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Duldung von Ausländern


Begriff und rechtliche Grundlagen der Duldung von Ausländern

Die Duldung von Ausländern ist eine behördliche Maßnahme im deutschen Aufenthaltsrecht, die es ermöglicht, ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet vorübergehend zu gestatten, obwohl kein Aufenthaltsrecht besteht. Die Duldung stellt dabei keinen Aufenthaltstitel im Sinne des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) dar. Die maßgeblichen Vorschriften finden sich insbesondere in § 60a Aufenthaltsgesetz.


Gesetzliche Grundlagen und Abgrenzung

§ 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG)

Die Rechtsgrundlage für die Duldung bildet § 60a AufenthG. Danach darf die Ausreisepflicht von Ausländern zeitweise ausgesetzt werden, sofern tatsächliche oder rechtliche Gründe dem entgegenstehen. Die Duldung ist stets auf einen bestimmten Zeitraum befristet und mit Auflagen verbunden.

Abgrenzung gegenüber Aufenthaltstiteln

Die Duldung unterscheidet sich grundlegend von Aufenthaltstiteln, wie etwa dem Visum, der Aufenthaltserlaubnis oder der Niederlassungserlaubnis. Während Aufenthaltstitel ein legalisiertes Bleiberecht gewähren, bedeutet die Duldung lediglich eine zeitlich begrenzte Aussetzung der Abschiebung. Sie trägt daher einen „statuslosen“ Charakter.


Voraussetzungen und Arten der Duldung

Allgemeine Voraussetzungen

Eine Duldung darf nur erteilt werden, wenn eine vollziehbare Ausreisepflicht besteht, aber tatsächliche oder rechtliche Abschiebungshindernisse vorliegen. Zu den häufigsten Gründen zählen:

  • Gründe tatsächlicher Unmöglichkeit, etwa fehlende Reisepapiere oder nicht durchführbare Ausreise
  • Rechtliche Abschiebungshindernisse, etwa Asylfolgeanträge oder laufende Klageverfahren
  • Medizinische Gründe, die eine Ausreise derzeit unmöglich machen

Arten und spezielle Fallgruppen

Ermessensduldung

Nach § 60a Abs. 1 S. 1 AufenthG kann die Ausreisepflicht „vorübergehend“ ausgesetzt werden, wenn die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Hierbei steht der Ausländerbehörde ein Ermessen zu.

Anspruchsduldung

§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG normiert bestimmte Fälle, in denen ein zwingender Duldungsgrund vorliegt, beispielsweise bei einer schwerwiegenden Erkrankung (§ 60a Abs. 2c AufenthG) oder bei Vorliegen minderjähriger Kinder, die sich in Ausbildung befinden.

Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung

Im Rahmen der Integrationsförderung wurden spezifische Duldungstatbestände eingeführt:

  • Die Ausbildungsduldung (§ 60c AufenthG) ermöglicht Geduldeten, während einer beruflichen Ausbildung im Bundesgebiet zu verbleiben.
  • Die Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG) wurde zur Förderung nachhaltiger Integration in den Arbeitsmarkt geschaffen und gewährt bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eine längere Duldungsdauer.

Rechtsfolgen der Duldung

Aufenthalt und Bewegungsfreiheit

Geduldete Ausländerinnen und Ausländer sind weiterhin ausreisepflichtig und genießen keinen legalen Aufenthaltstitel. Sie erhalten jedoch eine Duldungsbescheinigung, die lediglich die Aussetzung der Abschiebung dokumentiert (§ 60a Abs. 4 AufenthG). Geduldete können räumlichen Beschränkungen unterliegen (§ 61 AufenthG), etwa auf das Gebiet eines Bundeslandes.

Erwerbstätigkeit

Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist Geduldeten nicht grundlegend erlaubt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden (§ 4a AufenthG). Im Regelfall besteht jedoch ein nachrangiger Zugang zum Arbeitsmarkt, abhängig von Dauer und Art der Duldung sowie Arbeitsmarktsituation.

Sozialleistungen und Unterbringung

Geduldete erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Hierzu zählen Unterkunft, Verpflegung, medizinische Grundversorgung und ein begrenzter Geldbetrag für den Lebensunterhalt. Die Möglichkeiten zum Bezug weitergehender Sozialleistungen sind eingeschränkt, ebenso der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung.


Erlöschen, Widerruf und Folgen der Duldung

Erlöschen und Widerruf der Duldung

Die Duldung erlischt grundsätzlich mit Ablauf der festgesetzten Frist oder bei Wegfall der Duldungsgründe. Die Ausländerbehörde kann die Duldung auch widerrufen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder die Ausländerin bzw. der Ausländer Mitwirkungshandlungen verweigert (§ 60a Abs. 5 AufenthG).

Folgen nicht genehmigungsfähiger Verlängerung

Nach Erlöschen oder Widerruf der Duldung besteht wieder die Pflicht zur unverzüglichen Ausreise. Wird diesen Pflichten nicht nachgekommen, so kann die Abschiebung vollstreckt werden.


Rechtsstellung und praktische Bedeutung

Dauer des Duldungsstatus

Der Status der Duldung ist vielfach durch längere Aufenthaltszeiten geprägt, insbesondere bei Hindernissen, die über Jahre hinweg nicht ausgeräumt werden. Dies führt zu einer besonderen rechtlichen und sozialen Unsicherheit.

Integration und Perspektivwechsel

Reformen im Aufenthaltsrecht (u.a. das Chancen-Aufenthaltsrecht) haben vereinfachte Möglichkeiten zur Perspektivklärung geschaffen, um langjährig Geduldeten unter bestimmten Voraussetzungen den Wechsel in einen gesicherten Aufenthaltstitel zu ermöglichen.


Statistische Daten und aktuelle Entwicklungen

Zahl der Geduldeten

Die Zahl der in Deutschland lebenden geduldeten Personen variiert aufgrund der jeweiligen Verfahrens- und Gesetzgebungslage. Laut dem Ausländerzentralregister lag die Zahl zuletzt im oberen fünfstelligen Bereich.

Rechtsreformen und politische Debatten

Aufgrund der zunehmenden Aufenthaltsdauer und sozialen Problemlagen ist die Duldung regelmäßig Gegenstand politischer und gesellschaftlicher Debatten. Änderungen am Aufenthaltsgesetz, wie das 2022 eingeführte Chancen-Aufenthaltsrecht, sollen die Situation langjährig Geduldeter verbessern und integrationsfördernde Perspektiven eröffnen.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
  • Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
  • Gesetz zur Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts (2022)
  • Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF): Informationen zur Duldung

Zusammenfassung: Die Duldung von Ausländern ist ein zentrales Element des deutschen Aufenthaltsrechts, das den Vollzug der Ausreisepflicht zeitweise aussetzt, ohne einen rechtmäßigen Aufenthalt zu vermitteln. Sie ist von Aufenthaltsgenehmigungen zu unterscheiden, an strenge Voraussetzungen geknüpft, zeitlich befristet und von zahlreichen rechtlichen Beschränkungen geprägt. In der aktuellen Rechtsentwicklung steht das Thema angesichts integrationspolitischer Herausforderungen weiterhin im Zentrum von Reformdiskussionen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Erteilung einer Duldung nach § 60a AufenthG vorliegen?

Für die Erteilung einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) muss zunächst das Vorliegen von rechtlichen oder tatsächlichen Abschiebungshindernissen geprüft werden. Hauptmerkmale sind, dass ein Ausländer ausreisepflichtig ist und eigentlich abgeschoben werden müsste, die Abschiebung aber aus Gründen faktisch oder rechtlich unmöglich ist. Typische rechtliche Gründe können etwa das Bestehen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG sein, tatsächliche Hindernisse sind zum Beispiel fehlende Reisedokumente, die Verweigerung der Aufnahme durch den Zielstaat oder gesundheitliche Gründe, bei denen eine Abschiebung vorübergehend unmöglich ist. Die Duldung wird stets als kurzfristiger Verwaltungsakt bewilligt und ist kein Aufenthaltstitel, sondern lediglich eine Aussetzung der Abschiebung. Eine Duldung muss regelmäßig vor Ablauf erneut beantragt und begründet werden; hierfür prüft die Ausländerbehörde immer wieder erneut das Vorliegen der Duldungsgründe.

Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für Inhaber einer Duldung?

Geduldete Personen erhalten mit der Duldung keine umfassenden Aufenthaltsrechte, sondern lediglich ein vorübergehendes Bleiberecht. Während der Duldungsdauer sind sie zur Mitwirkung bei der Identitätsfeststellung und Passbeschaffung verpflichtet, was in § 82 AufenthG geregelt ist. Die Bewegungsfreiheit kann eingeschränkt werden, insbesondere durch Aufenthaltsbeschränkungen nach § 61 AufenthG („Wohnsitzauflage“ oder „Residenzpflicht“). Hinsichtlich Sozialleistungen ist der Leistungsbezug primär durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geregelt, welches in vielerlei Hinsicht geringere Ansprüche als das SGB II oder SGB XII vorsieht. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit kann grundsätzlich von der Ausländerbehörde erlaubt werden, ist aber an strenge Bedingungen geknüpft (§ 60a Abs. 6 AufenthG in Verbindung mit § 61 AufenthG). Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Familiennachzug, und die Aus- sowie Weiterreise wird überwacht.

Wie lange gilt eine Duldung und kann sie verlängert werden?

Die Geltungsdauer einer Duldung wird grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen der Ausländerbehörde befristet, wobei der Zeitraum mehrere Tage bis zu maximal sechs Monate betragen kann. Die Duldung kann beliebig oft verlängert werden, sofern die Abschiebung weiterhin unmöglich ist und die Gründe dafür fortbestehen. Die Verlängerung erfolgt meist nach erneuter Überprüfung der Abschiebungshindernisse. Es besteht jedoch kein Rechtsanspruch auf Verlängerung; eine Duldungsbescheinigung kann jederzeit widerrufen werden, falls die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen oder der Geduldete seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt.

Unter welchen Umständen kann die Duldung widerrufen oder aufgehoben werden?

Eine Duldung kann gemäß § 60a Abs. 5 AufenthG widerrufen oder aufgehoben werden, wenn die Gründe für die Aussetzung der Abschiebung entfallen oder der Inhaber seiner Mitwirkungspflicht bei der Beseitigung des Abschiebungshindernisses nicht nachkommt. Dies betrifft insbesondere die fehlende Kooperation bei der Passbeschaffung, wahrheitswidrige Angaben oder eine bewusste Täuschung über Identität und Staatsangehörigkeit. Kommt es zu einer Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Umstände, etwa der Wegfall einer Krankheit oder die erfolgreiche Ausstellung von Reisedokumenten, kann die Duldung sofort aufgehoben werden. Auch bei strafrechtlicher Verurteilung oder bestehender Gefahr für die öffentliche Sicherheit kann eine Duldung entzogen werden.

Unterscheiden sich die verschiedenen Arten der Duldung und, wenn ja, wie?

Es gibt verschiedene Typen von Duldungen mit jeweils spezifischem rechtlichem Hintergrund, die in § 60a AufenthG und in § 60b AufenthG geregelt sind. Neben der allgemeinen Duldung gibt es die Duldung für Personen mit ungeklärter Identität („Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ nach § 60b AufenthG), die mit bestimmten Sanktionen und Einschränkungen versehen ist, insbesondere bei Verweigerung der Mitwirkungspflicht. Darüber hinaus existiert die Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG), die unter bestimmten Voraussetzungen (etwa für gut integrierte Ausländer mit langfristigem Beschäftigungsverhältnis) erteilt werden kann. Auch gibt es besondere Duldungen für Ausbildungszwecke oder für Personen mit gesundheitlichen oder humanitären Gründen (etwa bei schwerwiegender Krankheit). Die Rechte und Pflichten können je nach Duldungsart variieren, insbesondere im Hinblick auf Erwerbstätigkeit und Sozialleistungen.

Welche Möglichkeiten bestehen, aus einer Duldung einen Aufenthaltstitel zu erhalten?

Prinzipiell ist die Duldung darauf angelegt, ein vorübergehender Status zu sein. Allerdings sieht das Aufenthaltsgesetz in bestimmten Fällen eine „Spurwechselfähigkeit“ vor, d.h. unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Wechsel von der Duldung in einen regulären Aufenthaltstitel erfolgen. Dies ist beispielsweise über § 25b AufenthG (Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration) oder § 25a AufenthG (Jugendliche und Heranwachsende) möglich, sofern die jeweiligen strengen Integrations- und Aufenthaltsvoraussetzungen erfüllt werden. Auch bei Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung oder Ausbildung kann nach längerer Duldungsfrist eine Aufenthaltserlaubnis beantragt werden. Ein Wechsel setzt regelmäßig voraus, dass keine Identitätszweifel bestehen, keine strafrechtliche Verurteilung vorliegt und dass der Lebensunterhalt überwiegend gesichert werden kann.

Ist eine Abschiebung trotz Duldung möglich?

Grundsätzlich schließt eine Duldung gemäß § 60a AufenthG die Abschiebung vorübergehend aus, da das Abschiebungshindernis formal anerkannt ist. Sobald die Gründe für die Duldung entfallen, etwa weil die Beschaffung von Reisedokumenten gelungen ist oder die rechtlichen Hindernisse (wie eine schwere Erkrankung) nicht mehr bestehen, kann jedoch sofort eine Abschiebung erfolgen. Die Duldung schützt somit nicht dauerhaft vor Ausweisung und Abschiebung, sondern stellt lediglich eine temporäre Aussetzung dar, solange das Abschiebungshindernis besteht. Die Ausländerbehörde ist verpflichtet, die Situation des Geduldeten fortlaufend zu überprüfen. Bei Wegfall des Duldungsgrundes kann auch ohne gesonderte Anordnung die Abschiebung vollzogen werden.