Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Ehrverletzung

Ehrverletzung


Begriff und rechtliche Grundlagen der Ehrverletzung

Die Ehrverletzung bezeichnet im Recht die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts einer natürlichen oder juristischen Person durch Schmälerung ihres sozialen oder sittlichen Achtungsanspruchs. Dies kann durch Worte, Gesten, Schriften, Bildnisse oder Handlungen erfolgen. Die rechtliche Erfassung und Beurteilung von Ehrverletzungen sind vor allem im Strafrecht, Zivilrecht und Medienrecht von wesentlicher Bedeutung.

Definition der Ehre

Die Ehre schützt den Wert- und Achtungsanspruch eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Es wird unterschieden zwischen der soziale Ehre (das Ansehen bei Dritten) und der persönlichen Ehre (das Selbstwertgefühl). Ehrverletzungen beziehen sich insbesondere auf die soziale Ehre, da der Geltungsanspruch in der Öffentlichkeit verringert wird.


Ehrverletzung im Strafrecht

Strafrechtlicher Schutz der Ehre

Das Strafgesetzbuch (StGB) kennt verschiedene Tatbestände zum Schutz der Ehre, insbesondere die Beleidigung (§ 185 StGB), üble Nachrede (§ 186 StGB) und Verleumdung (§ 187 StGB).

Beleidigung (§ 185 StGB)

Beleidigung ist die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung gegenüber einer Person. Sie kann durch Worte, Schriften, Gesten oder Tätlichkeiten begangen werden. Beleidigungen müssen nicht öffentlich erfolgen; auch in nichtöffentlichen Kontexten (z.B. unter vier Augen) gelten sie als tatbestandsmäßig.

Üble Nachrede (§ 186 StGB)

Üble Nachrede liegt vor, wenn über eine Person Tatsachen behauptet oder verbreitet werden, die diese verächtlich machen oder in der öffentlichen Meinung herabwürdigen können, sofern die Unwahrheit der Behauptung nicht bewiesen werden kann. Der Schutzbereich ist vor allem die soziale Ehre.

Verleumdung (§ 187 StGB)

Verleumdung baut auf der üblen Nachrede auf, setzt jedoch voraus, dass der Täter die Unwahrheit der Tatsachen kennt und sie dennoch behauptet oder verbreitet, um die betroffene Person verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.

Strafprozessuale Besonderheiten

Delikte gegen die Ehre sind im Regelfall Antragsdelikte (§ 194 StGB). Die Strafverfolgung erfolgt typischerweise nur auf Antrag der betroffenen Person. Die Verfolgungsverjährung beträgt in der Regel drei Jahre.


Ehrverletzung im Zivilrecht

Zivilrechtlicher Ehrenschutz

Neben dem strafrechtlichen Schutz bietet auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in Form des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog) eine zivilrechtliche Grundlage für Ansprüche bei Ehrverletzungen. Hierzu zählen insbesondere Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche.

Anspruchsgrundlagen

  • § 823 Abs. 1 BGB: Deliktische Haftung bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (dazu zählt der Ehrenschutz).
  • § 1004 BGB analog: Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch als Abwehrrecht gegen fortdauernde Persönlichkeitsrechtsverletzungen.
  • Schmerzensgeld (§ 253 BGB): Anspruch auf immateriellen Schadensersatz bei schwerer Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Anspruchsdurchsetzung

Bereits die Androhung, wiederholt oder weiterhin ehrverletzende Äußerungen zu tätigen, kann einen Unterlassungsanspruch auslösen. Die Rechtsverfolgung erfolgt vor den Zivilgerichten; im einstweiligen Rechtsschutz können sogenannte Einstweilige Verfügungen erwirkt werden.


Ehrverletzung im Medien- und Presserecht

Besondere Anforderungen an Medien

Im Medienrecht kollidiert das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) regelmäßig mit dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Ehrverletzende Medienäußerungen können Unterlassungs-, Widerrufs- und Gegendarstellungsansprüche begründen.

Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht

Gerichte nehmen eine Interessensabwägung vor. Während wahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich zulässig sind, stellen unwahre oder bewusst verfälschte oder herabwürdigende Tatsachen sowie Schmähkritik eine unzulässige Ehrverletzung dar.

Gegendarstellungs- und Unterlassungsanspruch

Mediengesetze der Bundesländer sehen Gegendarstellungs- und Berichtigungsansprüche vor. Betroffene können eine Gegendarstellung verlangen, sofern ehrverletzende Tatsachen über sie verbreitet wurden.


Abgrenzung zu anderen Rechtsverletzungen

Meinungsäußerung versus Tatsachenbehauptung

Meinungsäußerungen genießen weiten Grundrechtsschutz, gleichwohl besteht eine Grenze bei sogenannten Schmähkritiken oder Formalbeleidigungen, bei denen die Diffamierung im Vordergrund steht.

Persönlichkeitsrechtlicher Schutz für Unternehmen und Verstorbene

Auch Unternehmen und Verbände können durch ehrverletzende Äußerungen betroffen sein. Allerdings ist das Gewicht des Ehrschutzes bei juristischen Personen gegenüber natürlichen Personen beschränkt. Verstorbene genießen ebenfalls postmortalen Ehrschutz, insbesondere durch §§ 185 ff. StGB und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.


Rechtsfolgen einer Ehrverletzung

Strafrechtliche Konsequenzen

Sanktionen umfassen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe, abhängig von Ausmaß, Folgen und Vorsatz der Ehrverletzung. Die Höhe richtet sich nach dem Einzelfall und erfolgt durch strafrichterliches Urteil.

Zivilrechtliche Konsequenzen

Die verletzte Person kann auf Unterlassung, Widerruf, Gegendarstellung, Schadensersatz sowie gegebenenfalls Schmerzensgeld klagen.


Bedeutung der Ehrverletzung im Rechtsalltag

Im Alltag sind Ehrverletzungen häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten, insbesondere im privaten oder beruflichen Umfeld, im Internet, in den Medien oder im politischen Diskurs. Digitale Medien und soziale Netzwerke haben dazu geführt, dass Ehrverletzungen öffentlich sichtbarer und die Rechtsdurchsetzung komplexer geworden ist.


Zusammenfassung

Die Ehrverletzung ist ein zentrales Rechtsproblem mit strafrechtlichen, zivilrechtlichen und medienrechtlichen Dimensionen. Der Schutz der Ehre ist Teil des Persönlichkeitsrechts jedes Menschen und unterliegt im Spannungsfeld zur Meinungsfreiheit einer sorgfältigen rechtlichen Abwägung. Die gesetzlichen Regelungen bieten umfassende Instrumentarien zur Verteidigung der Ehre, sei es durch strafrechtliche Sanktionen oder zivilrechtliche Ansprüche, um den guten Ruf und das Ansehen des Einzelnen in der Gesellschaft zu wahren.

Häufig gestellte Fragen

Welche Ansprüche kann eine betroffene Person bei einer Ehrverletzung geltend machen?

Im Falle einer Ehrverletzung stehen der betroffenen Person mehrere zivilrechtliche und strafrechtliche Ansprüche zur Verfügung. Im Zivilrecht kann zunächst auf Unterlassung geklagt werden, um eine weitere Ehrverletzung zu verhindern. Hierbei wird der Störer verpflichtet, die ehrverletzenden Äußerungen künftig zu unterlassen. Daneben besteht ein Anspruch auf Widerruf und gegebenenfalls auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung, sofern die Rechtsverletzung in der Öffentlichkeit erfolgte. Nicht selten kann die geschädigte Person auch Schadensersatz vom Täter verlangen, insbesondere wenn der Rufschaden zu materiellen Einbußen geführt hat, etwa im beruflichen oder geschäftlichen Bereich. Auch Schmerzensgeld kommt in Betracht, insbesondere bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Parallel hierzu steht dem Opfer die Möglichkeit offen, Strafanzeige zu erstatten, da Ehrverletzungen wie Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung nach den §§ 185 ff. StGB strafbar sind, wobei ein Strafantrag häufig erforderlich ist.

Welche Rolle spielt die Wahrheit der behaupteten Tatsache bei der rechtlichen Beurteilung einer Ehrverletzung?

Die Frage, ob eine Äußerung wahr oder unwahr ist, nimmt bei der rechtlichen Beurteilung einer Ehrverletzung einen zentralen Stellenwert ein. Grundsätzlich unterscheidet das Recht zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. Bei Tatsachenbehauptungen führt bereits die Verbreitung unwahrer Tatsachen, die geeignet sind, die Ehre eines anderen zu verletzen, regelmäßig zur Rechtswidrigkeit, beispielsweise im Fall der Verleumdung (§ 187 StGB). Dagegen ist die Verbreitung wahrer Tatsachen grundsätzlich erlaubt, es sei denn, es liegen besondere Ausnahmen wie die Verletzung der Intimsphäre oder ein Verstoß gegen die Menschenwürde vor. Meinungsäußerungen sind dagegen auch dann von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn sie scharf oder sogar polemisch ausfallen, soweit sie nicht die Grenze zur Schmähkritik oder Formalbeleidigung überschreiten. In gerichtlichen Verfahren obliegt es im Streitfall in der Regel demjenigen, der die ehrverletzende Tatsache behauptet, deren Wahrheit nachzuweisen (Beweislast).

Wie unterscheiden sich die rechtlichen Anforderungen an Ehrverletzungen bei Privatpersonen und bei Personen des öffentlichen Lebens?

Bei Personen des öffentlichen Lebens, wie Politiker, Künstler oder Unternehmer, gelten hinsichtlich ehrverletzender Äußerungen besondere Maßstäbe. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass öffentliche Personen ein geringeres Schutzinteresse an der Wahrung ihrer Ehre haben, da sich diese Personen einer erhöhten öffentlichen Beobachtung und Kritik stellen müssen. Kritik an ihrem öffentlichen Wirken muss stärker hingenommen werden als bei Privatpersonen. Allerdings sind auch hier Grenzen zu beachten, etwa bei bloßer Schmähkritik, unwahren Tatsachenbehauptungen oder Angriffen auf die Menschenwürde. Bei Privatpersonen ist der Ehrenschutz grundsätzlich weiter gefasst; hier wiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwerer, und Eingriffe sind nur unter strikteren Voraussetzungen gerechtfertigt.

Wie läuft ein strafrechtliches Verfahren wegen Ehrverletzung ab?

Ein strafrechtliches Verfahren wegen Ehrverletzung beginnt in der Regel mit der Erstattung einer Strafanzeige durch das Opfer. Bei Delikten wie Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung ist im Regelfall ein Strafantrag des Verletzten erforderlich, der innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von Tat und Täter gestellt werden muss (§ 77 StGB). Nach Erhebung der Anzeige ermittelt die Staatsanwaltschaft; sie prüft insbesondere, ob ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Im Ermittlungsverfahren werden Beweise gesammelt, etwa durch Zeugenvernehmungen oder die Sicherung von Beweismaterialien wie Schriftstücken. Nach Abschluss der Ermittlungen entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Anklageerhebung oder Einstellung des Verfahrens. Kommt es zur Hauptverhandlung vor dem Strafgericht, werden die Vorwürfe umfassend geprüft. Das Gericht entscheidet dann, ob der Beschuldigte schuldig zu sprechen ist und welche Strafen oder Auflagen zu verhängen sind. In vielen Fällen kann das Verfahren jedoch mit einer außergerichtlichen Einigung oder einem Strafbefehl abgeschlossen werden.

Welche Bedeutung kommt dem Persönlichkeitsrecht bei der Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrschutz zu?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt und bildet eine wesentliche Schranke für die Ausübung der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG). Bei der juristischen Bewertung von Ehrverletzungen müssen stets die widerstreitenden Grundrechte abgewogen werden. Einerseits steht das Interesse des Betroffenen an der Wahrung seiner persönlichen oder geschäftlichen Ehre; andererseits das berechtigte Interesse der Allgemeinheit und des Äußernden an der freien Meinungsäußerung. Die Rechtsprechung nimmt dabei eine sorgfältige Einzelfallabwägung vor: Liegt eine bloße Meinungsäußerung vor, so wird regelmäßig zu Gunsten der Meinungsfreiheit entschieden, solange die Äußerung nicht zur Schmähkritik wird. Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Zulässigkeit maßgeblich von deren Wahrheitsgehalt und vom Kontext ab. Besonders schutzwürdig ist das Persönlichkeitsrecht bei schwerwiegenden Eingriffen wie intimen Details, unwahren Anschuldigungen oder Angriffen auf die Menschenwürde.

Welche besonderen Beweisregeln gelten bei Streitigkeiten wegen Ehrverletzungen?

Ehrverletzungen werden häufig in Konstellationen begangen, in denen Aussage gegen Aussage steht. Hier ist die Beweisführung besonders problematisch. Im zivilrechtlichen Verfahren trägt der Anspruchsteller die Beweislast dafür, dass eine ehrverletzende Äußerung gefallen ist. Kann dies nicht bewiesen werden, bleibt die Klage erfolglos. Umgekehrt muss im Falle einer Tatsachenbehauptung derjenige, der diese verbreitet, den Wahrheitsgehalt nachweisen. Gelingt dieser Beweis nicht, so wird zu seinen Lasten davon ausgegangen, dass die Tatsache unwahr und damit möglicherweise rechtswidrig war. Begünstigt wird die Beweisführung durch Dokumentationen (z.B. Screenshots bei Online-Veröffentlichungen), Zeugenaussagen oder sonstige Beweismittel wie Tonaufnahmen – letztere sind jedoch datenschutzrechtlich und strafrechtlich oft problematisch, insbesondere wenn sie heimlich gefertigt wurden (§ 201 StGB). Im Strafverfahren prüft das Gericht anhand des Grundsatzes „in dubio pro reo“, ob die Schuld mit ausreichender Sicherheit feststeht.