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Ehedispens


Definition und Bedeutung des Ehedispens

Der Ehedispens ist eine rechtliche Ausnahmegenehmigung, die eine Eheschließung trotz eigentlich bestehender Ehehindernisse ermöglicht. Der Begriff leitet sich vom lateinischen „dispensare“ (erlassen, befreien) ab und bezeichnet die im Familienrecht geregelte Möglichkeit, in bestimmten Fällen von gesetzlichen Eheverboten abzuweichen. Sinn und Zweck des Ehedispens besteht darin, im Einzelfall eine Eheschließung zu gestatten, die ansonsten durch zwingende Normen des Eherechts untersagt wäre.

Rechtliche Grundlagen des Ehedispens

Historische Entwicklung

Der Ehedispens hat seine Wurzeln im kanonischen Recht der römisch-katholischen Kirche, wo er insbesondere für kirchliche Ehehindernisse vorgesehen war. In kontinentaleuropäischen Staaten wurde das Institut des Ehedispens im Lauf der Jahrhunderte kodifiziert und staatlichen Behörden zugeordnet. Während im 19. und 20. Jahrhundert Dispensverfahren eine häufige Praxis darstellten, ist das Verfahren im modernen Recht deutlich beschränkt worden.

Nationale Regelungen

Deutschland

Im deutschen Recht ist der Ehedispens heutzutage weitgehend entfallen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) bestehen wenige, absolute Eheverbote, von denen keine Dispensation möglich ist. Die wichtigsten Ehehindernisse nach deutschem Recht (insbesondere Ehe zwischen Verwandten in gerader Linie oder zwischen Geschwistern, § 1307 BGB) sind zwingend und nicht dispensabel. Historisch bestand jedoch bis zur Neufassung des Rechts die Möglichkeit, in bestimmten Fällen einen Dispens zu erteilen, etwa bei Schwägerschaft. Seit der Reform des Eherechts wurden jedoch sämtliche Dispensmöglichkeiten nach deutschem Recht abgeschafft.

Österreich

Das österreichische Ehegesetz kennt den Ehedispens in Ausnahmefällen noch. Gemäß § 11 Abs. 2 des Ehegesetzes kann die Landesregierung einen Dispens von bestimmten Eheverboten (etwa bei Schwägerschaft in gerader Linie) auf begründeten Antrag erteilen, wenn ein überwiegendes Interesse der Verlobten besteht und keine schwerwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Ein Dispens bei Verwandtschaft in gerader Linie oder unter Geschwistern ist auch in Österreich ausgeschlossen.

Schweiz

In der Schweiz regelt das Zivilgesetzbuch (ZGB) die Voraussetzungen für die Eheschließung. Ehedispense können nach Art. 98 ZGB für Wartefristen nach Auflösung einer früheren Ehe oder eingetragenen Partnerschaft aus wichtigen Gründen erteilt werden. Ein Dispens für Ehehindernisse wie verwandtschaftliche Beziehungen ist – ebenso wie in Deutschland – ausgeschlossen.

Weitere Rechtsordnungen

In manchen Rechtsordnungen, etwa in Liechtenstein oder bestimmten US-Bundesstaaten, bestehen Dispensmöglichkeiten in sehr eingeschränktem Rahmen, meist nur für die Wartefristen nach einer Scheidung oder im Fall einer Adoption.

Kanonisches Recht

Im kanonischen Recht der römisch-katholischen Kirche existiert der Ehedispens fort. Bestimmte Ehehindernisse (zum Beispiel Schwägerschaft oder bestimmte Grade der Blutsverwandtschaft) können vom zuständigen kirchlichen Autoritätsträger – meist dem Diözesanbischof, in gravierenden Fällen vom Heiligen Stuhl – dispensiert werden. Absolute Ehehindernisse („dirimentia matrimonii impedimenta“), etwa die Blutsverwandtschaft in gerader Linie oder die Ehe mit einem bestehenden Ehepartner, sind hiervon ausgeschlossen.

Voraussetzungen und Verfahren des Ehedispens

Formelles Verfahren

Zur Erteilung eines Ehedispens ist grundsätzlich ein formalisiertes Antragsverfahren erforderlich. Der Antrag ist bei der jeweils zuständigen Behörde (beispielsweise Standesamt, Landesregierung, kirchliche Behörde) durch die Verlobten zu stellen. Die Behörde prüft die dargelegten Gründe und wägt das Interesse der Antragsteller gegen das öffentliche Interesse bzw. die gesetzlich geschützten Rechtsgüter ab.

Materielle Voraussetzungen

Ein Dispens ist nur für solche Ehehindernisse zulässig, von denen das Gesetz oder kirchliche Recht ausdrücklich eine Befreiung vorsieht. Häufige Fallgruppen sind:

  • Schwägerschaft in Seitenlinien
  • Wartefrist nach Scheidung oder Tod des Ehegatten
  • Volljährigkeitsgebot (in Staaten, die Ausnahmen zulassen)

Nicht dispensierbar sind die sogenannten „absolute Eheverbote“, wie Blutsverwandtschaft in gerader Linie oder Doppelehe (Bigamie).

Rechtsfolgen eines Ehedispens

Wirkung des Dispens

Durch einen rechtswirksam erteilten Ehedispens entfällt das betreffende Ehehindernis lediglich für die konkret beantragte Eheschließung. Die Eheschließung kann sodann ordnungsgemäß vor dem zuständigen Standesbeamten oder vor einer kirchlichen Instanz geschlossen werden.

Rechtsmittelsystem

Gegen die Ablehnung eines Ehedispens können die Antragsteller in der Regel schriftlich Widerspruch einlegen oder Beschwerde bei einer höheren Verwaltungs- bzw. kirchlichen Instanz einreichen. Die Rechtswege und Fristen bestimmen sich nach den jeweils einschlägigen Vorschriften des Familienrechts und Verwaltungsverfahrensrechts.

Bedeutung des Ehedispens im internationalen Kontext

Im internationalen Familienrecht spielt der Ehedispens eine Rolle, wenn Verlobte verschiedener Staatsangehörigkeit aus Rechtsordnungen stammen, deren Ehehindernisse unterschiedlich ausgestaltet sind. In diesen Fällen kann nach dem Internationalen Privatrecht eines Landes unter Umständen eine Dispensmöglichkeit bestehen, etwa wenn das Heimatrecht eines Verlobten ein Ehehindernis enthält, das im Aufenthaltsstaat nicht besteht.

Literatur und weiterführende Informationen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), § 1303 ff.
  • Österreichisches Ehegesetz, § 10 ff.
  • Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB), Art. 94 ff.
  • Johann Huber: „Kommentiertes Eherecht in Deutschland und Österreich“, Verlag Mohr Siebeck, 2016.
  • Thomas Geiser (Hrsg.): „Handkommentar zum Schweizer Zivilgesetzbuch“, 3. Auflage, Zürich 2020.

Dieser Artikel bietet eine umfassende und strukturierte Übersicht zum Begriff des Ehedispens und beleuchtet dessen rechtliche Ausgestaltung in unterschiedlichen Rechtsordnungen sowie die wesentlichen Voraussetzungen, Verfahren und Konsequenzen.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist in Deutschland für die Erteilung eines Ehedispens zuständig?

In Deutschland ist für die Erteilung eines Ehedispens, also einer Ausnahmebewilligung vom gesetzlichen Eheverbot, ausschließlich die zuständige Landesjustizverwaltung verantwortlich. In der Regel wird diese Aufgabe von den Justizministerien der Bundesländer wahrgenommen. Die Standesämter nehmen Anträge entgegen und leiten sie an die Justizverwaltung weiter, die nach eingehender Prüfung und im Rahmen ihres Ermessens entscheidet, ob ein Dispens erteilt wird. Die Erteilung ist stets ein Ausnahmefall und muss detailliert begründet werden. Für deutsche Staatsbürger im Ausland kann das Auswärtige Amt bzw. die jeweilige Auslandsvertretung als Mittler einbezogen werden, bleibt aber immer an die Entscheidung der zuständigen Innen- oder Justizbehörde gebunden.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Ehedispens in Deutschland erteilt werden?

Ein Ehedispens wird in Deutschland nur unter sehr engen gesetzlichen Voraussetzungen erteilt, etwa wenn das Verbot der Eheschließung im konkreten Fall zu einer unzumutbaren Härte führen würde oder andere gewichtige Gründe vorliegen, die das öffentliche Interesse am Eheverbot überwiegen. Prominente Beispiele sind die Ausnahmen vom Verbot der Ehe zwischen bestimmten Verwandten, etwa bei Halbgeschwistern (§ 1308 BGB). Die Antragstellenden müssen glaubhaft machen, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Eheschließung in Ausnahmefällen rechtfertigen. Die zuständige Behörde prüft dabei auch, ob das Kindeswohl, das Allgemeininteresse oder andere schützenswerte Interessen verletzt würden.

Ist eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung über einen Ehedispens möglich?

Ja, die Entscheidung einer deutschen Behörde über die Erteilung oder Versagung eines Ehedispens unterliegt grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung im Verwaltungsgerichtsweg. Gegen eine ablehnende Entscheidung können die Antragstellenden Widerspruch einlegen und gegebenenfalls Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erheben. Das Gericht überprüft die Entscheidung auf Rechtsfehler, insbesondere ob das behördliche Ermessen korrekt ausgeübt wurde und die Interessen abgewogen wurden. Ein Anspruch auf Erteilung eines Dispenses besteht jedoch nicht, es handelt sich stets um eine Ermessensentscheidung.

Welche Dokumente und Nachweise sind für einen Antrag auf Ehedispens erforderlich?

Für einen Antrag auf Erteilung eines Ehedispens sind zahlreiche Unterlagen erforderlich, darunter in der Regel: aktuelle Personenstandsurkunden (Geburts- und ggf. Eheurkunden), amtliche Lichtbildausweise, Meldebescheinigungen, Nachweise über das verwandtschaftliche Verhältnis oder etwaige bestehende Ehehindernisse, sowie eine ausführliche schriftliche Begründung für die Ausnahmegenehmigung. Darüber hinaus kann die Behörde die Vorlage weiterer Dokumente verlangen, etwa medizinischer oder psychologischer Gutachten oder anderer Nachweise, die zur Beurteilung der besonderen Lage notwendig sind. Fehlende Unterlagen können zur Verzögerung oder Ablehnung des Antrags führen.

Hat ein im Ausland erteilter Ehedispens in Deutschland Gültigkeit?

Ein im Ausland erteilter Ehedispens entfaltet in Deutschland grundsätzlich keine automatische Wirksamkeit, da das deutsche Recht in Fragen des Eheverbots und der Ehefähigkeit maßgeblich bleibt. Deutsche Behörden prüfen stets, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen der Eheschließung nach deutschem Recht eingehalten wurden. Sollte eine im Ausland vollzogene Ehe trotz eines dortigen Dispenses gegen deutsche Eheverbote verstoßen, wird die Ehe in Deutschland in der Regel nicht anerkannt. Insbesondere bei binationalen Paaren ist daher im Vorfeld eine rechtliche Beratung dringend angeraten, um unnötige Komplikationen zu vermeiden.

In welchen Fällen wird ein Ehedispens grundsätzlich ausgeschlossen?

Ein Ehedispens ist in Deutschland besonders im Fall bestimmter absoluter Eheverbote, wie etwa bei einer bestehenden Ehe (Bigamie) oder bei einer zu nahen Blutsverwandtschaft (etwa zwischen Geschwistern oder Eltern und Kindern), von vornherein ausgeschlossen. Hier schreibt das Gesetz zwingende Verbote ohne Ausnahme vor. Auch im Fall fehlender Eheschließungsfreiheit aufgrund von Zwang oder Geschäftsunfähigkeit ist keine Ausnahme möglich. Das Schutzinteresse der Allgemeinheit und insbesondere das Kindeswohl stehen hier im Vordergrund und lassen keinen Ermessensspielraum zu.

Wie lange dauert das Verfahren zur Erteilung eines Ehedispens in Deutschland?

Die Verfahrensdauer zur Entscheidung über einen Ehedispens kann sehr unterschiedlich ausfallen und ist abhängig von der Komplexität des Einzelfalles, der Vollständigkeit und Korrektheit der eingereichten Unterlagen sowie von der Arbeitsbelastung der zuständigen Behörde. In der Praxis können wenige Wochen bis mehrere Monate vergehen. Dringende Fälle können im Einzelfall mit einer gesonderten Begründung vorrangig behandelt werden, was der Behörde aber im Rahmen ihres Ermessens obliegt. Antragstellende sollten sich daher möglichst frühzeitig mit den Anforderungen und dem Antragsweg vertraut machen, um Verzögerungen zu vermeiden.