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Eheherstellungsklage


Begriff und rechtliche Einordnung der Eheherstellungsklage

Die Eheherstellungsklage ist ein im Familienrecht verortetes Rechtsinstitut, das darauf abzielt, den rechtlichen und tatsächlichen Zustand der ehelichen Lebensgemeinschaft wiederherzustellen, sofern diese durch das Verhalten eines Ehegatten beeinträchtigt oder aufgehoben wurde. Sie findet ihre rechtliche Grundlage insbesondere im deutschen Recht gemäß § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), das die Pflicht der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft normiert.

Definition der Eheherstellungsklage

Unter einer Eheherstellungsklage versteht man die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs auf Herstellung oder Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft gegenüber dem Ehepartner. Typischerweise wird das Klageziel darin gesehen, ein Zusammenleben, das durch räumliche Trennung oder Verweigerung der ehelichen Lebensgemeinschaft beeinträchtigt ist, erneut herbeizuführen.

Gesetzliche Grundlagen

§ 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 1353 BGB regelt die grundlegende Pflicht der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Dies umfasst das gemeinsame Zusammenleben, gegenseitige Rücksichtnahme sowie Beistand. Kommt ein Ehegatte dieser Verpflichtung nicht nach, kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Eheherstellungsklage erhoben werden.

Weitere relevante Vorschriften

  • §§ 1360 ff. BGB: Regelungen über Unterhalt und weitere eheliche Verpflichtungen
  • FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit): Vorschriften zur Durchführung familienrechtlicher Verfahren

Voraussetzung und Inhalt der Eheherstellungsklage

Klagevoraussetzungen

Eine Eheherstellungsklage setzt voraus:

  • Eine wirksame, bestehende Ehe zwischen den Parteien
  • Die einseitige Aufhebung oder deutliche Beeinträchtigung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch einen Ehegatten, beispielsweise durch Auszug aus der gemeinsamen Wohnung oder Verweigerung der Rückkehr
  • Das ernsthafte und nachhaltige Interesse des klagenden Ehegatten an der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft

Die Klage erfordert, dass keine schwerwiegenden Eheverfehlungen vorliegen, die dem Klagen auf Zusammenleben entgegenstehen könnten, wie beispielsweise Fälle von Gewalt, schwerer Kränkung oder vergleichbaren Umständen.

Inhalt und Ziel der Klage

Das Hauptziel der Eheherstellungsklage ist die gerichtliche Anordnung, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen. Dies kann insbesondere die Rückkehr in die eheliche Wohnung umfassen oder schlicht das allgemeine Zusammenleben erzwingen.

Ablauf des Verfahrens

Gerichtsstand und Zuständigkeit

Für Eheherstellungsklagen ist das Familiengericht zuständig. Örtlich maßgeblich ist regelmäßig dasjenige Gericht, in dessen Bezirk ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Ablauf und Besonderheiten

Das Verfahren wird, wie alle Familiensachen, als besonderes Verfahren nach dem FamFG geführt. Es handelt sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, die dem besonderen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterliegt.

Das Gericht prüft im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Zumutbarkeit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft für beide Ehegatten. Dabei stehen individuelle Schutzinteressen – etwa bei Gefahr für Leib, Leben oder seelische Unversehrtheit – im Vordergrund. Das Gericht kann die Klage abweisen, wenn das Zusammenleben für einen Ehegatten unzumutbar ist.

Rechtliche Grenzen und Durchsetzbarkeit

Kein Zwang zur ehelichen Lebensgemeinschaft

Die Eheherstellungsklage hat im deutschen Recht eine sehr begrenzte praktische Bedeutung. Das liegt vor allem daran, dass die intime persönliche Beziehung zwischen Ehegatten grundsätzlich nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann. Das Gericht kann die Verpflichtung zur Herstellung der Lebensgemeinschaft lediglich deklaratorisch feststellen, das heißt, ein faktischer Zwang zur Rückkehr kann nicht angeordnet werden.

Ein Vollstreckungsrecht analog zu anderen Verpflichtungsklagen (etwa durch Zwangsgeld oder Zwangshaft) besteht aus Rücksicht auf das Persönlichkeitsrecht der Beklagten in aller Regel nicht.

Bedeutung im internationalen Familienrecht

Auch im internationalen Kontext, etwa bei grenzüberschreitenden Ehen, spielt die Eheherstellungsklage nur eine untergeordnete Rolle. In den meisten nationalen Rechtsordnungen Europas wird der Gedanke der Unzumutbarkeit einer erzwungenen ehelichen Lebensgemeinschaft ebenso berücksichtigt. Entsprechende Klagen werden daher häufig mit Hinweis auf Menschenrechte und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit abgewiesen.

Praktische Relevanz und Kritik

Bedeutung in der Rechtspraxis

In der aktuellen Rechtsprechung und Beratungspraxis werden Eheherstellungsklagen nur selten erhoben. Hintergrund ist zum einen die geringe Durchsetzbarkeit, zum anderen das Spannungsverhältnis zu Grundrechten und zur Menschenwürde.

Kritische Einordnung

Die Praktikabilität der Eheherstellungsklage wird oftmals hinterfragt, da sie sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen kaum Aussicht auf nachhaltige Erfolgsaussichten bietet. Der Gesetzgeber und die Rechtsprechung sehen das private Zusammenleben vor allem als höchstpersönliche Entscheidung an, die staatlicher Durchsetzung weitestgehend entzogen ist.

Alternative rechtliche Vorgehensweisen

Statt einer Eheherstellungsklage werden in der Praxis vorrangig Trennungsfolgen- oder Scheidungsverfahren eingeleitet, wenn das Zusammenleben nachhaltig gestört ist. Darüber hinaus bestehen Ansprüche auf Ehegattenunterhalt oder Regelungen im Zusammenhang mit der Ehewohnung.

Zusammenfassung

Die Eheherstellungsklage ist ein familienrechtliches Instrument, das formal der gerichtlichen Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft dient. Ihre praktische Bedeutung ist aufgrund der fehlenden Vollstreckbarkeit, des Persönlichkeitsschutzes und der geringen Erfolgsaussichten jedoch äußerst gering. Rechtlich markiert die Eheherstellungsklage das Spannungsfeld zwischen Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und dem Schutz individueller Freiheitsrechte. In der Praxis überwiegen alternative familienrechtliche Wege bei nachhaltig gestörter Ehe.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Erhebung einer Eheherstellungsklage vorliegen?

Die Erhebung einer Eheherstellungsklage erfordert das Vorliegen spezifischer rechtlicher Voraussetzungen, die sich vornehmlich aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und gegebenenfalls aus spezialgesetzlichen Regelungen ergeben. Zunächst muss ein wirksamer und unverfallbarer Anspruch auf die Begründung oder Fortführung einer ehelichen Lebensgemeinschaft bestehen, was voraussetzt, dass eine rechtlich gültige Ehe besteht oder die Ehe infolge einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung wiederhergestellt werden soll. Weiterhin darf kein anderweitiger Ausschlussgrund, wie etwa ein wirksamer Scheidungsurteil, ein Trennungszeitraum oder eine neue Eheschließung eines Ehepartners, vorliegen. Prozessrechtlich ist außerdem die ordnungsgemäße Klagebefugnis zu beachten; Klägerin oder Kläger müssen Partei der betroffenen Ehe sein und ein eigenes rechtliches Interesse an der Herstellung der Ehe nachweisen. Gegenüber Dritten gestellte Klagen, etwa durch Verwandte, sind unzulässig. Schließlich sollte die Klage spezifizieren, welches konkrete Verhalten oder Unterlassen der andere Ehegatte schuldet, z.B. Einzug in die Ehewohnung oder Herstellung des gemeinsamen Zusammenlebens.

Welche Gerichte sind für Eheherstellungsklagen zuständig?

Für Eheherstellungsklagen ist grundsätzlich das Familiengericht als besondere Abteilung des Amtsgerichts am Wohnort eines der Ehegatten zuständig. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23b und 122 FamFG i.V.m. § 621 Nr. 1 ZPO. Das Familiengericht ist als einzig sachlich befähigtes Gericht in der Lage, Maßregeln zur Führung der ehelichen Gemeinschaft zu treffen, sowie Verfügungen über den Aufenthalt, die Wohnung oder den Kontakt zwischen den Ehegatten auszusprechen. In internationalen Fällen kommt die Prüfung internationaler Zuständigkeit und ggf. die Anwendung der Brüssel IIa-Verordnung zur Geltung.

Wie ist das Verfahren der Eheherstellungsklage ausgestaltet?

Das Verfahren der Eheherstellungsklage folgt den Vorschriften des FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Nach Einreichung der Klageschrift erfolgt eine Prüfung der Zulässigkeit durch das Familiengericht. Im Regelfall wird ein schriftliches Vorverfahren eingeleitet, bevor es zu mündlichen Verhandlungen kommt. Beide Parteien werden zur Stellungnahme aufgefordert und erhalten Gelegenheit, Sachverhalt und Beweismittel vorzutragen. Das Gericht kann zeugenschaftliche Vernehmungen, Augenscheinseinnahmen oder psychologische Gutachten zur Klärung familiärer Verhältnisse anordnen. Ein besonderes Augenmerk gilt den Grundrechten der beteiligten Ehegatten, wobei Zwangsmaßnahmen zur Herstellung der ehelichen Gemeinschaft nur in sehr eingeschränktem Rahmen und stets unter Wahrung des Personenschutzes möglich sind.

Welche rechtlichen Folgen kann einem Erfolg der Eheherstellungsklage zukommen?

Bei Erfolg der Eheherstellungsklage kann das Familiengericht den beklagten Ehepartner verpflichten, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen, beispielsweise durch Wiedereinzug in die Ehewohnung oder Mitwirkung am gemeinsamen ehelichen Leben. Die Verurteilung ist jedoch auf Handlungen begrenzt, die rechtskonform und zumutbar sind. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind insofern problematisch, da sie nicht gegen den Willen eines Ehegatten in persönlichkeitsbezogene Rechte eingreifen dürfen. Daher ist eine Eheherstellung nur insoweit erreichbar, als der verpflichtete Ehegatte freiwillig handelt. Eine mittelbare, etwa durch Ordnungsgeld sanktionierte Verpflichtung, kann angeordnet werden, sofern das Verhalten objektiv zumutbar und ausreichend konkretisiert ist.

Welche Abwehrmöglichkeiten bestehen gegen eine Eheherstellungsklage?

Der Beklagte kann sich auf verschiedene rechtliche Abwehrmechanismen stützen. So ist die Einrede des Getrenntlebens (§ 1567 BGB) ein bedeutender Schutzmechanismus: Lebt der Ehegatte bereits in einer von ihm gewollten dauerhaften Trennung, entfällt die Verpflichtung zur Wiederherstellung der Gemeinschaft. Weitere Einwendungen können auf Eheunwürdigkeit, Härtefälle, Gefahren für das Kindeswohl oder eigene schutzwürdige Interessen (z. B. Schutz vor Gewalt) gestützt werden. Zudem lässt sich die Unzumutbarkeit der Wiederherstellung (etwa bei schweren ehelichen Zerwürfnissen) geltend machen. In allen Fällen ist das Gericht gehalten, sowohl das Persönlichkeitsrecht jedes Ehegatten als auch die besonderen Umstände des Einzelfalls umfassend zu würdigen.

Wie verhält sich die Eheherstellungsklage zu anderen Eheverfahren, wie z.B. Scheidung oder Trennungsverfahren?

Die Eheherstellungsklage stellt grundsätzlich ein aliud zum Scheidungs- oder Trennungsverfahren dar. Während die Eheherstellungsklage auf die Wiederherstellung beziehungsweise Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft gerichtet ist, bezweckt das Scheidungsverfahren die rechtliche und faktische Trennung der Ehepartner. Wird im Rahmen eines Scheidungsverfahrens oder nach Einreichung eines Scheidungsantrages eine Eheherstellungsklage erhoben, ist diese regelmäßig unzulässig. Auch Anhängigkeitskonkurrenzen bestehen: Ist ein Scheidungsverfahren rechtshängig oder wird Getrenntleben nachgewiesen, ist die weitere Führung der Ehe durch gerichtlichen Zwang ausgeschlossen.

Welche Bedeutung hat das Kindeswohl im Zusammenhang mit einer Eheherstellungsklage?

Das Kindeswohl nimmt einen herausgehobenen Stellenwert bei jeder gerichtlichen Entscheidung über Eheherstellungsklagen ein. Kommt es im Rahmen des Streitverfahrens oder durch Vorbringen einer Partei zu Anhaltspunkten, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft dem Wohl gemeinsamer Kinder abträglich wäre, hat das Familiengericht diese Erkenntnisse von Amts wegen zu berücksichtigen. Kindesinteressen, insbesondere in Konflikt-, Gewalt- oder Misshandlungssituationen, können zur Unzulässigkeit oder Abweisung der Eheherstellungsklage führen. Ergänzend ist es dem Gericht möglich, das Jugendamt oder Sachverständige hinzuzuziehen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutze der Kinder anzuordnen.