Begriff und rechtliche Bedeutung des Drittschuldners
Der Begriff Drittschuldner stammt aus dem deutschen Zwangsvollstreckungsrecht und bezeichnet eine Person oder Institution, die gegenüber dem Schuldner eine Forderung oder einen Vermögenswert zu erfüllen hat, welcher durch einen Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung gepfändet werden kann. Das zentrale Anwendungsfeld des Drittschuldners ist die Forderungspfändung gemäß §§ 828 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Drittschuldner tritt rechtlich an die Stelle des unmittelbaren Schuldners und ist Adressat besonderer Rechte und Pflichten im Vollstreckungsverfahren.
Entstehung des Drittschuldnerverhältnisses
Das Verhältnis eines Drittschuldners entsteht regelmäßig durch einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, den das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers erlässt. Dieser Beschluss bewirkt die Beschlagnahme (Pfändung) der Forderung, die der Schuldner gegen den Drittschuldner hat. Beispiele für typische Drittschuldnerkonstellationen sind Banken (bei der Kontopfändung), Arbeitgeber (bei der Lohnpfändung) oder Mietschuldner (bei Mietpfändungen).
Gesetzliche Regelungen
Das Drittschuldnerverhältnis und die damit verbundenen rechtlichen Pflichten und Rechte ergeben sich aus den Vorschriften der §§ 829 bis 845 ZPO. Zentral ist hierbei das Ziel, dem Gläubiger den direkten Zugriff auf die beim Drittschuldner bestehende Forderung des Schuldners zu ermöglichen.
§ 829 ZPO – Pfändungsbeschluss
Ein Pfändungsbeschluss verpflichtet den Drittschuldner, ab dem Zeitpunkt der Zustellung keine Zahlung oder Herausgabe mehr an den Vollstreckungsschuldner zu leisten. Die Forderung wird für den Schuldner sozusagen „gesperrt“, und eine Verfügung durch ihn ist rechtlich unwirksam.
§ 840 ZPO – Drittschuldnererklärung
Gemäß § 840 ZPO ist der Drittschuldner verpflichtet, dem Gläubiger unverzüglich eine schriftliche Drittschuldnererklärung abzugeben. Diese Erklärung hat Auskunft darüber zu geben,
- ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkennt und bereit ist zu zahlen,
- ob andere Personen Ansprüche an der Forderung erheben,
- ob und wegen welcher Ansprüche bereits andere Pfändungen oder Überweisungen erfolgt sind,
- ob und wegen welcher Ansprüche wegen einer Vollstreckung andere Dritte ein Pfandrecht an der Forderung haben oder beanspruchen.
Die Verletzung dieser Auskunftspflicht kann für den Drittschuldner haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere nach § 840 Abs. 2 ZPO.
§ 835 ZPO – Überweisung zur Einziehung
Nach der Pfändung kann die Forderung dem Gläubiger zur Einziehung oder an Zahlungs statt überwiesen werden (sog. Überweisungsbeschluss). Ab diesem Zeitpunkt ist alleine der Gläubiger berechtigt, gegenüber dem Drittschuldner die Leistung zu verlangen.
Rechte und Pflichten des Drittschuldners
Der Drittschuldner erlangt durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss eine prozessuale Sonderstellung:
Leistungsverbot
Der Drittschuldner darf gem. § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO keine Zahlungen mehr an den Schuldner leisten. Eine dennoch erfolgte Leistung führt dazu, dass der Drittschuldner nicht mehr an den Gläubiger wirksam leisten kann und dem Gläubiger gegenüber weiterhin zahlungspflichtig bleibt.
Pflicht zur Drittschuldnererklärung
Der Drittschuldner muss dem Gläubiger zeitnah Auskunft über den Bestand und die Höhe der Forderung geben. Eine verspätete oder unrichtige Auskunft kann zur Haftung auf Schadensersatz führen.
Recht auf Einwendungen
Der Drittschuldner ist berechtigt, gegen den Gläubiger alle Einwendungen geltend zu machen, die er auch gegen den Schuldner hätte (§ 836 BGB analog). Darunter fallen beispielsweise die Verjährung der Forderung, das Bestehen einer Aufrechnungsmöglichkeit oder die Nichtfälligkeit der Forderung.
Schutz des Drittschuldners
Der Drittschuldner wird durch verschiedene Vorschriften geschützt. So kann er beispielsweise im Zweifel die Zahlung an den Gläubiger verweigern, wenn die Rechtslage hinsichtlich der Forderung oder der Berechtigung mehrerer Gläubiger unklar ist und eine Hinterlegung der Forderungssumme bei Gericht verlangen (§ 853 ZPO).
Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen
Bei Verstößen gegen die Pflichten als Drittschuldner, insbesondere bei Nichtbeachtung des Leistungsverbot oder unterlassener bzw. falscher Drittschuldnererklärung, kann der Drittschuldner gem. § 840 ZPO zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet sein. Im Falle einer verbotenen Leistung an den Schuldner tritt dem Gläubiger gegenüber die Nichtleistungspflicht des Drittschuldners nicht ein (§ 829 Abs. 2 ZPO).
Typische Anwendungsfälle
Kontopfändung
Im Fall einer Kontopfändung ist die Bank Drittschuldner und muss auf Anweisung des Gerichtsvollziehers oder des betroffenen Kontoinhabers daran gehindert werden, Auszahlungen an den Schuldner zu leisten. Stattdessen bedarf es einer Auszahlung an den Gläubiger.
Lohnpfändung
Der Arbeitgeber wird als Drittschuldner in Anspruch genommen und ist verpflichtet, den pfändbaren Teil des Gehalts direkt an den Gläubiger auszuzahlen, sofern ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorliegt.
Mietpfändung
Bei der Pfändung von Mietforderungen muss der Mieter als Drittschuldner die Miete künftig an den Gläubiger zahlen und nicht mehr an den Vermieter (Schuldner).
Weitere Rechtsfolgen und Verfahrensaspekte
Verjährung
Die Pfändung unterbricht nicht automatisch die Verjährung der Hauptforderung. Der Drittschuldner kann daher alle Einwendungen gegen den Gläubiger geltend machen, insbesondere eine bereits eingetretene oder während des Verfahrens eintretende Verjährung.
Drittwiderspruchsklage
Meldet ein anderer Dritter eigene Rechte an der gepfändeten Forderung an, kann dieser im Wege der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO seine Ansprüche weiterverfolgen. Der Drittschuldner hat insoweit eine neutrale Stellung einzunehmen.
Ausschluss der Aufrechnung
Nachdem dem Gläubiger die Forderung zur Einziehung überwiesen worden ist, kann der Drittschuldner nur noch mit solchen Aufrechnungen aufrechnen, die vor Zustellung des Pfändungsbeschlusses begründet wurden (§ 394 BGB).
Literatur
- Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung (ZPO)
- Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung (ZPO)
- Prütting/Gehrlein, ZPO Kommentar
Weblinks
Dieser Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über die rechtliche Stellung und Bedeutung des Drittschuldners im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht und zeigt die maßgeblichen gesetzlichen Pflichten, Rechte und die damit verbundenen Risiken sowie Schutzmechanismen auf.
Häufig gestellte Fragen
Welche Informationspflichten hat der Drittschuldner gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger und dem Schuldner?
Der Drittschuldner ist nach § 840 ZPO verpflichtet, dem Vollstreckungsgläubiger zeitnah und umfassend Auskunft darüber zu erteilen, ob und in welcher Höhe er dem Schuldner etwas schuldet oder zukünftig schulden wird. Dies umfasst insbesondere die unmissverständliche Darlegung, ob Forderungen tatsächlich bestehen, ob bereits andere Pfändungen oder Abtretungen vorliegen und ob Einwendungen gegen die Forderungsübertragung bestehen. Diese Auskunft muss schriftlich erfolgen und alle relevanten Aspekte der zivilrechtlichen Forderungsbeziehung abdecken. Unterlässt der Drittschuldner diese Mitteilung oder liefert er unzutreffende Angaben, kann dies zu Schadensersatzansprüchen des Gläubigers führen. Parallel hat der Drittschuldner auch dem Schuldner mitzuteilen, dass eine Drittschuldnererklärung abgegeben wurde, sofern dies für die Wahrnehmung der Rechte des Schuldners erforderlich ist.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen dem Drittschuldner bei Nichtbefolgung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses?
Falls der Drittschuldner die vom Vollstreckungsgericht ausgesprochene Pfändung und Überweisung nicht beachtet und dem Schuldner weiterhin Zahlungen leistet, läuft er Gefahr, gemäß § 840 Abs. 2 ZPO wie ein Schuldner behandelt zu werden. Das bedeutet, er haftet dem Gläubiger gegenüber so, als hätte er die Leistung selbst vereitelt oder unmöglich gemacht. Des Weiteren kann der Gläubiger Klage auf Zahlung gegen den Drittschuldner erheben. Verstößt der Drittschuldner vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Pfändungsverfügung, können zudem Schadensersatzansprüche entstehen. In besonders schwerwiegenden Fällen kann sogar eine strafrechtliche Verantwortlichkeit, etwa wegen Gläubigerbenachteiligung nach § 288 StGB, in Betracht kommen.
Kann sich der Drittschuldner auf Einwendungen oder Einreden berufen und welche sind zulässig?
Der Drittschuldner kann gemäß § 845 ZPO sämtliche Einreden und Einwendungen geltend machen, die ihm zum Zeitpunkt der Pfändung gegen den Schuldner zugestanden hätten. Hierzu zählen beispielsweise die Anfechtung oder der Eintritt der Verjährung, ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht oder die Aufrechnung mit eigenen Forderungen gegen den Schuldner. Ebenso kann der Drittschuldner geltend machen, dass die gepfändete Forderung nicht oder nicht mehr besteht. Allerdings sind Einwendungen, die erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entstehen, dem Gläubiger gegenüber regelmäßig nicht zulässig. Der Drittschuldner ist verpflichtet, diese Aspekte bereits in der Drittschuldnererklärung umfassend zu schildern.
Wer trägt die Kosten, die dem Drittschuldner durch die Bearbeitung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entstehen?
Der Drittschuldner hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen, die durch die Bearbeitung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses entstehen. Die Bearbeitung stellt eine gesetzliche Verpflichtung dar, die mit der besonderen Stellung des Drittschuldners einhergeht. Nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn eine außergewöhnlich hohe Belastung oder ein unverhältnismäßig großer Aufwand belegt werden kann, kann eine Erstattung nach den Grundsätzen des § 788 ZPO oder nach Treu und Glauben erwogen werden. In der Praxis ist dies jedoch selten der Fall.
Ist der Drittschuldner verpflichtet, Auskunft über weitere beim Schuldner bestehende Forderungen zu erteilen?
Der Auskunftsanspruch nach § 840 ZPO bezieht sich ausschließlich auf die Forderung, die konkret Gegenstand des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist. Der Drittschuldner ist nicht verpflichtet, dem Gläubiger ohne Weiteres Informationen über alle etwaigen weiteren Forderungsbeziehungen mit dem Schuldner offenzulegen. Nur auf gerichtliche Anordnung oder bei konkretem Verdacht auf weitere relevante Forderungen könnte eine weitergehende Auskunftspflicht bestehen. Die Grenze bildet hierbei das allgemeine Datenschutzrecht und das berechtigte Interesse des Schuldners am Schutz seiner personenbezogenen Daten.
Ist der Drittschuldner berechtigt, die Ausgleichszahlung an den Gläubiger zu verweigern, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die die Forderung entfallen lassen?
Wird der Drittschuldner nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses darüber informiert, dass die gepfändete Forderung nachträglich erloschen oder von Anfang an nicht bestanden hat, darf er die Zahlung an den Gläubiger verweigern. Allerdings trägt er hierbei die Beweislast für das Entfallen der Forderung und muss diesen Umstand gegenüber dem Gläubiger substantiiert darlegen. In Zweifelsfällen empfiehlt es sich für den Drittschuldner, den geschuldeten Betrag zu hinterlegen (etwa bei Gericht), um sich gegen Haftungsrisiken abzusichern.
Welche Besonderheiten gelten, wenn es sich beim Drittschuldner um einen Arbeitgeber handelt?
Handelt es sich beim Drittschuldner um den Arbeitgeber des Schuldners, so sind spezifische arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Regelungen zu beachten. Insbesondere bei Lohn- und Gehaltspfändungen besteht gemäß § 850 ff. ZPO ein Pfändungsschutz. Der Arbeitgeber muss pfändungsfreie Beträge korrekt berechnen, die entsprechenden Beträge einbehalten und abführen. Fehlerhafte Berechnungen können ihn haftbar machen. Zudem obliegen ihm strengere Informationspflichten hinsichtlich der Lohnabrechnung und der Mitteilung gegenüber dem Arbeitnehmer (Schuldner) und Gläubiger. Besondere Beachtung gilt der datenschutzrechtlichen Sensibilität solcher personenbezogenen Daten.