Legal Lexikon

Eigenbesitz


Definition und Grundlagen des Eigenbesitzes

Der Begriff Eigenbesitz ist ein zentraler Bestandteil des Sachenrechts im deutschen Zivilrecht. Er beschreibt die rechtliche Beziehung einer Person zu einer Sache, wenn diese die tatsächliche Sachherrschaft (den sogenannten Besitz) über eine Sache mit dem Willen ausübt, die Sache als eigene zu behalten. Die Unterscheidung zwischen Eigenbesitz und Fremdbesitz ist ein fundamentales Konzept, das zahlreiche Rechtsfolgen nach sich zieht. Der Eigenbesitz wird insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 872 ff. geregelt.

Begriffliche Abgrenzung: Eigenbesitz und Fremdbesitz

Eigenbesitz nach § 872 BGB

Nach § 872 BGB ist Eigenbesitzer, wer eine Sache „als ihm gehörend besitzt“. Das bedeutet, der Eigenbesitzer übt die tatsächliche Sachherrschaft mit dem Willen zur Ausschließlichkeit aus, das heißt, er behandelt die Sache wie ein Eigentümer.

Abgrenzung zum Fremdbesitz

Demgegenüber steht der Fremdbesitz. Dieser liegt vor, wenn eine Person zwar die tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Sache hat, aber anerkennt, dass ein anderer (zum Beispiel der Eigentümer) das bessere Recht an der Sache besitzt. Klassische Beispiele für Fremdbesitz sind der Mieter oder der Entleiher.

Rechtlicher Besitzwille als Abgrenzungskriterium

Der Besitzwille spielt eine zentrale Rolle bei der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdbesitz. Entscheidend ist, ob der Besitzende sich selbst oder einem anderen das Eigentum zurechnet. Der Eigenbesitz erfordert nicht zwingend den tatsächlichen Eigentumserwerb, sondern lediglich die innere Willensrichtung, sich als Eigentümer der Sache zu betrachten und entsprechend zu handeln.

Arten des Eigenbesitzes

Es wird zwischen unmittelbarem und mittelbarem Eigenbesitz unterschieden:

  • Unmittelbarer Eigenbesitz: Der Besitzer hat die direkte Sachherrschaft, zum Beispiel der Eigentümer eines Autos, der dieses selbst nutzt und aufbewahrt.
  • Mittelbarer Eigenbesitz: Hier steht zwischen dem Eigenbesitzer und der Sache ein fremder Besitzer, der im Auftrag des Eigenbesitzers handelt (z. B. beim Vermieter, der einem Mieter die Wohnung überlässt, aber weiterhin mittelbaren Eigenbesitz behält).

Rechtliche Wirkung und Bedeutung des Eigenbesitzes

Beweisfunktion und vermutetes Eigentum

Nach § 1006 BGB begründet der Eigenbesitz eine Vermutung für das Eigentum an der Sache. Das bedeutet, wer im Eigenbesitz einer beweglichen Sache oder eines Grundstücks ist, wird bis zum Gegenbeweis als deren Eigentümer behandelt. Dies dient der Rechtssicherheit und dem Schutz des Besitzes.

Besitzschutz und Besitzrechtsschutz

Eigentümer und Eigenbesitzer genießen Besitzschutz nach § 859 BGB (verbotene Eigenmacht). Wer den Eigenbesitzer in seinem Besitz stört oder ihn unrechtmäßig entzieht, kann zur Unterlassung oder Herausgabe verpflichtet werden. Dieser Besitzschutz kommt dem Eigenbesitzer vollumfänglich zu.

Herausgabeansprüche

Ein Eigenbesitzer, der nicht zugleich Eigentümer ist, kann gegen Störungen Dritter (§§ 861, 862 BGB) vorgehen. Sofern ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB besteht, ist zu prüfen, ob es sich um Eigenbesitz oder Fremdbesitz handelt, da nur der Eigenbesitz die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB auslöst.

Erwerb und Verlust des Eigenbesitzes

Erwerb

Eigenbesitz kann durch sogenannte Besitzergreifung (tatsächliche Inbesitznahme mit Eigenbesitzerwillen) entstehen. Dies kann originär (erste Inbesitznahme) oder derivativ (Besitzerwerb von einem bisherigen Besitzer durch Übergabe) erfolgen.

Verlust

Der Eigenbesitz endet durch Aufgabe des Besitzes, den Verlust der tatsächlichen Gewalt über die Sache oder durch einen Wechsel des Besitzwillens (zum Beispiel durch Anerkenntnis eines anderen als Eigentümer).

Eigenbesitz in besonderen Rechtssituationen

Gutgläubiger Erwerb und Eigenbesitz

Eigenbesitz ist insbesondere beim gutgläubigen Erwerb einer beweglichen Sache (§ 932 BGB) oder eines Grundstücks (§ 892 BGB) relevant, da der Besitzstand des Veräußerers und Erwerbers für die Eigentumsübertragung entscheidend ist.

Eigenbesitz bei der Ersitzung

Für die Ersitzung nach § 937 BGB ist vorausgesetzt, dass eine Person zehn Jahre Eigenbesitz an einer Sache ausübt, ohne dass der rechtmäßige Eigentümer sein Recht geltend macht. Fremdbesitzer sind von der Ersitzung ausgeschlossen.

Praktische Beispiele und Anwendungsbereiche

  • Hausbesitzer, der sein Grundstück selbst nutzt: unmittelbarer Eigenbesitz
  • Vermieter, der Wohnungen vermietet: mittelbarer Eigenbesitz, Mieter ist Fremdbesitzer
  • Finder einer verlorenen Sache, der sie mit Aneignungswillen behält: Erwerb von Eigenbesitz

Zusammenfassung und Bedeutung des Eigenbesitzes

Der Eigenbesitz ist ein grundlegendes Konzept des deutschen Sachenrechts und spielt bei Besitzschutz, Eigentumsvermutung, Ersitzung und gutgläubigem Eigentumserwerb eine tragende Rolle. Durch die Unterscheidung zwischen Eigenbesitz und Fremdbesitz lassen sich zahlreiche rechtliche Ansprüche und Schutzmechanismen differenziert anwenden, was dem Eigenbesitz eine hohe praktische und dogmatische Bedeutung verleiht.


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Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen Eigenbesitz und Fremdbesitz?

Im deutschen Sachenrecht ist die Unterscheidung zwischen Eigenbesitz und Fremdbesitz von zentraler Bedeutung. Eigenbesitz liegt gemäß § 872 BGB vor, wenn der Besitzer eine Sache als ihm gehörend besitzt, also mit dem Willen, die Sache als eigene zu behalten. Fremdbesitz hingegen kennzeichnet sich dadurch, dass der Besitzer die Sachherrschaft zwar ausübt, aber anerkennt, dass die Sache einem anderen zusteht, etwa bei einem Mieter oder Entleiher. Die rechtlichen Konsequenzen betreffen insbesondere den Schutzumfang nach § 859 BGB (Besitzwehr und Besitzkehr), den Anspruch auf Herausgabe gemäß §§ 985 ff. BGB sowie die Position im Rahmen des Eigentumserwerbs nach §§ 929 ff. BGB. Eigenbesitzer genießen regelmäßig einen weitergehenden Rechtsschutz und können beispielsweise bei Besitzstörung oder Besitzentziehung eigene Abwehrrechte geltend machen. Im Streitfall wird vermutet, dass der Besitzer Eigenbesitz innehat (§ 872 BGB), außer es bestehen konkrete Anhaltspunkte für Fremdbesitz.

Kann Eigenbesitz gutgläubig oder bösgläubig sein und welche rechtlichen Folgen hat dies?

Eigenbesitz kann sowohl gutgläubig als auch bösgläubig vorliegen. Gutgläubiger Eigenbesitz ist gegeben, wenn der Eigenbesitzer irrtümlich glaubt, Eigentümer der Sache zu sein. Böswilliger oder bösgläubiger Eigenbesitz liegt vor, wenn der Besitzende weiß oder zumindest für möglich hält, kein Eigentümer zu sein. Die Unterscheidung wirkt sich unmittelbar auf die Herausgabeansprüche des Eigentümers und die Haftungsfragen aus. So haftet ein bösgläubiger Eigenbesitzer nach § 990 BGB grundsätzlich wie ein Eigentümer auf Schadensersatz sowie auf Nutzungsherausgabe, da er die Sache unrechtmäßig zurückhält. Bei gutgläubigem Eigenbesitz ist diese Haftung eingeschränkt. Im Rahmen des Eigentumserwerbs vom Nichtberechtigten (§ 932 BGB) genießt nur der gutgläubige Erwerber Schutz, der bösgläubige ist ausgeschlossen. Auch im Bereich der Verjährung (§ 197 BGB) kann der gute oder böse Glaube Einfluss auf den Verjährungsbeginn haben.

Welche gesetzlichen Schutzmechanismen bestehen für den Eigenbesitzer?

Der Eigenbesitzer ist durch verschiedene gesetzliche Regelungen geschützt, unabhängig davon, ob er auch Eigentümer der Sache ist. Nach § 859 BGB stehen dem Eigenbesitzer das Selbsthilferecht der Besitzwehr und der Besitzkehr zu, um sich gegen verbotene Eigenmacht zu wehren. Überdies kann der Eigenbesitzer im Rahmen der §§ 861, 862 BGB gegen Besitzentziehung oder Besitzstörung Herausgabe bzw. Unterlassung verlangen. Gegenüber bestimmten Dritten kann er im Rahmen des sog. Eigentümer-Besitzschutzes (§ 985 BGB) auch den Herausgabeanspruch des Eigentümers erfüllen oder abwehren. Schließlich wird der Eigenbesitzer durch die Vermutung nach § 1006 BGB privilegiert, wonach zu seinen Gunsten vermutet wird, dass er auch Eigentümer der Sache ist. Gegenteiliges muss der Anspruchsteller oder ein Dritter darlegen und beweisen.

Unter welchen Voraussetzungen kann Eigenbesitz in (Mit-)Eigenbesitz übergehen?

Ein Übergang vom Eigenbesitz in Mit- oder auch Teil-Eigenbesitz kann durch Besitzübertragung oder durch Änderung der Besitzverhältnisse im faktischen Umgang mit der jeweiligen Sache erfolgen. Dies kann beispielsweise im Rahmen einer Gesellschaft, Wohnungsgemeinschaft oder bei Ehegatten eintreten, wenn beide oder mehrere Personen die Absicht entwickeln, die Sache gemeinsam als eigene zu besitzen. Rechtlich maßgeblich ist nach § 866 BGB, ob zwischen den beteiligten Personen Einvernehmen über die gemeinsame Sachherrschaft und die Zurechnung als eigenes Gut besteht. Bei Streitigkeiten über die Qualifikation des Besitzes wird von den konkreten Umständen des Besitzrechts ausgegangen, etwa wer wie und aufgrund welcher Vereinbarung oder tatsächlicher Handhabung die Sache nutzt und verwaltet.

Welche Rolle spielt Eigenbesitz im Zusammenhang mit dem gutgläubigen Erwerb von Eigentum?

Eigenbesitz ist eine wesentliche Voraussetzung für den gutgläubigen Erwerb von Eigentum nach den §§ 929, 932 BGB. Der Erwerber einer beweglichen Sache kann Eigentum erwerben, wenn der Veräußerer im Zeitpunkt der Übergabe Eigenbesitzer ist oder zumindest als solcher auftritt. Dabei wird für den Erwerber vermutet, dass der Besitzer Eigenbesitz hat (§ 932 Abs. 1 S. 1 BGB), sofern keine Hinweise auf Fremdbesitz vorliegen und der Erwerber gutgläubig ist. Die Gutgläubigkeit bezieht sich auf das Vorliegen von Eigentum beim Besitzenden, wobei ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist, wenn der Erwerber weiß oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht weiß, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist. Eigenbesitz bildet damit die faktische Grundlage für das Vertrauen des Rechtsverkehrs und erleichtert den Handelsverkehr.

Ist eine Besitzaufgabe (Dereliktion) auch beim Eigenbesitz möglich und wie verhält sich dies rechtlich?

Ja, die Aufgabe des Eigenbesitzes, die sogenannte Dereliktion, ist möglich und im BGB in § 959 geregelt. Der Eigenbesitzer kann eine bewegliche Sache dadurch aufgeben, dass er den Besitzwillen endgültig aufgibt und die tatsächliche Sachherrschaft beendet. Diese bewusste und endgültige Aufgabe des Eigenbesitzes führt dazu, dass die Sache herrenlos wird und von jedermann durch Aneignung (§ 958 BGB) in Besitz und sodann in Eigentum genommen werden kann. Die Dereliktion setzt stets einen erkennbaren Aufgabeakt voraus; bloßes Weglegen oder Liegenlassen reicht ohne ausdrücklichen Aufgabevorsatz nicht aus. Zudem kann die Aufgabe des Eigenbesitzes unter bestimmten Umständen nicht wirksam erfolgen, wenn beispielsweise gesetzliche Überlassungspflichten bestehen (z. B. bei Fund- oder Abfallrecht).