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dolus directus

Definition und Bedeutung von dolus directus

Dolus directus bezeichnet eine Form des Vorsatzes. Wer mit dolus directus handelt, kennt die maßgeblichen Umstände seines Tuns und will entweder den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeiführen oder nimmt ihn als sichere Folge des eigenen Handelns in Kauf. Der Begriff stammt aus dem Lateinischen und wird im deutschen Sprachgebrauch als direkter Vorsatz verstanden. Er betrifft die innere Einstellung einer handelnden Person zu Tat und Erfolg und ist damit dem subjektiven Tatbestand zugeordnet.

Formen des dolus directus

Dolus directus ersten Grades (Absicht)

Bei dolus directus ersten Grades steht das Ziel im Vordergrund: Die Person will den Erfolg bewusst herbeiführen. Das Wissenselement kann dabei geringer ausgeprägt sein, wenn die Person fest auf die Zielerreichung vertraut. Entscheidend ist der zielgerichtete Wille zur Tatbestandsverwirklichung.

Dolus directus zweiten Grades (sicheres Wissen)

Bei dolus directus zweiten Grades weiß die Person sicher oder hält es für gewiss, dass der tatbestandsmäßige Erfolg eintreten wird, auch wenn dieser nicht das eigentliche Handlungsziel ist. Das Wissen um den sicheren Erfolg ersetzt an dieser Stelle den zielgerichteten Willen.

Abgrenzung zu anderen Vorsatz- und Schuldformen

Dolus directus vs. Eventualvorsatz

Eventualvorsatz liegt vor, wenn die handelnde Person den Erfolg für möglich hält und sich mit ihm abfindet. Dolus directus setzt demgegenüber entweder die Absicht (Wollen) oder das sichere Wissen um den Erfolg voraus. Das Maß an innerer Sicherheit und Zielgerichtetheit ist bei dolus directus deutlich höher.

Dolus directus vs. bewusste Fahrlässigkeit

Bei bewusster Fahrlässigkeit hält die Person den Erfolg zwar für möglich, vertraut aber ernsthaft darauf, dass dieser nicht eintritt. Beim dolus directus besteht kein solches Vertrauen; vielmehr liegt entweder ein zielgerichtetes Wollen oder sicheres Wissen vom Erfolg vor.

Subjektiver Tatbestand und innere Tatseite

Wissenselement

Das Wissenselement betrifft die Kenntnis aller entscheidenden Umstände, die den Tatbestand ausmachen. Bei dolus directus zweiten Grades ist dieses Element besonders ausgeprägt, da der Erfolg als sicher erwartet wird.

Willenselement

Das Willenselement beschreibt die zielgerichtete Ausrichtung auf den Erfolg. Es ist der Kern des dolus directus ersten Grades (Absicht). Je stärker die Handlung auf die Zielerreichung ausgerichtet ist, desto näher liegt die Annahme von Absicht.

Zeitpunkt der Vorsatzbildung

Der Vorsatz muss bei der tatbestandsmäßigen Handlung vorliegen. Er kann im Voraus (Planung) entstehen oder sich spontan im Tatmoment bilden. Späterer Sinneswandel ändert den zuvor bestehenden Vorsatz nicht rückwirkend.

Nachweis und Beweiswürdigung

Dolus directus betrifft innere Vorgänge und wird deshalb regelmäßig durch äußere Umstände erschlossen. Maßgeblich sind das Gesamtbild des Geschehens und nachvollziehbare Schlüsse aus objektiven Gegebenheiten.

Typische Indizien

  • Vorbereitungshandlungen und Planungen
  • Art, Intensität und Zielrichtung der Handlung
  • Verwendete Mittel und deren Wirkweise
  • Äußerungen vor, während oder nach der Tat
  • Vorhersehbare und unvermeidliche Nebenfolgen

Grenzen des Nachweises

Die innere Einstellung ist nicht unmittelbar sichtbar. Der Nachweis stützt sich auf Indizien und Aussagen. Zweifel gehen zu Lasten der Annahme eines höheren Vorsatzgrades; sie können dazu führen, nur eine geringere Schuldform anzunehmen.

Rechtliche Folgen und Anwendungsfelder

Strafbarkeit und Strafzumessung

Dolus directus erfüllt die Vorsatzerfordernisse vieler Straftatbestände. Er kann bei der Bewertung der Schuldintensität eine Rolle spielen, da zielgerichtetes Wollen oder sicheres Wissen in der Regel schwerer wiegt als lediglich möglich gehaltene Erfolge.

Versuch, Täterschaft und Teilnahme

Beim Versuch ist regelmäßig Absicht oder sicheres Wissen über den Eintritt des Erfolgs maßgeblich, da die Handlung auf die Verwirklichung des Tatbestands gerichtet ist. Für Anstiftung und Beihilfe ist ein auf die Haupttat bezogener Vorsatz erforderlich; dolus directus verdeutlicht dabei die bewusste Ausrichtung auf das Hervorrufen oder Fördern der Haupttat.

Relevanz außerhalb des Strafrechts

Vorsatz, einschließlich dolus directus, kann auch in anderen Rechtsbereichen eine Rolle spielen, etwa bei der Zurechnung von Schäden oder bei arglistigem Verhalten. Dort wirkt sich die Zielgerichtetheit oder das sichere Wissen um schädliche Folgen auf die rechtliche Bewertung und den Umfang der Verantwortlichkeit aus.

Irrtümer und Sonderkonstellationen

Tatbestandsirrtum

Fehlt die Kenntnis eines wesentlichen Umstands, liegt kein dolus directus vor. Ein solcher Irrtum kann den Vorsatz entfallen lassen, wenn die Person den tatbestandsrelevanten Sachverhalt falsch einschätzt.

Verbotsirrtum

Ein Irrtum über die rechtliche Bewertung der Handlung ändert nichts an der inneren Einstellung zur Tat. Dolus directus bleibt bestehen, wenn die Person die tatsächlichen Umstände kennt und will oder sicher weiß, auch wenn sie die Rechtswidrigkeit verkennt.

Verwechslungen und Fehlleistungen

Bei Verwechslungen der Zielperson oder Fehlleistungen in der Ausführung kann der Vorsatz hinsichtlich des anvisierten Ziels fortbestehen. Ob dolus directus vorliegt, hängt dann davon ab, worauf das Wollen oder sichere Wissen konkret gerichtet war.

Beispiele zur Veranschaulichung

  • Absicht (erster Grad): Eine Person will eine bestimmte Sache zerstören und setzt gezielt ein Werkzeug ein, um genau diesen Erfolg zu erreichen.
  • Sicheres Wissen (zweiter Grad): Jemand verursacht eine Explosion, um eine Mauer zu öffnen, weiß aber sicher, dass dabei benachbarte Fenster bersten werden. Der Fensterschaden ist nicht Ziel, aber sichere Nebenfolge.
  • Abgrenzung zu Eventualvorsatz: Eine Person handelt trotz ungewisser Folgen weiter und nimmt den Erfolg lediglich als Möglichkeit hin; das genügt nicht für dolus directus.
  • Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit: Jemand vertraut ernsthaft darauf, dass trotz riskanten Handelns kein Schaden entsteht; dolus directus scheidet aus.

Zusammenfassung

Dolus directus ist direkter Vorsatz und liegt vor, wenn ein Erfolg zielgerichtet angestrebt oder als sicher vorausgesehen wird. Er unterscheidet sich vom Eventualvorsatz durch das höhere Maß an Zielgerichtetheit oder Sicherheit und von bewusster Fahrlässigkeit durch das Fehlen eines ernsthaften Vertrauens auf das Ausbleiben des Erfolgs. Für viele Tatbestände und Zurechnungsfragen ist die richtige Einordnung des Vorsatzes entscheidend.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet dolus directus allgemein?

Dolus directus ist direkter Vorsatz. Er liegt vor, wenn der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg entweder zielgerichtet will (Absicht) oder sicher weiß, dass er eintreten wird (sicheres Wissen).

Worin liegt der Unterschied zwischen dolus directus ersten und zweiten Grades?

Beim ersten Grad steht das Wollen des Erfolgs im Vordergrund (Absicht). Beim zweiten Grad ist das sichere Wissen um den Erfolg entscheidend, auch wenn dieser nicht Handlungsziel ist.

Wie grenzt sich dolus directus vom Eventualvorsatz ab?

Eventualvorsatz setzt nur das Für-möglich-Halten und Sich-Abfinden mit dem Erfolg voraus. Dolus directus verlangt entweder das zielgerichtete Wollen oder die sichere Erwartung des Erfolgs.

Wie wird dolus directus in der Praxis nachgewiesen?

Er wird aus objektiven Umständen geschlossen, etwa aus Planung, Handlungsweise, eingesetzten Mitteln und Äußerungen. Die Beurteilung erfolgt im Gesamtzusammenhang aller Indizien.

Kann dolus directus trotz Irrtum vorliegen?

Ein Irrtum über tatsächliche Umstände kann den Vorsatz ausschließen. Besteht lediglich ein Irrtum über die rechtliche Bewertung, bleibt dolus directus unberührt, sofern Wissen oder Wollen der tatsächlichen Umstände vorliegt.

Welche Rolle spielt dolus directus bei Versuch und Teilnahme?

Beim Versuch verweist dolus directus auf die zielgerichtete Tatverwirklichung. Bei Teilnahmeformen ist ein auf die Haupttat bezogener Vorsatz erforderlich; direkter Vorsatz unterstreicht dabei das bewusste Fördern oder Hervorrufen.

Gibt es Auswirkungen von dolus directus außerhalb des Strafrechts?

Ja. Vorsatz kann auch in anderen Bereichen Bedeutung erlangen, etwa bei arglistigem Verhalten oder der Zurechnung vorsätzlich verursachter Schäden.

Beeinflussen Motive die Einordnung als dolus directus?

Motive erklären, warum jemand handelt, sind aber für das Vorliegen von dolus directus nicht ausschlaggebend. Entscheidend bleiben Wissen und Wollen in Bezug auf den tatbestandsmäßigen Erfolg.