Begriff und Rechtsgrundlagen der EFSA
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (kurz EFSA, englisch: European Food Safety Authority) ist eine zentrale Institution der Europäischen Union im Bereich des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes. Gegründet im Jahr 2002, übernimmt die EFSA insbesondere Aufgaben im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelsicherheit sowie dem Schutz von Mensch, Tier, Pflanze und Umwelt. Ihre rechtliche Grundlage findet die Behörde in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.
Entstehung und Rechtsrahmen
Gründung und Sitz
Die EFSA wurde als unabhängige Einrichtung der Europäischen Union auf Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 errichtet. Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung sollte ein hohes Schutzniveau für Verbraucher und die Wiederherstellung des Vertrauens in die Lebensmittelsicherheit in der Gemeinschaft gewährleistet werden. Der Sitz der EFSA befindet sich seit 2005 in Parma, Italien.
Rechtliche Grundlagen
Die zentralen rechtlichen Bestimmungen für die Arbeit der EFSA ergeben sich im Wesentlichen aus:
- Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (allgemeine Lebensmittelgesetzgebung)
- Gründungsverordnung der EFSA (Kapitel III)
- Verordnung (EU) 2019/1381 (Transparenz und Nachhaltigkeit der EU-Risikobewertung im Bereich der Lebensmittelkette)
- Diverse Verordnungen und Richtlinien zu spezifischen Aufgabenbereichen (z.B. Novel Food, Zusatzstoffe, Pestizide, Tierfutter, gentechnisch veränderte Organismen)
- Verträge der Europäischen Union (insbesondere AEUV, Vertrag über die Arbeitsweise der EU, Art. 114, 168, 169)
Aufbau und Organisation der EFSA
Organe der Behörde
Die EFSA setzt sich aus mehreren zentralen Gremien zusammen:
- Verwaltungsrat: Oberstes Leitungsorgan; bestimmt Strategien, nimmt den Haushaltsplan an und beruft den Geschäftsführenden Direktor.
- Geschäftsführender Direktor: Leitet die laufenden Geschäfte und vertritt die EFSA nach außen.
- Wissenschaftlicher Ausschuss und Wissenschaftliche Gremien: Bestehend aus unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die für die wissenschaftliche Risikobewertung zuständig sind. Es existieren mehrere Gremien für verschiedene Fachbereiche, z. B. zu Lebensmittelzusatzstoffen, Kontaminanten, genetisch veränderten Organismen.
- Beratende Gremien und Netzwerke: Nationales Netzwerk mit den Mitgliedstaaten zur Förderung des Informationsaustauschs.
Transparenz und Unabhängigkeit
Gemäß den rechtlichen Vorgaben muss die EFSA in ihrer wissenschaftlichen Arbeit unabhängig, objektiv und transparent sein. Interessenskonflikte werden durch umfangreiche Erklärungen und Offenlegungspflichten geregelt (gemäß Verordnung (EU) 2019/1381). Zudem müssen sämtliche wissenschaftliche Gutachten und die Methoden ihrer Erarbeitung öffentlich zugänglich sein.
Aufgaben und Befugnisse der EFSA
Wissenschaftliche Risikobewertung
Die vorrangige Aufgabe der EFSA besteht in der wissenschaftlichen Risikoanalytik. Sie erstreckt sich auf folgende Rechtsgebiete:
- Lebensmittelsicherheit und Verbraucherinnenschutz: Bewertung etwaiger Risiken aus Lebensmitteln für Menschen und Tiere.
- Transparente Kommunikation: Information der Öffentlichkeit sowie der maßgeblichen Organe der Europäischen Union über bestehende und potenzielle Risiken.
- Risikobewertung in verschiedenen Lebensmittelsektoren: Additive, Rückstände von Pestiziden, Kontaminanten, gentechnisch veränderte Organismen, Materialien mit Lebensmittelkontakt, Futtermittel.
Unterstützung der EU-Organe und Mitgliedstaaten
Nach Art. 22 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 unterstützt die EFSA die Kommission, das Europäische Parlament sowie die Mitgliedstaaten mit wissenschaftlichen Stellungnahmen und Beratung. Sie spricht Empfehlungen aus, erstellt Leitlinien zur einheitlichen Anwendung des Lebensmittelrechts und unterstützt das Risikomanagement auf EU-Ebene.
Zulassung und Bewertung
Die EFSA nimmt gemäß sektorspezifischer Rechtsakte fachliche Bewertungen im Rahmen von Zulassungsverfahren vor. Ihre Gutachten bilden dabei eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung der Kommission und der Mitgliedstaaten über Zulassungen, z. B. für:
- Neue Lebensmittel und Zutaten (Novel Food)
- Zusatzstoffe und Aromastoffe
- Pestizidwirkstoffe und Rückstandshöchstgehalte
- Gentechnisch veränderte Organismen (GVO)
Überwachung und Krisenmanagement
Die EFSA überwacht Entwicklungen in der Lebensmittelsicherheit und kann Warnungen an die Behörden der Mitgliedstaaten weitergeben. Im Krisenfall (z. B. Lebensmittelskandale, mikrobiologische Bedrohungen) erstellt die EFSA Risikobewertungen und berät die EU-Institutionen bei Krisenmanagementmaßnahmen.
Zusammenarbeit und rechtliche Beziehungen
Kooperation mit Mitgliedstaaten und internationalen Organisationen
Die EFSA arbeitet eng mit den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten zusammen, etwa in Netzwerken für Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit. Über ihr Mandat hinaus kooperiert sie gemäß ihrer Satzung mit internationalen Organisationen und Drittländern, beispielsweise der Welternährungsorganisation (FAO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Codex Alimentarius.
Stellung im Rechtsgefüge der Europäischen Union
Die EFSA handelt im Rahmen der von den europäischen Rechtsakten gesetzten Befugnisse, nimmt jedoch selbst keine hoheitlichen Verwaltungsakte gegenüber Bürgerinnen und Bürgern oder Unternehmen vor. Als wissenschaftliche Behörde ist sie vielmehr beratendes Gremium für die Entscheidungsträger (Kommission, Rat, Parlament, Mitgliedstaaten). Die Umsetzbarkeit ihrer Empfehlungen erfolgt in Form von Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen der EU-Organe.
Rechtsschutz und Kontrolle
Kontrolle durch EU-Organe
Die EFSA unterliegt der Kontrolle und Überwachung durch verschiedene Institutionen der Europäischen Union. Insbesondere das Europäische Parlament und der Europäische Rechnungshof haben Kontrollbefugnisse hinsichtlich der Haushaltsführung und Tätigkeiten der Behörde.
Rechtsweg
Da die EFSA als wissenschaftliches Organ keine individuellen Maßnahmen gegen Einzelpersonen erlässt, besteht keine unmittelbare Anfechtbarkeit ihrer Tätigkeiten nach Art. 263 AEUV vor dem Gerichtshof der Europäischen Union. Möglich bleibt hingegen die Inanspruchnahme der Überprüfung von Entscheidungen der Kommission, soweit diese auf einer Stellungnahme der EFSA basieren.
Bedeutung und aktueller Rechtsstand
Die EFSA ist zentrale wissenschaftliche Instanz für die Risikobewertung und den Verbraucherschutz im europäischen Lebensmittelrecht. Sie gewährleistet die wissenschaftlich fundierte Vorbereitung von Rechtsakten im Bereich der Lebensmittelsicherheit und trägt mit ihren Gutachten und wissenschaftlichen Berichten maßgeblich zur Harmonisierung und zum hohen Schutzniveau innerhalb des Binnenmarkts bei. Die rechtliche Weiterentwicklung, etwa durch die Verordnung (EU) 2019/1381 zur Transparenz, unterstreicht die Bedeutung der EFSA im aktuellen europäischen Rechtssystem.
Hinweis: Der Artikel behandelt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit ausschließlich unter rechtlichen Gesichtspunkten. Für weiterführende rechtliche Details empfiehlt sich die Konsultation der einschlägigen EU-Verordnungen und Richtlinien.*
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtliche Grundlage regelt die Zuständigkeiten und Aufgaben der EFSA innerhalb der Europäischen Union?
Die rechtlichen Grundlagen für die Zuständigkeiten und Aufgaben der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sind vorrangig in der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 festgelegt. Diese Verordnung legt unter anderem die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts fest, richtet die EFSA ein und regelt das Verfahren zur Lebensmittelsicherheit in der Europäischen Union. Die EFSA ist gemäß dieser Verordnung eine unabhängige Agentur der EU, die in erster Linie mit der wissenschaftlichen Risikobewertung in den Bereichen Lebens- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit, Pflanzengesundheit sowie Gesundheitsschutz und Wohlbefinden der Tiere betraut ist. Darüber hinaus ist sie verpflichtet, Transparenz im Risikobewertungsprozess sicherzustellen und sowohl die Europäische Kommission, das Europäische Parlament als auch die Mitgliedstaaten in Fragen der Lebensmittelsicherheit rechtlich verbindlich zu beraten. Ergänzend zur genannten Verordnung finden sich spezifische Regelungen in weiteren EU-Rechtsakten, die sich auf einzelne Aufgabenbereiche der EFSA, wie zum Beispiel Zulassungsverfahren von Zusatzstoffen, gentechnisch veränderten Organismen oder Pestiziden, beziehen.
Wie erfolgt die Zusammenarbeit zwischen der EFSA und den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten rechtlich geregelt?
Die Zusammenarbeit zwischen der EFSA und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ist im Wesentlichen in Artikel 36 sowie in Artikel 37 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 gesetzlich geregelt. Die EFSA fungiert dabei als koordinierende Instanz und unterstützt die Zusammenarbeit und Vernetzung mit nationalen Behörden, insbesondere durch den Aufbau von Netzwerken und durch die Einsetzung wissenschaftlicher Gremien und Arbeitsgruppen. Weiterhin besteht eine rechtliche Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung beim Austausch von Informationen, zur Bereitstellung wissenschaftlicher Daten und bei der Durchführung von Risikoanalysen. Die Mitgliedstaaten sind zudem verpflichtet, nationale Kontaktstellen zu benennen, die als Verbindungsglied zwischen der EFSA und den jeweiligen nationalen Behörden agieren. Durch die Einrichtung des „Focal Point“-Systems soll die effiziente Verbreitung und Verarbeitung von Informationen gewährleistet werden. Die Zusammenarbeit wird darüber hinaus durch spezifische Durchführungsverordnungen und Beschlüsse der Kommission weiter ausdifferenziert.
In welchem rechtlichen Rahmen können wissenschaftliche Gutachten und Empfehlungen der EFSA für die europäische Gesetzgebung verbindlich werden?
Obwohl die Gutachten und wissenschaftlichen Empfehlungen der EFSA grundsätzlich nicht unmittelbar rechtlich bindend sind, dienen sie jedoch als maßgebliche Entscheidungsgrundlage für die europäischen Organe, vor allem für die Europäische Kommission und den Rat. Nach der Vorgabe in Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 erstellt die EFSA auf Antrag der Kommission, der Mitgliedstaaten oder auf eigene Initiative wissenschaftliche Stellungnahmen, die insbesondere für die Ausarbeitung und Verabschiedung verbindlicher Rechtsakte im europäischen Lebensmittelrecht herangezogen werden. Die rechtliche Verbindlichkeit erlangen die EFSA-Empfehlungen meist erst durch die spätere Umsetzung in Form von Verordnungen, Durchführungsbestimmungen oder Delegierten Rechtsakten der EU. In einigen Vorschriften, etwa für die Zulassung von Zusatzstoffen, Pestiziden oder Gesundheitsbezogenen Angaben, wird explizit auf eine positive Bewertung durch die EFSA als zwingende Zulassungsvoraussetzung verwiesen.
Welche rechtlichen Vorgaben bestehen zur Transparenz und Unabhängigkeit der EFSA?
Die Gewährleistung von Transparenz und Unabhängigkeit der EFSA bildet einen der zentralen Grundpfeiler gemäß Artikel 38 bis 41 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Die EFSA ist rechtlich verpflichtet, ihre wissenschaftlichen Gutachten, Tagesordnungen, Protokolle und die Ergebnisse ihrer Beratungen öffentlich zugänglich zu machen, um einen transparenten Entscheidungsprozess sicherzustellen. Zudem sind strenge Verhaltensregeln zu Interessenkonflikten vorgeschrieben: Mitglieder der wissenschaftlichen Gremien, des Verwaltungsrates und sämtliche Sachverständige der EFSA müssen regelmäßig Interessenerklärungen abgeben und mögliche Interessenkonflikte offenlegen. Die Kommission kann nach Prüfung etwaiger Verstöße die betreffenden Mitglieder abberufen. Darüber hinaus unterliegt die EFSA der Kontrolle des Europäischen Rechnungshofes und des Europäischen Parlaments, das im Extremfall eine Entlastung verweigern kann.
Welche rechtlichen Möglichkeiten existieren, die Arbeit der EFSA anzufechten oder zu überprüfen?
Die Tätigkeiten und Entscheidungen der EFSA unterliegen einer umfassenden Rechtskontrolle, sowohl auf administrativem als auch auf gerichtlichem Wege. Personen oder Unternehmen, die sich durch eine individuelle Entscheidung der EFSA betroffen fühlen (z.B. im Rahmen eines Zulassungsverfahrens), können gegen diese Entscheidung gemäß Artikel 263 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) unmittelbar Klage beim Gericht der Europäischen Union erheben, sofern die Entscheidung eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit nachweist. Darüber hinaus unterliegen die Arbeitsweisen und Gutachten der EFSA der Kontrolle durch das Europäische Parlament, den Europäischen Rechnungshof sowie die Europäische Bürgerbeauftragte. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, im Verwaltungsweg Beschwerde bei der EFSA einzulegen, dessen genauer Ablauf anhand interner Regeln sowie des EU-Verwaltungsrechts geregelt ist.
Welchen rechtlichen Schutz genießen Daten und Geschäftsgeheimnisse im Rahmen von Antragsverfahren bei der EFSA?
Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sowie zahlreiche sektorspezifische Regelungen, wie zum Beispiel die Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zu Pflanzenschutzmitteln oder die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu gesundheitsbezogenen Angaben, regeln die Vertraulichkeit von Daten und Geschäftsgeheimnissen, die im Rahmen von Zulassungs- oder Bewertungsverfahren bei der EFSA eingereicht werden. Antragsteller haben einen Rechtsanspruch darauf, dass vertrauliche Informationen, einschließlich technischer Spezifikationen und Unternehmensgeheimnisse, nicht veröffentlicht oder an Unbefugte weitergegeben werden. Die EFSA ist verpflichtet, auf Antrag eine Beurteilung vorzunehmen, ob eine berechtigte Vertraulichkeit vorliegt, während sie gleichzeitig sicherstellen muss, dass alle für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und Umwelt relevanten Informationen veröffentlicht werden. Dies unterliegt der Auslegung von Transparenz- und Geheimhaltungspflichten im Einklang mit der Aarhus-Verordnung (EG) Nr. 1367/2006.
Welche Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte bestehen für die Öffentlichkeit in Verfahren vor der EFSA?
Die Beteiligung der Öffentlichkeit an Verfahren der EFSA ist vor allem im Rahmen des europäischen Verwaltungsrechts und spezifischer sektoraler Einzelregelungen normiert. Grundsätzlich garantiert die EFSA die Möglichkeit der öffentlichen Konsultation bei wesentlichen Vorhaben und Risikoabschätzungen. Dies bedeutet, dass wissenschaftliche Gutachten, Konsultationspapiere oder Entwürfe von Leitlinien zur Stellungnahme veröffentlicht werden und Interessengruppen, Bürger sowie betroffene Unternehmen Fristen zur Einreichung von Kommentaren oder Stellungnahmen gegeben werden. Diese Rechte zur Mitwirkung und Transparenz sind unter anderem in Artikel 38 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sowie in bereichsspezifischen EU-Verordnungen (z.B. im Pestizidrecht oder Novel-Food-Verfahren) ausdrücklich geregelt und dienen der demokratischen Legitimation und Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns der EFSA.