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Eigentlich


Bedeutung und Verwendung des Begriffs „Eigentlich“ im rechtlichen Kontext

Der Begriff „eigentlich“ nimmt innerhalb des deutschen Rechtswesens eine besondere Stellung ein, da er sowohl im Alltagsverständnis als auch in der Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen eine Rolle spielen kann. Die folgende Abhandlung beleuchtet die rechtliche Relevanz, die unterschiedlichen Anwendungsbereiche und die potentielle Wirkung des Begriffs „eigentlich“ in Rechtstexten, Urteilen, Vertragswerken sowie der Gesetzesauslegung.


1. Allgemeine Auslegung des Begriffs „Eigentlich“

1.1 Sprachgebrauch und Rechtswissenschaft

Das Adverb „eigentlich“ hat im allgemeinen Sprachgebrauch die Funktion, eine ursächliche oder intendierte Bedeutung eines Sachverhalts zu beschreiben und kann einen Unterschied zwischen Schein und Wirklichkeit verdeutlichen. Im rechtlichen Kontext besitzt die Verwendung des Begriffs daher häufig eine nuancierte Bedeutung und muss mit Sorgfalt interpretiert werden. Er kann – abhängig vom Zusammenhang – Abgrenzungen, Einschränkungen oder Relativierungen hervorrufen.

1.2 Etymologie und Entwicklung

Das Wort „eigentlich“ leitet sich etymologisch vom althochdeutschen „eigenti“ ab und steht für das „im Eigenen liegend“, d. h. das, was den wahren Kern einer Angelegenheit betrifft. Diese Definition fließt auch in die rechtliche Betrachtung ein.


2. Rechtliche Relevanz und Funktion des Begriffs „Eigentlich“

2.1 Bedeutung in Gesetzestexten und Normen

In Gesetzestexten wird der Begriff „eigentlich“ nur äußerst selten verwendet, da die Gesetzessprache in Deutschland grundsätzlich auf Präzision und Eindeutigkeit angelegt ist. Sollte das Wort dennoch Eingang in eine Norm finden, hätte es die Funktion, den gesetzgeberischen Regelfall zu kennzeichnen beziehungsweise eine begriffliche Abgrenzung zum atypischen Einzelfall herzustellen.

Beispiel:
In älteren Gesetzestexten oder historischen Rechtsquellen kann der Begriff noch als Umschreibung für „im Regelfall“ oder „im Allgemeinen“ aufgefunden werden.

2.2 Bedeutung in Verträgen und Willenserklärungen

Die Nutzung von „eigentlich“ in Verträgen, Klauseln oder Willenserklärungen ist regelmäßig kritisch zu betrachten. Da der Begriff Unsicherheit oder eine innere Einschränkung ausdrücken kann, steht der Grundsatz der Klarheit und Bestimmtheit privatrechtlicher Erklärungen im Vordergrund (§ 133 BGB – Auslegung von Willenserklärungen). Die Verwendung des Begriffs „eigentlich“ kann daher zur Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit einer Rechtsfolge beitragen, wenn aus dem Vertragstext Unsicherheiten über die beabsichtigte Rechtsfolge resultieren.

Beispiel:
Formulierungen wie „Eigentlich sollte die Zahlung zum Monatsende erfolgen“ können Zweifel an der Rechtsverbindlichkeit und Verbindlichkeit der Klausel auslösen und erfordern eine sorgfältige Auslegung durch die Gerichte.

2.3 Verwendung in gerichtlichen Entscheidungen und Urteilsbegründungen

In Urteilsbegründungen und rechtswissenschaftlichen Kommentierungen lässt sich der Begriff „eigentlich“ häufiger als rhetorisches Mittel finden. Richterinnen und Richter nutzen das Wort, um zwischen der gesetzlichen Regel und deren praktischer Anwendung, zwischen Idealvorstellung und Realität oder zur Markierung von Wertungsdiskrepanzen abzugrenzen. Auch kann „eigentlich“ zur Darstellung einer Meinungsänderung oder zur Einleitung einer Ausnahme innerhalb der Urteilsbegründung dienen.

Beispiel:
„Eigentlich hätte das Gericht nach dem Gesetz xy auf die vorliegende Konstellation die Norm z anwenden müssen, indessen …“


3. Rechtsauslegung und Interpretation von normativen Texten mit dem Begriff „Eigentlich“

3.1 Auslegungsgrundsätze

Für die Deutung von Gesetzestexten, Verträgen oder sonstigen rechtsverbindlichen Erklärungen, in denen der Begriff „eigentlich“ verwendet wird, gelten die traditionellen Methoden der Rechtsauslegung. Insbesondere kann der Wortsinn (grammatikalische Auslegung) gemäß § 133, § 157 BGB herangezogen werden, aber auch die systematische und teleologische Auslegung, um den Regelungsgehalt und Sinnzusammenhang zu klären.

3.2 Gefahren und Risiken der Verwendung

Der unscharf-abgrenzende Charakter des Begriffs „eigentlich“ birgt Unsicherheiten. Werden rechtsverbindliche Erklärungen, Verträge oder sonstige Dokumente mit „eigentlich“ formuliert, entsteht ein erhöhtes Risiko für Auslegungsstreitigkeiten, da mehrere Verständnisweisen in Betracht kommen können. Dies steht dem Grundsatz widerspruchsfreier und klarer Rechtsanwendung entgegen (Bestimmtheitsgebot).


4. Rolle des Begriffs „Eigentlich“ in der Rechtstheorie und Dogmatik

4.1 Relativierung und Ausnahme von Regelungen

Rechtstheoretisch kann „eigentlich“ als Ausdruck eines Regel-Ausnahme-Prinzips verstanden werden. Die Wendung hebt häufig den Regelfall hervor, eröffnet aber im selben Zuge zugleich die Möglichkeit einer Ausnahme (Verhältnis von Norm und Ausnahmefall).

4.2 „Eigentlich“ als typisches Denkmodell

Vor allem in der Argumentation und Diskussion juristischer Fragestellungen taucht „eigentlich“ als Mittel zur Relativierung oder zur Verdeutlichung von Wertungswidersprüchen auf. So werden beispielsweise in Kommentaren, Gesetzesbegründungen oder bei der Subsumtion häufig Formulierungen wie „eigentlich sollte gelten…“, „eigentlich ist zu erwarten…“ benutzt, um ein Spannungsverhältnis aufzuzeigen.


5. Konkrete Fälle und Beispiele aus der Rechtsprechung

5.1 Anwendung des Begriffs in Urteilen

Die Rechtsprechung nutzt den Begriff vereinzelt, um Unterschiede zwischen abstrakter Gesetzeslage und spezifischer Sachverhaltskonstellation herauszuarbeiten. „Eigentlich“ wird zum Stilmittel, um eine Norm zu erläutern, auf ihren Zweck hinzuweisen oder praktische Abweichungen festzustellen. Die genaue Bedeutung ist kontextabhängig und erfordert jeweils eine Einzelfallbetrachtung.

5.2 Fallstricke bei Vertragsgestaltung

In der Vertragsgestaltung kann die Nutzung von „eigentlich“ zur Unklarheit und Streitigkeiten über Inhalt und Tragweite einer Vereinbarung führen. Gerichte sind in diesen Fällen nach § 157 BGB verpflichtet, den wirklichen Willen der Parteien zu erforschen.


6. Fazit

Der Begriff „eigentlich“ besitzt im deutschen Recht keine klar umrissene, rechtstechnische Bedeutung, entfaltet jedoch erhebliche Relevanz in der Auslegung und Gestaltung rechtlicher Texte. Sein Gebrauch ist mit Vorsicht zu behandeln, da er Unsicherheiten transportiert und als Indikator für Regel-Ausnahme-Strukturen dienen kann. Soweit möglich, sollte in rechtlich bindenden Texten eine eindeutige Sprache bevorzugt werden, um Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Die genaue Interpretation hängt stets vom jeweiligen Kontext ab, weshalb eine sorgfältige Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände unerlässlich ist.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Auswirkungen hat die Verwendung des Wortes „eigentlich“ in Verträgen?

Die Verwendung des Begriffs „eigentlich“ in Verträgen sollte aus juristischer Sicht möglichst vermieden werden, da er einen unklaren Bedeutungsgehalt aufweist und Interpretationsspielraum lässt. In der Vertragssprache ist Präzision unabdingbar, um Missverständnisse zwischen den Parteien zu vermeiden. Der Begriff „eigentlich“ signalisiert eine Einschränkung oder eine nicht verbindliche Aussage, was zu Unsicherheiten hinsichtlich der Rechte und Pflichten führen kann. Kommt es im Streitfall zu einer gerichtlichen Auslegung, besteht das Risiko, dass Passagen, in denen „eigentlich“ verwendet wird, als Absichtserklärung oder bloße Meinungsäußerung und nicht als verbindliche Verpflichtung gewertet werden. Dies kann gravierende Auswirkungen auf die Durchsetzbarkeit und die Auslegung des jeweiligen Vertragsteils haben. Auch bei der Anwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist zu beachten, dass unklare Formulierungen im Zweifel zulasten des Verwenders gehen (§ 305c Abs. 2 BGB). Aus diesen Gründen raten Juristen dazu, auf eine klare, eindeutige Sprache im Vertragswerk zu achten und vage Formulierungen wie „eigentlich“ zu vermeiden oder explizit zu definieren, falls sie doch verwendet werden müssen.

Kann die Verwendung von „eigentlich“ in Zeugenaussagen vor Gericht die Glaubwürdigkeit beeinflussen?

Die Verwendung von „eigentlich“ in Zeugenaussagen kann die Glaubwürdigkeit und Beweiskraft einer Aussage erheblich beeinträchtigen. Das Wort deutet auf Unsicherheit oder Relativierung hin und kann für das Gericht ein Indiz sein, dass der Zeuge keinen eindeutigen oder klaren Kenntnisstand hat. In der Beweiswürdigung müssen Richter die Qualität und Belastbarkeit der Aussagen beurteilen. Formulierungen wie „eigentlich habe ich das gesehen“ oder „eigentlich war ich anwesend“ lassen Zweifel aufkommen, ob der Zeuge sich an den Sachverhalt tatsächlich und mit der nötigen Sicherheit erinnert. Diese Unsicherheiten können zur Folge haben, dass das Gericht der Aussage ein geringeres Gewicht beimisst oder sie als nicht entscheidungsrelevant betrachtet. Daher sollten Zeugen nach Möglichkeit präzise und ohne einschränkende oder abschwächende Worte wie „eigentlich“ aussagen, um ihre Glaubwürdigkeit und den Wert ihrer Aussage nicht zu beeinträchtigen.

Wie kann „eigentlich“ das Verständnis von vertraglichen Zusicherungen oder Gewährleistungen beeinflussen?

In rechtlichen Dokumenten, insbesondere in Bezug auf Zusicherungen oder Gewährleistungen, kann die Verwendung von „eigentlich“ erhebliche Unsicherheiten schaffen. Verwendet eine Partei „eigentlich“ im Rahmen einer Zusicherung, etwa „Eigentlich ist das Produkt frei von Mängeln“, so wird die Aussage relativiert und der Bindungswille in Frage gestellt. Solche Formulierungen erschweren die spätere Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen, da der potenzielle Anspruchsgegner argumentieren könnte, dass keine verbindliche Zusage gegeben wurde. Im Ergebnis wird dadurch möglicherweise der gesamte Regelungsgehalt der Gewährleistungspflicht geschwächt. Gerichte interpretieren solche Formulierungen nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB), was bedeutet, dass das Verständnis eines außenstehenden, redlichen Erklärungsempfängers maßgeblich ist. Kommt es zu einer Auslegungsklage, können missverständliche oder eingeschränkte Formulierungen das Risiko erhöhen, Ansprüche nicht durchsetzen zu können. Daher ist von der Verwendung vager Begriffe in Bezug auf verbindliche Zusagen grundsätzlich abzuraten.

Welche Rolle spielt „eigentlich“ im Rahmen von Abmahnungen oder Unterlassungserklärungen?

Im Kontext von Abmahnungen oder Unterlassungserklärungen führt die Verwendung von „eigentlich“ schnell dazu, dass der notwendige Ernst und die juristische Verbindlichkeit der Erklärung verloren gehen. Eine Abmahnung ist typischerweise Voraussetzung für die Durchsetzung von Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen, insbesondere im Wettbewerbs-, Urheber- und Arbeitsrecht. Wird in einer Unterlassungserklärung erklärt, man werde „eigentlich“ ein bestimmtes Verhalten unterlassen, fehlt es an der für eine wirksame Unterlassungserklärung notwendigen Bestimmtheit und Ernsthaftigkeit. Folge kann die Unwirksamkeit der Unterlassungserklärung sein, weshalb der Anspruchsteller weiterhin gerichtlich vorgehen kann. Auch für die Wirksamkeit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist eine eindeutige, vorbehaltlose Erklärung erforderlich. Die Aufnahme des Begriffs „eigentlich“ sorgt für rechtliche Unsicherheit und wird von den Gerichten regelmäßig als unzureichend angesehen.

Hat die Verwendung von „eigentlich“ Auswirkungen bei der Auslegung von Willenserklärungen?

„Eigentlich“ kann im Kontext von Willenserklärungen zu erheblichen Auslegungsproblemen führen. Nach den §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Eine Willenserklärung, die durch das Wort „eigentlich“ relativiert wird, kann so interpretiert werden, dass sie keinen unbedingten Rechtsbindungswillen enthält. Die Jurisprudenz verlangt aber, dass der innere Wille des Erklärenden zwar maßgeblich ist, jedoch die Erkennbarkeit nach außen (Auslegung nach dem sogenannten Empfängerhorizont) zählt. Formulierungen mit „eigentlich“ lassen für den Empfänger offen, ob der Erklärende sich eindeutig und verbindlich äußern wollte. Das kann im Streitfall dazu führen, dass eine Willenserklärung als schwebend unwirksam oder nicht existent angesehen wird. Aus diesem Grund wird in Anwaltspraxis und Rechtsprechung empfohlen, klar und eindeutig zu formulieren, um die gewünschte Rechtsfolge eindeutig herbeizuführen.

Inwiefern beeinflusst „eigentlich“ die Verbindlichkeit von Angeboten im Vertragsrecht?

Angebote im Sinne des § 145 BGB müssen bestimmt und verbindlich sein, damit sie grundsätzlich zur Annahme verpflichtet sind. Der Zusatz „eigentlich“ relativiert diese Verbindlichkeit erheblich und signalisiert, dass der Anbietende sich möglicherweise einen Widerruf oder spätere Änderungen vorbehält. Ein Angebot mit einer Formulierung wie „eigentlich biete ich Ihnen X zu den genannten Bedingungen an“ lässt Zweifel an der endgültigen Entscheidungsfreiheit bestehen und kann im Extremfall sogar dazu führen, dass überhaupt kein „Angebot“, sondern lediglich eine „invitatio ad offerendum“ – also eine Einladung, ein Angebot abzugeben – vorliegt. Für den Rechtsverkehr ist dies höchst unerwünscht, da hierdurch die Rechtsklarheit und Berechenbarkeit erheblich beeinträchtigt werden. Insbesondere im Handelsverkehr, wo Geschwindigkeit und Rechtssicherheit unerlässlich sind, kann die Verwendung solcher vagen Begriffe zu Regressforderungen und Streitigkeiten führen. Daher ist bei der Abfassung von Angeboten eine klare, eindeutige Sprache zwingend.

Welche Folgen kann der Gebrauch von „eigentlich“ in Arbeitszeugnissen aus juristischer Sicht haben?

Die Bewertung der Verwendung von „eigentlich“ in Arbeitszeugnissen erfolgt rechtlich unter besonderer Berücksichtigung des Zeugnisrechts (§ 109 GewO). Das Arbeitszeugnis muss wohlwollend und zugleich wahrheitsgemäß formuliert sein. Die Verwendung von „eigentlich“ – beispielsweise „Er war eigentlich immer pünktlich“ – wird häufig als „geheime Zeugnissprache“ verstanden und kann sich nachteilig für den Arbeitnehmer auswirken. Gerichte prüfen, ob solche Formulierungen verdeckt negative Aussagen transportieren und damit einer unzulässigen Zeugnissprache gleichkommen. Im Zweifel kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Zeugnisses verlangen, wenn durch vage Zusätze der objektive Bedeutungsgehalt der Aussage negativ beeinflusst wird oder die beruflichen Perspektiven dadurch erheblich beeinträchtigt werden. Zudem kann ein so formuliertes Zeugnis nicht als qualifiziertes Arbeitszeugnis anerkannt werden, da es an Klarheit und Bestimmtheit mangelt. Das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen steigt durch den Einsatz dieses Begriffs somit signifikant an.