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Ehemündigkeit


Ehemündigkeit – Begriff, rechtliche Grundlagen und historische Entwicklung

Die Ehemündigkeit stellt ein zentrales Konzept des Familienrechts dar und bezeichnet das gesetzlich festgelegte Mindestalter, ab dem eine Person das Recht besitzt, eine Ehe rechtswirksam einzugehen. In Deutschland sowie in den meisten europäischen Ländern gilt die Ehemündigkeit als Schutzmechanismus, um die freiwillige und verantwortungsbewusste Eheschließung zu gewährleisten.

Begriff und Bedeutung der Ehemündigkeit

Ehemündigkeit beschreibt die Fähigkeit einer Person, nach Erreichen eines bestimmten Lebensalters rechtlich verbindlich eine Ehe zu schließen. Die Ehemündigkeit begrenzt demnach das Recht auf Eheschließung auf Individuen, die ein bestimmtes Maß an Reife und Verantwortungsbewusstsein erreicht haben. Die Regelung dient insbesondere dem Schutz minderjähriger Personen vor den weitreichenden rechtlichen und persönlichen Konsequenzen einer Ehe.

Rechtliche Definition:
Die konkrete Definition der Ehemündigkeit und die daran geknüpfte Altersgrenze werden durch die jeweiligen nationalen Gesetze festgelegt. Neben dem Alter können weitere persönliche Voraussetzungen notwendig sein, um als ehemündig zu gelten.

Ehemündigkeit im deutschen Recht

Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)

Gemäß § 1303 BGB war in Deutschland bis zur Gesetzesänderung im Jahr 2017 die sogenannte eingeschränkte Ehemündigkeit möglich. Grundsätzlich setzte die Ehefähigkeit die Volljährigkeit, also das 18. Lebensjahr, voraus. Ausnahmen galten für 16- und 17-Jährige, wenn ein Familiengericht eine Ausnahmegenehmigung erteilte und der zukünftige Ehepartner volljährig war.

Relevante Gesetzesänderung:
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen am 22. Juli 2017 wurde die Möglichkeit, Ehegenehmigungen für unter 18-Jährige zu erteilen, abgeschafft. Seitdem gilt in Deutschland uneingeschränkt:
Ehemündigkeit wird mit Vollendung des 18. Lebensjahres erlangt.
Alle nach deutschem Recht geschlossenen Ehen mit minderjährigen Partnern sind seither grundsätzlich unwirksam.

Ausnahme- und Übergangsregelungen

Das Gesetz sieht für bereits im Ausland geschlossene Ehen mit minderjährigen Partnern differenzierte Regelungen vor: Ist eine Ehe geschlossen worden, als einer der Ehegatten unter 16 Jahre alt war, gilt die Ehe in Deutschland als nichtig. Bei Ehen mit einem Ehegatten im Alter von 16 oder 17 Jahren kann unter engen Voraussetzungen eine Fortführung erfolgen, sofern das Kindeswohl dies nicht ausschließt und besondere Härtefälle vorliegen.

Ehemündigkeit im internationalen Vergleich

Viele Staaten regeln die Ehemündigkeit ähnlich wie Deutschland, wobei es zum Teil Unterschiede im erlaubten Mindestalter und in der Möglichkeit von Ausnahmeregelungen gibt:

  • Österreich: Grundsätzlich ab 18 Jahren; Heirat ab 16 Jahren mit familiengerichtlicher Zustimmung und volljährigem Partner möglich.
  • Schweiz: Vollendung des 18. Lebensjahres ohne Ausnahmen.
  • Frankreich und Italien: Mindestalter 18 Jahre, mit beschränkten Ausnahmeerlaubnissen bei Vorliegen triftiger Gründe und richterlicher Genehmigung.
  • Viele außereuropäische Länder: Teils niedrigere Altersgrenzen, häufig mit Genehmigung von Eltern oder Gerichten.

Internationale Ehe und Kollisionsrecht

Bei im Ausland geschlossenen Ehen kann das deutsche internationale Privatrecht (IPR) Anwendung finden. Die Beurteilung der Wirksamkeit solcher Ehen richtet sich regelmäßig nach dem Recht des Staats, dem die Ehepartner angehören oder in dem die Ehe geschlossen wurde. Das deutsche Familienrecht sieht jedoch auch insoweit kontrollierende Schranken vor, um den Schutz minderjähriger Personen zu gewährleisten.

Schutzzwecke und rechtspolitischer Hintergrund

Schutz Minderjähriger

Ziel der Ehemündigkeitsregelungen ist vor allem der Schutz von Minderjährigen, insbesondere Mädchen, vor Heiraten, die unter Zwang oder mangels Reifeentscheidung geschlossen werden. Die mit einer Ehe einhergehenden Pflichten und Verantwortungen sollen erst dann übernommen werden dürfen, wenn die betroffenen Personen diese rechtlich und persönlich vollumfänglich erfassen können.

Vermeidung von Zwangsehen

Die Festlegung einer verbindlichen Altersgrenze trägt auch dazu bei, die Gefahr der Zwangs- und Frühehen zu verringern und das Recht auf freie Partnerwahl sowie das Kindeswohl zu sichern.

Weitere rechtliche Aspekte der Ehemündigkeit

Zusammenhang mit Geschäftsfähigkeit

Die Ehemündigkeit ist losgelöst von der allgemeinen Geschäftsfähigkeit zu betrachten. Sie wird unabhängig von etwaigen Einschränkungen, wie etwa Betreuung oder Vormundschaft, ausschließlich nach dem Alter und nach richterlichen Regelungen beurteilt.

Aufhebung und Nichtigkeit einer Ehe

Stellt sich heraus, dass bei Eheschließung keine Ehemündigkeit vorlag, kann eine Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt werden. Hierbei sind die Vorschriften der §§ 1313 ff. BGB maßgeblich, wobei der Grundsatz gilt, dass das öffentliche Interesse an der Aufhebung jugendlicherhebetonter Ehen besonders hoch ist.

Sonderregelungen und Härtefallprüfungen

Im Rahmen internationaler oder religiöser Eheschließungen kann die Frage der Ehemündigkeit eine Rolle spielen. Besonders bei der Anerkennung ausländischer Ehen finden strenge Prüfungen statt, ob Kindeswohl, persönliche Reife und Freiwilligkeit gewahrt wurden.

Historische Entwicklung der Ehemündigkeit

Im Verlauf der deutschen Rechtsgeschichte wurde das Mindestalter für die Eheschließung mehrfach angepasst. Während im Mittelalter und der frühen Neuzeit eine Eheschließung ab 12 bzw. 14 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht wurde, stieg das Mindestalter insbesondere im Zuge des Kinder- und Jugendschutzes sowie der gesellschaftlichen Emanzipationsprozesse kontinuierlich an.

Die heutige Regelung spiegelt die internationale Tendenz wider, Kinder und Jugendliche vor frühen Eheschließungen zu schützen und das Recht auf selbstbestimmte Entwicklung zu sichern.


Zusammenfassung:
Die Ehemündigkeit ist ein zentrales Element des Ehe- und Familienrechts und schützt vor allem minderjährige Personen vor zu frühen Eheschließungen. Mit der gesetzlichen Festlegung der Volljährigkeit als Mindestalter für eine Ehe ist ein wichtiger Schritt zum Schutz des Kindeswohls sowie zur Vermeidung von Zwangs- und Frühehen vollzogen worden. Unterschiede in der Ausgestaltung und rechtlichen Behandlung bestehen im internationalen Vergleich sowie bei Anerkennung ausländischer Ehen. Die Entwicklung und Ausgestaltung der Ehemündigkeit spiegeln gesellschaftliche Werte rund um Schutz, Freiheit und Selbstbestimmung wider.

Häufig gestellte Fragen

Welche Ausnahmen von der Volljährigkeit sieht das deutsche Recht für die Ehemündigkeit vor?

Im deutschen Recht gilt grundsätzlich die Volljährigkeit, also das vollendete 18. Lebensjahr, als Voraussetzung für die Ehemündigkeit nach § 1303 BGB. Es existiert jedoch eine inzwischen abgeschaffte, aber für Altfälle noch relevante Ausnahme: Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen am 22. Juli 2017 war es mit Genehmigung eines Familiengerichts möglich, eine Ehe bereits ab dem 16. Lebensjahr zu schließen, sofern der Partner volljährig war und außergewöhnliche Umstände die Eheschließung rechtfertigten. Seit 2017 ist eine nachträgliche gerichtliche Genehmigung ausgeschlossen, Minderjährige unter 18 Jahren gelten nach § 1303 Satz 1 BGB als generell nicht ehemündig. Für vor diesem Stichtag geschlossene Ehen gelten Übergangsregelungen (§§ 1310ff BGB, Art. 229 § 44 EGBGB), die eine Aufhebung der Ehe unter bestimmten Voraussetzungen erlauben oder die Anerkennung der Ehe im Einzelfall prüfen.

Wie wird in Deutschland die Ehemündigkeit überprüft und welche Nachweise sind erforderlich?

Die Standesbeamten sind verpflichtet, vor der Eheschließung die Ehemündigkeit der Beteiligten zu prüfen. Dazu muss durch Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises (Personalausweis oder Reisepass) das Alter nachgewiesen werden. Bei vorhandenen Ausnahmen in Altfällen (Ehen Minderjähriger vor dem 22.07.2017) ist zusätzlich die damalige gerichtliche Genehmigung vorzulegen. In Fällen, in denen Ehepartner im Ausland geheiratet haben, prüft die zuständige Behörde bei der Anerkennung der Ehe, ob die Ehemündigkeit nach deutschem Recht oder nach internationalem Privatrecht in Verbindung mit deutschem ordre public gegeben ist.

Welche Folgen hat eine Eheschließung ohne Ehemündigkeit im deutschen Recht?

Eine Ehe, die nach dem 22.07.2017 mit einer nicht ehemündigen Person (unter 18 Jahre) geschlossen wurde, ist nach deutschem Recht grundsätzlich nichtig (§ 1314 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das bedeutet, dass die Ehe auf Antrag von Amts wegen aufgehoben werden muss. Die Nichtigkeit wirkt ex tunc, also rückwirkend ab Eheschließung. Für Minderjährigenehen, die vor der Gesetzesänderung geschlossen wurden, sehen die Übergangsregelungen eine mögliche Aufhebung vor, insbesondere, wenn der minderjährige Ehepartner jünger als 16 Jahre war. Ein besonderer Schutz gilt für unter 16-Jährige, deren Ehen stets aufgehoben werden, während bei über 16-Jährigen Ausnahmen insbesondere zum Schutz des Kindeswohls möglich sind.

Welche internationalen Aspekte sind bei der Ehemündigkeit zu beachten?

Internationale Sachverhalte entstehen insbesondere, wenn einer oder beide Ehepartner Ausländer sind oder die Ehe im Ausland geschlossen wurde. Grundsätzlich richtet sich die Ehemündigkeit dabei nach dem häuslichen Personalstatut, also häufig der jeweiligen Staatsangehörigkeit, gemäß Art. 13 EGBGB. Allerdings ist nach dem deutschen ordre public (§ 6 EGBGB) eine Anerkennung der Ehe ausgeschlossen, wenn die Ehe nach deutschem Recht eine nicht bestehende Ehemündigkeit missachtet und dadurch gegen wesentliche Grundsätze verstößt. Das betrifft insbesondere Kinderehen gemäß § 1303 BGB.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen für ehemals minderjährige Ehepartner nach Erreichen der Volljährigkeit?

Wird eine Ehe aufgehoben, die mit minderjähriger Ehemündigkeit geschlossen und nun nachträglich geprüft wurde, bestehen für ehemals minderjährige Ehepartner unter Umständen Ansprüche auf Unterhalt (§ 1318 BGB) oder vermögensrechtliche Ausgleichsansprüche, sofern ein schützenswertes Vertrauen in die Ehe bestand. Darüber hinaus besteht für innerhalb Deutschlands geschlossene, aufhebbare Minderjährigenehen die Option, nach Volljährigkeit die Ehe durch erneute Eheschließung nach deutschem Recht zu bestätigen. Diese Regelungen bezwecken insbesondere den Schutz des schwächeren Ehepartners sowie den Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile.

Welche Rolle spielt der Schutzmechanismus des Familiengerichts bei der Prüfung der Ehemündigkeit?

Historisch war das Familiengericht zuständig, sofern eine Ausnahme von der Volljährigkeit zur Eheschließung angestrebt wurde. Das Gericht hatte umfassend zu prüfen, ob eine Ausnahme aufgrund außergewöhnlicher Gründe gerechtfertigt ist und das Wohl des minderjährigen Antragstellers geschützt wird. Mit der Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen entfiel diese gerichtliche Einzelfallprüfung, Minderjährige erhalten somit besonderen Schutz vor verfrühten oder erzwungenen Ehen, und gerichtliche Ausnahmegenehmigungen sind nicht mehr möglich. In Übergangsfällen prüft jedoch das Familiengericht noch die Aufhebbarkeit und die Folgen für betroffene Minderjährige.