Legal Lexikon

E-Examen


Begriff und Grundlagen des E-Examens

Ein E-Examen bezeichnet eine elektronische Prüfungsform, bei der Prüfungsleistungen mittels digitaler Verfahren, insbesondere über elektronische Geräte oder Online-Plattformen, erbracht und ausgewertet werden. Der Begriff umfasst sowohl Klausuren als auch andere Prüfungsarten (z. B. Multiple-Choice, Essay-Fragen), die nicht mehr papierbasiert, sondern digital abgelegt werden. E-Examen finden insbesondere im Bildungsbereich, aber auch in der Weiterbildung und in berufsqualifizierenden Kontexten zunehmend Anwendung.

Der nachfolgende Beitrag erläutert eingehend die rechtlichen Rahmenbedingungen des E-Examens in Deutschland und beleuchtet Aspekte wie Datenschutz, Prüfungsrecht, technischen Datenschutz, Chancengleichheit, Anerkennung und rechtliche Streitfragen.


Rechtliche Rahmenbedingungen des E-Examens

Gesetzliche Grundlagen

Hochschulrecht

Die Durchführung von E-Examen ist im Hochschulbereich vorrangig im jeweiligen Landeshochschulgesetz und den zugehörigen Prüfungsordnungen geregelt. Viele Landeshochschulgesetze ermöglichen die Digitalisierung von Prüfungsleistungen, regeln aber die Einzelheiten auf Ebene der Prüfungsordnungen der jeweiligen Hochschulen oder Fakultäten.

Allgemeines Prüfungsrecht

Das Prüfungswesen unterliegt zudem dem allgemeinen Verwaltungsrecht (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Recht auf rechtliches Gehör, Fairness) sowie dem Grundgesetz, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 GG und dem Recht auf Bildung und Berufsausübung nach Artikel 12 GG. Diese Grundrechte werden auch auf das E-Examen angewendet.


Datenschutz und Datensicherheit

Anwendbare Rechtsnormen

E-Examen erfordern regelmäßig die Verarbeitung personenbezogener Daten von Prüfungsteilnehmenden. Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen ergeben sich aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie den jeweiligen Landesdatenschutzgesetzen.

Datenschutzrechtliche Anforderungen

Bei Planung und Durchführung von E-Examen müssen insbesondere folgende Anforderungen beachtet werden:

  • Erhebung, Verarbeitung und Speicherung der personenbezogenen Daten dürfen nur zur ordnungsgemäßen Prüfungsdurchführung erfolgen (Zweckbindung).
  • Es müssen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zur Datensicherheit getroffen werden (Art. 32 DSGVO).
  • Information und ggf. Einwilligung der Prüfungsteilnehmenden über Art und Umfang der Datenverarbeitung (Transparenzgebot).
  • Rechte der Prüflinge auf Auskunft, Berichtigung und Löschung.

Technische Schutzmaßnahmen

Zu den erforderlichen Maßnahmen zählen gesicherte Prüfungsplattformen, Zwei-Faktor-Authentisierung sowie Schutz vor Datenverlust und unberechtigtem Zugriff. Im Falle von Fernprüfungen sind zusätzliche Anforderungen an die sichere Identitätsprüfung zu stellen (z. B. Video-Ident-Verfahren).


Chancengleichheit, Barrierefreiheit und Nachteilsausgleich

Verfassungsrechtliche Vorgaben

Das Prinzip der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren leitet sich aus Art. 3 GG ab und betrifft alle Prüfungsformen, auch das E-Examen. Prüfungsordnungen müssen gewährleisten, dass keine unzulässige Benachteiligung einzelner Teilnehmender entsteht.

Barrierefreiheit

Für Teilnehmende mit Behinderungen gilt § 3 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sowie Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Prüfungsplattformen müssen barrierefrei gestaltet sein. Dies schließt auch Alternativen zu bestimmten Prüfungsformaten (z. B. Vorlesefunktionen, größere Schriftarten) ein.

Nachteilsausgleich

Personen mit Einschränkungen oder besonderen Bedürfnissen haben Anspruch auf angemessenen Ausgleich (z. B. verlängerte Bearbeitungszeit, individuelle Prüfungssettings), sofern dies zur Wahrung der Chancengleichheit erforderlich ist. Die Anspruchsgrundlagen finden sich regelmäßig in den Prüfungsordnungen der jeweiligen Bildungseinrichtung.


Rechtssichere Durchführung

Identitätsfeststellung und Täuschungsschutz

Zur Sicherstellung der Authentizität muss vor Beginn eines E-Examens die Identität der Prüfungsteilnehmenden überprüft werden. Dies kann in Präsenz (am Prüfungsort) oder online per Authentifizierungsverfahren (z. B. Ausweiskontrolle per Video, digitale Signatur) erfolgen. Die Prüfungsordnung gibt den zulässigen Rahmen hierfür vor.

Zur Vermeidung von Täuschungshandlungen (u. a. unerlaubte Hilfsmittel, Nutzung externer Hilfe) dürfen Kontrollmechanismen eingesetzt werden, diese müssen jedoch verhältnismäßig sein und die Privatsphäre wahren. Videoaufsicht (Proctoring) ist nur unter Beachtung strenger datenschutzrechtlicher Maßgaben erlaubt; die Rechtsprechung hierzu ist im Fluss.

Dokumentationspflichten

Alle technischen und organisatorischen Maßnahmen im Zusammenhang mit E-Examen sind zu dokumentieren. Dies betrifft sowohl die Abläufe der Datenerhebung und -verarbeitung als auch etwaige Störungen und deren Behebung. Diese Dokumentation dient als Nachweis im Streitfall.


Anerkennung und Rechtsfolgen von E-Examen

Prüfungsanerkennung und Gleichwertigkeit

Die rechtliche Anerkennung von E-Examen hängt maßgeblich von deren Durchführung nach den jeweils geltenden Prüfungsordnungen und gesetzlichen Vorgaben ab. Ein ordnungsgemäß abgelegtes und bewertetes E-Examen ist rechtlich gleichwertig zu herkömmlichen Prüfungsformen. Dies gilt auch für Prüfungsergebnisse im Rahmen von Fernstudiengängen oder anderen digitalen Bildungsangeboten.


Anfechtung und Prüfungsrechtsschutz

Rechtsbehelfe

Teilnehmende haben das Recht, Prüfungsentscheidungen, auch bei E-Examen, auf dem Verwaltungsrechtsweg anzufechten. Hierbei gelten dieselben Fristen und Verfahrensregeln wie bei analogen Prüfungen. Angriffs- oder Anfechtungsgründe können insbesondere technische Störungen während der Durchführung des E-Examens, Unregelmäßigkeiten bei der Identitätsprüfung oder Verstöße gegen das Datenschutzrecht sein.

Verfahrensgrundsätze

Im Streitfall muss die prüfende Stelle darlegen und ggf. nachweisen, dass das E-Examen ordnungsgemäß, manipulationssicher und unter Wahrung der Rechte der Teilnehmenden durchgeführt wurde. Kommt es zu erheblichen technischen Problemen, ist zu prüfen, ob die Prüfung wiederholt werden muss oder ein Nachteilsausgleich zu gewähren ist.


Zukunft und aktuelle Entwicklungen

Die rechtliche Entwicklung des E-Examens ist von der Digitalisierung des Bildungswesens und dem technischen Fortschritt geprägt. Gesetzgeber und Gerichte stehen vor der Aufgabe, bestehende Rechtsvorschriften angemessen anzupassen und einen Ausgleich zwischen Prüfungsdurchführung, Datenschutz und Teilnehmerschutz zu finden. Neue Vorschriften könnten insbesondere den Bereich der Videoaufsicht, automatisierte Auswertung und KI-gestützte Prüfungsüberwachung betreffen.


Zusammenfassung

Der Begriff E-Examen beschreibt digitale Prüfungsformen, deren rechtlicher Rahmen durch Gesetze, Prüfungsordnungen und Datenschutzregelungen bestimmt wird. Die rechtssichere Durchführung setzt die Einhaltung datenschutzrechtlicher, prüfungsrechtlicher und chancengleicher Vorgaben voraus. Bei ordnungsgemäßer Umsetzung ist das E-Examen rechtlich anerkannt und kann gleichwertig zu traditionellen Prüfungsformen eingesetzt werden. Rechtsschutz besteht auch bei E-Examen, sodass Teilnehmende gegen etwaige Mängel oder Benachteiligungen vorgehen können.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Anforderungen müssen an die Validität und Verlässlichkeit von E-Examen gestellt werden?

Die Validität und Verlässlichkeit (Reliabilität) eines E-Examens sind aus juristischer Sicht entscheidende Voraussetzungen für die Anerkennung und Wirksamkeit der Prüfungsergebnisse. Die rechtlichen Anforderungen ergeben sich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 GG), dem Prüfungsgrundsatz der Fairness sowie aus prüfungsrechtlichen Vorgaben einzelner Hochschul- oder Landesgesetze. Es muss sichergestellt werden, dass die Prüfung geeignet ist, die zu prüfenden Kompetenzen tatsächlich zu erfassen (Validität) und dies unter reproduzierbaren Bedingungen (Reliabilität) geschieht. Fehlerhafte Prüfungssoftware, Systemabstürze oder Manipulationsmöglichkeiten können die Verlässlichkeit und Validität massiv beeinträchtigen und damit rechtlich angreifbar machen. Hochschulen müssen bei der Einführung und Durchführung von E-Examen dokumentierte Verfahren vorhalten, welche die ordnungsgemäße Funktionsweise und Auswertung gewährleisten. Bei nachweisbaren Störungen muss ein Wiederholungsanspruch eingeräumt werden.

Wie ist der Datenschutz bei E-Examen rechtlich zu sichern?

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen von E-Examen unterliegt den Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und ergänzender nationaler Regelungen wie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Prüfungsleistungen, Identitätsdaten, technische Protokolldaten und gegebenenfalls Video- und Audioaufzeichnungen gelten als besonders schützenswerte Informationen. Die Verantwortlichen müssen gemäß Art. 5 und Art. 32 DSGVO geeignete technische und organisatorische Maßnahmen treffen, die Datensicherheit, Integrität, Vertraulichkeit und Transparenz gewährleisten. Das bedeutet unter anderem: Aufklärung der Prüflinge (Informationspflichten, Art. 13 DSGVO), Einhaltung von Speicherfristen, sichere Übertragung und Speicherung von Daten sowie die Minimierung der Datenverarbeitung auf das absolut notwendige Maß. Sollen Prüfungen durch Proctoring-Systeme oder Videoüberwachung begleitet werden, bedarf es einer gesonderten Interessen- und Risikoabwägung wegen des schwerwiegenden Eingriffs in die Privatsphäre.

Welche rechtlichen Regelungen gelten zum Nachteilsausgleich bei E-Examen?

Studierende mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen haben nach Sozialgesetzbuch IX sowie nach hochschulrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Bei E-Examen bedeutet dies, dass die Prüfungsformate und das technische Setting so gestaltet werden müssen, dass körperlich, sensorisch oder kognitiv eingeschränkte Teilnehmende keinen zusätzlichen Nachteil erleiden. Rechtlich ist die Hochschule verpflichtet, auf Antrag angemessene Vorkehrungen wie verlängerte Prüfungszeiten, barrierefreie Software, alternative Eingabegeräte oder individuell abgestimmte Prüfungsmodalitäten bereitzustellen, sofern dies die Prüfungsanforderungen nicht gefährdet und technisch realisierbar ist. Die Ablehnung eines Nachteilsausgleichs kann gerichtlich überprüft werden und führt unter Umständen zur Rechtswidrigkeit der gesamten Prüfungsentscheidung.

Welche juristischen Vorgaben gibt es bezüglich Täuschungsversuchen und Prüfungsaufsicht?

Beim E-Examen müssen Hochschulen Maßnahmen treffen, die einen Täuschungsversuch zuverlässig erkennen oder erschweren. Rechtsgrundlage hierfür sind unter anderem die jeweiligen Prüfungsordnungen, die häufig detaillierte Regelungen zu Plagiaten und sonstigen Täuschungen enthalten. Technisch können dies etwa PlagScan, Lockdown-Browser, Videoüberwachung oder Proctoring-Lösungen sein. Aus rechtlicher Sicht ist jedoch zu beachten, dass Überwachungsmaßnahmen stets verhältnismäßig und datenschutzkonform sein müssen. Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte sind zu begründen und möglichst zu minimieren. Die Sanktionen bei Täuschungsversuchen reichen von der Bewertung mit „nicht bestanden” bis hin zur Exmatrikulation und müssen mit einer Widerspruchsmöglichkeit verbunden werden. Das Verfahren ist zu dokumentieren und transparent zu gestalten.

Wann besteht ein Wiederholungsanspruch bei technischen Störungen im E-Examen?

Treten während eines E-Examens schwerwiegende technische Störungen auf, etwa durch Serverausfälle, Softwarefehler oder Verbindungsprobleme, so ergibt sich ein Anspruch auf Wiederholungsmöglichkeit aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und aus prüfungsrechtlichen Vorgaben. Maßgeblich ist, ob die Chancengleichheit beeinträchtigt wurde und ob die Prüfung noch als ordnungsgemäß gelten kann. Ein Nachteil wird insbesondere angenommen, wenn die Störung nicht im Verantwortungsbereich der Prüflinge lag. Hochschulen müssen Konzepte vorlegen, wie in solchen Fällen verfahren wird (z.B. Protokollierung von Fehlern, Nachschreibetermine, individuelle Lösungen bei Einzelfällen). Wird einem Wiederholungsanspruch nicht entsprochen, sind Anfechtungen, bis hin zur gerichtlichen Überprüfung, möglich.

Wie sind E-Examen rechtlich zu dokumentieren und zu archivieren?

Die Dokumentationspflicht bei E-Examen ergibt sich aus prüfungsrechtlichen Vorschriften und dient der Transparenz sowie der Nachprüfbarkeit von Entscheidungen. Nach Maßgabe nationaler Archivgesetze und hochschulrechtlicher Regelungen sind Prüfungsunterlagen, Arbeitsprotokolle, Bewertungen und relevante Korrespondenz für einen bestimmten Zeitraum (meist 2 bis 5 Jahre) aufzubewahren und gegen unberechtigten Zugriff zu sichern. Im digitalen Bereich kommt der Gewährleistung von Authentizität und Unveränderbarkeit besondere Bedeutung zu. Digitale Prüfungsdaten müssen manipulationssicher gespeichert sein und im Streitfall nachweisbar bleiben. Bei der Löschung nach Ablauf der Archivierungsfrist sind die datenschutzrechtlichen Vorgaben strikt zu beachten.

Welche rechtlichen Bestimmungen gibt es zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei E-Examen?

Der Einsatz von KI-Systemen bei E-Examen, zum Beispiel zur automatisierten Bewertung oder bei der Überwachungsanalyse, unterliegt sowohl dem Prüfungsrecht als auch dem Datenschutzrecht. Rechtsfragen betreffen hier insbesondere die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der Ergebnisse (Transparenzgebot), die Fehleranfälligkeit und Haftung bei Fehlbewertungen sowie die Frage, ob Studierende auf Antrag eine manuelle Überprüfung ihrer Ergebnisse verlangen können. Die Grundsätze der Gleichbehandlung, Fairness und Diskriminierungsfreiheit sind auch bei KI-basierten Evaluierungen zwingend zu beachten. Zudem ist ein Einsatz von KI mit Blick auf die EU-AI-Act sowie Datenschutzvorgaben besonders zu dokumentieren und zu begründen.