Begriff und rechtliche Einordnung der eidlichen Vernehmung der Partei
Die eidliche Vernehmung der Partei ist eine im Zivilprozessrecht vorgesehene besondere Form der Beweisaufnahme, bei der eine am Rechtsstreit beteiligte Partei vom Gericht zu einem bestimmten Beweisthema vernommen und über ihre Aussage vereidigt wird. Diese Maßnahme dient der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung in Situationen, in denen andere Beweismittel fehlen oder unzulänglich sind. Sie ist im deutschen Zivilprozessrecht insbesondere in den §§ 445 bis 455 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt und stellt ein subsidiäres Beweismittel dar.
Historische Entwicklung
Die eidliche Vernehmung der Partei hat ihren Ursprung im gemeinen Prozessrecht und war bereits im 19. Jahrhundert ein anerkanntes Mittel zur Wahrheitsfindung. Mit der Einführung der ZPO im Jahr 1877 wurde die Partei als mögliche Beweisperson gezielt geregelt. Im Verlauf der Zeit erfuhr das Institut der Partei-Vernehmung Reformen, insbesondere hinsichtlich ihrer Subsidiarität gegenüber anderen, objektiveren Beweismitteln wie Urkunden, Zeugen oder Sachverständigen.
Zweck und Bedeutung im Zivilprozess
Die Hauptfunktion der eidlichen Vernehmung einer Partei besteht in der Vervollständigung der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung. In vielen Zivilprozessen besteht das Problem, dass ein Sachverhalt nicht in allen Punkten durch objektive Beweismittel dokumentiert ist. Gerade bei sogenannten “Augenblicksgeschäften” oder Vorgängen unter Anwesenden können Beweismittel wie Urkunden oder Zeugen fehlen. In solchen Fällen ermöglicht die eidliche Vernehmung der Partei die Ermittlung der Wahrheit im Prozess.
Gesetzliche Regelung
Partei als Beweismittel
Gemäß den §§ 445 ff. ZPO kann eine Partei im Rahmen einer Beweisaufnahme vernommen werden. Die Vernehmung kann dabei auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen durch das Gericht angeordnet werden, wenn sonstige Beweismittel nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind. Es ist zu unterscheiden zwischen der nicht eidlichen Vernehmung (§ 447 ZPO) und der ausdrücklich unter Eid stehenden Vernehmung (§§ 452, 453 ZPO).
Voraussetzungen der eidlichen Vernehmung
Die eidliche Vernehmung der Partei kommt nur in Betracht, wenn zuvor eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO stattgefunden und keinen durchgreifenden Erfolg gebracht hat bzw. wenn andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen. Voraussetzung ist stets, dass zumindest ein gewisser Beweisgrad (“Anbeweis”) für die zu beweisende Tatsache erbracht wurde.
Ablauf der Vernehmung und Eidesleistung
Nachdem das Gericht die Partei nach den Vorschriften der ZPO vernommen hat, kann es die Partei auf deren Aussage vereidigen. Die zu vereidigende Partei leistet dann einen Eid auf die Richtigkeit ihrer Aussage. Die Vereidigung ist mit hohen strafrechtlichen Sanktionen belegt (vgl. § 154 StGB – Meineid), um die Wahrheitspflicht der Partei möglichst zu sichern.
Abgrenzung zur informatorischen Anhörung und zum Zeugenbeweis
Die eidliche Vernehmung der Partei unterscheidet sich deutlich von der informatorischen Anhörung nach § 141 ZPO, die nicht der Beweisaufnahme, sondern der Aufklärung des Sachverhalts dient. Auch vom Zeugenbeweis ist sie strikt zu trennen: Während der Zeuge als außenstehende Person über einen fremden Sachverhalt berichtet, äußert sich die Partei als unmittelbarer Beteiligter über einen für sie selbst bedeutsamen Sachverhalt.
Antragstellung und richterliches Ermessen
Die Vernehmung einer Partei und die Vereidigung sind grundsätzlich antragsgebunden. Ein entsprechender Beweisantrag ist Voraussetzung für die Durchführung. Allerdings verfügt das Gericht über ein Ermessen, ob und in welchem Umfang es eine Partei vernehmen und vereidigen will. Die Anwendung der Partei-Vernehmung stellt nach herrschender Auffassung das letzte Mittel der Beweisaufnahme (“Notbeweis”) dar.
Verfahrensrechtliche Stellung und Bedeutung im Beweisrecht
Im deutschen Zivilprozessrecht besitzt die eidliche Vernehmung der Partei eine nachrangige Funktion. Sie ist nach dem Grundsatz der Verfahrensökonomie und Objektivität gegenüber anderen Beweismitteln subsidiär. Ihre Anordnung kommt typischerweise dann in Betracht, wenn andere Beweismittel erschöpft sind oder gar nicht erst zur Verfügung stehen und noch ein gewisser Restzweifel zum Sachverhalt besteht, der durch die Partei-Aussage unter Eid geklärt werden soll.
Rechtsfolgen und Rechtsmittel
Die aussagende und vereidigte Partei unterliegt, sollte sie vorsätzlich eine falsche Aussage machen, der Strafandrohung des Meineids nach § 154 StGB. Gerichte berücksichtigen das Ergebnis der eidlichen Vernehmung bei der abschließenden Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO. Die Entscheidung über die Durchführung der eidlichen Vernehmung selbst ist in der Regel nicht isoliert anfechtbar, kann jedoch im Rahmen eines Rechtsmittels gegen das Endurteil überprüft werden.
Besondere Aspekte
Vernehmung beider Parteien
Das Gericht kann, sofern es der Sachaufklärung dient, auch beide Parteien zu demselben Beweisthema vernehmen und vereidigen. Dies bietet sich insbesondere bei konträren Parteibehauptungen an, wenn keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen.
Ausschlussgründe
Die Vernehmung einer Partei ist ausgeschlossen, wenn die Partei prozessunfähig oder zur Ableistung des Eides aus anderen Gründen rechtlich gehindert ist. Bei juristischen Personen oder Personengesellschaften werden die gesetzlichen Vertreter beziehungsweise vertretungsberechtigte Organe gehört.
Bedeutung im Familien- und Arbeitsrecht
In arbeitsrechtlichen und familienrechtlichen Streitigkeiten kommt der Partei-Vernehmung besondere Bedeutung zu, da häufig persönliche Kenntnisse und Beziehungen im Vordergrund stehen, die durch objektive Beweismittel nicht oder nur schwer nachweisbar sind.
Relevanz und Kritik in Praxis und Wissenschaft
Die Möglichkeit, eine Partei unter Eid zu vernehmen, wird in der rechtlichen Literatur und Praxis teils kritisch betrachtet, da die Partei als Beteiligte naturgemäß ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens hat. Gleichwohl ist anerkannt, dass diese Form der Beweisaufnahme im Interesse einer vollständigen Sachaufklärung – als ultima ratio – ihren Zweck erfüllen kann, sofern sie mit der gebotenen Zurückhaltung und unter Berücksichtigung der Prozessfairness eingesetzt wird.
Zusammenfassung
Die eidliche Vernehmung der Partei ist ein subsidiäres, aber bedeutsames Beweismittel des deutschen Zivilprozessrechts. Sie dient der Wahrheitsfindung in den Fällen, in denen andere Beweismittel fehlen oder nicht ausreichen, und ist streng durch die Zivilprozessordnung geregelt. Die besondere Bedeutung der Eidesleistung liegt in ihrer strafbewehrten Wahrheitspflicht, die der gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung dient. Die Vernehmung und Vereidigung einer Partei ist gleichwohl an enge prozessuale Voraussetzungen gebunden und sollte stets mit Zurückhaltung stattfinden, um die Objektivität und Fairness des Verfahrens zu gewährleisten.
Häufig gestellte Fragen
In welchem Stadium des Zivilprozesses kommt eine eidliche Vernehmung der Partei in Betracht?
Eine eidliche Vernehmung der Partei kommt im Zivilprozess grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn das gerichtliche Beweisverfahren bereits ausgeschöpft ist, die Überzeugungsbildung jedoch noch durch Beweisnot unvollständig bleibt (§ 445 ZPO). Das Gericht kann die Partei nur dann zur Abgabe einer eidesstattlichen Aussage zulassen, wenn das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme unvollständig ist und der Sachverhalt nicht durch andere Beweismittel (wie Zeugen, Urkunden, Sachverständigengutachten) feststellbar ist. Die richterliche Überzeugungsbildung darf also nur auf eine Parteivernehmung zurückgreifen, wenn andere, den Parteien grundsätzlich zur Verfügung stehende, Beweismittel nicht ausreichen oder nicht zugänglich sind, das Gericht aber ansonsten einen erheblichen Restzweifel am Wahrheitsgehalt der Behauptungen hat, der durch eine eidliche Vernehmung möglicherweise ausgeräumt werden kann.
Wer kann den Antrag auf eidliche Vernehmung der Partei stellen und wie muss dieser gestellt werden?
Einen Antrag auf eidliche Vernehmung der Partei kann jede der am Verfahren beteiligten Parteien stellen oder das Gericht kann eine solche Vernehmung auch von Amts wegen anordnen (§ 447, 448 ZPO). Der Antrag ist ausdrücklich zu stellen und muss sich klar auf einen konkreten streitigen Sachverhalt beziehen, der weiterhin beweisbedürftig ist. Es genügt nicht, allgemein die Parteivernehmung zu beantragen; es muss bestimmt angegeben werden, zu welchen tatsächlichen Behauptungen die Partei unter Eid vernommen werden soll. Der Antrag kann mündlich im Termin zur mündlichen Verhandlung oder schriftlich im Vorfeld gestellt werden.
Welche Voraussetzungen müssen für die Zulassung zur eidlichen Vernehmung vorliegen?
Die Voraussetzungen sind in erster Linie, dass eine Beweisnotlage besteht, das heißt, dass für eine erhebliche und streitige Tatsache kein ausreichend anderes Beweismittel zur Verfügung steht, und dass die Tatsache für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist. Das Gericht muss zudem den Eindruck haben, dass nach Ausschöpfung der regulären Beweismittel eine Entscheidung über die Wahrheit der fraglichen Tatsache ohne die Eidleistung nicht möglich ist. Ferner darf keine offensichtliche Unwahrheit in den Behauptungen der Partei vorliegen – in solchen Fällen ist die Vernehmung nicht zulässig, da eine mangelhafte Glaubwürdigkeit der Partei vorausgesetzt wird. Die Zulassung obliegt damit letztlich dem richterlichen Ermessen.
In welcher Form findet die eidliche Vernehmung statt und welche Pflichten treffen die Partei?
Die eidliche Vernehmung erfolgt vor dem zuständigen Richter in der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Die zu vernehmende Partei wird als Zeuge eigener Sache betrachtet und ist entsprechend über die Strafbarkeit einer falschen oder unvollständigen Aussage unter Eid zu belehren. Die Vernehmung verläuft grundsätzlich ähnlich wie eine Zeugenvernehmung: Es werden zunächst die Angaben des Antragstellers aufgenommen, dann folgt die Befragung durch das Gericht und anschließend durch die Gegenseite. Die Partei ist verpflichtet, wahrheitsgemäß und vollständig auszusagen; eine vorsätzliche Falschaussage erfüllt den Straftatbestand des Meineids nach § 154 StGB. Die Partei hat ein Zeugnisverweigerungsrecht bei Sachverhalten, bei denen sie sich oder nahe Angehörige der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde.
Welche Folgen kann eine Aussage im Rahmen der eidlichen Vernehmung haben?
Die Folgen einer eidlichen Aussage sind erheblich: Das Gericht kann auf Grund der eidlichen Aussage zu einer Überzeugung hinsichtlich des streitigen Sachverhalts kommen und diese seiner Entscheidung zugrunde legen. Kommt es zur Feststellung, dass die Partei vorsätzlich falsch ausgesagt hat, liegt ein strafbarer Meineid vor, der mit erheblicher Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Darüber hinaus besteht eine zivilrechtliche Haftung für Schäden, die der anderen Partei eventuell durch die vorsätzlich falsche Aussage entstehen, insbesondere dann, wenn auf Basis der Aussage ein Urteil ergangen ist, das später aufgehoben werden muss.
Kann eine Partei die eidliche Vernehmung verweigern oder auf den Eid verzichten?
Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zur Ableistung des Eides, wenn das Gericht dies anordnet. Allerdings kann eine Partei im Einzelfall die Eidesleistung verweigern, soweit gesetzliche Zeugnisverweigerungsrechte oder Auskunftsverweigerungsrechte vorliegen, beispielsweise zur Vermeidung einer strafrechtlichen Selbstbelastung oder zum Schutz von Angehörigen (§§ 383 ff. ZPO). Daneben kann die Partei freiwillig auf ihr Recht zur eidlichen Vernehmung verzichten; dies kann im Einzelfall prozessuale Folgen haben, insbesondere im Rahmen der Beweiswürdigung zulasten der Partei.
Wie wird das Ergebnis der eidlichen Vernehmung rechtlich bewertet?
Das Gericht unterliegt dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO). Das bedeutet, dass die eidliche Vernehmung einer Partei kein zwingendes Beweismittel ist, sondern das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, welches Gewicht der eidlichen Aussage zukommt. In der Praxis sind Gerichte bei der Würdigung der Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit der Aussagen vorsichtig; sie nehmen insbesondere die persönliche Stellung der Partei, deren Interesse am Ausgang des Rechtsstreits sowie sonstige Indizien in ihre Überlegungen auf. Ein Urteil kann also auch gegen eine eidliche Aussage einer Partei ergehen, wenn die sonstigen Umstände dagegen sprechen.