Begriff und Bedeutung der Doppelbesteuerung
Doppelbesteuerung bezeichnet das Phänomen, dass ein und derselbe Steuerpflichtige hinsichtlich desselben Steuergegenstands in demselben Zeitraum durch zwei oder mehrere souveräne Steuerhoheiten mit gleichartigen Steuern belastet wird. Insbesondere im internationalen Steuerrecht, aber auch innerhalb eines föderalen Staates wie Deutschland, kann Doppelbesteuerung auftreten. Der Begriff findet sich sowohl im nationalen wie im internationalen Steuerrecht und ist von erheblicher rechtlicher und wirtschaftlicher Relevanz, da Doppelbesteuerung die grenzüberschreitende wirtschaftliche Betätigung deutlich erschweren kann.
Formen der Doppelbesteuerung
Rechtliche vs. wirtschaftliche Doppelbesteuerung
Es wird zwischen rechtlicher und wirtschaftlicher Doppelbesteuerung unterschieden:
Rechtliche Doppelbesteuerung
Von rechtlicher Doppelbesteuerung spricht man, wenn dieselbe Person oder dasselbe Unternehmen im Hinblick auf dasselbe Einkommen oder Vermögen für denselben Zeitraum durch mehrere Staaten oder staatliche Einheiten mit derselben Steuerart belegt wird. Beispiel: Eine natürliche Person hat ihren Wohnsitz in Deutschland und erzielt Einkommen in Frankreich. Beide Staaten beanspruchen das Besteuerungsrecht für dieses Einkommen.
Wirtschaftliche Doppelbesteuerung
Wirtschaftliche Doppelbesteuerung liegt vor, wenn dasselbe Einkommen oder Vermögen auf Ebene verschiedener Personen mehrfach besteuert wird, beispielsweise bei Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften an deren Anteilseigner. Hier erfolgt die Besteuerung sowohl auf Ebene der Gesellschaft als auch beim Anteilseigner.
Subjektive und objektive Doppelbesteuerung
- Subjektive Doppelbesteuerung: Betrifft denselben Steuerpflichtigen und dasselbe Steuerobjekt.
- Objektive Doppelbesteuerung: Betrifft dasselbe Steuerobjekt, aber unterschiedliche Steuerpflichtige.
Ursachen der Doppelbesteuerung
Doppelbesteuerung kann insbesondere durch folgende Umstände entstehen:
- Unterschiedliche Anknüpfungspunkte: Die Steuerhoheiten knüpfen ihre Besteuerungsrechte an unterschiedliche Kriterien wie Wohnsitz, Aufenthalt, Ort der Geschäftsleitung, Ort der Einkunftserzielung oder Lage des Vermögensgegenstands an.
- Konflikt zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht: Oft kollidieren die unbeschränkte Steuerpflicht im Ansässigkeitsstaat mit einer beschränkten Steuerpflicht im Quellenstaat.
- Mangel an Koordination: Fehlende oder unzureichende Abstimmung zwischen den Staaten oder Hoheitsträgern führt dazu, dass keine Vermeidung von Doppelbesteuerung erfolgt.
Rechtsgrundlagen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Nationale Regelungen
Im deutschen Steuerrecht findet sich der Grundsatz der Vermeidung der Doppelbesteuerung insbesondere in folgenden Regelungen:
- § 34c EStG: Anrechnung von ausländischen Steuern auf die deutsche Einkommensteuer.
- § 21 Abs. 1 AO: Regelung über die Erhebung von Steuern auf außerhalb des Geltungsbereichs des deutschen Steuerrechts belegene Sachverhalte.
Internationale Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
Die wichtigste Methode zur Vermeidung oder Milderung der internationalen Doppelbesteuerung sind Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Diese werden auf Grundlage von Musterabkommen, insbesondere dem OECD-Musterabkommen, zwischen Staaten abgeschlossen. Das Ziel ist, die Zuweisung von Besteuerungsrechten zwischen den Staaten zu regeln und Doppelbesteuerungen sowie Steuerhinterziehungen zu vermeiden.
Inhalt und Aufbau von Doppelbesteuerungsabkommen
Die meisten DBA enthalten:
- Definitionen der betroffenen Steuersubjekte und Steuerarten
- Zuweisungsregeln für Einkünfte und Vermögen
- Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Freistellungsmethode, Anrechnungsmethode)
- Regelungen zur Amtshilfe und zum Informationsaustausch
- Mechanismen zu Verständigungs- und Schiedsverfahren bei Streitigkeiten
Europarechtliche Aspekte
Im Rahmen des Europäischen Binnenmarkts ist die Bekämpfung der Doppelbesteuerung von besonderer Bedeutung. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat mehrfach die Verpflichtung zur effektiven Verhinderung von Doppelbesteuerung betont, insbesondere im Hinblick auf die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit.
Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Freistellungsmethode
Bei der Freistellungsmethode werden die im Ausland erzielten Einkünfte von der inländischen Besteuerung ausgenommen. Diese Methode findet häufig bei Einkünften aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb Anwendung. Die Freistellung erfolgt üblicherweise mit Progressionsvorbehalt, sodass die ausländischen Einkünfte zwar nicht besteuert, aber zur Bestimmung des Steuersatzes herangezogen werden.
Anrechnungsmethode
Im Rahmen der Anrechnungsmethode werden die im Ausland gezahlten Steuern auf die inländische Steuer angerechnet. Ziel ist, die Doppelbesteuerung durch Abzug der ausländischen Steuer von der hiesigen Steuerlast zu mindern. Die Anrechnung erfolgt höchstens bis zur Höhe der auf die Auslandseinkünfte entfallenden deutschen Steuer.
Abzugsmethode
Bei der Abzugsmethode werden die im Ausland gezahlten Steuern als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei der Steuerveranlagung im Inland berücksichtigt. Diese Methode kommt in der Praxis jedoch selten zur Anwendung und ist in ihrer Wirkung gegenüber Freistellungs- und Anrechnungsmethode weniger günstig.
Rechtschutz bei Doppelbesteuerung
Gegen eine zu Unrecht erfolgte Doppelbesteuerung bestehen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten. Diese umfassen:
- Einspruchs- und Klageverfahren: Steuerpflichtige können gegen Steuerbescheide Einspruch einlegen und gegebenenfalls Klage erheben.
- Verständigungsverfahren: Bei Streitigkeiten zwischen Staaten, die ein DBA geschlossen haben, kann ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 OECD-Musterabkommen beantragt werden, um eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen.
- Schiedsverfahren: Seit dem Multilateralen Instrument (MLI) zur BEPS-Initiative der OECD wird das Schiedsverfahren zunehmend als ergänzende Maßnahme zur Streitbeilegung implementiert.
Wirtschaftliche und steuerpolitische Bedeutung
Doppelbesteuerung kann für den internationalen Handel, für grenzüberschreitende Investitionen und für die internationale Mobilität erheblichen Hemmschuh darstellen. Effektive Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung tragen wesentlich zum Funktionieren des internationalen Marktes sowie zur Sicherung der Standortattraktivität und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen bei.
Zusammenfassung
Doppelbesteuerung stellt ein zentrales Problem in der internationalen Besteuerung dar und betrifft besonders Steuerpflichtige mit grenzüberschreitenden Aktivitäten. Nationale Regelungen und mehr als 100 von Deutschland abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen sorgen überwiegend dafür, dass eine Doppelbesteuerung vermieden oder gemildert wird. Trotzdem kann es in der Praxis zu Anwendungsproblemen, Auslegungsstreitigkeiten und verbleibender mehrfacher Besteuerung kommen, die gegebenenfalls mit Hilfe von Verständigungs- oder Schiedsverfahren gelöst werden. Die Entwicklung des internationalen und europäischen Steuerrechts bleibt ein fortwährender Prozess zur weiteren Reduzierung der Doppelbesteuerung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Instrumente gibt es zur Vermeidung der Doppelbesteuerung?
Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung existieren verschiedene rechtliche Instrumente, die vor allem auf völkerrechtlichen und nationalen Vereinbarungen beruhen. Im internationalen Kontext sind Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) das zentrale Mittel. Diese bilateralen oder multilateralen Verträge regeln, welchem Staat das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkommen oder Vermögen zusteht und in welcher Form eine Anrechnung oder Freistellung im anderen Staat erfolgt. Die OECD-Musterabkommen und das UN-Musterabkommen dienen als Grundlage für viele dieser Vereinbarungen und definieren Prinzipien wie Ansässigkeit, Quellenstaatprinzip und Methoden zur Beseitigung der Doppelbesteuerung (Freistellungsmethode, Anrechnungsmethode). Daneben enthalten auch innerstaatliche Gesetze Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, z. B. § 34c EStG in Deutschland. Ein weiteres wichtiges Instrument ist die Amtshilfe und der Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der Vertragsstaaten, welche die korrekte Anwendung der Abkommen unterstützen und Steuerumgehung verhindern sollen. In einigen Fällen bieten supranationale Regelwerke (wie die EU-Zinsrichtlinie) zusätzliche Mechanismen zur Harmonisierung und Verfahrenskoordination.
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine Doppelbesteuerung vorliegen?
Rechtlich liegt eine Doppelbesteuerung vor, wenn ein identischer Steuerpflichtiger hinsichtlich desselben Steuerobjekts (z. B. Einkommen, Vermögen) und für denselben Zeitraum von zwei oder mehr Staaten mit einer Steuer der gleichen Art belastet wird. Zentrale Voraussetzung ist die Kollision der jeweiligen nationalen Steueransprüche – typischerweise durch das Zusammenfallen von Wohnsitzstaat- und Quellenstaatprinzip, bzw. durch mehrere Ansässigkeitsbegründungen oder ausländische Einkunftserzielung. Einzelstaatliche Tatbestände verankern das Steuerrecht (z. B. bei beschränkter oder unbeschränkter Steuerpflicht), die dann mit ausländischem Recht kollidieren. Aus Sicht der internationalen Besteuerung ist zudem entscheidend, ob entsprechende DBA vorhanden sind und wie sie im Einzelfall greifen, um z. B. durch Zuteilungsnormen oder Methodenartikel die Doppelbesteuerung zu beseitigen oder zu mindern.
Wie erfolgt die rechtliche Zuteilung von Besteuerungsrechten bei Doppelbesteuerungsabkommen?
Die rechtliche Zuteilung der Besteuerungsrechte erfolgt im Rahmen von DBA nach festen Zuteilungsnormen, die typischerweise auf das OECD-Musterabkommen zurückgehen. Zunächst wird die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen festgestellt, die den Zugriff der Vertragsstaaten regelt. Das Abkommen unterscheidet dann je nach Einkunftsart (z. B. Arbeitseinkommen, Unternehmensgewinne, Dividenden, Zinsen, Lizenzen) und definiert, welchem Staat das originäre oder das ausschließliche Besteuerungsrecht zusteht. Handelt es sich um Einkünfte, bei denen beide Staaten ein Besteuerungsrecht beanspruchen dürfen (z. B. beschränktes Recht des Quellenstaats), so verpflichtet das Abkommen den Ansässigkeitsstaat, eine Doppelbesteuerung entweder durch Anrechnung der im Quellenstaat gezahlten Steuer oder durch Freistellungsmethode abzubauen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Nichtanwendbarkeit eines Doppelbesteuerungsabkommens?
Kommt kein DBA zur Anwendung – etwa weil mit dem betreffenden Staat kein Abkommen existiert oder der Einzelfall nicht in dessen Geltungsbereich fällt – greifen ausschließlich die nationalen Regelungen der involvierten Staaten. Viele nationale Steuergesetze enthalten sogenannte einseitige Regelungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, die häufig die Anrechnungsmethode auf im Ausland gezahlte Steuern vorsehen (z. B. nach § 34c EStG in Deutschland). Weiterhin besteht ggf. die theoretische Möglichkeit, einen Antrag auf Billigkeitsmaßnahmen bzw. auf Erlass von Steuern gemäß den einschlägigen Abgabenordnungen zu stellen, dies setzt aber Ermessensentscheidungen der Steuerbehörde voraus und ist kein Rechtsanspruch. Auch das EU-Recht kann im Einzelfall Berücksichtigung finden, etwa durch Grundfreiheiten, die ein Diskriminierungsverbot enthalten.
Wie sind Konflikte und Streitigkeiten im Rahmen der Doppelbesteuerung rechtlich zu lösen?
DBA enthalten in aller Regel eine Verständigungsklausel (sog. Mutual Agreement Procedure, MAP), nach der Steuerpflichtige beim Auftreten einer Doppelbesteuerung einen Antrag auf Verständigungsverfahren stellen können. Die beteiligten Finanzverwaltungen sind dann verpflichtet, eine einvernehmliche Lösung im Interesse des Steuerpflichtigen herbeizuführen. Verfahrensrechtlich sind dabei Fristen und Formerfordernisse zu beachten. Falls keine Verständigung erzielt wird, sehen einige DBA eine Schiedsklausel (Arbitration Clause) vor, sodass eine unabhängige Streitbeilegungsinstanz verbindlich entscheidet. Zudem können Kläger nationale und internationale Rechtsmittel ausschöpfen, beispielsweise mittels Klage vor Verwaltungsgerichten oder unter Umständen vor dem Europäischen Gerichtshof oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, sofern europäische Grundfreiheiten oder Menschenrechte betroffen sind.
Was sind die rechtlichen Besonderheiten von Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union?
Im EU-Raum bestehen zwar bisher keine umfassenden unionsrechtlichen Regelungen zur direkten Beseitigung der Doppelbesteuerung, gleichwohl sind alle Mitgliedstaaten an das Diskriminierungsverbot, die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit gebunden. Nationale Maßnahmen zur Doppelbesteuerung dürfen nicht gegen diese Grundfreiheiten verstoßen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat wiederholt entschieden, dass Maßnahmen, die zur tatsächlichen Doppelbesteuerung führen oder grenzüberschreitende Tätigkeiten ungerechtfertigt benachteiligen, unzulässig sind. Gleichwohl bleibt es nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, durch bilaterale Abkommen die Doppelbesteuerung effektiv zu beseitigen. Ergänzend existieren einzelne sektorspezifische Richtlinien (z. B. Mutter-Tochter-Richtlinie), die steuerliche Hemmnisse gezielt abbauen.
Welche Bedeutung hat die Ansässigkeit im rechtlichen Umgang mit Doppelbesteuerung?
Die Ansässigkeit ist das zentrale Anknüpfungsmerkmal bei der rechtlichen Behandlung der Doppelbesteuerung, da sie die Steuerhoheit zwischen den Staaten bestimmt. In einem DBA wird die Ansässigkeit anhand von spezifischen Kriterien ermittelt, wie Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Sitz der Geschäftsleitung bei Unternehmen. Im Falle von Doppelansässigkeit sieht das DBA sogenannte Tie-Breaker-Regeln vor, um die Ansässigkeit eindeutig einem Staat zuzuordnen. Die Zuweisung der Ansässigkeit beeinflusst, welcher Staat das weltweite Einkommen besteuern darf und welcher Staat nur auf Basis des Quellenprinzips eine beschränkte Besteuerung ausübt. Konflikte in der Feststellung der Ansässigkeit können zu langwierigen rechtlichen Streitigkeiten führen und erfordern oft die Anwendung der Verständigungsregelungen der DBA.