Legal Lexikon

Drittwiderklage

Begriff und Einordnung der Drittwiderklage

Die Drittwiderklage ist eine besondere Form der Widerklage im Zivilverfahren. Sie liegt vor, wenn die beklagte Partei sich nicht nur gegen die klagende Partei verteidigt und eine Gegenforderung erhebt, sondern zugleich eine weitere Person, die bislang nicht am Verfahren beteiligt ist, mit einer Gegenforderung in das Verfahren einbezieht. Diese zusätzliche Person wird zum Drittwiderbeklagten. Ziel ist es, eng zusammenhängende Streitpunkte in einem Verfahren zu klären und widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden.

Ziel und Funktionen

Die Drittwiderklage dient der Verfahrensökonomie und der umfassenden Klärung eines Konfliktkomplexes. Häufig stehen Ansprüche zwischen der klagenden Partei, der beklagten Partei und einem Dritten in einem engen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang. Durch die Bündelung im selben Verfahren können Beweismittel einheitlich gewürdigt, widersprüchliche Entscheidungen vermieden und die Streitigkeiten in einem Urteil abschließend geregelt werden.

Beteiligte und Rollen

Im Ausgangspunkt stehen sich Kläger und Beklagter gegenüber. Erhebt der Beklagte eine Drittwiderklage, so erweitert er den Streit auf einen Dritten. Es entstehen mehrere prozessuale Rechtsverhältnisse:

  • zwischen Kläger und Beklagtem (Hauptklage),
  • zwischen Beklagtem und Kläger (Widerklage),
  • zwischen Beklagtem und Drittwiderbeklagtem (Drittwiderklage).

Der Drittwiderbeklagte ist ab seiner Beteiligung eigenständige Partei mit allen verfahrensrechtlichen Rechten und Pflichten, insbesondere dem Anspruch auf rechtliches Gehör, dem Recht auf Vortrag und Beweis sowie der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen.

Voraussetzungen der Zulässigkeit

Rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhang

Die Drittwiderklage setzt in der Regel einen engen Zusammenhang mit dem Gegenstand der Hauptklage voraus. Dieser Zusammenhang liegt insbesondere vor, wenn die Ansprüche auf demselben Lebenssachverhalt beruhen, sich gegenseitig beeinflussen oder die Entscheidung des einen Anspruchs die Beurteilung des anderen mitprägt.

Zuständigkeit des Gerichts

Die Entscheidung über Haupt- und Gegenansprüche soll möglichst beim selben Gericht erfolgen. Die Zuständigkeit für die Drittwiderklage folgt dabei typischerweise den Grundsätzen, die auch für die Widerklage gelten, kann aber an einen hinreichenden Zusammenhang zum Streitstoff der Hauptklage gebunden sein. Fehlt dieser Zusammenhang, kann die Drittwiderklage unzulässig sein.

Rechtshängigkeit und Verteidigungsmöglichkeiten

Mit wirksamer Erhebung der Drittwiderklage entsteht Rechtshängigkeit hinsichtlich des Anspruchs gegen den Dritten. Der Drittwiderbeklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme, kann Einwendungen vorbringen, Beweise anbieten und prozessuale Anträge stellen.

Verfahrensstadium

Die Erhebung der Drittwiderklage ist grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz möglich. Späte Erweiterungen können einer prozessualen Konzentration und der Verfahrensförderung entgegenstehen, was auf die Zulässigkeit und Behandlung im Verfahren Einfluss haben kann.

Besondere Verfahrensarten

In bestimmten Verfahrensarten mit besonderen Regeln kann die Drittwiderklage eingeschränkt oder unzulässig sein. Dies betrifft vor allem Verfahren, die auf Beschleunigung oder eine begrenzte Prüfungsdichte angelegt sind.

Ablauf und Verfahrensgestaltung

Erhebung der Drittwiderklage

Die Drittwiderklage wird durch einen Schriftsatz erhoben, der den Anspruch gegen den Dritten bezeichnet, Tatsachen vorträgt und einen konkreten Antrag enthält. Der Schriftsatz wird dem Drittwiderbeklagten zugestellt.

Zustellung und rechtliches Gehör

Der Drittwiderbeklagte wird durch Zustellung beteiligt. Ihm steht das rechtliche Gehör zu; er kann sich verteidigen, selbst Anträge stellen und ggf. eigene Gegenansprüche erheben, soweit die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind.

Klageanträge und Streitgegenstände

Die Anträge müssen die unterschiedlichen prozessualen Beziehungen klar trennen: Anträge gegen den Kläger im Rahmen der Widerklage und Anträge gegen den Drittwiderbeklagten im Rahmen der Drittwiderklage. Mehrere Ansprüche können objektiv und subjektiv gebündelt werden, sofern sie geeignet sind, gemeinsam verhandelt und entschieden zu werden.

Beweisaufnahme und Verfahrensverbindung

Beweismittel können für alle zusammenhängenden Streitgegenstände erhoben werden. Das Gericht koordiniert die Beweisaufnahme, um doppelte Ermittlungen zu vermeiden. In Betracht kommen einheitliche oder getrennte Teilverhandlungen, je nach Überschneidung des Tatsachenstoffs.

Entscheidung und Urteilsgestaltung

Das Gericht entscheidet über Hauptklage, Widerklage und Drittwiderklage. Möglich sind Teilurteile, wenn einzelne Streitgegenstände entscheidungsreif sind, ohne dass es zu Widersprüchen kommt. Im Schlussurteil werden alle noch offenen Punkte geklärt.

Wirkungen und Rechtsfolgen

Bindungswirkung und Rechtskraft

Die materielle Bindungswirkung des Urteils erstreckt sich jeweils nur auf die Parteien, die an dem betroffenen Anspruch beteiligt sind. Entscheidungen zwischen Beklagtem und Drittwiderbeklagtem binden nicht automatisch den Kläger und umgekehrt, es sei denn, er ist an dem jeweiligen Anspruch beteiligt.

Auswirkungen auf die Verjährung

Mit Rechtshängigkeit der Drittwiderklage werden verjährungsrechtliche Wirkungen ausgelöst, die den Anspruch gegen den Drittwiderbeklagten sichern können. Diese Wirkungen entsprechen im Grundsatz denen einer selbständigen Klageerhebung.

Kosten und Streitwert

Die Einbeziehung eines Dritten erhöht regelmäßig den Gegenstandswert. Das Kostenrisiko verteilt sich nach dem Ausgang der einzelnen Streitgegenstände. Denkbar sind differenzierte Kostenentscheidungen, die die teils unterschiedlichen Obsiegens- und Unterliegensanteile zwischen den Parteien abbilden.

Vollstreckbarkeit

Ein Urteil, das die Drittwiderklage betrifft, ist ein vollstreckbarer Titel gegen den Drittwiderbeklagten, soweit es ihn zur Leistung verpflichtet. Die Vollstreckung richtet sich ausschließlich gegen die im Tenor bezeichnete Verpflichtete.

Abgrenzungen

Gegenüber der einfachen Widerklage

Die einfache Widerklage richtet sich allein gegen die klagende Partei. Die Drittwiderklage erweitert den Kreis der Beklagten um eine bislang unbeteiligte Person und ist daher komplexer in Hinsicht auf Zuständigkeit, Bindungswirkungen und Kosten.

Gegenüber Streitverkündung und Nebenintervention

Bei Streitverkündung und Nebenintervention wird ein Dritter zwar in die Lage versetzt, sich am Verfahren zu beteiligen, aber nicht selbst als Beklagter in Anspruch genommen. Die Drittwiderklage macht den Dritten zur vollwertigen Partei und richtet einen Anspruch gegen ihn.

Gegenüber Klagehäufung und Parteiwechsel

Die Klagehäufung betrifft mehrere Ansprüche innerhalb derselben Parteienkonstellation. Die Drittwiderklage fügt eine weitere Partei auf der Beklagtenseite der Gegenansprüche hinzu. Ein Parteiwechsel verändert demgegenüber die Personen der bereits bestehenden Parteistellung.

Gegenüber Feststellungsinstrumenten

Feststellungsinstrumente klären das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, ohne eine Leistung zuzusprechen. Die Drittwiderklage zielt hingegen regelmäßig auf eine Leistung oder auf die Feststellung zwischen Beklagtem und Drittem, wenn diese für die Gesamtlösung erforderlich ist.

Besondere Konstellationen

Regress in Lieferketten

In mehrstufigen Liefer- oder Werkvertragsverhältnissen kann der Beklagte den Lieferanten oder Nachunternehmer als Drittwiderbeklagten in Anspruch nehmen, wenn Ansprüche aus demselben Mangel- oder Pflichtenkreis resultieren.

Haftungsmehrheiten und Gesamtschuld

Bei mehreren potenziell Verantwortlichen ermöglicht die Drittwiderklage, die Haftungsanteile in einem Verfahren zu klären und Rückgriffs- oder Freistellungsansprüche gleichzeitig zu behandeln.

Gewährleistungs- und Werkvertragsfälle

Ansprüche aus Mängeln oder Pflichtverletzungen lassen sich bei hinreichendem Zusammenhang bündeln, etwa wenn der Beklagte wegen eines Mangels in Anspruch genommen wird und seinerseits den Dritten wegen derselben Ursache auf Ersatz in Anspruch nimmt.

Versicherungsfälle

Wo Versicherungsdeckung und Haftungsfrage eng verknüpft sind, kann eine Drittwiderklage gegenüber dem Versicherer oder Mitverpflichteten in Betracht kommen, sofern die prozessualen Voraussetzungen erfüllt sind.

Rechtsmittel und Verfahrensbeendigung

Teilurteil und Schlussurteil

Ist ein Teil des Streitstoffs entscheidungsreif, kann ein Teilurteil ergehen. Ansonsten werden sämtliche Ansprüche im Schlussurteil entschieden. Beide Varianten entfalten Bindungswirkung im jeweils entschiedenen Umfang.

Vergleich und Erledigung

Das Verfahren kann durch verfahrensbeendigende Vereinbarungen beendet werden, die sich auf einzelne oder alle beteiligten Parteien beziehen. Solche Vereinbarungen erfassen nur die Parteien, die an ihnen beteiligt sind.

Rechtsmittelmöglichkeiten

Der Drittwiderbeklagte ist in Bezug auf die ihn betreffende Entscheidung rechtsmittelfähig. Rechtsmittel richten sich jeweils gegen die Teile des Urteils, die die eigene Rechtsposition betreffen.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Drittwiderklage?

Die Drittwiderklage ist eine Gegenklage des Beklagten, die sich zusätzlich gegen eine bislang nicht beteiligte Person richtet. Der Dritte wird dadurch Partei des Verfahrens und kann mit einem eigenen Anspruch in Anspruch genommen werden.

Wann ist eine Drittwiderklage zulässig?

Sie ist regelmäßig zulässig, wenn zwischen Hauptklage, Widerklage und dem Anspruch gegen den Dritten ein enger sachlicher Zusammenhang besteht und das angerufene Gericht die zusammenhängenden Streitpunkte gemeinsam verhandeln und entscheiden kann.

Welche Rolle hat der Drittwiderbeklagte?

Der Drittwiderbeklagte wird vollwertige Partei des Verfahrens mit allen Rechten und Pflichten. Er kann sich verteidigen, Tatsachen vortragen, Beweise anbieten, Anträge stellen und gegen ihn ergangene Entscheidungen mit Rechtsmitteln angreifen.

Welche Kostenfolgen kann eine Drittwiderklage haben?

Die Einbeziehung eines Dritten erhöht regelmäßig den Streitwert und kann zu zusätzlichen Gebühren führen. Die Kosten werden entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen in den einzelnen Streitverhältnissen unter den beteiligten Parteien verteilt.

Welche Auswirkungen hat die Drittwiderklage auf die Verjährung?

Mit der Rechtshängigkeit der Drittwiderklage treten verjährungsrechtliche Sicherungswirkungen für den gegen den Dritten gerichteten Anspruch ein, vergleichbar mit einer eigenständigen Klageerhebung.

Wie wirkt das Urteil einer Drittwiderklage?

Die Entscheidung bindet jeweils nur die Parteien, die an dem betreffenden Anspruch beteiligt sind. Ein Urteil über die Drittwiderklage wirkt daher unmittelbar zwischen Beklagtem und Drittwiderbeklagtem, ohne automatisch den Kläger zu binden, soweit er nicht an diesem Anspruch beteiligt ist.

Kann gegen die Entscheidung zur Drittwiderklage ein Rechtsmittel eingelegt werden?

Ja. Der Drittwiderbeklagte kann gegen die ihn betreffende Entscheidung Rechtsmittel einlegen. Die Anfechtung richtet sich gegen die Teile des Urteils, die seine Rechtsstellung betreffen.