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Drittorganschaft


Begriff und Grundzüge der Drittorganschaft

Unter der Drittorganschaft versteht man im deutschen Gesellschafts- und Konzernrecht die organschaftliche Vertretung einer juristischen Person (zum Beispiel einer Aktiengesellschaft oder GmbH) durch eine natürliche oder juristische Person, die selbst Organ einer anderen juristischen Person ist. Drittorganschaft bezeichnet somit die Konstellation, in der das Organ einer Gesellschaft nicht, wie üblich, direkt von dieser selbst gestellt wird, sondern über eine zwischengeschaltete Organisation („Drittorganschaft“), typischerweise im Konzernverbund.

Abgrenzung zu anderen Organstellungen

Die Abgrenzung der Drittorganschaft erfolgt insbesondere zur unmittelbaren Organstellung (etwa einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer einer GmbH) sowie zur Organschaft auf schuldrechtlicher Basis, wie etwa der Anstellung als Abteilungsleiter oder externem Berater. Die Drittorganschaft setzt voraus, dass das bestellte Organ (z.B. ein Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied) in Personalunion zugleich Organ einer anderen juristischen Person ist und für diese handelt. Es handelt sich nicht lediglich um eine Nebenfunktion, sondern um eine rechtlich relevante Stellung mit Weisungsbefugnis und Vertretungsmacht.

Rechtsgrundlagen der Drittorganschaft

Deutsches Gesellschaftsrecht

Im Aktiengesetz (AktG) und im GmbH-Gesetz (GmbHG) fehlt eine ausdrückliche Regelung zur Drittorganschaft. Die Bestellung von Organmitgliedern erfolgt grundsätzlich gem. §§ 30 ff. GmbHG bzw. §§ 76 ff. AktG. Die Zulässigkeit der Drittorganschaft wird daher maßgeblich von der Rechtsprechung und dem Schrifttum hergeleitet. Besonders im GmbH-Recht ist anerkannt, dass auch juristische Personen, also andere Kapitalgesellschaften, zum Geschäftsführer bestellt werden können (§ 6 Abs. 3 GmbHG).

Die dritte Gesellschaft handelt nicht eigenständig, sondern durch ihre gesetzlichen Vertreter, was zu einer „doppelten Organstellung“ führen kann. In Aktiengesellschaften ist die Drittorganschaft dagegen kontroverser, da gemäß § 76 Abs. 3 AktG eine natürliche Person Vorstand sein muss. Die Drittorganschaft ist folglich typischerweise im Rahmen der GmbH möglich, während sie im Recht der AG beschränkt ist.

Steuerrechtliche Behandlung

Im Steuerrecht spielt die Drittorganschaft insbesondere im Kontext der umsatzsteuerlichen und körperschaftsteuerlichen Organschaft eine Rolle. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sowie §§ 14 und 17 KStG kann in bestimmten Konstellationen eine steuerliche Organschaft vorliegen, bei welcher die rechtliche und wirtschaftliche Eingliederung entscheidend ist. Die Frage der Drittorganschaft ist hier allerdings nur untergeordnet und betrifft vornehmlich die tatsächliche Ausübung der Organstellung.

Konzernrechtliche Besonderheiten

Im Konzernrecht, insbesondere nach § 18 AktG und im Zusammenhang mit abhängigen Unternehmen und Beherrschungsverträgen, kann die Drittorganschaft zu einer Klammerfunktion für die Leitung mehrerer Unternehmen führen. Dies betrifft insbesondere die Unternehmen, die als Organträger für Tochtergesellschaften zugleich in deren Geschäftsführung tätig sind.

Praxisrelevanz und Bedeutung

Vorteile der Drittorganschaft

Die Drittorganschaft bietet Konzernen und Gesellschaftsgruppen mehrere Vorteile, darunter eine effizientere zentralisierte Führung, die Nutzung von Synergien und die unkomplizierte Steuerung von Tochtergesellschaften. Die Bestellung einer Holdinggesellschaft zum Geschäftsführer ihrer Tochtergesellschaften ist ein verbreitetes Organisationsmodell.

Grenzen und Risiken

Haftung

Die Drittorganschaft wirft spezifische Haftungsfragen auf. Da die juristische Person als Organ bestellt wird, aber nur durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln kann, besteht für letztere das Risiko einer persönlichen Haftung gegenüber der Gesellschaft und Dritten (§§ 43, 64 GmbHG). Die Übertragung der Organstellung auf eine juristische Person befreit natürliche Personen nicht von ihrer Verantwortlichkeit.

Vertretungsregeln

Die Vertretung ist bei Drittorganschaften oft komplex, da akklamatorische Entscheidungen zwangsläufig mittelbar über die gesetzlichen Vertreter der Organträgerin (z.B. Geschäftsführer der Holding) erfolgen. Hierdurch entstehen mitunter interne Kontroll- und Transparenzprobleme.

Gesellschafts- und aufsichtsrechtliche Schranken

Die Drittorganschaft stößt an ihre Grenzen, wenn gesetzliche Vorschriften ausschließlich natürliche Personen als Organmitglieder fordern (vgl. § 76 Abs. 3 AktG für Aktiengesellschaften, § 35a Abs. 1 GmbHG i.d.R. für GmbH mit Ausnahmen nach § 6 Abs. 3 GmbHG).

Mitbestimmung

Die Drittorganschaft kann Auswirkungen auf die Unternehmensmitbestimmung und die Zusammensetzung von Aufsichtsräten haben. Gemäß Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) sind Besonderheiten hinsichtlich der Zuordnung von Organfunktionen zu beachten.

Internationale Perspektiven

Die Möglichkeit der Bestellung juristischer Personen zu Organen variiert im internationalen Rechtsvergleich. Während im deutschen GmbH-Recht diese Konstellation anerkannt ist, ist sie etwa im anglo-amerikanischen Rechtsraum ausgeschlossen, da dort stets natürliche Personen die gesellschaftlichen Organe bilden müssen.

Fazit

Die Drittorganschaft stellt ein spezifisches Gestaltungsinstrument im Gesellschaftsrecht dar, das rechtliche und praktische Vorteile insbesondere für Unternehmensgruppen bieten kann. Zugleich sind damit zahlreiche rechtliche Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Haftung, der ordnungsgemäßen Vertretung und der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, verbunden. Gesellschaften sollten bei der Implementierung einer Drittorganschaft eine sorgfältige Analyse der jeweiligen gesellschafts- und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen sowie umfassende organisatorische Vorkehrungen treffen.


Hinweis: Der Begriff Drittorganschaft ist kein gesetzlich normierter Terminus, sondern ein in Literatur und Rechtsprechung entwickeltes Konzept des Gesellschaftsrechts.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die Durchführung einer Drittorganschaft?

Die Durchführung einer Drittorganschaft unterliegt in Deutschland strengen rechtlichen Rahmenbedingungen. Zentrale Rechtsgrundlage ist hierbei das Embryonenschutzgesetz (ESchG), das insbesondere die Durchführung von Leihmutterschaft und die Implantation eines Embryos in eine andere Frau als die genetische Mutter in Deutschland grundsätzlich verbietet. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG ist es verboten, eine Eizelle zum Zwecke der künstlichen Befruchtung einer anderen Frau als derjenigen, von der die Eizelle stammt, zu übertragen, sofern eine Schwangerschaft bei der Empfängerin herbeigeführt werden soll. Verstöße gegen das Embryonenschutzgesetz werden mit Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet. Darüber hinaus regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die Elternschaft eindeutig nach dem Grundsatz: Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat (§ 1591 BGB), unabhängig von der genetischen Abstammung. Somit besteht auch kein Anspruch auf eine rechtliche Elternschaft für die genetischen Eltern im Fall der Drittorganschaft. Auch das Adoptionsrecht sieht keine privilegierte Behandlung für die genetischen Eltern vor. Internationale Sachverhalte unterliegen zudem dem Internationalen Privatrecht und können zur Nichtanerkennung von im Ausland geschlossenen Leihmutterschaftsvereinbarungen in Deutschland führen.

Welche Strafen drohen bei der Durchführung oder Vermittlung einer Drittorganschaft in Deutschland?

Die Durchführung oder Vermittlung einer Drittorganschaft ist in Deutschland gem. § 1 Abs. 1 Nr. 7, § 13 Embryonenschutzgesetz verboten und wird als Straftat behandelt. Hierzu zählt jede Handlung, die darauf abzielt, dass eine andere Frau als die genetische Mutter durch künstliche Befruchtung schwanger wird. Die Strafe hierfür kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe sein. Gleiches gilt für Ärzte, medizinisches Fachpersonal und Vermittlungsagenturen, die sich an der Planung, Durchführung oder Vermittlung von Drittorganschaften beteiligen. Darüber hinaus kann ein Berufsverbot für medizinisches Personal ausgesprochen werden, sollte ein Verstoß gegen das Gesetz vorliegen. Zivilrechtliche Ansprüche, wie etwa Vertragsstrafen aus schwebenden oder abgebrochenen Drittorganschaftsabsprachen, sind in Deutschland nicht durchsetzbar, da sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und somit gemäß § 134 BGB nichtig sind.

Können im Ausland durchgeführte Drittorganschaften in Deutschland anerkannt werden?

In Deutschland ist die Anerkennung einer im Ausland durchgeführten Drittorganschaft rechtlich problematisch. Selbst wenn die Drittorganschaft im Ausland legal durchgeführt wurde und dort rechtlich anerkannt ist, wird die deutsche Rechtsordnung die daraus resultierenden Eltern-Kind-Verhältnisse in der Regel nicht automatisch übernehmen. Nach deutschem Recht ist die Mutter eines Kindes weiterhin die gebärende Frau (§ 1591 BGB), selbst wenn eine andere Frau die genetische Mutter ist. Die Anerkennung einer ausländischen Geburtsurkunde oder einer gerichtlichen Entscheidung über die Elternschaft kann in Deutschland verweigert werden, wenn sie gegen den inländischen ordre public (öffentliche Ordnung) verstößt, worunter ausdrücklich auch das Verbot der Leihmutterschaft und Drittorganschaft fällt. Es ist jedoch möglich, dass in Einzelfällen eine Stiefkindadoption des Kindes durch die genetische Mutter oder den genetischen Vater nach einer Prüfung durch das Familiengericht zugelassen wird, jedoch besteht hierauf kein Rechtsanspruch.

Wie ist die rechtliche Situation für Ärzte und medizinische Einrichtungen bezüglich Drittorganschaft?

Ärzte und medizinische Einrichtungen stehen bei der Drittorganschaft vor erheblichen strafrechtlichen Risiken. Sobald sie sich an einer Drittorganschaft beteiligen, machen sie sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG strafbar, selbst wenn diese Beteiligung nur beratender Natur ist oder Hilfestellung bei der Auswahl oder Vermittlung einer Spenderin geleistet wird. Neben strafrechtlichen Sanktionen drohen berufsrechtliche Konsequenzen bis zum dauerhaften Entzug der Approbation. Da das berufliche Standesrecht der Ärzte die Einhaltung der geltenden Gesetze verlangt, verstößt bereits der Verdacht einer solchen Beteiligung gegen die ärztlichen Berufspflichten. In Fällen grenzüberschreitender Drittorganschaft besteht zudem die Gefahr, dass deutsche Mediziner auch durch eine Zusammenarbeit mit ausländischen Kliniken rechtlich belangt werden können, sofern ein Zusammenhang zum deutschen Rechtsbereich besteht.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Drittorganschaft, Leihmutterschaft und Eizellspende aus rechtlicher Sicht?

Rechtlich sind die Begriffe Drittorganschaft, Leihmutterschaft und Eizellspende teilweise unterschiedlich gefasst. Die Drittorganschaft umfasst in der Regel jegliche medizinische oder vertragliche Konstellation, in der mehr als die genetischen Eltern und das gebärende Elternteil an der Entstehung eines Kindes beteiligt sind. Die Leihmutterschaft bezeichnet speziell den Fall, in dem eine Frau eine Schwangerschaft für eine andere Person austrägt, wobei sie nicht zwangsläufig die genetische Mutter sein muss. Die Eizellspende wiederum betrifft ausschließlich die Übertragung von genetischem Material einer anderen Frau im Rahmen einer künstlichen Befruchtung. Nach deutschem Recht sind sowohl die Leihmutterschaft als auch die Eizellspende und damit die klassische Drittorganschaft explizit verboten, während die Samenspende unter engen Voraussetzungen erlaubt ist. Alle Verfahren, die dazu führen, dass eine Frau ein Kind austrägt, für das sie nicht genetisch verantwortlich ist, oder dass Eizellen für eine andere Frau zur Schwangerschaft genutzt werden, sind nach Embryonenschutzgesetz strafbewehrt.

Welche Rolle spielt das Kindeswohl im Kontext der Drittorganschaft aus juristischer Sicht?

Das Kindeswohl nimmt im juristischen Kontext der Drittorganschaft eine zentrale Rolle ein, insbesondere wenn sich Fragen nach Elternschaft, Sorgerecht und Aufenthaltsbestimmung stellen. Gerichte und Behörden prüfen im Rahmen von Adoptionsverfahren oder Sorgerechtsentscheidungen stets, ob das Kindeswohl durch die Gestaltung der Drittorganschaft beeinträchtigt wurde oder werden könnte. Negative Auswirkungen auf das Wohl des Kindes können insbesondere dann angenommen werden, wenn Unsicherheiten bezüglich der rechtlichen Elternschaft bestehen, die Statuserklärung in Deutschland nicht formal geklärt ist oder das Kind durch eine rechtliche Grauzone sozial-rechtlichen Nachteilen ausgesetzt wird (z.B. beim Erbrecht oder im Sozialversicherungsrecht). Es besteht jedoch kein Automatismus, dass das Kindeswohl stets gegen eine Drittorganschaft spricht; vielmehr müssen die konkreten Umstände des Einzelfalls bewertet werden. Gerichte versuchen häufig, im Interesse des Kindes nachträglich bestehende Lücken – z.B. durch Adoption oder Feststellung der Elternschaft – zu schließen, solange dies rechtlich zulässig ist.

Gibt es Ausnahmen vom Verbot der Drittorganschaft in Deutschland?

Das Verbot der Drittorganschaft in Deutschland ist in der Regel eindeutig und lässt keine expliziten Ausnahmen zu. Das Embryonenschutzgesetz formuliert das Verbot umfassend und schließt auch medizinische Indikationen als Ausnahme in der Regel aus. Es gibt bislang keine gefestigte Rechtsprechung oder gesetzliche Regelung, die eine Ausnahme beispielsweise aus medizinischen, ethischen oder sozialen Gründen erlauben würde. Insbesondere besteht kein „Härtefall“-Ausnahmetatbestand für ungewollt kinderlose Paare. Die einzigen Möglichkeiten zur Realisierung einer Drittorganschaft bestehen darin, das Verfahren im Ausland durchzuführen, wobei jedoch, wie bereits erläutert, die rechtliche Anerkennung dieser Konstellation in Deutschland nicht garantiert werden kann.

Inwiefern beeinflussen internationale Abkommen und EU-Recht die Regelungen zur Drittorganschaft in Deutschland?

Internationale Abkommen und das EU-Recht beeinflussen die deutschen Regelungen zur Drittorganschaft bislang nur indirekt. Das Thema Drittorganschaft ist im europäischen und internationalen Recht nicht einheitlich geregelt, und es besteht kein völkerrechtlicher Zwang für Deutschland, Drittorganschaften oder Leihmutterschaften aus anderen Staaten zu akzeptieren oder zu schützen. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert zwar das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat mehrfach bestätigt, dass die Mitgliedstaaten einen weiten Spielraum bei der nationalen Regelung der Fortpflanzungsmedizin haben. Insbesondere gibt es kein Grundrecht auf Elternschaft über den Weg der Drittorganschaft, sodass Deutschland seine strengen Regelungen beibehalten kann. Auch die gegenseitige Anerkennung von Geburtsurkunden oder elterlichen Statusbegründungen im EU-Ausland findet ihre Grenze am ordre public-Vorbehalt, der besonders bei Verstößen gegen das Embryonenschutzgesetz zur Anwendung kommt.