Legal Lexikon

Drogenkonsumraum


Begriff und Bedeutung des Drogenkonsumraums

Ein Drogenkonsumraum bezeichnet eine behördlich zugelassene, medizinisch und sozialpädagogisch betreute Einrichtung, in der abhängige Personen unter kontrollierten Bedingungen Betäubungsmittel konsumieren dürfen. Ziel ist es, Gesundheitsschäden, Überdosierungen, Infektionen und die Ausbreitung von Krankheiten wie HIV und Hepatitis zu reduzieren sowie den Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten zu erleichtern.

Drogenkonsumräume stellen ein besonderes Rechtsinstitut im Spannungsfeld zwischen repressivem Betäubungsmittelrecht und gesundheitspolitischen sowie sozialpolitischen Interessen dar. Sie wurden als Reaktion auf die bestehenden Drogenproblematiken und deren Auswirkungen auf öffentliche Sicherheit und Gesundheitspolitik eingeführt.


Gesetzliche Grundlagen

Betäubungsmittelgesetz (BtMG)

Die zentrale rechtliche Grundlage für den Betrieb eines Drogenkonsumraums in Deutschland bildet das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), insbesondere die im Jahr 2000 eingeführte § 10a BtMG. Die Vorschrift ermöglicht es den Landesregierungen, durch Rechtsverordnung oder Einzelfallgenehmigungen Einrichtungen zu erlauben, in denen Drogenabhängige illegale Betäubungsmittel zum Eigenkonsum unter Aufsicht konsumieren können.

Ziel ist es, Schadensminimierung (harm reduction) zu fördern, Prävention zu unterstützen und Gesundheitsgefahren zu vermindern, ohne den grundsätzlichen Strafcharakter des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln auszusetzen.

Voraussetzungen der Genehmigung

Die Voraussetzungen zur Erteilung einer Betriebserlaubnis sind in § 10a Abs. 2 BtMG geregelt. Insbesondere müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Trägerstruktur gewährleistet eine fachgerechte Betreuung (z. B. medizinisches, psychosoziales Personal)
  • Die Überwachung und Kontrolle der Besucher/des Konsums ist gesichert
  • Es bestehen Hygiene- und Sicherheitskonzepte
  • Es besteht eine laufende Dokumentation und eine Kooperationspflicht mit Behörden und Hilfseinrichtungen

Landesrechtlich können ergänzende und detaillierte Regelungen bestehen.


Rolle der Bundesländer

Die tatsächliche Einrichtung und Regulierung von Drogenkonsumräumen liegt in der Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer, in deren Hand die Umsetzung und Ausgestaltung per Rechtsverordnung durch die jeweilige Landesregierung erfolgt. Bislang existieren Drogenkonsumräume beispielsweise in Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Bayern und Bremen. Die konkreten Betreiber werden in der Regel von kommunalen Behörden, Wohlfahrtsverbänden oder freien Trägern benannt.

Landesrechtliche Regelungen

Beispielhaft enthält die Drogenkonsumraumverordnung NRW (DrogenkRVO NRW) Vorgaben zu:

  • Baulichen Anforderungen
  • Betriebs- und Hausordnung
  • Maßnahmen zur Risikominimierung
  • Kooperation mit Polizei, Gesundheitsbehörden und Drogenhilfe


Strafrechtliche Aspekte und Haftungsfragen

Strafrechtsausnahmen und Besitz

Obwohl grundsätzlich nach §§ 29 ff. BtMG Besitz, Erwerb und Konsum von illegalen Betäubungsmitteln strafbar sind, sehen § 10a BtMG sowie behördliche Genehmigungen für die Nutzer in den genehmigten Räumlichkeiten unter festgelegten Bedingungen regelmäßig einen eingeschränkten Straftatbestand vor.

Schutz des Personals

Personal in Drogenkonsumräumen genießt unter bestimmten Voraussetzungen Straffreiheit (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), solange sie den Konsum überwachen, medizinisch betreuen oder Hilfestellung leisten, ohne dabei am Erwerb oder Handel der Substanzen direkt beteiligt zu sein. Die Beteiligung am Drogenhandel oder die Überlassung von Betäubungsmitteln bleibt auch für das Personal strafbar.

Nutzende Personen

Für konsumierende Personen besteht in Drogenkonsumräumen bei Einhaltung der rechtlichen Vorgaben ein sogenannter “tolerierter Bereich”, sofern sie ausschließlich zum Eigenkonsum mitgebrachte Menge konsumieren. Erwerb und Besitz außerhalb des Raumes bleiben jedoch strafbar.

Haftungsfragen

Einrichtungen und deren Betreibende unterliegen einer umfangreichen Sorgfaltspflicht, insbesondere hinsichtlich Hygiene, Notfallmanagement und Überwachung. Verletzungen dieser Pflichten können straf- oder zivilrechtliche Haftung auslösen.


Zielsetzung und Funktion im Rechtssystem

Gesundheits- und Ordnungsrechtliche Ziele

Drogenkonsumräume dienen insbesondere:

  • Der Reduktion drogenbedingter Todesfälle durch Überdosierung
  • Der Eindämmung von Infektionskrankheiten durch hygienische Bedingungen und saubere Konsumutensilien
  • Der Entlastung des öffentlichen Raums von offenem Drogenkonsum und damit einhergehenden Problemen
  • Der Förderung von Betreuung, Beratung, Zugang zu Hilfs- und Ausstiegsmöglichkeiten

Stellung im Betäubungsmittelrecht

Drogenkonsumräume stellen einen Sonderfall innerhalb des repressiv ausgerichteten Betäubungsmittelrechts dar, indem sie unter hoheitlicher Kontrolle und zu definierten Zwecken eine partielle Aufhebung des absoluten Konsumverbotes gewähren. Sie vereinen polizeirechtliche Interessen mit gesundheitspolitischer Schadensminimierung.


Ergebnis und Entwicklungen

Drogenkonsumräume sind ein rechtlich umfangreich geregeltes Instrument im deutschen Drogen- und Gesundheitsrecht und bilden ein zentrales Element der sogenannten „harm reduction”-Strategie. Sie ermöglichen einen rechtssicheren Raum für den betreuten Konsum illegaler Substanzen unter engmaschigen Auflagen. Gesetzgeber und Rechtsprechung nehmen eine differenzierte Bewertung zwischen repressiven und präventiven Maßnahmen vor. Eine fortlaufende Evaluation und Anpassung der gesetzlichen Grundlagen erfolgt entsprechend aktueller gesundheitlicher, sozialer sowie kriminalpolitischer Entwicklungen.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Betäubungsmittelgesetz (BtMG), besonders § 10a
  • Landesverordnungen und Verwaltungsvorschriften zu Drogenkonsumräumen
  • Leitfäden und Stellungnahmen von Gesundheitsbehörden und Drogenhilfeträgern
  • Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und Obergerichte zur Reichweite des § 10a BtMG
  • Fachliteratur im Bereich Drogenpolitik und Verwaltungsrecht

Der Drogenkonsumraum bildet somit einen rechtlich facettenreichen Teil der deutschen Gesundheits- und Kriminalpolitik, mit umfassenden Regelungen und hohen Anforderungen an Betrieb, Kontrolle und Prävention.

Häufig gestellte Fragen

Braucht eine Einrichtung eine behördliche Genehmigung, um einen Drogenkonsumraum zu betreiben?

Ja, für den Betrieb eines Drogenkonsumraums ist eine behördliche Genehmigung zwingend erforderlich. Rechtsgrundlage hierfür sind die jeweiligen Landesgesetze, meist in Form eines Ausführungsgesetzes zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) oder eigene landesrechtliche Regelungen. Die Genehmigung wird von der örtlich zuständigen Behörde (z. B. Gesundheitsamt oder Ordnungsamt) erteilt. Im Genehmigungsprozess müssen zahlreiche Auflagen erfüllt werden, etwa zur medizinischen Betreuung, baulichen Ausstattung, Hygiene, Dokumentationspflicht und Präventionsarbeit. Häufig ist auch das Einholen von Stellungnahmen anderer Stellen, wie etwa der Polizei oder der Drogen- und Suchtkoordination, vorgeschrieben. Ein Verstoß gegen die Genehmigungspflicht kann die Schließung des Betriebs sowie strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Ist der Konsum von Betäubungsmitteln in einem Drogenkonsumraum legal?

Der Konsum von Betäubungsmitteln ist grundsätzlich auch in einem Drogenkonsumraum nicht legalisiert, sondern nach wie vor strafbar (§ 29 BtMG). Die jeweiligen Landesgesetze erlauben jedoch, dass der Konsum in speziell zugelassenen Drogenkonsumräumen unter genauer Einhaltung definierter Auflagen unter strikter Aufsicht erfolgt. Die strafrechtliche Verfolgung wird in diesen Räumen aufgehoben, sofern der Konsum innerhalb des erlaubten Rahmens erfolgt und nur für den Eigenbedarf – dabei wird von einer sogenannten strafrechtlichen Privilegierung gesprochen. Die Einnahme, der Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln außerhalb der gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen bleibt weiterhin strafbar.

Dürfen Mitarbeiter in Drogenkonsumräumen strafrechtlich verfolgt werden?

Mitarbeiter in Drogenkonsumräumen genießen eine eigene strafrechtliche Absicherung, wenn sie im Rahmen ihrer Tätigkeit handeln und sich an die gesetzlichen Vorgaben sowie die behördlichen Auflagen halten. Sie machen sich insbesondere nicht der Beihilfe nach dem BtMG schuldig, solange sie nur die berechtigte Hilfe zum geschützten Eigenkonsum leisten und keine weiteren strafbaren Handlungen vorliegen. Überschreiten sie jedoch ihre gesetzlichen Befugnisse, beispielsweise indem sie beim Erwerb, bei der Beschaffung oder beim Weitergeben von Betäubungsmitteln behilflich sind, ist auch für sie eine strafrechtliche Verfolgung nicht ausgeschlossen.

Gibt es eine Verpflichtung zur Weitergabe von Informationen an Strafverfolgungsbehörden?

Im Regelfall besteht keine generelle Verpflichtung für Mitarbeiter, Informationen über die konsumierenden Personen an Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Vielmehr unterliegen sie sowohl einer berufsrechtlichen Schweigepflicht (z. B. nach § 203 StGB für medizinisches Personal) als auch den Datenschutzbestimmungen. Ausnahmen bestehen nur bei schwerwiegenden Straftaten, bei akuter Gefahr für Leib und Leben oder auf gerichtliche Anordnung. Die konkrete Ausgestaltung unterliegt jedoch den länderspezifischen Vorschriften und sollte in jeder Einrichtung präzise geregelt sein.

Ist der Handel oder die Abgabe von Betäubungsmitteln in Drogenkonsumräumen erlaubt?

Nein, der Handel sowie jede Art der Weitergabe oder Abgabe von Betäubungsmitteln sind auch in Drogenkonsumräumen strikt verboten. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) macht keine Ausnahme für diese Schutz- und Hilfeeinrichtungen. Jegliche Überlassung oder Veräußerung von Betäubungsmitteln an Dritte, selbst im geringen Umfang, stellt eine Straftat dar und wird verfolgt. Die Räume dienen ausschließlich dem sicheren Konsum von zuvor mitgebrachten Drogen für den Eigenbedarf.

Welche Maßnahmen zum Jugendschutz gelten im Drogenkonsumraum?

Im rechtlichen Rahmen ist der Zugang zu Drogenkonsumräumen in der Regel ausschließlich volljährigen Personen gestattet. Minderjährige dürfen keinerlei Dienstleistungen in Anspruch nehmen, und der Aufenthalt von Jugendlichen ist strikt untersagt. Verantwortliche und Mitarbeitende sind verpflichtet, das Alter der Nutzer zu überprüfen und geeignete Maßnahmen zur Kontrolle zu ergreifen. Die Einhaltung des Jugendschutzes ist Teil der behördlichen Auflagen und wird regelmäßig kontrolliert.

Welche Dokumentationspflichten bestehen für Betreiber eines Drogenkonsumraums?

Betreiber müssen umfassende Dokumentationspflichten erfüllen, die sowohl in den Landesgesetzen als auch in den jeweiligen Betriebsgenehmigungen konkretisiert werden können. Hierzu zählt insbesondere die Protokollierung der täglichen Besucherzahlen, der Konsumvorgänge, der Vorfälle mit medizinischem Notfallcharakter sowie der durchgeführten Präventions- und Beratungsangebote. Die Dokumentation dient sowohl der Nachweispflicht gegenüber Behörden als auch der Sicherstellung des Qualitätsstandards und des Gesundheitsschutzes der Nutzer. Datenschutz und Anonymität der Nutzer müssen dabei stets gewährleistet bleiben.