Legal Lexikon

Wiki»Drittschuldnererklärung

Drittschuldnererklärung


Begriff und rechtliche Einordnung der Drittschuldnererklärung

Die Drittschuldnererklärung ist ein zentrales Element des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts. Sie bezeichnet die vom sogenannten Drittschuldner gegenüber dem Gläubiger und dem Vollstreckungsgericht abzugebende Erklärung, inwiefern ein Schuldner gegen ihn Ansprüche hat, die nun gepfändet werden sollen. Die Verpflichtung zur Drittschuldnererklärung ergibt sich unmittelbar aus § 840 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Drittschuldnererklärung soll Klarheit darüber schaffen, ob und in welchem Umfang pfändbare Ansprüche vorliegen, und schützt zugleich die Interessen des Drittschuldners, indem dieser seine Rechte und Verpflichtungen eindeutig festlegen kann. Sie stellt einen wichtigen Schritt der Forderungspfändung dar, insbesondere im Zusammenhang mit der Lohn- oder Kontopfändung.


Rechtliche Grundlagen

Forderungspfändung und die Rolle des Drittschuldners

Im Rahmen einer Forderungspfändung wird ein Gläubiger berechtigt, bestimmte Forderungen, welche der Schuldner gegenüber einem Dritten (dem Drittschuldner) hat, im Wege der Zwangsvollstreckung zu erfassen. Der Drittschuldner wird gemäß § 829 ZPO verpflichtet, keine Zahlungen mehr an den eigentlichen Schuldner zu leisten, sondern stattdessen auf Anordnung an den Gläubiger zu zahlen.

Gesetzliche Vorschriften (§ 840 ZPO)

Die Grundlage für die Verpflichtung zur Drittschuldnererklärung ist der § 840 Zivilprozessordnung (ZPO). Danach hat der Drittschuldner nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unverzüglich anzugeben:

  1. Ob und inwiefern die gepfändete Forderung besteht und Zahlungen zu leisten sind.
  2. Ob und welche Ansprüche Dritter bezüglich der Forderung bestehen (z.B. vorrangige Pfändungen).
  3. Ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet ist.

Inhalt und Form der Drittschuldnererklärung

Inhaltliche Anforderungen

Die Drittschuldnererklärung muss folgende Punkte, bezogen auf den jeweiligen Einzelfall, sachgemäß beantworten:

  • Bestehen der Forderung: Existiert die gepfändete Forderung tatsächlich und ist sie fällig?
  • Gegenseitige Ansprüche: Gibt es Einwendungen oder Einreden gegen den Anspruch des Schuldners?
  • Weitere Pfändungen: Sind bereits andere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zur gleichen Forderung zugestellt worden?
  • Rechte Dritter: Werden Rechte wie Abtretungen oder Vorpfändungen von anderen geltend gemacht?

Der Drittschuldner hat sich im Rahmen der Erklärung zu allen relevanten Tatsachen zu äußern, die für die Beurteilung der Pfändbarkeit und Überweisbarkeit der Forderung wesentlich sein könnten.

Form und Frist

Die Drittschuldnererklärung muss unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses schriftlich abgegeben werden (§ 840 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben; jedoch wird in der Praxis üblicherweise das Schriftformerfordernis beachtet, um die Nachweisbarkeit der Abgabe sicherzustellen.

Die Erklärung ist sowohl an den Gläubiger als auch an das Vollstreckungsgericht zu richten. Fristversäumnisse können haftungsrechtliche Konsequenzen für den Drittschuldner nach sich ziehen.


Rechtsfolgen bei fehlender oder unzureichender Drittschuldnererklärung

Haftung des Drittschuldners

Kommt der Drittschuldner seiner Erklärungspflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, kann er gemäß § 840 Abs. 2 ZPO für daraus entstehende Schäden haftbar gemacht werden. Die Haftung umfasst insbesondere Folgeschäden, die daraus resultieren, dass die gepfändete Forderung vom Schuldner vereinnahmt oder an die falsche Person ausgezahlt wird. Im Einzelfall kann der Drittschuldner gemäß § 888 ZPO auf Abgabe der Drittschuldnererklärung auch zwangsweise verpflichtet werden.

Zwangsgeld und weitere Maßnahmen

Neben einer zivilrechtlichen Haftung sieht das Gesetz die Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft (§ 888 ZPO) vor, um die Abgabe der Erklärung durchzusetzen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn der Drittschuldner trotz Aufforderung und gerichtlicher Anordnung keine oder eine unzureichende Erklärung abgibt.


Bedeutung und praktische Anwendungsbereiche

Typische Anwendungsfälle

Zu den häufigsten Fällen der Drittschuldnererklärung zählen die Lohnpfändung (Arbeitgeber als Drittschuldner), die Kontopfändung (Bank als Drittschuldner) und die Pfändung sonstiger Forderungen (z.B. Mietforderungen, Steuererstattungsansprüche). In all diesen Konstellationen steht der Drittschuldner vor der Aufgabe, die jeweilige Rechtssituation umfassend zu beurteilen und dies in seiner Erklärung genau darzustellen.

Schutzfunktionen

Die Drittschuldnererklärung dient nicht nur dem Informationsinteresse des Gläubigers und dem effektiven Rechtsschutz, sondern schützt auch den Drittschuldner davor, irrtümlich doppelte Zahlungen leisten zu müssen oder Forderungen an nicht berechtigte Personen auszuzahlen.


Fazit

Die Drittschuldnererklärung ist ein zentrales Instrument im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht, das die Effizienz und Rechtssicherheit der Forderungspfändung gewährleistet. Sie verpflichtet den Drittschuldner, umfassend Auskunft über Bestand und Umfang der gepfändeten Forderungen sowie etwaige Rechte Dritter zu geben. Die pflichtgemäße und fristgerechte Erfüllung dieser Verpflichtung ist rechtlich zwingend erforderlich, um Haftungsrisiken und Zwangsmaßnahmen zu vermeiden.


Literatur und weiterführende Hinweise

  • Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere §§ 829, 840, 845, 888
  • Kommentare zur ZPO, z.B. Zöller, Thomas/Putzo
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Drittschuldnererklärung

(Stand: Juni 2024)

Häufig gestellte Fragen

Welche Fristen sind bei der Abgabe der Drittschuldnererklärung zu beachten?

Gemäß § 840 ZPO (Zivilprozessordnung) ist der Drittschuldner – also meist die Bank oder der Arbeitgeber – verpflichtet, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Drittschuldnererklärung abzugeben. Diese Frist ist zwingend einzuhalten, da anderenfalls Haftungsfolgen drohen. Die Erklärung ist sowohl an das Vollstreckungsgericht als auch an den Gläubiger und den Schuldner zu richten. Eine Fristverlängerung ist im Regelfall nicht vorgesehen und nur in absoluten Ausnahmefällen nach richterlicher Entscheidung denkbar. Das Fristversäumnis kann erhebliche Konsequenzen für den Drittschuldner haben, wie etwa eine eigene Inanspruchnahme auf Zahlung (§ 840 Abs. 2 ZPO), da sich der Drittschuldner dann so behandeln lassen muss, als hätte er die Forderung anerkannt.

Was muss die Drittschuldnererklärung inhaltlich umfassen?

Inhaltlich haben sich die Angaben nach § 840 Abs. 1 ZPO zu richten. Die Drittschuldnererklärung muss klar angeben, ob und in welcher Höhe der Drittschuldner zur Zeit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dem Schuldner etwas schuldet oder künftig schulden wird. Sie enthält zudem, ob und wegen welcher Ansprüche andere Personen an die gepfändete Forderung Ansprüche erheben, ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für jemand anderen gepfändet ist und ob eine Leistungsverweigerung oder Aufrechnung in Betracht kommt. Eventuelle bestehende Einwendungen und Einreden, wie zum Beispiel ein bereits bestehender Pfändungsschutz oder Aufrechnungsrechte, sind ebenfalls inhaltlich präzise anzugeben.

Welche Konsequenzen drohen bei Nichtabgabe oder falscher Drittschuldnererklärung?

Unterbleibt die Drittschuldnererklärung oder erfolgt sie unvollständig beziehungsweise unwahr, haftet der Drittschuldner nach § 840 Abs. 2 ZPO wie ein Schuldner. Das bedeutet, er kann gerichtlich dazu verpflichtet werden, die gepfändete Forderung an den Gläubiger zu erfüllen – unabhängig davon, ob tatsächlich eine Verpflichtung bestand. Zudem drohen Schadensersatzansprüche des Gläubigers, falls diesem aus der unterlassenen oder fehlerhaften Erklärung ein Schaden entsteht. Strafrechtliche Konsequenzen können eintreten, wenn durch bewusst falsche Angaben Betrugsabsicht vorliegt.

Kann der Drittschuldner die Abgabe der Erklärung verweigern?

Ein grundsätzliches Verweigerungsrecht besteht nicht. Gemäß § 840 Abs. 1 ZPO besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Rahmen der Drittschuldnererklärung. Allerdings kann sich der Drittschuldner auf das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 ff. ZPO berufen, sollten beispielsweise familienrechtliche Beziehungen zum Schuldner bestehen. Datenschutzrechtliche Bedenken greifen im Rahmen des gesetzlich angeordneten Verfahrens nicht, da der Schutz des Gläubigerinteresses überwiegt. Unter strengen Voraussetzungen kann, insbesondere bei Gefahr der Selbstbelastung (§ 384 ZPO), die Aussage verweigert werden.

Besteht eine Haftung des Drittschuldners für Fehler in der Erklärung?

Ja, der Drittschuldner haftet für materielle Fehler oder unvollständige Angaben in der Drittschuldnererklärung. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 840 Abs. 2 ZPO, wonach der Drittschuldner unter Umständen so zu behandeln ist, als hätte er die Forderung anerkannt. Eine Entlastung ist nur möglich, wenn der Drittschuldner nachweisen kann, dass ihn kein Verschulden an der fehlerhaften Auskunft trifft. Die Haftung ist verschuldensabhängig und kann unter Umständen auch Schadenersatzansprüche des Gläubigers begründen, wenn dieser infolge einer Falschauskunft Vermögenseinbußen erleidet.

Welche Besonderheiten gelten für Banken als Drittschuldner?

Für Banken als Drittschuldner gelten einerseits die allgemeinen Regeln der §§ 829 ff., 840 ZPO. Besonderheiten bestehen insbesondere im Bereich des Pfändungsschutzes nach §§ 850k, 850l ZPO, was die Unterteilung von Geschäfts- und Pfändungsschutzkonten anbelangt. Banken sind verpflichtet, bei Eingang eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sorgfältig zu prüfen, ob und welche Konten und Gelder hiervon betroffen sind. Fehlerhafte Angaben können zur Haftung führen, insbesondere wenn Schutzvorschriften missachtet oder Guthaben unzulässig ausgekehrt werden. Zu beachten ist auch das Bankgeheimnis, das jedoch zugunsten der Pfändung durchbrochen wird.

In welchen Fällen sind Folgeerklärungen abzugeben?

Folgeerklärungen sind immer dann abzugeben, wenn sich die Angaben zur gepfändeten Forderung nachträglich ändern. Dies kann beispielsweise durch die Entstehung neuer Forderungen, den Eingang weiterer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse oder durch die Geltendmachung weiterer Gläubigerrechte erfolgen. Die Verpflichtung hierzu ergibt sich aus der allgemeinen Auskunfts- und Wahrheitspflicht nach §§ 802c, 840 ZPO. Auch während eines laufenden Insolvenzverfahrens kann eine Folgeerklärung erforderlich werden, wenn sich hinsichtlich der Forderungslage Veränderungen ergeben.

Sind Drittschuldnererklärungen kostenpflichtig?

Für die Abgabe der Drittschuldnererklärung erhalten private Drittschuldner grundsätzlich keine gesetzliche Vergütung. Lediglich Banken und andere Kreditinstitute können für die Bearbeitung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine im Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesene Gebühr verlangen. Diese Gebühr darf jedoch nicht unangemessen hoch sein und unterliegt der Kontrolle nach § 675f BGB sowie den Vorschriften des Zahlungsdiensterechts. Gerichtskosten für die Abgabe der Drittschuldnererklärung entstehen nicht. In Ausnahmefällen kann der Drittschuldner, der ohne eigenes Verschulden mit Aufwand belastet wurde, einen Ersatz der notwendigen Auslagen beanspruchen.