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Eigentliche Prospekthaftung


Eigentliche Prospekthaftung

Die eigentliche Prospekthaftung bezeichnet im deutschen Zivilrecht die spezialgesetzlich geregelte Verantwortlichkeit von Emittenten, Prospektverantwortlichen und weiteren Beteiligten für fehlerhafte oder unvollständige Angaben in einem Wertpapierprospekt oder sonstigen öffentlichen Angebotsunterlagen. Sie stellt eine zentrale Schutzvorschrift für Anleger dar und dient der Gewährleistung von Transparenz und Richtigkeit im Rahmen des Erwerbs von Wertpapieren und vergleichbaren Anlageformen.

Begriff und Abgrenzung

Die eigentliche Prospekthaftung ist von der sogenannten „uneigentlichen Prospekthaftung“ (Prospekthaftung im weiteren Sinne, insbesondere aus Delikt und Verschuldenshaftung außerhalb spezialgesetzlicher Vorschriften) abzugrenzen. Während bei der uneigentlichen Prospekthaftung Ansprüche außerhalb spezieller Haftungstatbestände, etwa aus § 823 BGB oder wegen Aufklärungsverschuldens, in Betracht kommen, fußt die eigentliche Prospekthaftung auf ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen, etwa dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG), dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) oder dem Börsengesetz (BörsG).

Rechtsgrundlagen

Wertpapierprospektgesetz (WpPG)

Das Wertpapierprospektgesetz (WpPG) bildet die zentrale Rechtsgrundlage für die Prospekthaftung beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren in Deutschland. Nach § 9 WpPG haften die Emittenten sowie weitere prospektverantwortliche Personen gegenüber Erwerberinnen und Erwerbern für Schäden, die infolge eines unrichtig oder unvollständig erstellten Prospekts entstehen.

Vermögensanlagengesetz (VermAnlG)

Das Vermögensanlagengesetz verpflichtet Anbieter von Vermögensanlagen, einen Verkaufsprospekt zu erstellen und haftet nach § 20 VermAnlG für unrichtige oder unvollständige Angaben in jenem Prospekt.

Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB)

Für Investmentvermögen und Investmentfonds sieht das KAGB entsprechende Prospektpflichten und Prospekthaftungstatbestände vor, insbesondere im Hinblick auf Verkaufsprospekte, wesentliche Anlegerinformationen und Halbjahres- sowie Jahresberichte.

Börsengesetz (BörsG)

Das Börsengesetz normiert in § 44 BörsG eine Prospekthaftung im Falle fehlerhafter oder unterlassener Angaben im Zusammenhang mit der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an der Börse.

Voraussetzungen und Umfang der Haftung

Haftungsadressaten

Haftungsadressaten sind typischerweise der Emittent, das Management (Mitglieder des Vorstands oder der Geschäftsführung), der Anbieter sowie gegebenenfalls weitere im Prospekt benannte Verantwortliche. Teilweise haften auch Garanten oder Sachverständige, sofern sie für einzelne im Prospekt enthaltene Informationen verantwortlich zeichnen.

Haftungsgrund

Voraussetzung für die Haftung ist, dass der Prospekt oder das öffentliche Angebot unrichtig, irreführend oder unvollständig ist und diese Mängel einen Vermögensschaden beim Erwerber herbeiführen. Es muss ein Kausalzusammenhang bestehen zwischen der Prospekthaftung und dem eingetretenen Schaden.

Verschuldensunabhängigkeit und Beweislast

Die meisten spezialgesetzlichen Prospekthaftungsvorschriften gehen von einer sogenannten verschuldensunabhängigen Haftung aus. Das bedeutet, dass die Verantwortlichen bereits für objektive Fehler im Prospekt haften, unabhängig davon, ob ihnen Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Die Haftungsadressaten haben allerdings die Möglichkeit, sich durch nachweisbare Sorgfalt oder rechtzeitige Korrektur vom Vorwurf zu entlasten. Hinsichtlich des Verschuldens und der Kenntnis von Fehlern verteilt das Gesetz die Beweislast oft zulasten der Verantwortlichen.

Anwendungsbereich

Die eigentliche Prospekthaftung findet primär Anwendung auf emissionsfähige Wertpapiere, Angebote von Vermögensanlagen, Anteile an Investmentvermögen sowie andere Finanzinstrumente, die dem Kapitalanlagerecht unterfallen, soweit dafür eine Prospektpflicht besteht.

Geltendmachung und Rechtsfolgen

Schadensersatz

Der geschädigte Erwerber kann im Falle der Haftung verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Anlage nicht erworben (sogenannter „Reue-Schaden“ oder „Rückabwicklungsanspruch“). Das betrifft regelmäßig die Erstattung des investierten Kapitals abzüglich etwaiger erhaltener Erträge. Zu ersetzen sind zudem weitere Vermögensnachteile, die aus dem Erwerb der durch den fehlerhaften Prospekt beworbenen Wertpapiere oder Vermögensanlagen resultieren.

Verjährung

Die spezialgesetzlichen Vorschriften normieren regelmäßig abweichend von der allgemeinen Verjährung spezielle Fristen. Nach § 12 WpPG verjähren Ansprüche aus Prospekthaftung beispielsweise spätestens drei Jahre ab Kenntnis des Mangels beziehungsweise maximal zehn Jahre nach Veröffentlichung des Prospekts. Vergleichbare Regelungen enthalten das VermAnlG sowie das KAGB.

Besonderheiten bei Klage und Beweisführung

Das Gericht prüft bei Prospekthaftungsklagen typischerweise den Zusammenhang zwischen Erwerb, Prospektfehler, Schadenseintritt und Kausalität. Die Darlegungslast ist zugunsten des Erwerbers ausgestaltet, während für die Entlastung des Prospektverantwortlichen strenge Anforderungen gelten.

Bedeutung im Anlegerschutz und aktuellen Entwicklungen

Die eigentliche Prospekthaftung bildet seit Jahrzehnten eine unverzichtbare Grundlage des Anlegerschutzes in Deutschland und Europa. Sie reduziert Informationsasymmetrien zwischen Emittenten und Anlegern und stärkt das Vertrauen in Kapitalmarkttransaktionen. In jüngerer Zeit sind die gesetzlichen Anforderungen an Prospekte und Haftung regelmäßig im Zuge der europäischen Harmonisierung, insbesondere durch die EU-Prospektverordnung, fortentwickelt worden.

Zusammenfassung

Die eigentliche Prospekthaftung dient der Sicherstellung korrekter und vollständiger Informationen beim Angebot von Wertpapieren und anderen Kapitalanlagen. Sie schützt Anleger vor Risiken irreführender oder fehlerhafter Prospekte und verpflichtet die verantwortlichen Personen zu umfassender Sorgfalt und Haftung. Die klare rechtliche Regelung stärkt das Vertrauen in die Integrität der Finanzmärkte und bildet einen wesentlichen Bestandteil des Kapitalmarktrechts.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Geltendmachung der eigentlichen Prospekthaftung erfüllt sein?

Für die Geltendmachung der eigentlichen Prospekthaftung müssen mehrere rechtliche Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Zunächst muss ein Prospekt für ein öffentlich angebotenes Wertpapier oder ein vergleichbares Anlageprodukt existieren, der zur Information potenzieller Anleger erstellt und veröffentlicht wurde. Weiterhin muss im Prospekt eine wesentliche Unrichtigkeit, Unvollständigkeit oder Irreführung enthalten sein, das heißt, es fehlen Informationen oder es werden fehlerhafte Angaben gemacht, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind. Im Rahmen der Haftung wird vorausgesetzt, dass der Anleger auf die Prospektangaben vertraut und gerade aufgrund der fehlerhaften Informationen eine Entscheidung getroffen und dadurch einen finanziellen Schaden erlitten hat. Zwischen dem fehlerhaften Prospekt und dem Schaden muss somit ein Ursachenzusammenhang (Kausalität) bestehen. Schließlich ist erforderlich, dass der Anspruch gegen eine haftende Person oder Institution gerichtet werden kann, beispielsweise gegen den Emittenten, den Prospektverantwortlichen oder sonstige im Gesetz genannte Parteien, die für den Inhalt des Prospekts verantwortlich sind.

Wer ist im Rahmen der eigentlichen Prospekthaftung haftbar?

Haftbar im Rahmen der eigentlichen Prospekthaftung sind grundsätzlich diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die für den Inhalt des Prospekts verantwortlich zeichnen. Dies sind regelmäßig der Emittent der Wertpapiere, die Prospektverantwortlichen sowie sonstige Personen, die ausdrücklich im Prospekt als für dessen Inhalt verantwortlich bezeichnet werden. Auch Anbieter oder Gründungsgesellschafter können je nach Konstellation haftbar gemacht werden, sofern sie sich für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts verbürgen oder tatsächlich Einfluss auf den Prospektinhalt genommen haben. Mitunter sind rechtsspezifische Vorschriften einschlägig, die die Haftungsadressaten genauer bestimmen, etwa §§ 9 ff. Wertpapierprospektgesetz (WpPG) oder § 13 Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). In bestimmten Fällen kann auch eine Verantwortlichkeit von Organmitgliedern (z.B. Vorstand oder Aufsichtsrat) eines Emittenten bestehen, wenn diese für den Prospekt verantwortlich zeichneten.

Welche Fristen sind bei der eigentlichen Prospekthaftung zu beachten?

Die Geltendmachung von Ansprüchen im Rahmen der Prospekthaftung unterliegt bestimmten gesetzlichen Verjährungsfristen. Nach § 21 WpPG beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich zwei Jahre ab dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts sowie von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, spätestens jedoch zehn Jahre nach dem öffentlichen Angebot oder der Einbeziehung der Wertpapiere in den Handel. Bei anderen Anlageformen, wie nach dem VermAnlG, können abweichende Fristen gelten. Es ist für die Anspruchsdurchsetzung wesentlich, diese Fristen strikt zu beachten, da nach deren Ablauf Ansprüche regelmäßig nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden können.

Welche Rechte hat ein geschädigter Anleger bei erfolgreicher Inanspruchnahme aus Prospekthaftung?

Ein geschädigter Anleger, der Schadensersatzansprüche im Rahmen der Prospekthaftung erfolgreich geltend macht, hat in der Regel das Recht, so gestellt zu werden, als hätte er die fehlgeleitete Anlageentscheidung nicht getroffen. Dies bedeutet regelmäßig, dass der Anleger Rückzahlung des investierten Betrags abzüglich etwaig erhaltener Zahlungen (wie Zinsen oder Dividenden) verlangen kann. Im Gegenzug muss der Anleger die erworbenen Wertpapiere oder Vermögensanlagen an den Haftungspflichtigen zurückgeben oder abtreten. Ferner können etwaige Folgeschäden oder entgangene Gewinne unter bestimmten Voraussetzungen geltend gemacht werden, sofern ein entsprechender Kausalzusammenhang nachgewiesen wird.

Welche Bedeutung hat die Kausalitätsvermutung bei der Prospekthaftung?

Im Kontext der Prospekthaftung gilt zugunsten des geschädigten Anlegers eine sogenannte Kausalitätsvermutung. Dies bedeutet, dass die Rechtsprechung annimmt, der Erwerb der Wertpapiere sei gerade wegen des fehlerhaften Prospekts erfolgt. Der Anleger wird somit von der schwierigen Beweislast entlastet, im Einzelnen darzulegen, dass genau der Prospektfehler seine Anlageentscheidung maßgeblich beeinflusst hat. Der Haftungspflichtige kann diese Vermutung allerdings widerlegen, wenn er nachweist, dass der Anleger das Geschäft auch bei Kenntnis der richtigen Angaben abgeschlossen hätte (sog. „Beweis des Gegenteils“). Diese Vermutung erhöht die Erfolgsaussichten geschädigter Anleger wesentlich und dient dem Anlegerschutz.

Wie unterscheidet sich die eigentliche Prospekthaftung von der sogenannten uneigentlichen Prospekthaftung?

Die eigentliche Prospekthaftung ist im Gegensatz zur uneigentlichen gesetzlich ausdrücklich geregelt (insbesondere im Wertpapierprospektgesetz und anderen spezialgesetzlichen Bestimmungen) und betrifft Fehler im Verkaufsprospekt bei öffentlichen Angeboten oder Börsengängen. Die uneigentliche Prospekthaftung hingegen stützt sich auf allgemeine zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere auf deliktische Anspruchsgrundlagen (§ 823 BGB) oder die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo, c.i.c.), wenn kein einschlägiges spezialgesetzliches Haftungsregime greift. Die Anforderungen, Rechtsfolgen und die Zahl der Haftungsadressaten sind daher unterschiedlich ausgestaltet, wobei die eigentliche Prospekthaftung meist als strengeres und weitergehendes Haftungsregime zu werten ist.

Gibt es Haftungsbeschränkungen oder -ausschlüsse im Rahmen der Prospekthaftung?

Ja, das Gesetz sieht bestimmte Haftungsbeschränkungen und -ausschlüsse im Rahmen der Prospekthaftung vor. Insbesondere ist die Haftung ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts bei gehöriger Sorgfalt nicht bekannt sein konnte („Exkulpation wegen fehlenden Verschuldens“). Zudem können Ansprüche ausgeschlossen sein, wenn der Anleger positive Kenntnis vom Prospektfehler hatte (§ 12 Abs. 1 WpPG). Häufig werden durch die Vorschriften auch bestimmte Höchstbeträge für die Haftung einzelner Beteiligter definiert. Schließlich sind vertragliche Haftungsbeschränkungen gegenüber Verbrauchern in der Regel unwirksam, da sie gegen gesetzliche Schutznormen zum Nachteil des Anlegers verstoßen würden.