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Drittwiderspruchsklage


Begriff und Grundlagen der Drittwiderspruchsklage

Die Drittwiderspruchsklage ist ein eigenes Rechtsschutzinstrument der deutschen Zivilprozessordnung (ZPO) zur Sicherung von Rechtspositionen Dritter im Zwangsvollstreckungsverfahren. Sie gewährt demjenigen, der behauptet, dass ein Gegenstand, gegen den sich die Zwangsvollstreckung richtet, ihm und nicht dem Schuldner zusteht, die Möglichkeit, seine Rechte gerichtlich durchzusetzen und die Zwangsvollstreckung in diesen Gegenstand abzuwehren.

Rechtliche Einordnung

Die Drittwiderspruchsklage ist in den §§ 771 ff. ZPO normiert und gehört zu den sogenannten Vollstreckungsabwehrklagen. Sie stellt eine Klage Dritter gegen den Vollstreckungsgläubiger dar, mit dem Ziel, das Verfahren der Zwangsvollstreckung auf einen bestimmten Gegenstand zu beschränken oder zu verhindern, wenn der Kläger behauptet, ein besseres Recht als der Schuldner daran zu haben.

Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen

Abzugrenzen ist die Drittwiderspruchsklage insbesondere von der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) und der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO. Die Vollstreckungserinnerung richtet sich gegen Maßnahmen des Vollstreckungsgerichts und ist kein eigenständiges Klageverfahren. Die Vollstreckungsabwehrklage hingegen steht allein dem Schuldner selbst zur Verfügung, wenn er Einwendungen gegen den titulierten Anspruch erhebt. Die Drittwiderspruchsklage gibt hingegen Dritten ein Klagerecht, deren eigenes Recht durch die Zwangsvollstreckung beeinträchtigt wird.

Voraussetzungen der Drittwiderspruchsklage

Materiellrechtliche Voraussetzungen

Voraussetzung der Drittwiderspruchsklage ist, dass der Kläger ein eigenes Recht an dem von der Zwangsvollstreckung betroffenen Gegenstand geltend macht, welches die Zwangsvollstreckung ausschließt. Dies kann insbesondere bei folgenden Ansprüchen der Fall sein:

  • Eigentum (z.B. bewegliche Sachen § 903 BGB, unbewegliche Sachen § 985 BGB)
  • Besitzrechte (z.B. Vermieter, Vorbehaltsverkäufer)
  • Pfandrechte und andere beschränkte dingliche Rechte
  • Ansprüche aus Sicherungsübereignung oder aus einer Leasingvereinbarung

Das geltend gemachte Recht muss demjenigen entgegenstehen, der die Zwangsvollstreckung betreibt, und über das Recht des Schuldners hinausgehen. Die Behauptung des Klägers wird im Zivilprozess geprüft.

Formellrechtliche Voraussetzungen

Die Drittwiderspruchsklage ist gegen den Vollstreckungsgläubiger und – sofern bereits eine Verteilung erfolgt ist – gegen die weiteren Beteiligten zu richten (§ 771 Abs. 1 ZPO). Die Klage ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Prozessgericht erster Instanz zu erheben.

Eine Frist zur Erhebung der Drittwiderspruchsklage besteht grundsätzlich nicht. Allerdings kann bei fortgeschrittener Zwangsvollstreckung ein Rechtsverlust durch Zeitablauf (Verjährung, Entreicherung, Verwirkung) eintreten.

Verfahren der Drittwiderspruchsklage

Klageerhebung und Ablauf

Mit Einreichung der Drittwiderspruchsklage wird ein ordentlicher Zivilprozess eingeleitet. Das Gericht prüft, ob tatsächlich ein dem Schuldner zur Verfügung stehender Gegenstand oder ein Recht des Klägers betroffen ist. Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er ein besseres Recht als der Schuldner an dem vollstreckten Gegenstand besitzt.

Sicherungsmaßnahmen während des Prozesses

Das Gericht kann auf Antrag gemäß § 771 Abs. 2 ZPO einstweilige Maßnahmen zur Sicherung des Klägers anordnen, insbesondere die Aussetzung der Zwangsvollstreckung in den streitigen Gegenstand, bis über die Klage entschieden worden ist.

Rechtsfolgen bei stattgebender Entscheidung

Wird der Drittwiderspruchsklage stattgegeben, so ist die Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand für unzulässig zu erklären. Bereits vorgenommene Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben oder rückgängig zu machen, und der Kläger erhält seinen Gegenstand zurück. Eine ablehnende Entscheidung weist die Klage ab und setzt das Vollstreckungsverfahren fort.

Rechtsmittel

Gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts ist das normale Berufungs- und Revisionsrecht der ZPO eröffnet, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (§§ 511, 543 ZPO).

Praxisrelevante Anwendungsfälle

Häufige Anwendungsfälle der Drittwiderspruchsklage ergeben sich in folgenden Situationen:

  • Vollstreckung in gepfändete Sachen, die nicht im Eigentum des Schuldners stehen (z.B. bei Sicherungsübereignung, Leasing, Miete)
  • Pfändung von Forderungen, bei denen der Anspruch aus abgetretenem Recht einem Dritten zusteht
  • Grundbuchbelastete Immobilien, bei denen ein Dritter ein dingliches Recht (z.B. Grundschuld) geltend macht

Die Drittwiderspruchsklage spielt insbesondere bei der Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen, Immobilien oder Forderungen eine große Rolle.

Kosten und Risiken

Die Kosten der Drittwiderspruchsklage richten sich nach den allgemeinen Regeln des gerichtlichen Zivilprozesses. Es fallen Gerichtskosten und ggf. weitere Verfahrenskosten an. Unterliegt der Kläger, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen. Bei erfolgreicher Durchsetzung kann eine Freistellungspflicht des Vollstreckungsgläubigers bestehen.

Bedeutung und Funktion im Rechtsschutzsystem

Die Drittwiderspruchsklage dient dem Schutz Dritter vor Beeinträchtigung ihrer Rechte durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner. Sie gewährleistet, dass nur in das Vermögen des Schuldners vollstreckt werden kann und nicht in Vermögenswerte Dritter. Damit hat die Drittwiderspruchsklage eine wichtige Funktion sowohl im Einzelzwangsvollstreckungsrecht als auch im Insolvenzverfahren, sofern dort Einzelmaßnahmen zugelassen sind.

Abweichende Regelungen im Insolvenzrecht

Im Insolvenzverfahren ist die Drittwiderspruchsklage größtenteils durch die sogenannte Aussonderungsklage (§ 47 InsO) ersetzt worden. Gleichwohl sind Überschneidungen möglich. Hierbei ist stets zu prüfen, ob der Anspruch auf Herausgabe einer insolvenzfesten Aussonderung unterliegt oder nach allgemeinem Zivilprozessrecht geltend gemacht werden muss.

Literatur und weiterführende Links

  • Thomas/Putzo, ZPO, Kommentar zu § 771
  • Musielak/Voit, ZPO, Kommentar zu Vollstreckungsabwehr- und Drittwiderspruchsklagen
  • Gernot, Zwangsvollstreckungsrecht, Lehrbuch

Hinweis: Dieser Lexikonartikel ist als umfassende und strukturierte Information zum Begriff der Drittwiderspruchsklage gestaltet und erhebt keinen Anspruch auf abschließende Behandlung sämtlicher Einzelfragen, die im konkreten Fall auftreten können.

Häufig gestellte Fragen

Welche formellen und materiellen Voraussetzungen müssen für die Zulässigkeit einer Drittwiderspruchsklage erfüllt sein?

Für die Zulässigkeit der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO müssen sowohl formelle als auch materielle Voraussetzungen vorliegen. Formell ist erforderlich, dass ein Zwangsvollstreckungsverfahren gegen den Schuldner anhängig ist und eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme in einen bestimmten Gegenstand droht oder bereits eingeleitet wurde. Die Klage ist beim zuständigen Prozessgericht des ersten Rechtszugs einzureichen, in dessen Bezirk die Vollstreckung stattfindet. Materiell muss der Dritte geltend machen, dass ihm an dem vollstreckten oder zur Vollstreckung herangezogenen Gegenstand ein die Veräußerung ausschließendes Recht zusteht (z. B. Eigentum oder Nießbrauch). Dieses Recht muss vor dem Zeitpunkt der Pfändung oder sonstigen Vollstreckungsmaßnahme entstanden sein. Der Dritte trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und warum sein Recht der Zwangsvollstreckung entgegensteht.

Welches Ziel verfolgt die Drittwiderspruchsklage und gegen wen richtet sie sich konkret?

Das Ziel der Drittwiderspruchsklage besteht darin, die Zwangsvollstreckung in einen bestimmten Gegenstand zu verhindern oder rückgängig zu machen, weil dem Dritten ein besseres Recht daran zusteht als dem Gläubiger. Sie richtet sich regelmäßig gegen den Gläubiger, der die Vollstreckung betreibt, und gegen den Schuldner, da dieser als Verfügungsberechtigter am Prozess beteiligt ist. Die Klage ist darauf gerichtet, festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem dem Gläubiger zustehenden Titel in einen bestimmten Gegenstand unzulässig ist, solange das vom Dritten geltend gemachte Recht besteht.

Welche typischen Einwendungen kann der Dritte im Rahmen der Drittwiderspruchsklage geltend machen?

Im Rahmen der Drittwiderspruchsklage kann der Dritte verschiedene Einwendungen erheben, die dem Gläubiger und dem Schuldner gegenüber wirken. Die häufigsten sind dingliche Rechte, wie das Eigentum an der Sache, das Pfandrecht, ein Nießbrauch oder ein sonstiges, die Veräußerung hinderndes Recht (z. B. ein vertraglich vereinbartes Veräußerungsverbot mit dinglicher Wirkung). Auch bestimmte persönliche Rechte, die die Durchsetzung des Titels am betreffenden Gegenstand ausschließen (wie ein Besitzrecht aus einem Miet- oder Leasingvertrag), können geltend gemacht werden. Es ist jedoch stets zu prüfen, ob das Recht stärker ist als das des Gläubigers und ob es tatsächlich besteht sowie der Klagepartei zusteht.

Wie ist das Verfahren nach Erhebung der Drittwiderspruchsklage ausgestaltet?

Nach Erhebung der Drittwiderspruchsklage wird das Verfahren grundsätzlich als Zivilprozess geführt. Nach förmlicher Klagezustellung an die Beklagten wird im Rahmen eines Erkenntnisverfahrens geprüft, ob die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Zwangsvollstreckung rückwirkend und für die Zukunft vorliegen. Das Gericht untersucht sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der Klage und entscheidet nach mündlicher Verhandlung. Das Verfahren kann durch Urteil oder in bestimmten Fällen durch Vergleich beendet werden. Während des laufenden Prozesses kann der Dritte gemäß § 769 ZPO beantragen, die Zwangsvollstreckung einstweilig auszusetzen oder auf andere Weise zu sichern.

Welche Rechtsfolgen hat eine erfolgreiche Drittwiderspruchsklage?

Wird die Drittwiderspruchsklage ganz oder teilweise für begründet erachtet, spricht das Gericht aus, dass die Zwangsvollstreckung in den betroffenen Gegenstand aus dem titulierten Anspruch unzulässig ist. Der Gläubiger und der Gerichtsvollzieher müssen dann von weiteren Vollstreckungshandlungen in Bezug auf diesen Gegenstand absehen. Bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen (wie die Pfändung oder Verwertung des Gegenstands) sind zu beseitigen, sofern sie noch nicht abgeschlossen sind beziehungsweise rechtlich rückgängig gemacht werden können. Der Dritte erlangt dadurch Schutz vor einer unberechtigten Vollstreckung.

Kann die Drittwiderspruchsklage auch nach einer bereits erfolgten Verwertung des Gegenstands noch zum Erfolg führen?

Die Drittwiderspruchsklage dient vorrangig dem vorbeugenden Rechtsschutz, also der Verhinderung einer bevorstehenden oder laufenden Vollstreckung. Ist der Gegenstand jedoch bereits endgültig verwertet, ist eine Drittwiderspruchsklage unzulässig, da sie dann ins Leere läuft. In solchen Fällen muss der Dritte regelmäßig auf Schadensersatz gegen den Gläubiger oder Rückgewähr des Erlöses (bei noch nicht erfolgter Auszahlung) klagen. Somit beschränkt sich die Drittwiderspruchsklage auf noch vorhandene, nicht endgültig aus der Zwangsvollstreckung ausgeschiedene Gegenstände.

Welche besonderen prozessualen Risiken und Kosten sind mit der Erhebung einer Drittwiderspruchsklage verbunden?

Die Drittwiderspruchsklage ist für den Dritten mit erheblichen prozessualen Risiken verbunden. Die Darlegungs- und Beweislast trifft den Dritten, der im Zweifel detailliert die tatsächlichen und rechtlichen Umstände für seine Berechtigung am Gegenstand vortragen und beweisen muss. Sollte die Klage erfolglos sein, trägt er die gesamten Verfahrenskosten, einschließlich der Kosten der Gegenseite. Dies betrifft sowohl Gerichts- als auch Anwaltskosten. Gegebenenfalls droht zudem die Gefahr, dass der Dritte mit einer Schadensersatzklage konfrontiert wird, wenn sich seine Behauptungen als unzutreffend oder leichtfertig erweisen.