Legal Wiki

Wiki»Wiki»Eigenhändiges Delikt

Eigenhändiges Delikt

Eigenhändiges Delikt: Begriff, Einordnung und Bedeutung

Ein eigenhändiges Delikt ist eine Straftat, deren tatbestandlicher Kern nur durch die persönliche, unmittelbare Handlung des Täters verwirklicht werden kann. Die Besonderheit liegt darin, dass die verbotene Tätigkeit nicht durch eine andere Person stellvertretend ausgeführt werden kann. Für das Verständnis von Täterschaft und Teilnahme hat diese Einordnung erhebliche Bedeutung.

Einordnung im System

Die Bezeichnung „eigenhändig“ beschreibt nicht, wie schwer eine Tat wiegt, sondern wem die Handlung zugerechnet werden kann. Sie dient dazu, Fälle zu unterscheiden, in denen nur die Person selbst Täter sein kann, die die Handlung körperlich oder stimmlich vornimmt (etwa Fahren, Erklären, Aussagen), von solchen, bei denen auch eine Steuerung „aus dem Hintergrund“ als Täterschaft in Betracht kommt.

Kerndefinition

Eigenhändig ist ein Delikt, wenn die Verwirklichung des Tatbestandes den persönlichen Vollzug der konkreten Handlung verlangt und sich die Handlung ihrem Wesen nach nicht auf eine andere Person übertragen lässt. Wer die Handlung nicht selbst vornimmt, kann dann nicht als Täter gelten.

Zweck der Abgrenzung

  • Klarheit der Zurechnung: Wer handelt ist identisch mit wem die Tat als Täter zugerechnet wird.
  • Begrenzung der Täterschaft: „Täter hinter dem Täter“ scheidet aus; es verbleiben Teilnahmeformen.
  • Schutz spezifischer Verhaltenspflichten: Bestimmte Verhaltensnormen richten sich an den persönlich Handelnden (z. B. Fahrer, Zeugen, Heiratswillige).

Abgrenzungen zu anderen Deliktsarten

Eigenhändiges Delikt und Sonderdelikt

Ein Sonderdelikt setzt besondere persönliche Eigenschaften oder Rollen voraus (etwa eine Amtsstellung oder eine Beteiligteneigenschaft). Ein Delikt kann zugleich eigenhändig und ein Sonderdelikt sein, wenn es sowohl eine persönliche Handlung als auch eine besondere Stellung verlangt. Nicht jedes Sonderdelikt ist eigenhändig, und nicht jedes eigenhändige Delikt ist ein Sonderdelikt.

Eigenhändiges Delikt und Allgemeindelikt

Allgemeindelikte können grundsätzlich von jedermann begangen werden. Auch hier kann ein Delikt eigenhändig sein, wenn der Tatbestand eine unvertretbare, persönliche Handlung fordert. Die Kategorien „allgemein“ und „eigenhändig“ betreffen unterschiedliche Fragen: Zugänglichkeit für Täter einerseits, Art der Handlung andererseits.

Eigenhändiges Delikt und Tätigkeits-/Erfolgsdelikt

Die Unterscheidung zwischen Tätigkeits- und Erfolgsdelikt betrifft, ob eine Handlung als solche verboten ist oder ob ein tatbestandlicher Erfolg eintreten muss. Eigenhändigkeit verläuft daneben: Viele eigenhändige Delikte sind Tätigkeitsdelikte, es gibt aber auch eigenhändige Delikte mit Erfolgselementen.

Tatbeteiligung und Zurechnung

Täterschaft

Täter ist bei eigenhändigen Delikten ausschließlich die Person, die die tatbestandliche Handlung selbst vornimmt. Das gilt insbesondere, wenn der Tatbestand eine spezifische körperliche Betätigung oder eigene Erklärung verlangt.

Mittäterschaft

Mittäterschaft setzt die gemeinsame Verwirklichung des Tatbestands voraus. Bei klassisch eigenhändigen Delikten ist sie regelmäßig ausgeschlossen, wenn nicht jeder Beteiligte den eigenhändigen Kern selbst erfüllt. Wo nur eine Person die Handlung eigenhändig ausführen kann (etwa Fahren oder persönliche Aussage), können andere Beteiligte keine Mittäter sein.

Mittelbare Täterschaft

Mittelbare Täterschaft (Begehung „durch einen anderen“) ist bei eigenhändigen Delikten ausgeschlossen. Wer eine andere Person veranlasst, die Handlung vorzunehmen, kann daher nicht als „Täter hinter dem Werkzeug“ behandelt werden.

Teilnahme: Anstiftung und Beihilfe

Obwohl Täterschaft und mittelbare Täterschaft stark begrenzt sind, bleiben Teilnahmeformen möglich: Wer gezielt zur Tat bestimmt, kommt als Anstifter in Betracht; wer die Tat fördert, kann Gehilfe sein. Die tatnächste Person bleibt Täter, die übrigen Beteiligten werden als Teilnehmer eingeordnet.

Versuch, Fahrlässigkeit und Unterlassen

Versuch

Der Versuch beginnt bei eigenhändigen Delikten in dem Moment, in dem der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat unmittelbar zur persönlichen Handlung ansetzt. Die Schwelle zur Ausführung ist hier eng mit der eigenhändigen Betätigung verknüpft.

Fahrlässige Begehung

Ob fahrlässige Begehungsformen existieren, richtet sich nach dem jeweiligen Tatbestand. Die Einordnung als eigenhändig sagt darüber nichts aus. Manche eigenhändige Delikte setzen Vorsatz voraus, andere kennen auch fahrlässige Varianten.

Begehung durch Unterlassen

Eigenhändige Delikte verlangen typischerweise eine aktive Handlung; die Deliktsstruktur ist daher überwiegend nicht auf eine Begehung durch Unterlassen ausgelegt. Ob eine Gleichstellung von Unterlassen und Tun in Betracht kommt, hängt von der konkreten Ausgestaltung des Tatbestands ab.

Typische Beispiele eigenhändiger Delikte

Handlungen im Straßenverkehr

  • Führen eines Kraftfahrzeugs trotz fehlender Berechtigung: Täter ist nur, wer selbst fährt.
  • Fahren in fahruntüchtigem Zustand: Die Täterschaft knüpft an das persönliche Führen des Fahrzeugs an.
  • Verlassen des Unfallorts als Beteiligter: Nur der Beteiligte selbst kann die Tat eigenhändig verwirklichen.

Aussage- und Eidesdelikte

Unrichtige oder pflichtwidrige Aussagen vor zuständigen Stellen sowie eidbezogene Verhaltensweisen sind an die Person gebunden, die aussagt oder den Eid ablegt. Andere können dabei nur Teilnehmerrollen einnehmen.

Personenstandsbezogene Delikte

Die Eingehung einer weiteren Ehe trotz bestehender Ehe ist an den persönlich handelnden Heiratswilligen gebunden und damit eigenhändig.

Rechtsfolgen der Einordnung

Zurechnung und Beteiligungsform

  • Der persönlich Handelnde ist Täter.
  • Hintermänner werden nicht als Täter zugerechnet, sondern als Anstifter oder Gehilfen.
  • Mittäterschaft ist nur ausnahmsweise denkbar, wenn jeder Beteiligte den eigenhändigen Kern erfüllt.

Auswirkungen auf die Bewertung des Tatbeitrags

Die Einordnung als eigenhändig beeinflusst, wie Tatbeiträge bewertet werden. Planen, Organisieren oder Drängen kann strafbar sein, führt aber nicht zur Täterschaft, solange die eigenhändige Handlung einem anderen vorbehalten bleibt. Für die rechtliche Bewertung des individuellen Beitrags ist entscheidend, wer die persönliche Handlung ausgeführt hat.

Grenz- und Streitfragen

Technische Steuerung und Distanzhandlungen

Bei fernwirkenden oder technisch vermittelten Abläufen kommt es darauf an, ob der Kern der Handlung noch persönlich ausgeführt wird. Wird die Handlung auf ein Gerät oder eine andere Person verlagert, spricht dies gegen Täterschaft und für Teilnahme.

Organisation und Arbeitsteilung

In arbeitsteiligen Strukturen kann die Person, die anordnet oder organisiert, keine Täterschaft an einem eigenhändigen Delikt begründen, wenn sie die tatbestandliche Handlung nicht selbst vornimmt. Es kommt eine Teilnahme- oder eine eigenständige Verantwortlichkeit nach anderen Vorschriften in Betracht.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „eigenhändig“ bei einer Straftat genau?

„Eigenhändig“ bedeutet, dass der gesetzliche Tatbestand eine persönliche Handlung verlangt, die nur der Täter selbst vornehmen kann. Die Tat ist unvertretbar und nicht durch eine andere Person als Täterschaft erfüllbar.

Kann jemand Täter eines eigenhändigen Delikts sein, ohne selbst zu handeln?

Nein. Bei eigenhändigen Delikten scheidet Täterschaft ohne eigene Handlung aus. Wer veranlasst oder unterstützt, kommt als Teilnehmer in Betracht, nicht als Täter.

Ist Mittäterschaft bei eigenhändigen Delikten möglich?

Regelmäßig nicht, wenn der eigenhändige Kern nur von einer Person erfüllt werden kann. Nur wenn jeder Beteiligte die persönliche Handlung eigenständig verwirklicht, kann ausnahmsweise Mittäterschaft in Betracht kommen.

Welche Rolle spielen Anstifter und Gehilfen bei eigenhändigen Delikten?

Sie können strafbar sein, übernehmen jedoch keine Täterschaft. Ihre Verantwortung richtet sich nach der jeweiligen Beteiligungsform: Anstiftung bei Bestimmen zur Tat, Beihilfe bei Fördern der Tat.

Sind eigenhändige Delikte immer nur vorsätzlich begehbar?

Nicht zwingend. Ob Vorsatz erforderlich ist oder auch Fahrlässigkeit genügt, hängt vom jeweiligen Tatbestand ab. Die Eigenschaft „eigenhändig“ trifft dazu keine Aussage.

Gibt es Überschneidungen mit Sonderdelikten?

Ja. Ein Delikt kann zugleich eigenhändig und auf eine besondere Stellung zugeschnitten sein. In solchen Fällen kann nur die entsprechend qualifizierte Person, die zudem selbst handelt, Täter sein.

Wie wirkt sich die Einordnung auf Unternehmen und Vorgesetzte aus?

Vorgesetzte oder Organisationsträger werden bei eigenhändigen Delikten nicht Täter, wenn sie die Handlung nicht selbst ausführen. In Betracht kommen Teilnahme oder eigenständige Verantwortlichkeiten nach anderen Regeln.

Kann ein eigenhändiges Delikt durch Unterlassen begangen werden?

Üblicherweise nicht, da eigenhändige Delikte auf aktives Tun zugeschnitten sind. Ob ausnahmsweise eine Gleichstellung von Unterlassen und Tun möglich ist, bestimmt sich nach der konkreten Ausgestaltung des Tatbestands.