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Ehe für Alle


Begriff und Grunddefinition der „Ehe für Alle“

Die „Ehe für Alle“ bezeichnet die rechtliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Das Konzept umfasst die vollständige Gleichstellung homosexueller Paare mit verschiedengeschlechtlichen Paaren in Bezug auf Eheschließung sowie die daran anknüpfenden Rechte und Pflichten. Die „Ehe für Alle“ ist ein zentrales Thema der Antidiskriminierungspolitik und berührt zahlreiche Aspekte des Familienrechts, Steuerrechts, Erbrechts, Adoptionsrechts und international-privatrechtlicher Regelungen.

Rechtliche Entwicklung der Ehe für Alle

Vorgeschichte und Gesetzgebung

Vor Einführung der „Ehe für Alle“ bestanden für gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland lediglich Möglichkeiten, eine eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz, LPartG) zu begründen. Diese bot in zahlreichen Aspekten einen ähnlichen, jedoch nicht identischen Rechtsrahmen zur Ehe. Nach anhaltender rechtlicher und gesellschaftlicher Debatte wurde mit dem Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts am 1. Oktober 2017 die Ehe für Alle im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) implementiert (§§ 1353 ff. BGB).

Rechtlicher Regelungsinhalt

Mit Inkrafttreten des Gesetzes wurden die bisherigen Ehehindernisse für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben. Gleichgeschlechtliche Paare konnten fortan unter den gleichen Voraussetzungen wie verschiedengeschlechtliche Paare vor dem Standesamt die Ehe schließen, mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten.

Rechtsfolgen der Ehe für Alle

Gleichstellung im bürgerlichen Recht

Mit Einführung der Ehe für Alle unterliegen gleich- und verschiedengeschlechtliche Ehegatten denselben Regelungen hinsichtlich Güterstand (Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung etc.), Unterhalt, Versorgungsausgleich, Erbrecht und Trennungsfolgen. Die rechtlichen Normen zu Eheschließung, Aufhebung, Scheidung sowie den Wirkungen der Ehe gelten gleichermaßen für alle Ehepaare.

Eheliche Lebensgemeinschaft

Die aus Art. 6 des Grundgesetzes abgeleiteten Prinzipien über Ehe und Familie sind auch auf gleichgeschlechtliche Ehepaare anwendbar. Gleichgeschlechtliche Ehegatten haben damit denselben grundrechtlichen Schutz und dieselbe staatliche Förderung wie heterosexuelle Ehepaare.

Steuer- und sozialrechtliche Gleichstellung

Auch im Einkommensteuerrecht (insb. § 26 EStG, Ehegattensplitting) und im Sozialversicherungsrecht werden gleichgeschlechtliche Ehen identisch behandelt wie verschiedengeschlechtliche Ehen. Bereits zuvor bestand seit 2013 eine steuerrechtliche Gleichstellung durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts; die Ehe für Alle beseitigte jedoch alle verbleibenden Diskrepanzen.

Adoptionsrecht und Elternschaft

Mit der gesetzlichen Einführung der Ehe für Alle wurde das bisherige Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben. Gleichgeschlechtliche Ehegatten sind jetzt auch zur gemeinschaftlichen Adoption berechtigt (§ 1741 BGB). Zuvor bestand lediglich die Möglichkeit der Sukzessivadoption im Rahmen der Lebenspartnerschaft.

Im Hinblick auf die rechtliche Elternschaft unterscheidet das Gesetz nicht mehr nach dem Geschlecht der Eltern. Maßgeblich sind die allgemeinen Regelungen zur Elternschaft, zum Sorgerecht (§ 1626 ff. BGB) und zum Umgangsrecht.

Übergangs- und Umwandlungsregelungen

Nach Inkrafttreten der „Ehe für Alle“ können bestehende Lebenspartnerschaften auf Antrag in eine Ehe umgewandelt werden (§ 20a LPartG). Rechte und Pflichten aus einer umgewandelten Lebenspartnerschaft gehen auf die Ehe über.

Internationale Aspekte und Kollisionsrecht

Die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen ist weltweit unterschiedlich geregelt. Die internationale Anerkennung richtet sich nach den inländischen Regelungen des jeweiligen Staates sowie nach kollisionsrechtlichen Vorschriften des Internationalen Privatrechts (IPR). Im deutschen IPR (§ 17b EGBGB) ist die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Ehen im Hinblick auf Anerkennung und Wirkungen ausdrücklich geregelt.

Reisende wie auch im Ausland lebende Paare sollten berücksichtigen, dass ihre Ehe unter Umständen nicht in allen Staaten anerkannt wird und dies Auswirkungen auf Aufenthaltsrechte, Erbrecht, Steuerpflichten und Sorgerechtsfragen haben kann.

Verfassungsrechtliche Einordnung

Mit dem Gesetz zur „Ehe für Alle“ wurde eine neue Auslegung des Ehebegriffs nach Art. 6 GG etabliert. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen (u. a. 1 BvF 2/13) betont, dass die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht gegen den grundgesetzlichen Schutz der Ehe verstößt, sondern mit der Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG vereinbar ist.

Kritik und offene Rechtsfragen

Die „Ehe für Alle“ stellt einen weitreichenden Gleichstellungsschritt dar, ist jedoch weiterhin Gegenstand gesellschaftlicher und politischer Diskussionen. Kritisch betrachtet werden noch bestehende Differenzen in Bereichen wie dem Abstammungsrecht und den internationalen Anerkennungsproblemen. Befürworter heben die vollständige Gleichstellung und Umsetzung des Diskriminierungsverbots hervor.

Zusammenfassung

Die „Ehe für Alle“ stellt einen Meilenstein im deutschen Familienrecht dar und hebt sämtliche Unterscheidungen aufgrund des Geschlechts hinsichtlich der Eheschließung, deren Wirkungen sowie der damit verbundenen Rechtsfolgen auf. Sie ist wesentlicher Bestandteil eines modernen, diskriminierungsfreien Rechtsrahmens und entfaltet umfassende Wirkung in nahezu allen Bereichen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts. Die rechtliche Anerkennung und Gleichstellung homosexueller Ehen beeinflusst darüber hinaus auch internationale und verfassungsrechtliche Fragestellungen und bleibt weiterhin ein bedeutendes, facettenreiches Rechtsgebiet.

Häufig gestellte Fragen

Können gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland Kinder adoptieren?

Gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebten, konnten zunächst nur die Stiefkindadoption, das heißt die Adoption des eigenen Kindes des Partners bzw. der Partnerin durchführen, jedoch nicht gemeinsam fremde Kinder adoptieren. Mit der Einführung der „Ehe für Alle“ zum 1. Oktober 2017 wurde das volle Adoptionsrecht auf gleichgeschlechtliche Ehepaare ausgeweitet. Seit dieser Gesetzesänderung dürfen gleichgeschlechtliche Ehepaare gemeinsam ein fremdes Kind adoptieren, wie dies zuvor schon verschiedengeschlechtlichen Eheleuten möglich war. Die Adoption durch unverheiratete Lebenspartner ist hingegen nicht zulässig, unabhängig vom Geschlecht der Partner. Rechtlich unterliegt die Adoption dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 1741 ff. BGB), welches keine Unterschiede mehr zwischen unterschiedlichen Geschlechtskonstellationen bei verheirateten Paaren macht. Im Rahmen einer Adoption werden auch alle Rechte und Pflichten eines Elternteils gegenüber dem Minderjährigen übertragen. Für die Adoption ist grundsätzlich die Zustimmung des Familiengerichts erforderlich. Neben der Adoption ist für lesbische Ehepaare die rechtliche Elternschaft im Falle einer privaten Samenspende weiterhin umstritten, da hier das Abstammungsrecht noch nicht an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst wurde. In diesen Fällen kann trotz Ehe eine Stiefkindadoption notwendig werden, um die Elternschaft rechtlich zu sichern.

Welche steuerlichen Auswirkungen hat die Ehe für Alle?

Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare erhielten diese auch vollen Zugang zu allen steuerlichen Vorteilen, die bislang ausschließlich verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren vorbehalten waren. Dazu gehören insbesondere das Ehegattensplitting gemäß § 26b Einkommensteuergesetz (EStG), das einen deutlichen Steuervorteil in Fällen unterschiedlicher Einkommen ermöglicht. Zudem profitieren gleichgeschlechtliche Ehepaare nun von Steuerbefreiungen beim Erben und Schenken: Nach § 16 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz werden Ehepartner in die Steuerklasse I eingeordnet und profitieren so von deutlich höheren Freibeträgen als nichteheliche Lebensgefährten. Die steuerliche Gleichstellung ist rückwirkend ab dem 1. August 2001 möglich, dem Zeitpunkt, ab dem gleichgeschlechtliche Paare eine Lebenspartnerschaft eingehen konnten, sofern sie die Lebenspartnerschaft nachträglich in eine Ehe umgewandelt haben und entsprechende Anträge stellen.

Wie ist die rechtliche Situation bei einer Scheidung gleichgeschlechtlicher Ehen?

Rechtlich gibt es mit der Ehe für Alle keinerlei Unterschiede mehr hinsichtlich der Voraussetzungen und des Ablaufs einer Scheidung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Ehen. Die Regelungen zur Ehescheidung finden sich insbesondere in den §§ 1564 ff. BGB und knüpfen an eine mindestens einjährige Trennungszeit (sogenanntes Trennungsjahr) an, die eine endgültige Zerrüttung voraussetzt. Die gleichen Vorschriften gelten für Versorgungsausgleich, Unterhalt, Zugewinnausgleich und das Sorgerecht für gemeinsame (adoptierte oder leibliche) Kinder. Für Paare, die ihre Lebenspartnerschaft vor dem Inkrafttreten der Ehe für Alle registriert hatten, gilt: Wird eine Lebenspartnerschaft nicht in eine Ehe umgewandelt, kommt weiterhin das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) zur Anwendung, das inhaltlich aber im Wesentlichen den Vorschriften zur Ehescheidung entspricht. Für umgewandelte Ehen tritt mit der Umwandlung die Ehegesetzgebung vollständig in Kraft.

Gibt es Unterschiede im internationalen Rechtsschutz gleichgeschlechtlicher Ehen?

International variiert die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen erheblich. Während in einer wachsenden Zahl von Staaten gleichgeschlechtliche Ehen vollständig anerkannt werden (z.B. in den meisten EU-Staaten, den USA und Kanada), wird die Ehe für Alle in anderen Ländern nicht anerkannt oder ist sogar strafbewährt. In rechtlicher Hinsicht kann dies erhebliche Auswirkungen auf Fragen wie Aufenthaltsrecht, Erbrecht, Sorgerecht und steuerliche Pflichten haben. So kann etwa ein in Deutschland verheiratetes gleichgeschlechtliches Paar bei einem Umzug in einen Staat ohne gleichgeschlechtliche Ehe laut örtlicher Rechtslage als nichtehelich gelten, was den Zugang zu bestimmten gesetzlichen Ansprüchen (z.B. Familiennachzug, Erbfolge oder Adoption) beeinträchtigen kann. Das internationale Privatrecht Deutschlands regelt in Art. 13 EGBGB, dass die Voraussetzungen der Eheschließung nach dem Heimatrecht der Beteiligten beurteilt werden, was insbesondere bei binationalen Ehen zu Problemen führen kann.

Wie ist die Vermögens- und Rentenregelung bei gleichgeschlechtlichen Ehen geregelt?

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts sind auf gleichgeschlechtliche Ehen sämtliche vermögens- und rentenrechtlichen Bestimmungen anwendbar, die für Ehen allgemein gelten. Hierzu zählen insbesondere die Regelung des Güterrechts (gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft gemäß §§ 1363 ff. BGB), sowie Ansprüche im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, insbesondere die Hinterbliebenenversorgung (Witwen- und Witwerrente gemäß § 46 SGB VI). Auch hier werden keinerlei Unterschiede gemacht; ehemalige Lebenspartner können ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umwandeln und dadurch den kompletten Schutzstatus erhalten. Die beim Versorgungsausgleich zu teilenden Anrechte und die Durchführung durch das Familiengericht (§§ 1587 ff. BGB) erfolgen unabhängig vom Geschlecht der Ehegatten.

Welche Wirkung hat die Öffnung der Ehe auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften?

Das Inkrafttreten der Ehe für Alle hat die Neubegründung eingetragener Lebenspartnerschaften in Deutschland unmöglich gemacht. Seit dem 1. Oktober 2017 können gleichgeschlechtliche Paare ausschließlich die Ehe eingehen. Bereits bestehende Lebenspartnerschaften bleiben jedoch rechtlich bestehen und können auf Wunsch der Lebenspartner in eine Ehe umgewandelt werden. Die Umwandlung kann beim Standesamt beantragt werden und hat rückwirkende steuerliche und rechtliche Folgen. Das Institut der Lebenspartnerschaft bleibt jedoch für Altfälle bestehen, solange diese nicht in eine Ehe überführt wurden. Die rechtliche Gleichstellung wird inzwischen auch für eingetragene Lebenspartner weitgehend hergestellt, sodass insbesondere im öffentlichen Dienst und beim Erbrecht, Rentenrecht und Unterhaltsrecht keine Unterschiede mehr bestehen.

Wie sieht es mit der Namensführung in gleichgeschlechtlichen Ehen aus?

Bezüglich der Namensführung gelten für gleichgeschlechtliche Ehen exakt dieselben Regelungen wie für verschiedengeschlechtliche Ehen. Gemäß § 1355 BGB können Ehegatten einen gemeinsamen Ehenamen bestimmen; dies ist jedoch keine Pflicht. Es kann sich entweder der Geburtsname oder der aktuell geführte Name eines Partners als Ehename gewählt werden. Der jeweils andere Partner kann seinen bisherigen Namen weiterhin führen oder dem Ehenamen voranstellen oder anfügen. Die Bestimmung des Ehenamens oder die spätere Änderung unterliegt denselben rechtlichen Anforderungen und Wirkungsmöglichkeiten wie in der traditionellen Ehe. Ein Unterschied hinsichtlich der Geschlechter existiert rechtlich nicht.