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Ehescheidungsgründe


Begriff und Definition: Ehescheidungsgründe

Der Begriff Ehescheidungsgründe beschreibt im deutschen Familienrecht die gesetzlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Umstände, die zur Beendigung einer Ehe durch richterliches Scheidungsurteil führen können. Eine Ehescheidung setzt nach § 1565 Abs. 1 BGB voraus, dass die Ehe gescheitert ist. Die Scheidungsgründe sind folglich im Wesentlichen an das Scheitern der ehelichen Lebensgemeinschaft (Zerrüttungsprinzip) geknüpft und werden im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Einzelne Besonderheiten ergeben sich aus dem Versorgungsausgleichsgesetz, dem Lebenspartnerschaftsgesetz (vor 2017) sowie dem internationalen Privatrecht.


Rechtsentwicklung und Systematik

Nach früherem Recht (bis 1976) stützte sich das Scheidungsrecht auf das sogenannte Schuldprinzip, wonach die Zuweisung der Schuld am Eheversagen eine zentrale Rolle spielte. Mit der Reform durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts von 1977 wurde dieses Prinzip zugunsten des Zerrüttungsprinzips abgeschafft, um das Scheidungsverfahren zu versachlichen und zu entemotionalisieren.


Das Zerrüttungsprinzip als maßgeblicher Scheidungsgrund

Grundsatz: Scheitern der Ehe (§ 1565 Abs. 1 BGB)

Das Zerrüttungsprinzip als heutiger Maßstab verlangt das endgültige Scheitern der Ehe. Nach § 1565 Abs. 1 BGB ist eine Ehe gescheitert, „wenn die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen“.

Voraussetzungen für das Scheitern

  • Objektive Komponente: Die eheliche Lebensgemeinschaft muss tatsächlich nicht mehr bestehen. Es reicht, wenn ein Ehegatte die häusliche Gemeinschaft aufgibt und dies dauerhaft intendiert.
  • Subjektive Komponente: Es darf nicht zu erwarten sein, dass die Ehegatten die Lebensgemeinschaft wiederherstellen. Hierbei genügt ein nachvollziehbarer, ernsthafter Wille zumindest eines Ehegatten.

Gesetzliche Scheidungstatbestände

1. Trennungsjahr (§ 1566 Abs. 1 BGB)

Eine Scheidung erfolgt grundsätzlich nach Ausleben des sogenannten „Trennungsjahrs“. Haben die Ehegatten seit mindestens einem Jahr getrennt gelebt und wollen beide die Scheidung oder widersetzt sich ein Ehegatte nicht, wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist.

  • Getrenntleben bedeutet, keine gemeinsame Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr zu führen.

2. Getrenntleben seit drei Jahren (§ 1566 Abs. 2 BGB)

Bestreitet ein Ehegatte das Scheitern der Ehe, so genügt eine dreijährige Trennungsdauer. Nach Ablauf dieser Frist wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe zerrüttet und somit gescheitert ist.

3. Härtefallregelung (§ 1565 Abs. 2 BGB)

Ausnahmsweise ist eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahrs möglich, wenn die Fortsetzung der Ehe für einen Ehegatten aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Klassische Beispiele sind schwere Gewalt, massiver Alkoholismus, schwere Straftaten oder gravierende Verletzungen ehelicher Pflichten.


Ausschluss der Scheidung – Besonderheiten und Grenzen

Unzumutbare Härte für Kinder/Schutzinteresse (§ 1568 BGB)

Auch bei Vorliegen von Ehescheidungsgründen kann eine Scheidung im Ausnahmefall ausgeschlossen sein, wenn sie wegen außergewöhnlicher Umstände für die gemeinsamen minderjährigen Kinder mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre.

Ehe mit minderjährigem Ehegatten (§ 1303 Abs. 2 BGB)

Eine Ehe mit einem minderjährigen Ehegatten kann vom zuständigen Familiengericht aus besonderen Gründen aufgehoben werden. Das ist jedoch nicht mit einer Scheidung, sondern mit einer Aufhebung zu vergleichen. Die Voraussetzungen ergeben sich aus §§ 1313 ff. BGB.


Internationale Aspekte

Scheidungsgründe sind nach deutschem Recht maßgebend, sofern das deutsche Recht Anwendung findet. Im internationalen Kontext bestimmt das internationale Privatrecht (bspw. Rom III-VO), welches nationale Recht zur Anwendung kommt. Dadurch können sich, abhängig von Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsort oder gewöhnlichem Aufenthalt der Ehegatten, andere rechtliche Maßstäbe ergeben.


Nachweise und Bewertung der Scheidungsgründe vor Gericht

Grundsatz der Amtsermittlung

Das Familiengericht ermittelt die maßgeblichen Scheidungsgründe von Amts wegen. Im Regelfall genügt die Darlegung der Trennung und deren Dauer durch die Ehegatten. Bestreitet einer der Ehegatten die Trennung oder das Scheitern der Ehe, kann das Gericht Beweise durch Zeugenaussagen, Dokumente oder weitere Ermittlungen heranziehen.

Verfahrensrechtliche Bedeutung

Ehescheidungsgründe bedingen unmittelbar die Zulässigkeit einer Scheidungsklage. Sie wirken sich auf weitere Rechtsfolgen, insbesondere Unterhalt, Sorgerecht und Güterrecht aus. Die klare Feststellung der Gründe spielt somit auch eine Rolle für Folgesachen, etwa bei Ansprüchen auf Trennungsunterhalt oder im Versorgungsausgleich.


Bedeutung der Ehescheidungsgründe für andere Rechtsbereiche

Auswirkungen auf Unterhalt

Das Feststellen bestimmter Ehescheidungsgründe, insbesondere im Zusammenhang mit einer unzumutbaren Härte, kann Einfluss auf den nachehelichen Unterhalt (§§ 1570 ff. BGB) nehmen, beispielsweise wenn ein Ehegatte wegen vorsätzlichen Fehlverhaltens den Unterhalt nach § 1579 BGB verwirkt.

Kindeswohl und Sorgerecht

Bei Entscheidung über das Sorgerecht wird das Vorliegen bestimmter Scheidungsgründe (z. B. Gewalt) zugunsten des Kindeswohls besonders berücksichtigt.


Übersicht vergleichbarer Rechtslage im internationalen Kontext

Während das Zerrüttungsprinzip in Deutschland maßgeblich ist, bestehen international unterschiedliche Scheidungsvoraussetzungen:

  • Viele europäische Länder wenden ähnliche Prinzipien an; in anderen Staaten (z. B. einige US-Bundesstaaten, islamisches Recht) sind noch immer Schuld- oder Verschuldensprinzipien verbreitet.
  • In manchen Ländern sind zudem spezifische, kodifizierte Scheidungsgründe wie Ehebruch, Verlassen, Misshandlung etc. erforderlich.

Zusammenfassung

Die Ehescheidungsgründe im deutschen Recht orientieren sich am Zerrüttungsprinzip, wobei objektive und subjektive Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Die wichtigsten gesetzlichen Formen sind das Trennungsjahr, das dreijährige Getrenntleben und – in Ausnahmefällen – die unzumutbare Härte. Besondere Regelungen bestehen zum Schutz von Kindern und minderjährigen Ehegatten. Die richtige Einordnung und Beweisführung der Scheidungsgründe durch das Familiengericht ist maßgeblich für den Verlauf und die rechtlichen Folgen der Scheidung. Internationale Konstellationen können je nach anzuwendendem Recht zu abweichenden Voraussetzungen führen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Gründe gibt es für eine Ehescheidung nach deutschem Recht?

Nach deutschem Recht bildet das Scheitern der Ehe gemäß § 1565 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den zentralen Scheidungsgrund. Eine Ehe gilt rechtlich als gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht zu erwarten ist, dass diese wiederhergestellt werden kann. Konkret wird zwischen der einvernehmlichen und der streitigen Scheidung unterschieden. Bei einvernehmlicher Scheidung genügt es, wenn beide Ehegatten nach mindestens einem Jahr Trennung die Ehescheidung beantragen und übereinstimmend erklären, dass ihre Ehe gescheitert ist. Im Falle der streitigen Scheidung ist der Nachweis des Scheiterns der Ehe erforderlich, in der Regel durch eine dreijährige vollständige Trennung. Darüber hinaus bestehen Härtefallscheidungsgründe (§ 1565 Abs. 2 BGB), bei denen auch ohne Trennung ausnahmsweise eine sofortige Scheidung möglich ist, etwa bei schwerwiegenden Verfehlungen wie Gewalt oder schweren Beleidigungen. Andere, wie beispielsweise Ehebruch oder Untreue, sind im deutschen Recht keine eigenständigen Scheidungsgründe mehr, sondern werden im Rahmen des Scheiterns geprüft.

Wie weist das Familiengericht das Scheitern der Ehe nach?

Das Familiengericht prüft das Scheitern der Ehe zunächst anhand des Trennungszeitraums und der persönlichen Angaben der Eheleute. Nach Ablauf des Trennungsjahres geht das Gericht grundsätzlich von einem Scheitern der Ehe aus, sofern beide Ehegatten dies übereinstimmend erklären (einvernehmliche Scheidung). Bei widersprüchlichen Angaben oder streitigen Verfahren muss das Gericht die Zerrüttung feststellen, beispielsweise durch Zeugenbefragungen, Beweise über fehlende gemeinsame wirtschaftliche Haushaltsführung oder separate Wohnverhältnisse. Nach drei Jahren Getrenntleben wird das Scheitern unwiderlegbar vermutet (§ 1566 Abs. 2 BGB). Das Gericht achtet darauf, dass tatsächlich keine häusliche, wirtschaftliche oder persönliche Gemeinschaft mehr besteht, wobei kurze Versöhnungsversuche das Trennungsjahr in der Regel nicht unterbrechen.

Welche Rolle spielt die Trennungszeit im Rahmen der Scheidungsgründe?

Die Trennungszeit ist ein zentrales Element im Scheidungsrecht. Grundsätzlich muss vor einer Scheidung mindestens ein Jahr Trennung vorliegen (§ 1566 Abs. 1 BGB). Die Trennung kann sowohl durch Auszug eines Partners als auch innerhalb der gemeinsamen Wohnung („Trennung von Tisch und Bett“) erfolgen, sofern keine häusliche, wirtschaftliche oder persönliche Lebensgemeinschaft mehr gegeben ist. Die Einjahresfrist dient als „Abkühlungsphase“ und soll vermeiden, dass Scheidungen übereilt durchgeführt werden. Erst nach drei Jahren Trennung gilt die Ehe rechtlich unwiderlegbar als gescheitert, auch wenn einer der Partner der Scheidung widerspricht. Ist jedoch ein Härtefall gegeben, kann das Gericht auf das Trennungsjahr verzichten.

Welche Bedeutung hat das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe?

Das Verschuldensprinzip existiert im deutschen Scheidungsrecht seit 1977 nicht mehr. Es ist also rechtlich unerheblich, wer für das Scheitern der Ehe verantwortlich ist. Ehebruch, Gewalt oder andere Verfehlungen gelten nicht als eigenständige Scheidungsgründe, sondern können allenfalls im Rahmen von Härtefällen eine Rolle spielen. Der Fokus liegt ausschließlich darauf, ob die Ehe als gescheitert anzusehen ist. Allerdings können schuldhafte Verhaltensweisen bei Folgesachen wie Unterhalt oder Sorgerecht Berücksichtigung finden.

In welchen Fällen ist eine Härtefallscheidung möglich?

Eine sogenannte Härtefallscheidung (§ 1565 Abs. 2 BGB) kommt in Frage, wenn die Fortsetzung der Ehe für einen Ehegatten aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, unzumutbar wäre. Typische Beispiele sind schwere Gewaltanwendungen, gravierende Beleidigungen, schwere psychische oder physische Misshandlungen und nachgewiesene schwere Suchterkrankungen. In solchen Fällen kann die Ehe auch vor Ablauf des Trennungsjahres geschieden werden. Die Hürden hierfür sind jedoch hoch; das Gericht prüft intensiv, ob tatsächlich außergewöhnliche Umstände vorliegen.

Kann eine Ehescheidung trotz kurzer Ehezeit erfolgen?

Auch bei einer sehr kurzen Ehedauer kann eine Scheidung stattfinden. Die Voraussetzungen richten sich ausschließlich nach dem Nachweis des Scheiterns und der Einhaltung des gesetzlichen Trennungsjahrs beziehungsweise eines Härtefalls. Die kurze Dauer der Ehe selbst stellt keinen eigenständigen Scheidungsgrund oder ein Scheidungshindernis dar. Allerdings hat die Ehedauer Einfluss auf einige Scheidungsfolgen, wie etwa den Versorgungsausgleich oder nachehelichen Unterhalt.

Gibt es Ausnahmen vom Trennungsjahr bei wechselseitigem Wunsch zur Scheidung?

Nein, selbst wenn beide Ehegatten die Ehescheidung wünschen, bleibt das Trennungsjahr grundsätzlich einzuhalten. Das Gericht prüft, ob die Versöhnung ausgeschlossen ist und die Voraussetzungen des § 1566 Abs. 1 BGB wirklich erfüllt sind. Nur im Rahmen einer Härtefallscheidung kann auf das Trennungsjahr verzichtet werden. Das beiderseitige Einvernehmen beschleunigt zwar das Verfahren, hebt aber die Frist nicht auf.

Welche Rolle spielt das Wohl gemeinsamer Kinder bei der Prüfung der Ehescheidungsgründe?

Das Wohl der Kinder ist bei der Feststellung der Scheidungsgründe nicht ausschlaggebend. Die Prüfung, ob die Ehe gescheitert ist, erfolgt unabhängig von kindbezogenen Überlegungen. Allerdings erhält das Kindeswohl in den sogenannten Folgesachen, wie dem Sorge- und Umgangsrecht oder dem Kindesunterhalt, eine zentrale Bedeutung. Das Gericht kann das Scheidungsverfahren auch nicht verzögern oder verweigern, weil gemeinsame Kinder vorhanden sind.