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Drittes Geschlecht


Begriff und rechtliche Grundlagen des Dritten Geschlechts

Das Dritte Geschlecht beschreibt eine geschlechtliche Identität, die weder ausschließlich dem männlichen (männlich) noch dem weiblichen Geschlecht (weiblich) zugeordnet werden kann. Der Begriff erhält insbesondere im rechtlichen Kontext eine zentrale Bedeutung, da er Personen umfasst, die sich weder als männlich noch als weiblich kategorisieren oder einer binären Geschlechterordnung entziehen. Mit steigendem gesellschaftlichen und politischen Interesse an Diversität und Selbstbestimmung hat sich die rechtliche Anerkennung und Ausgestaltung des Dritten Geschlechts in zahlreichen Staaten, darunter auch Deutschland, maßgeblich weiterentwickelt.

Historische Entwicklung der rechtlichen Anerkennung

Die Idee eines dritten Geschlechts ist in vielen Kulturen historisch dokumentiert, trat jedoch in der Rechtsordnung erst im 21. Jahrhundert prominent hervor. In Deutschland lagen die Anfänge der rechtlichen Anerkennung in den 2010er-Jahren. International wurden ähnliche Entwicklungen beispielsweise in Indien, Nepal, Australien und anderen Ländern angestoßen.

Meilenstein: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 2017

Das deutsche Bundesverfassungsgericht entschied am 10. Oktober 2017 (1 BvR 2019/16), dass das bis dahin bestehende Personenstandsrecht, welches lediglich die Eintragung von „männlich“ oder „weiblich“ vorsah, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG) verstößt. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, neben den herkömmlichen Geschlechtsbezeichnungen eine positive Eintragung für Personen zu ermöglichen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen.

Gesetzliche Grundlage: Personenstandsrecht in Deutschland

§ 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz (PStG)

Der entscheidende Schritt in die Gesetzgebung erfolgte mit der Änderung des Personenstandsgesetzes (PStG). Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben am 22. Dezember 2018 ist § 22 Abs. 3 PStG maßgeblich:

„Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so wird kein Geschlecht in das Geburtenregister eingetragen; auf Antrag wird die Bezeichnung ‚divers‘ eingetragen.“

Somit stehen folgende Optionen zur Verfügung:

  • Männlich
  • Weiblich
  • Divers
  • Keine Angabe

Voraussetzungen und Nachweisführung

Für eine Änderung oder erstmalige Eintragung eines anderen Geschlechtseintrags als männlich oder weiblich ist grundsätzlich ein ärztliches Attest erforderlich, das bescheinigt, dass die betreffende Person weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Diese Regelung ist nicht auf intergeschlechtliche Menschen beschränkt, ist jedoch faktisch auf medizinische Nachweise angewiesen. Das Bundesverfassungsgericht ließ offen, ob auch eine selbstbestimmte Erklärung genügen könne; der Gesetzgeber schuf jedoch einen medizinisch orientierten Nachweisansatz.

Rechtliche Auswirkungen und Folgeänderungen

Auswirkungen auf Name und Titelführung

Mit der geschlechtlichen Eintragung „divers“ oder ohne Geschlechtsangabe ergeben sich im deutschen Namensrecht ebenfalls Anpassungen. Das Namensrecht des BGB ist traditionell an das binäre Geschlecht gekoppelt. Seit 2018 ist eine personenstandsrechtliche Änderung bei Vornamen und Anredeformen gerechtfertigt, sofern diese dem geführten Geschlecht nicht entsprechen.

Diskriminierungs- und Gleichstellungsrecht

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und weitere Antidiskriminierungsvorschriften dehnen ihren Schutz explizit auch auf Menschen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ aus. In Beschäftigung, Ausbildung, Zugang zu Waren und Dienstleistungen gilt das Diskriminierungsverbot nach §§ 1, 2 AGG ausdrücklich auch für inter- und nicht-binäre Personen.

Auswirkungen in weiteren Rechtsbereichen

Die Einführung des Dritten Geschlechts zieht zahlreiche Folgeänderungen in verschiedenen Rechtsbereichen nach sich, beispielsweise:

  • Elternschaft und Familienrecht: Personen mit dem Eintrag „divers“ sind im Recht auf Elternschaft, etwa als Mutter oder Vater, häufig mit praktischen wie rechtlichen Unsicherheiten konfrontiert.
  • Melde-, Sozialversicherungs- und Steuerrecht: Betroffene Personen sind hinsichtlich geschlechtersensibler Formulare, Bescheinigungen und Meldepflichten zu berücksichtigen.
  • Personalausweis und Reisepass: Auch amtliche Ausweisdokumente können den entsprechenden Eintrag („X“ für „divers“) enthalten.

Internationale Anerkennung und Verfahren

Die Eintragung und Anerkennung des Dritten Geschlechts variiert erheblich zwischen den Staaten. In internationalen Kontexten kann es Schwierigkeiten geben, weil viele Rechtssysteme ausschließlich die beiden binären Geschlechter kennen. Die EU und verschiedene zwischenstaatliche Vereinbarungen erkennen den erweiterten Personenstand vermehrt an. Beim Grenzübertritt und im Ausland bleibt der Status von „divers“ jedoch häufig eine Herausforderung.

Kontroversen und laufende rechtliche Entwicklungen

Trotz der gesetzlichen Anerkennung wird weiterhin diskutiert, wie die Umsetzung geschlechtergerechter Regelungen in sämtlichen Rechtsbereichen vollständig gelingen kann. Kritisiert wird derzeit insbesondere der zwingend medizinische Nachweis statt einer rein selbstbestimmten Erklärung. Die Diskussion zu weiteren Anpassungen des Rechts, beispielsweise im Hinblick auf die Selbstbestimmung, die Elternschaft und den Datenschutz, hält an.

In der Politik werden Änderungsinitiativen debattiert, die etwa einen erleichterten Zugang zu „divers“ oder weiteren Geschlechtsoptionen vorsehen. Auch die Anpassung von Formularen, Statistiken und Rechtsvorschriften steht weiterhin auf der Agenda.


Zusammenfassung:
Das Dritte Geschlecht ist in Deutschland rechtlich als Geschlechtsoption anerkannt und umfasst Personen, die sich weder als männlich noch als weiblich verstehen. Rechtliche Grundlage ist insbesondere § 22 Abs. 3 PStG, kombiniert mit diversen Folgeänderungen in Namens-, Diskriminierungs-, Familien- und Ausweisrecht. Das Thema bleibt Gegenstand gesellschaftlicher und rechtlicher Debatten, insbesondere in Bezug auf Selbstbestimmung und internationalen Rechtsverkehr.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Eintragung des dritten Geschlechts in Deutschland?

Nach deutschem Recht ist es seit dem 22. Dezember 2018 möglich, neben „männlich“ und „weiblich“ auch die Eintragung „divers“ im Personenstandsregister zu wählen. Dies basiert auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 (Az. 1 BvR 2019/16), das die bis dahin bestehende Registrierungspraxis als verfassungswidrig einstufte. Das Personenstandsgesetz (§ 22 Abs. 3 PStG) wurde daraufhin geändert. Für die Eintragung des dritten Geschlechts ist gemäß § 45b PStG ein ärztliches Attest erforderlich, das eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ bescheinigt. Die Eintragung sowie spätere Änderungen erfolgen beim zuständigen Standesamt, und die Änderung des Geschlechtseintrags gilt auch für weitere amtliche Dokumente wie Geburtsurkunden und Personalausweis. Es besteht zudem die Möglichkeit der Änderung des Vornamens im Zusammenhang mit dem Geschlechtseintrag.

Welche Auswirkungen hat die Eintragung des dritten Geschlechts auf das Namensrecht?

Mit der Eintragung des dritten Geschlechts besteht das Recht, einen zum Geschlecht passenden oder geschlechtsneutralen Vornamen zu führen. Gemäß § 45b Abs. 1 S. 2 PStG kann zeitgleich mit der Änderung des Geschlechtseintrags auch der Vorname im Personenstandsregister angepasst werden, sofern dies gewünscht ist. In der Rechtspraxis wird dies meist zusammen vorgenommen. Die Namensänderung wird mit einer Bestätigung durch das Standesamt beurkundet und kann u.a. für den Personalausweis, Reisepass, Führerschein sowie in allen öffentlich-rechtlichen und privat-rechtlichen Registern übernommen werden. In bestimmten Sonderfällen können auch weitere Namensänderungen nach dem Namensänderungsgesetz (NamÄndG) erfolgen.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Änderung des Geschlechtseintrags auf „divers“ erfüllt sein?

Zur Änderung des Geschlechtseintrags auf „divers“ verlangt das deutsche Recht einen Nachweis über eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“. Dies muss durch ein ärztliches Attest gemäß § 45b PStG nachgewiesen werden. Das Attest muss bestätigen, dass beim Antragstellenden weder das männliche noch das weibliche Geschlecht eindeutig zugeordnet werden kann, sondern eine sogenannte Drittgeschlechtlichkeit im medizinischen Sinne vorliegt (z. B. Intergeschlechtlichkeit). Für bereits volljährige Personen ist keine gerichtliche Entscheidung notwendig; der Antrag wird direkt beim Standesamt gestellt. Für Minderjährige ist die Zustimmung der Sorgeberechtigten und gegebenenfalls eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich.

Welche Schutzrechte und Diskriminierungsverbote gelten für Menschen mit dem dritten Geschlecht?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt ausdrücklich auch Personen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, vor Diskriminierung wegen ihres Geschlechts. Das umfasst insbesondere den Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gütern und Dienstleistungen. Arbeitgeber und öffentliche Stellen sind verpflichtet, Diskriminierung zu unterlassen und insbesondere im Arbeitsleben geeignete Vorkehrungen zu treffen, zum Beispiel bei Stellenausschreibungen oder im Umgang mit Toiletten- und Umkleideräumen. Die Rechtsprechung stellt klar, dass auch eine Benachteiligung wegen „divers“ rechtlich angreifbar ist und Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz auslösen kann.

Müssen Unternehmen und Institutionen in Formularen und Schriftstücken das dritte Geschlecht berücksichtigen?

Behörden und Unternehmen sind verpflichtet, in Formularen und Schriftstücken das dritte Geschlecht zu ermöglichen und entsprechende Optionen zur Auswahl zu stellen bzw. geschlechtsneutrale Anredeformen zu verwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und darauf aufbauender Verwaltungspraxis (vgl. OVG Münster, Beschluss v. 12.02.2021 – 16 B 818/20), müssen insbesondere Behörden und öffentliche Stellen auch auf Diskriminierungsfreiheit bei der Anrede achten. Unternehmen, die dagegen verstoßen, riskieren Schadensersatz und Unterlassungsansprüche gemäß AGG. In der IT-Infrastruktur und im administrativen Bereich müssen Systeme gegebenenfalls angepasst werden, um auch die Option „divers“ technisch zu unterstützen.

Gibt es besondere arbeitsrechtliche Regelungen für Menschen mit dem dritten Geschlecht?

Menschen mit der Eintragung „divers“ unterliegen vollumfänglich dem arbeitsrechtlichen Diskriminierungsschutz nach AGG und Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass Stellenausschreibungen, Arbeitsverträge sowie betriebliche Regelungen und Sozialleistungen geschlechtsneutral formuliert und ausgestaltet sind. Beim Zugang zu betrieblichen Einrichtungen (wie Umkleiden und Toiletten) ist eine diskriminierungsfreie Lösung zu wählen. In Unternehmen mit Betriebsrat ist dieser gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG verpflichtet, die Gleichstellung nicht-binärer Personen aktiv zu fördern und Benachteiligungen entgegenzuwirken. Sanktionen bei Diskriminierung reichen von Abmahnungen bis hin zu Schadensersatzpflichten.

Wie werden Datenschutz und Persönlichkeitsrechte beim dritten Geschlecht rechtlich geschützt?

Die Angabe des Geschlechtseintrags, insbesondere von „divers“, betrifft höchstpersönliche und sensible personenbezogene Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Nach Art. 9 DSGVO zählen Daten zum Geschlecht zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten, die nur unter strengen Voraussetzungen verarbeitet werden dürfen. Institutionen und Unternehmen sind verpflichtet, diese Informationen vertraulich zu behandeln und eine Nutzung ausschließlich zu legitimen Zwecken zu erlauben. Weiterhin haben Betroffene nach § 35 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) das Recht auf Berichtigung und Löschung falscher oder nicht mehr aktueller Daten; auch die Offenlegung der Geschlechtsidentität gegenüber Dritten darf ausschließlich mit ausdrücklicher Einwilligung erfolgen. Verstöße werden von Datenschutzbehörden geahndet.