Begriff und rechtliche Einordnung von Eigenbemühungen
Eigenbemühungen bezeichnen im rechtlichen Kontext individuelle Anstrengungen und Aktivitäten, die eine Partei selbst unternimmt, um einen bestimmten rechtlich relevanten Erfolg zu erreichen oder abzuwenden. Der Begriff begegnet insbesondere in verschiedenen Teilgebieten des Zivilrechts, des Sozialrechts und im öffentlichen Recht, wo das Erfordernis oder die Zumutbarkeit eigener Bemühungen als Voraussetzung oder Einflussfaktor für Rechtsfolgen, Ansprüche oder Leistungspflichten von Bedeutung ist.
Die Anforderungen und die Reichweite der Eigenbemühungen variieren je nach Anwendungsbereich und werden oft durch gesetzliche Regelungen, Verordnungen oder durch die Rechtsprechung konkretisiert. Insbesondere dient das Prinzip der Eigenbemühungen dazu, missbräuchliche Inanspruchnahme staatlicher oder vertraglicher Leistungen zu verhindern und dem Grundsatz der Subsidiarität im Sozialrecht und Schadensrecht Ausdruck zu verleihen.
Eigenbemühungen im Sozialrecht
Bedeutung im Zusammenhang mit Leistungsansprüchen
Im Sozialrecht sind Eigenbemühungen eine wesentliche Voraussetzung für den Erhalt bestimmter Leistungen. Insbesondere bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II, „Bürgergeld”, ehemals Grundsicherung für Arbeitsuchende) und im Zusammenhang mit Arbeitslosengeld I (SGB III) gilt der Grundsatz, dass vorrangig der leistungsberechtigten Person eigene Anstrengungen zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit und zur Integration in Arbeit zuzumuten sind.
Konkretisierung der Eigenbemühungen
Die Konkretisierung der Eigenbemühungen erfolgt häufig durch:
- Verpflichtung zu einer Mindestanzahl von Bewerbungen pro Monat
- Nachweisführung über die Bemühungen (z.B. Bewerbungsschreiben, Absagen)
- Teilnahme an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung
Das Recht verlangt regelmäßig, dass die anspruchstellende Person eigene Schritte unternimmt und diese dokumentiert. Eine Verletzung dieser Pflicht kann zur Kürzung oder zum vollständigen Entfall von Leistungen führen (Sanktionen nach § 31 SGB II).
Zumutbarkeit und Ermessensspielraum
Die Zumutbarkeit von Eigenbemühungen ist immer unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse sowie des regionalen Arbeitsmarktes zu beurteilen. Besondere Umstände, wie gesundheitliche Einschränkungen oder familiäre Pflichten, werden dabei mit einbezogen. Die Behörden haben in der Bewertung der zumutbaren Eigenbemühungen einen gewissen Ermessensspielraum, der jedoch gerichtlich überprüfbar ist.
Eigenbemühungen im Zivilrecht
Schadensminderungspflicht und Eigeninitiative
Im Zivilrecht sind Eigenbemühungen insbesondere im Rahmen der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) von Bedeutung. Nach diesem Grundsatz ist der Geschädigte dazu angehalten, den entstandenen Schaden so gering wie möglich zu halten. Versäumt die geschädigte Partei zumutbare Eigenbemühungen, kann dies zu einer Reduktion oder zum vollständigen Ausschluss eines Ersatzanspruchs führen.
Typische Anwendungsgebiete
- Mietrecht: Pflicht des Mieters, bei Wohnungsmängeln zur Schadensminderung beizutragen (z.B. Nutzung von Ersatzräumen, Information an den Vermieter)
- Werkvertragsrecht: Mitwirkung des Bestellers bei der Abwendung von Schäden am Werk
- Versicherungsrecht: Obliegenheit des Versicherungsnehmers zur Schadensabwehr und -minderung im Schadensfall
Rechtsfolgen unterlassener Eigenbemühungen
Die Verletzung der Schadensminderungspflicht kann dazu führen, dass die Ersatzpflicht des Schädigers oder Versicherers anteilig wegfällt. Im Schadensrecht spricht man insoweit von einem Mitverschulden des Anspruchstellers.
Eigenbemühungen im Unterhaltsrecht
Im Unterhaltsrecht finden Eigenbemühungen in zweifacher Hinsicht Beachtung:
- Erwerbsobliegenheit: Unterhaltsberechtigte und -verpflichtete sind gehalten, zumutbare Möglichkeiten zur Selbsthilfe bzw. Einkommenserzielung zu nutzen.
- Nachweisleistung: Die betroffene Person muss substantielle Eigenbemühungen um Arbeit nachweisen, um Unterhaltsansprüche geltend machen oder eine Reduzierung verhindern zu können.
Fehlen ausreichende Eigenbemühungen, kann dies dazu führen, dass ein fiktives Einkommen bei der Unterhaltsberechnung angesetzt wird.
Eigenbemühungen im öffentlichen Recht und Verwaltungsverfahren
Auch im öffentlichen Recht begegnet das Prinzip der Eigenbemühungen. Es manifestiert sich in Verpflichtungen, zunächst vorhandene Eigenressourcen auszuschöpfen, bevor staatliche Leistungen in Anspruch genommen werden können. Beispiele sind unter anderem Fördermittelverfahren oder der Lastenausgleich, wo nachgewiesen werden muss, dass keine anderweitigen, zumutbaren Möglichkeiten zur Zielerreichung bestanden.
Rechtliche Nachweispflicht und Dokumentationsanforderungen
Beweislast und Mitwirkungspflichten
Eigenbemühungen müssen im Regelfall konkret dargelegt und nachgewiesen werden. Die Darlegungs- und Beweislast liegt grundsätzlich bei der Partei, die sich auf entsprechende Anstrengungen oder deren Zumutbarkeit beruft. Dies wird im Sozialrecht insbesondere durch die Pflicht zur Vorlage von Bewerbungsunterlagen oder sonstigen Nachweisen umgesetzt.
Rechtsfolgen fehlender Nachweise
Unterbleibt der Nachweis erforderlicher Eigenbemühungen, kann dies zu Nachteilen bei der Anspruchsdurchsetzung führen. Im Bereich von Leistungsanträgen kann die Leistung abgelehnt oder gemindert werden. Auch im Schadensrecht kann ein Anspruch um die unterlassene Schadensminderung gekürzt oder ausgeschlossen werden.
Grenzen und Umfang der Eigenbemühungen
Die Reichweite und Intensität der geforderten Eigenbemühungen richten sich stets nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich sind:
- Die subjektive Leistungsfähigkeit der verpflichteten Person
- Die Zumutbarkeit im Lichte von Alter, Gesundheit und sonstigen Lebensverhältnissen
- Die objektiven Markt- und Tätigkeitsbedingungen
Einzelfallentscheidungen der Sozialgerichte, Zivilgerichte und Verwaltungsgerichte konkretisieren die Anforderungen und sind für die Auslegung bedeutend.
Zusammenfassung
Der Begriff der Eigenbemühungen ist in verschiedenen Rechtsgebieten ein zentraler Anknüpfungspunkt für Rechte, Pflichten und die Beurteilung von Ansprüchen. Ob im Sozialrecht, Zivilrecht, Unterhaltsrecht oder im Verwaltungsverfahren – stets ist die Eigeninitiative der betroffenen Person ein wesentliches Kriterium. Die Anforderungen an Eigenbemühungen sind einzelfallbezogen und unterliegen strikten Nachweis- und Dokumentationspflichten. Fehlen diese Bemühungen, sind oftmals Leistungskürzungen, Anspruchsausschlüsse oder rechtliche Nachteile die Folge.
Die Bedeutung der Eigenbemühungen liegt darin, zumutbare Selbsthilfe zu fördern, die Eigenverantwortung zu stärken und öffentliche sowie private Leistungen subsidiär auszugestalten.
Häufig gestellte Fragen
Wann gelten Eigenbemühungen als ausreichend im Sinn des § 138 SGB III?
Eigenbemühungen gelten nach § 138 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) als ausreichend, wenn die arbeitslose Person in zumutbarem Umfang konkrete, zielgerichtete Aktivitäten unternimmt, die objektiv geeignet sind, eine neue Beschäftigung zu finden. Dazu zählt insbesondere die eigenständige Recherche nach Stellenangeboten, das Verfassen und Versenden von Bewerbungen, die Teilnahme an Vorstellungsgesprächen sowie die Wahrnehmung von Maßnahmen zur Verbesserung der Vermittlungschancen (z.B. Schulungen, Qualifizierungen). Die Qualität und Quantität der Eigenbemühungen wird individuell anhand der persönlichen Verhältnisse, Qualifikation sowie der Arbeitsmarktsituation bewertet. Die Agentur für Arbeit kann zusätzlich den Umfang und die Art der Bemühungen konkret durch die „Eingliederungsvereinbarung” oder einen Verwaltungsakt bestimmen, welche dann speziell einzuhalten sind. Unzureichende, nachweislich nicht ernsthafte oder lediglich formale Bemühungen können nicht als ausreichend gelten.
Wie müssen Eigenbemühungen rechtssicher dokumentiert und nachgewiesen werden?
Die Nachweispflicht über Eigenbemühungen obliegt grundsätzlich der arbeitslosen Person. Rechtssicher dokumentiert werden müssen sämtliche unternommenen Aktivitäten, die sich auf eine angemessene Stellensuche und Bewerbungsaktivitäten beziehen. Dazu sollten Bewerbungsunterlagen (z.B. Anschreiben, Lebenslauf, ggf. Versandbestätigungen oder Rückmeldungen von Unternehmen), Nachweise über Vorstellungsgespräche, Agenturkontakte sowie Teilnahmebescheinigungen an Qualifikationsmaßnahmen oder Jobmessen geführt werden. Der Nachweis erfolgt üblicherweise über das vom Jobcenter oder der Arbeitsagentur bereitgestellte Formular; es können jedoch auch eigene, klar strukturierte Auflistungen (Bewerbungslisten mit Datum, Ansprechpartner, Art der Bewerbung, Ergebnis) verwendet werden. Die Unterlagen sollten zeitnah und vollständig eingereicht werden, um allen Anforderungen an die Mitwirkungspflicht sowie der Beweispflicht im Zweifel gerecht zu werden.
Welche Sanktionen drohen, wenn Eigenbemühungen nicht nachgewiesen werden?
Wird die Nachweispflicht über Eigenbemühungen nicht, verspätet oder unzureichend erfüllt, drohen leistungsrechtliche Konsequenzen in Form von Sanktionen gemäß § 31a SGB II bzw. § 159 SGB III. Im Leistungsbezug nach Arbeitslosengeld I kann dies eine Sperrzeit zur Folge haben, was zum Ruhen oder zur Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führt. Im Bereich Arbeitslosengeld II (Hartz IV/ Bürgergeld) kann eine Pflichtverletzung eine Kürzung des Regelsatzes um einen bestimmten Prozentsatz oder – bei wiederholten Verstößen – um bis zu 30 Prozent führen. Wiederholte oder schwerwiegende Pflichtverletzungen können zudem umfangreichere Leistungskürzungen bis hin zum kompletten Wegfall einzelner Leistungsansprüche bewirken. Vor jeder Sanktion ist zwingend eine Anhörung vorab durchzuführen, um die Betroffenen zur Stellungnahme zu bewegen.
Dürfen Eigenbemühungen durch pauschale Aktivitäten ersetzt werden (z.B. Massenbewerbungen)?
Im rechtlichen Kontext orientiert sich die Bewertung der Eigenbemühungen an einer individuellen Zweckorientierung und Ernsthaftigkeit. Pauschale Aktivitäten wie wahllose Massenbewerbungen ohne realistische Aussicht auf Einstellung oder bloß symbolische Bewerbungen (z.B. bei offensichtlich ungeeigneten Stellen oder anonymen Adressen) gelten nicht als hinreichend. Jede Eigenbemühung muss gezielt auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ausgelegt sein und darf nicht rein formal erfolgen. Die Arbeitsagentur prüft im Einzelfall die Passgenauigkeit und tatsächliche Plausibilität der Bemühungen. Erfolgt die Bewerbung etwa auf ein Stellenangebot, für das die Bewerberin oder der Bewerber offensichtlich nicht qualifiziert ist, kann diese Aktion als unzureichend bewertet werden.
Wie viele Eigenbemühungen müssen pro Monat mindestens unternommen werden?
Die gesetzliche Vorschrift legt keinen starren, allgemein gültigen Mindestumfang für Eigenbemühungen pro Monat fest. Der Umfang ergibt sich in der Praxis aus der Eingliederungsvereinbarung oder einem diesbezüglichen Verwaltungsakt, in dem eine konkrete Mindestanzahl (bspw. drei bis fünf pro Monat) verlangt werden kann. Ist eine solche Bestimmung nicht erfolgt, orientiert sich die Anforderung am individuellen Einzelfall und der allgemeinen Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensumstände sowie der Arbeitsmarktsituation. Fehlen konkrete Vorgaben, werden Bemühungen erwartet, die im Verhältnis zu den eigenen Möglichkeiten und Chancen stehen, also regelmäßig und nachweislich erfolgen und eine echte Suchintention erkennen lassen.
Können Eigenbemühungen auch Maßnahmen wie Praktika, Fortbildungen oder Ehrenamt umfassen?
Rein rechtlich werden unter Eigenbemühungen nicht nur klassische Bewerbungsaktivitäten verstanden, sondern auch Maßnahmen und Initiativen, die die Beschäftigungsfähigkeit fördern, können darunter fallen. Dies umfasst beispielsweise Praktika, berufliche Fort- oder Weiterbildungen, Qualifizierungskurse und den Besuch von Jobmessen, sofern diese die Chancen auf eine Integration in Arbeit tatsächlich erhöhen. Auch ehrenamtliche Tätigkeiten können dann berücksichtigt werden, wenn diese unmittelbar mit einer späteren Erwerbstätigkeit in Verbindung stehen oder eine konkrete Integrationsperspektive bieten. Die Anerkennung entscheidet stets das Jobcenter oder die Agentur für Arbeit nach pflichtgemäßem Ermessen. Wesentlich ist stets die Zielrichtung der Maßnahme hinsichtlich der Vermittlungsaussichten.
Inwieweit müssen Eigenbemühungen trotz eingeschränkter Gesundheit oder Betreuungspflichten erfolgen?
Die Zumutbarkeit von Eigenbemühungen ist nach § 10 SGB II und § 140 SGB III individuell zu beurteilen und orientiert sich u.a. an der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit, Betreuungs- bzw. Pflegeverpflichtungen oder anderen persönlichen Einschränkungen. Im Falle ärztlich bestätigter gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder zwingender Betreuungspflichten (z.B. bei alleinerziehenden Eltern oder pflegenden Angehörigen) wird der Umfang verpflichtender Eigenbemühungen entsprechend gemindert oder kann in Ausnahmefällen auch ganz entfallen. Eine (ärztliche) Dokumentation über bestehende Einschränkungen ist gegenüber dem Leistungsträger vorzulegen und bildet die Grundlage für eine angemessene Anpassung der geforderten Bemühungen. Die Behörde entscheidet über mögliche Reduzierungen oder Befreiungen im Einzelfall, orientiert an den gesetzlichen Vorgaben und ihrer Auslegung durch die Sozialgerichtsbarkeit.