einer Schadensersatzhaftung, als hätten sie die Sache wie ein Eigentümer genutzt, außerdem müssen sie alle gezogenen und schuldhaft nicht gezogenen Nutzungen herausgeben. Die Beweislast der Bösgläubigkeit trifft im Streitfall in der Regel den Eigentümer.

Wie wirken sich Veränderungen und Verschlechterungen der Sache durch den Besitzer auf das Eigentümer-Besitzerverhältnis aus?

Veränderungen und Verschlechterungen einer Sache im Besitz eines nicht-berechtigten Besitzers unterliegen den Regelungen der §§ 987-993 BGB. Ein gutgläubiger unrechtmäßiger Besitzer haftet grundsätzlich nur für den Verlust und die Verschlechterung der Sache im Rahmen der von ihm tatsächlich gezogenen Nutzungen (§ 988 BGB). Ist der Besitzer jedoch bösgläubig (vgl. § 990 BGB), trägt er das volle Risiko und muss auch bei leichter Fahrlässigkeit für sämtliche Schäden aufkommen. Auch für zufälligen Untergang haftet er ab dem Zeitpunkt, in dem das Herausgabeverlangen zugeht (§ 990 Abs. 1 Satz 2 BGB). Im Gegensatz dazu kann ein gutgläubiger Besitzer Aufwendungen und Verwendungen auf die Sache im Rahmen der §§ 994-1003 BGB geltend machen und Ersatz verlangen. Im umgekehrten Fall, bei Verweigerung der Herausgabe, gehen Verbesserungen und Wertsteigerungen an den Eigentümer über, wobei ein Anspruch auf Ersatz vergeblicher Verwendungen gegeben sein kann (§ 996 BGB).

Können Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzerverhältnis verjähren?

Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzerverhältnis unterliegen grundsätzlich der regelmäßigen Verjährung gemäß §§ 194 ff. BGB. Der Herausgabeanspruch des Eigentümers (§ 985 BGB) verjährt in der Regel nach 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB), alle weiteren Ansprüche, wie Schadensersatz, Nutzungsherausgabe oder Verwendungsersatz, unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Die Frist beginnt bei Schadensersatz- und Nutzungsherausgabeansprüchen grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Eigentümer von den Umständen und der Person des Anspruchsgegners Kenntnis erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Verwendungsersatzansprüche können mit dem Besitzerwechsel oder mit dem Herausgabeverlangen des Eigentümers zu laufen beginnen. Ein Sonderfall ist die Ersitzung (§ 937 BGB); ist der Besitz 10 Jahre lang ununterbrochen und im guten Glauben ausgeübt worden, kann der Besitzer unter Umständen selbst Eigentum erwerben, wodurch ursprünglich bestehende Ansprüche des alten Eigentümers entfallen.