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Eigenhändiges Delikt


Eigenhändiges Delikt

Das eigenhändige Delikt ist ein Begriff aus dem Strafrecht, der sich auf Straftatbestände bezieht, deren Verwirklichung die persönliche Vornahme einer bestimmten Handlung durch den Täter zwingend voraussetzt. Eigenhändige Delikte zeichnen sich dadurch aus, dass ausschließlich derjenige als Täter in Betracht kommt, der die Tathandlung selbst ausführt. Von zentraler Bedeutung ist hierbei das persönliche Tätigwerden, worin sich diese Deliktsart von anderen unterscheidet.

Begriffsdefinition und Abgrenzung

Ein eigenhändiges Delikt liegt immer dann vor, wenn das Gesetz ausdrücklich oder dem Wesen nach verlangt, dass der Täter eine bestimmte Tatbestandsverwirklichung höchstpersönlich vornimmt. Dies steht im Gegensatz zu sogenannten „allgemeinen Delikten“, bei denen auch mittelbare Täterschaft oder Mittäterschaft möglich ist.

Unterschied zu anderen Deliktstypen

Allgemeine Delikte: Bei diesen kann die Tat auch durch Mittäter oder mittelbare Täter:innen begangen werden. Es kommt nicht ausschließlich darauf an, wer die Ausführungshandlung vorgenommen hat.

Sonderdelikte: Diese setzen besondere persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse des Täters voraus, wie z. B. Amtsträgerstatus, verlangen aber nicht immer ein höchstpersönliches Handeln.

Eigenhändiges Sonderdelikt: Ein Begriff, der eigenhändige mit besonderen persönlichen Merkmalen kombiniert, wie etwa bei der Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB), die nur vom Fahrzeugführer persönlich begangen werden kann.

Tatbestandsmerkmale und Ausprägungen

Eigenhändige Delikte setzen voraus, dass die Tathandlung vom Täter höchstpersönlich durchgeführt wird. Typische Ausprägungen finden sich insbesondere bei bestimmten Straftaten gegen die körperliche Integrität und bei sogenannten Tätigkeitsdelikten.

Beispiele für eigenhändige Delikte

  • Meineid (§ 154 StGB): Der Eid muss selbst abgelegt werden.
  • Falsche uneidliche Aussage (§ 153 StGB): Die Aussage muss von der betreffenden Person selbst getätigt werden.
  • Körperverletzung (§ 223 StGB): Die körperliche Misshandlung oder Schädigung muss persönlich vorgenommen werden.
  • Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB): Die Handlung – das Führen eines Fahrzeugs – muss vom Täter selbst erfolgen.
  • Selbstanzeige einer Straftat (§ 153 StGB): Auch hier ist ein persönliches Handeln erforderlich.

Rechtsfolgen und Täterschaft

Bei eigenhändigen Delikten kann nur der tatsächliche Ausführende Täter im Sinne des Gesetzes sein. Die mittelbare Täterschaft (durch einen anderen handeln lassen) ist bei dieser Deliktsgruppe rechtlich ausgeschlossen. Auch eine Mittäterschaft, also die gemeinsame Verwirklichung des Tatbestandes, ist nur insoweit möglich, als alle Beteiligten die eigenhändige Tatbegehung selbst vornehmen.

Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe)

Obwohl die Täterschaft auf den Ausführenden beschränkt ist, können an eigenhändigen Delikten auch andere Personen beteiligt sein. Diese haften regelmäßig wegen Teilnahme, das heißt durch Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB). Eine mittelbare Täterschaft ist ohne die persönliche Ausführung der Handlung ausgeschlossen, sodass eine Person, die einen anderen zur Begehung einer eigenhändigen Tat veranlasst, nicht als mittelbarer Täter, sondern nur als Anstifter in Betracht kommt.

Mittäterschaft und eigenhändiges Delikt

Eine gemeinsame Tatausführung im Sinne der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) ist nur möglich, wenn alle Mitwirkenden die eigenhändige Handlung selbst ausführen. Andernfalls ist eine Haftung als Mittäter ausgeschlossen, und es bleibt lediglich die Teilnahme übrig.

Besonderheiten bei der Strafzumessung

Bei eigenhändigen Delikten ist die Strafzumessung oft durch das persönlichkeitsbezogene Unrecht bestimmt. Da das Gesetz auf die individuelle Verantwortlichkeit abstellt, ist eine Übertragung der Tat auf andere Personen nicht möglich. Teilnehmer können mithin nur nach den Grundsätzen der Teilnahme bestraft werden.

Bedeutung in der Praxis

Eigenhändige Delikte kommen insbesondere dort zur Anwendung, wo der Gesetzgeber aus Gründen der Beweisführung oder der Vermeidung von Strafbarkeitslücken verlangt, dass der Täter selbst eine bestimmte Handlung vornimmt. Sie sichern damit ein hohes Maß an Rechtssicherheit und verhindern eine Ausweitung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf Fälle, in denen keine persönliche, tatbestandsmäßige Handlung vorliegt.

Schutzgüter eigenhändiger Delikte

Der Schutz eigener Interessen wie körperliche Integrität, Eigentum oder die Wahrhaftigkeit vor Gericht steht zumeist im Vordergrund eigenhändiger Delikte. Sie betreffen typischerweise direkte Verletzungen oder Gefährdungen, die nur durch die unmittelbare Handlung des Täters verwirklicht werden können.

Zusammenfassung

Das eigenhändige Delikt bildet eine besondere Kategorie im Strafrecht, die durch das Erfordernis der höchstpersönlichen Tatbegehung des Täters geprägt ist. Dieses Merkmal bringt erhebliche Konsequenzen für die Bestimmung von Täterschaft, Teilnahme und Strafbarkeit mit sich. Die Gesetzgebung setzt eigenhändige Delikte bewusst ein, um die Verantwortlichkeit strikt an die tatsächliche Handlung zu binden und eine Überdehnung strafrechtlicher Haftung zu verhindern.


Literaturhinweis

  • Wessels/Beulke/Satzger: Strafrecht Allgemeiner Teil
  • Kühl: Strafrecht Allgemeiner Teil
  • Roxin: Strafrecht Allgemeiner Teil

Weiterführende Schlagwörter
Sonderdelikt, Täterprinzip, Tatbegehung, Strafrecht, Teilnahme, Mittäterschaft, Beihilfe, Anstiftung, Tatbestandsmäßigkeit

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedeutung hat das eigenhändige Delikt in Bezug auf Täterschaft und Teilnahme?

Das eigenhändige Delikt stellt im Strafrecht eine besondere Deliktsform dar, bei der das Gesetz ausdrücklich voraussetzt, dass bestimmte Tathandlungen nur durch die persönlich handelnde Person („eigenhändig“) verwirklicht werden können. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf Fragen rund um Täterschaft und Teilnahme (§§ 25 ff. StGB). So kann bei einem eigenhändigen Delikt grundsätzlich nur derjenige Täter sein, der die vorgeschriebene Handlung persönlich ausführt. Eine mittelbare Täterschaft nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB („Werkzeugtheorie“) kommt in diesen Fällen in der Regel nicht in Betracht, weil sich die Tathandlung nicht von einem Dritten ausführen lässt. Zu den klassischen Beispielen zählen in der deutschen Rechtsordnung etwa die Falschaussage (§ 153 StGB), die ausschließlich vom Zeugen eigenhändig begangen werden kann, oder die Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB), die voraussetzt, dass der Täter selbst das Fahrzeug geführt hat. Teilnahme- oder Anstiftungsdelikte (§§ 26, 27 StGB) sind zwar möglich, der Anstifter oder Gehilfe kann jedoch ausschließlich wegen Teilnahme und nicht wegen Täterschaft belangt werden. Somit entfällt bei eigenhändigen Delikten eine Täterschaft kraft „Hintermanns“, was die Abgrenzung zur Teilnahme besonders bedeutsam macht.


Warum können eigenhändige Delikte nur als Sonderdelikte qualifiziert werden?

Eigenhändige Delikte setzen eine besondere, rechtlich qualifizierte Täterrolle voraus: Es muss sich zwingend um die Person handeln, welche die gesetzlich umschriebene Handlung höchstpersönlich vornimmt. Damit sind sie „Sonderdelikte“ im Sinne des § 14 StGB, da ein spezifisches Tätermerkmal – hier die Eigenhändigkeit – vorliegen muss, das über die allgemeine Tathandlung hinausgeht. Dies schließt einen Personenkreis, der dieses Merkmal nicht aufweist (z.B. Nicht-Autofahrer bei § 316 StGB), von der unmittelbaren Täterschaft aus. Im Ergebnis wird so der Kreis möglicher Täter beschränkt und eine Zurechnung von Täterschaftshandlungen auf andere Personen – anders als bei Allgemeindelikten – explizit ausgeschlossen.


Wie wirkt sich die Eigenhändigkeit auf den Versuch des Delikts aus?

Auch beim Versuch eines eigenhändigen Delikts bleibt das Erfordernis der persönlichen Tatausführung maßgeblich. Der Versuch setzt nach § 22 StGB voraus, dass der Täter „nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt“. Bei eigenhändigen Delikten bedeutet dies, dass nur das unmittelbare eigene Ansetzen zur gesetzlich geforderten Tathandlung den Versuchstatbestand erfüllt. Eine bloße Veranlassung oder Unterstützung genügt nicht. Die Eigenhändigkeit begrenzt daher die Versuchsstrafbarkeit auf den unmittelbaren Täter, was insbesondere bei vorbereitenden oder unterstützenden Handlungen relevant ist.


Gibt es Ausnahmen, bei denen trotz Eigenhändigkeit mittelbare Täterschaft angenommen werden kann?

Im Regelfall schließt das Erfordernis der eigenhändigen Tatausführung eine mittelbare Täterschaft aus. In der Rechtsprechung und im Schrifttum werden jedoch vereinzelt Ausnahmen diskutiert. Solche Ausnahmen können in Erwägung gezogen werden, wenn das Gesetz zwar formal die Eigenhändigkeit fordert, die Handlung aber faktisch von jemand anderem beeinflusst oder gesteuert wird (sog. „Tatherrschaft hinter dem Rücken des Tatmittlers“). Allerdings handelt es sich hierbei um absolute Ausnahmen, da die herrschende Meinung fest davon ausgeht, dass bei strikt eigenhändigen Delikten – wie der Falschaussage oder dem Fahrens unter Alkohol – keine mittelbare Täterschaft möglich ist, selbst wenn der unmittelbar Ausführende schuldlos oder willenslos handelt. Die Schwelle zur Strafbarkeit als mittelbarer Täter bleibt folglich äußerst hoch.


Welche Auswirkungen hat das eigenhändige Delikt auf die Straflosigkeit des Hintermanns?

Da bei eigenhändigen Delikten nur der eigenhändige Täter unmittelbar strafbar ist, ist der sog. Hintermann (etwa der Anstifter, der eine andere Person zur Tat anstiftet oder diese leitet) auf die Teilnahmeformen beschränkt. Somit kann der Hintermann sich allenfalls wegen Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) zur Tat verantworten, nicht jedoch als Täter oder mittelbarer Täter. Die Eigenhändigkeit fixiert also den Schuldvorwurf auf die Person, die die Tathandlung ausgeführt hat. In der Konsequenz schützt dieses Prinzip vor einer ungerechtfertigten Ausweitung des Täterkreises bei höchstpersönlichen Delikten.


Wie werden Versuch und Teilnahme bei eigenhändigen Delikten strafrechtlich voneinander abgegrenzt?

Die strikte Unterscheidung von Versuch und Teilnahme erhält bei eigenhändigen Delikten besondere Bedeutung. Während beim Versuch ausschließlich der eigenhändig handelnde Täter erfasst wird, können Anstifter und Gehilfen lediglich wegen Teilnahmehandlung verfolgt werden. Die Grenze verläuft hier scharf: Wer nicht selbst eigenhändige Tathandlungen vornimmt, kann nicht Täter des Versuchs sein. Gehilfen oder Anstifter, die zum Versuch eines eigenhändigen Deliktes beitragen, machen sich daher nicht wegen versuchten eigenhändigen Deliktes strafbar, sondern lediglich wegen versuchter Teilnahmeform, soweit diese gesetzlich vorgesehen ist.


Können Organ- oder Vertreterhandlungen im Zusammenhang mit eigenhändigen Delikten eine Täterschaft begründen?

Im Falle eigenhändiger Delikte ist nach herrschender Meinung ausgeschlossen, dass Organ- oder Vertreterhandlungen zu einer Täterschaft des Vertretenen führen. In den Fällen, in denen beispielsweise ein gesetzlicher Vertreter im Namen des Vertretenen (z.B. eines Geschäftsunfähigen) handelt, kann der Vertretene selbst niemals Täter eines eigenhändigen Deliktes sein, da er die Tat nicht eigenhändig begangen hat. Nur die ausführende natürliche Person, nicht aber eine juristische Person oder eine vertretungsberechtigte Person, kann Täter solcher Delikte sein. Die eigenhändige Handlung stellt somit eine nicht übertragbare Voraussetzung der Strafbarkeit dar und verhindert eine „Zurechnung kraft Amtes“.