Begriff und Grundlagen der Eheaufhebung
Die Eheaufhebung ist ein eigenständiges Institut des deutschen Familienrechts, das die gerichtliche Beseitigung einer von Anfang an fehlerhaften Ehe bezweckt. Im Gegensatz zur Scheidung, die auf das Scheitern der Lebensgemeinschaft abzielt, greift die Eheaufhebung dann, wenn bei der Eheschließung rechtliche Mängel bestanden haben. Die Eheaufhebung führt dazu, dass die betroffene Ehe rückwirkend als nichtig behandelt wird.
Rechtsnatur der Eheaufhebung
Die Eheaufhebung ist im deutschen Recht als Gestaltungsklage ausgestaltet. Sie wird in den §§ 1313 bis 1318 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Anders als bei der Scheidung liegt der Fokus der Eheaufhebung auf der Korrektur eines fehlerhaften Rechtsakts. Die Ehe wird nicht „beendet“, sondern im Nachhinein aufgelöst und als von Anfang an unwirksam angesehen.
Gesetzliche Grundlagen und Voraussetzungen
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtlichen Vorschriften zur Eheaufhebung finden sich vor allem in den folgenden Normen:
- §§ 1313 bis 1318 BGB (Eheaufhebung)
- § 1314 BGB (Aufhebungsgründe)
Daneben kommen ergänzend die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) zur Anwendung.
Voraussetzungen der Eheaufhebung
Die Eheaufhebung setzt voraus, dass die Ehe bei ihrer Schließung gegen bestimmte zwingende Vorgaben des Ehegesetzes verstoßen hat. Die wichtigsten Aufhebungsgründe sind:
Formmängel
Ein Formmangel liegt vor, wenn die Ehe nicht ordnungsgemäß vor dem Standesbeamten geschlossen wurde (§ 1311 BGB). Solche Ehen sind nichtig und können aufgehoben werden.
Fehlen der Ehefähigkeit
Wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Ehe ist die Ehefähigkeit der Partner. Minderjährigkeit oder Geschäftsunfähigkeit eines Ehegatten kann zur Aufhebung der Ehe führen (§ 1314 Abs. 1 BGB).
Verwandtschaftsverhältnis
Ehen zwischen in gerader Linie Verwandten oder Vollgeschwistern sind nichtig und grundsätzlich aufhebbar (§ 1307 BGB).
Bestehende Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft
Wurde die Ehe geschlossen, obwohl bereits eine Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft bestand, ist die neue Eheschließung unwirksam, sodass ein Aufhebungsgrund vorliegt (§ 1306 BGB).
Zwangsehe
Hat einer der Ehegatten bei der Eheschließung nicht freiwillig gehandelt, etwa durch widerrechtliche Drohung oder Arglist, ist die Ehe aufhebbar (§ 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB).
Irrtum, Täuschung, arglistige Einwilligung
Wer bei der Eheschließung über die Person des Ehegatten oder über eine wesentliche Eigenschaft getäuscht wurde oder sich in einem Irrtum über die Person befand, kann die Ehe anfechten und somit aufheben lassen (§ 1314 Abs. 2 BGB).
Verfahren der Eheaufhebung
Antragstellung und Prozess
Die Eheaufhebung erfolgt ausschließlich durch gerichtliche Entscheidung auf Antrag. Antragsberechtigt sind in der Regel die Ehegatten selbst sowie in speziellen Fällen auch die zuständige Verwaltungsbehörde oder der Staatsanwalt. Die Antragstellung hat vor dem zuständigen Familiengericht zu erfolgen.
Fristen für die Aufhebung
Für bestimmte Aufhebungsgründe gelten Ausschlussfristen, nach deren Ablauf eine Eheaufhebung nicht mehr möglich ist. Beispielsweise kann bei Zwangsehe der Antrag nur innerhalb eines Jahres nach Wegfall der Zwangslage gestellt werden (§ 1317 BGB). Bei Minderjährigkeit oder Geschäftsunfähigkeit gilt eine Frist von zwei Jahren nach Erreichen der Volljährigkeit bzw. nach Wegfall der Geschäftsunfähigkeit.
Wirkungen der Eheaufhebung
Im Erfolgsfall erklärt das Familiengericht die Ehe für aufgehoben. Die Ehe gilt dann, abgesehen von bestimmten Ausnahmen, als von Anfang an nichtig.
Rückwirkende Nichtigkeit
Durch die Eheaufhebung tritt grundsätzlich eine rückwirkende Nichtigkeit ein, das heißt, die Ehe wird so behandelt, als hätte sie nie bestanden.
Wirkungen hinsichtlich gemeinsamer Kinder
Gemeinsame Kinder, die während einer aufgehobenen Ehe geboren wurden, behalten dennoch ihren Status als eheliche Kinder (§ 1319 BGB).
Vermögensrechtliche Wirkungen
Die vermögensrechtlichen Folgen einer Eheaufhebung sind denjenigen einer Ehescheidung weitgehend angeglichen. Insbesondere können Ausgleichsansprüche, Unterhaltsansprüche und Regelungen zum Versorgungsausgleich bestehen.
Eingetragene Lebenspartnerschaft
Die dargestellten Grundsätze gelten entsprechend für die Aufhebung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, hier gelten die §§ 15 bis 17 des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) sowie § 1314 BGB sinngemäß.
Abgrenzung: Eheaufhebung und Ehescheidung
Es ist zwischen der Eheaufhebung und der Ehescheidung zu unterscheiden. Während die Eheaufhebung auf einen Mangel im Zustandekommen der Ehe zurückzuführen ist und die Ehe für nichtig erklärt, basiert die Scheidung auf dem beiderseitigen oder einseitigen Willen zur Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft aus Gründen, die nach der Eheschließung eingetreten sind (z.B. Scheitern der Ehe).
Internationale Aspekte der Eheaufhebung
Anwendbares Recht
Im Bereich von Auslandsehen oder bei internationalen Bezügen ist das Internationale Privatrecht (IPR) zu beachten. In der Regel ist das Recht des Staates maßgeblich, in dem die Ehe geschlossen wurde oder in dem die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Anerkennung ausländischer Eheaufhebungen
Nach deutschem Recht richtet sich die Anerkennung einer im Ausland erfolgten Eheaufhebung nach § 107 FamFG. Hierfür ist grundsätzlich eine behördliche oder gerichtliche Anerkennung erforderlich.
Zusammenfassung
Die Eheaufhebung dient der rückwirkenden Beseitigung einer formell oder materiell fehlerhaft geschlossenen Ehe durch richterlichen Beschluss. Sie setzt einen gesetzlichen Aufhebungsgrund voraus, ist fristgebunden und bringt neben familienrechtlichen Folgen auch weitreichende vermögensrechtliche und sozialrechtliche Konsequenzen mit sich. Im Unterschied zur Ehescheidung wird die Ehe nicht beendet, sondern als von Anfang an unwirksam behandelt.
Weiterführende Literatur:
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 1313-1318
- Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
- Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG)
Hinweis: Dieser Beitrag dient der Information für rechtlich Interessierte und stellt keine Rechtsberatung dar.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für eine Eheaufhebung vorliegen?
Für die Aufhebung einer Ehe nach deutschem Recht müssen bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Die maßgeblichen Regelungen finden sich in den §§ 1313 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Grundsätzlich können Ehen aufgehoben werden, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung ein sogenannter Eheaufhebungsgrund vorlag. Zu diesen Gründen zählen beispielsweise das Vorliegen einer Doppelehe, also wenn einer der Ehegatten bereits verheiratet war (§ 1314 Abs. 1 BGB), eine Verwandtschaft in gerader Linie oder Seitenlinie bis zum dritten Grad (§ 1307 BGB), eine Geschäftsunfähigkeit eines Ehegatten bei Eheschließung (§ 1314 Abs. 2 Nr. 1 BGB) sowie eine Eheschließung unter Zwang (§ 1314 Abs. 2 Nr. 4 BGB). Weitere Aufhebungsgründe sind etwa Irrtum über die Identität des Ehepartners, arglistige Täuschung oder Scheinehen. Die Aufhebung erfolgt ausschließlich auf Antrag, hierfür ist das Familiengericht zuständig, in dessen Bezirk einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Wer ist zur Stellung des Antrags auf Eheaufhebung berechtigt?
Ein Antrag auf Eheaufhebung kann in der Regel von jedem der beiden Ehegatten gestellt werden. In bestimmten Fällen besteht jedoch eine Berechtigung für weitere Personen oder Institutionen. So ist beispielsweise auch die zuständige Verwaltungsbehörde antragsberechtigt, insbesondere wenn öffentliches Interesse an der Aufhebung der Ehe besteht (z.B. im Falle von Scheinehen zum Zwecke der Aufenthaltserlangung). Ferner kann in Ausnahmefällen auch der gesetzliche Vertreter eines ehegatten, sofern dieser geschäftsunfähig war, den Antrag stellen. Es ist zu beachten, dass die Antragstellung bestimmten Fristen unterliegt, die von dem jeweiligen Aufhebungsgrund abhängen.
Welche Fristen gelten für die Eheaufhebung?
Die Fristen für die Stellung eines Eheaufhebungsantrags variieren abhängig vom jeweiligen Aufhebungsgrund. Sie beginnen in der Regel mit der Kenntnis des Aufhebungsgrundes und sind zwingend einzuhalten, da der Antrag sonst als unzulässig abgewiesen wird. Beispielsweise muss der Antrag innerhalb eines Jahres gestellt werden, wenn die Eheschließung unter Drohung erfolgte oder ein Ehegatte sich im Irrtum über wesentliche Umstände befand (§ 1317 BGB). Bei einer Doppelehe oder einer Ehe mit einem Minderjährigen beginnt die Frist mit Erlangen der Volljährigkeit beziehungsweise mit Wegfall des Hindernisses. Bei Geschäftsunfähigkeit besteht in der Regel keine Fristbindung, solange die Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung vorlag.
Welche rechtlichen Folgen hat eine Eheaufhebung?
Die Eheaufhebung hat zur Folge, dass die Ehe als von Anfang an nichtig angesehen wird, im Gegensatz zur Scheidung, bei der die Ehe als gültig anerkannt und nur für die Zukunft beendet wird. Dennoch gelten für bereits entstandene Rechtsverhältnisse, insbesondere zum Schutz der Kinder und des Ehegatten, weitgehend die gleichen Vorschriften wie bei einer Scheidung (§ 1318 BGB). Hierzu zählen Unterhaltsansprüche, Versorgungsausgleich sowie Regelungen zum ehelichen Güterstand und zum Sorgerecht. Auch die Frage nach der Wirksamkeit gemeinschaftlicher Verfügungen, etwa in Form von Testamenten, richtet sich nach den Grundsätzen eines wirksam geschlossenen Eheverhältnisses, sofern einer der Ehepartner die Ehe in gutem Glauben geschlossen hat.
Kann die Eheaufhebung rückgängig gemacht werden?
Eine rechtskräftige Entscheidung über die Eheaufhebung kann grundsätzlich nicht mehr rückgängig gemacht werden. Nach Eintritt der Rechtskraft ist die Ehe rechtlich aufgehoben und kann nicht durch einen erneuten Antrag rückgängig gemacht werden. Einzelne objektive Fehler im Verfahren oder neue Beweismittel können gegebenenfalls im Rahmen von Rechtsmitteln wie der Beschwerde oder Berufung geltend gemacht werden, sofern die Fristen eingehalten werden. Eine erneute Eheschließung zwischen den ehemaligen Partnern ist jedoch möglich, sofern die Gründe, die zur Aufhebung geführt haben, nicht mehr bestehen.
Welche Kosten entstehen bei einer Eheaufhebung?
Die Kosten einer Eheaufhebung setzen sich zusammen aus den Gerichtskosten, den gegebenenfalls anfallenden Kosten für einen anwaltlichen Beistand sowie weiteren Auslagen (zum Beispiel für Übersetzungen oder Beglaubigungen von Urkunden). Die Gerichtskosten werden nach dem Wert festgesetzt, der sich am Gegenstand der Eheaufhebung orientiert und dem Familiengerichtsgesetz (FamGKG) entnommen werden kann. In den meisten Fällen ist für eine Eheaufhebung Anwaltszwang gegeben, sodass zusätzliche Anwaltsgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) anfallen. Parteien, die nicht in der Lage sind, die Kosten zu tragen, können unter Umständen Verfahrenskostenhilfe beantragen, sofern die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.
In welchen Fällen ist eine Eheaufhebung ausgeschlossen?
Eine Eheaufhebung ist ausgeschlossen, wenn der bestehende Ehefehler geheilt wurde oder die gesetzliche Antragsfrist abgelaufen ist. Beispielsweise entfällt das Recht auf Aufhebung, wenn die Ehegatten nach Wegfall des Aufhebungsgrundes ausdrücklich oder konkludent die Ehe fortsetzen. Gleiches gilt, wenn der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung in Kenntnis des Aufhebungsgrundes zugestimmt oder verziehen hat. Auch darf keine Eheaufhebung erfolgen, wenn dadurch schutzwürdige Interessen Dritter, etwa das Kindeswohl oder das Interesse der Allgemeinheit, beeinträchtigt würden. In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann das Gericht zudem ein Aufhebungsverfahren ablehnen, wenn elementare rechtliche oder ethische Grundsätze dagegen sprechen.