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dolus


Begriff und Definition von Dolus

Der Begriff dolus stammt aus dem Lateinischen und bezeichnet im Recht den Vorsatz beziehungsweise den Willen einer Person, eine bestimmte Handlung mit dem Ziel beziehungsweise in Kenntnis der Herbeiführung eines tatbestandlichen Erfolgs vorzunehmen. Dolus bildet damit einen zentralen Bestandteil vieler Straftatbestände wie auch zivilrechtlicher Haftungskonstellationen. Im Gegensatz zum Fahrlässigkeitsbegriff (lat. „culpa“) setzt dolus stets Wissen und Wollen des Handlungsunrechts voraus.

Dolus im Strafrecht

Allgemeine Bedeutung

Im Strafrecht ist dolus der elementare Bestandteil nahezu aller Vorsatzdelikte. Die strafrechtliche Vorwerfbarkeit setzt regelmäßig voraus, dass der Täter bei Begehung der Tat vorsätzlich handelte, also wissentlich und willentlich den Tatbestand erfüllte.

Formen des Vorsatzes

Je nach Intensität der Willensausrichtung werden verschiedene Dolus-Formen unterschieden:

Dolus directus ersten Grades (Absicht)

Der Täter strebt den tatbestandlichen Erfolg zielgerichtet an (Absichtlichkeit). Neben dem Wissenselement ist hierbei das Wollen des Erfolges handlungsleitend.

Dolus directus zweiten Grades (direkter Vorsatz)

Beim direkten Vorsatz steht das sichere Wissen um die Herbeiführung des Tatbestandserfolges im Vordergrund. Die Verwirklichung des Erfolgs ist für den Täter notwendige Nebenfolge seiner Handlung, sie muss jedoch nicht das Hauptziel sein.

Dolus eventualis (Eventualvorsatz)

Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt („Na wenn schon“). Die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit ist hier im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen.

Bedeutung für die Strafzumessung

Das konkrete Maß des dolus kann Einfluss auf die Strafzumessung haben. So wird etwa eine aus niederen Beweggründen begangene Tat (hoher Vorsatzgrad) strenger sanktioniert als ein mittels Eventualvorsatz ausgeführtes Delikt.

Dolus im Zivilrecht

Deliktsrecht

Auch das Zivilrecht kennt den dolus, insbesondere im Deliktsrecht (unerlaubte Handlungen). Dolus ist beispielsweise Voraussetzung für die Haftung aus § 826 BGB (Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung). Hier muss der Schädiger mit Kenntnis und Willen den Eintritt des Schadens infolge der sittenwidrigen Handlung herbeiführen.

Vertragliches Haftungsrecht

Im Vertragsrecht ist dolus als vorsätzliche Pflichtverletzung für besonders strenge Haftungsfolgen relevant. Besonders schwerwiegend ist der dolus im Rahmen der sogenannten Arglist beim Verschweigen von Mängeln oder bei der Täuschung über die Eigenschaften einer Sache (§§ 123 ff. BGB).

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Wer einen Vertrag durch arglistige Täuschung („dolus malus“) zustande bringt, ermöglicht dem Getäuschten die Anfechtung des Vertrages und gegebenenfalls Schadensersatzforderungen.

Dolus im internationalen Kontext

Römisches Recht

Im römischen Recht unterschied man bereits verschiedene Varianten des dolus, darunter dolus generalis und dolus specialis, die unterschiedliche Anforderungen an die Wissens- und Willenselemente stellten. Diese Prinzipien wirken bis heute im modernen kontinentaleuropäischen Rechtssystem nach.

Strafmaß und Rechtsfolgen in anderen Rechtssystemen

Auch in anderen Rechtssystemen bildet dolus die allgemeine Voraussetzung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit. Im Common Law entspricht dem dolus der sog. „mens rea“-Begriff. Während im deutschen Recht eine klare Trennung zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit besteht, kennen manche Staaten Zwischenformen und abgestufte Modelle.

Abgrenzung: Dolus und culpa

Das zentrale Unterscheidungskriterium zwischen dolus und culpa stellt das subjektive Tatbestandsmerkmal dar. Während bei dolus der Täter die Tatbestandsverwirklichung mindestens billigend in Kauf nimmt, handelt beim Verschulden im Sinne von culpa der Handelnde ohne Vorsatz, aber unter Verstoß gegen die erforderliche Sorgfalt.

Beweislast und Nachweis des dolus

Der Nachweis vorsätzlichen Handelns obliegt im Zivilprozess regelmäßig der klagenden Partei, während im Strafverfahren die staatliche Seite (Staatsanwaltschaft) die Tatbestandsverwirklichung und den Vorsatz nachweisen muss. Die Feststellung erfolgt im Einzelfall durch Würdigung des objektiven und subjektiven Tatverlaufs.

Zusammenfassung

Dolus ist ein zentrales rechtswissenschaftliches Konzept, das den Vorsatz als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung beschreibt und sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht weitreichende Bedeutung hat. Die verschiedenen Vorsatzformen ermöglichen eine differenzierte Bewertung menschlichen Handelns im Lichte der bestehenden Rechtsordnung und stellen wesentliche Weichen für Haftung, Rechtsfolgen und Sanktionsmaß der Rechtsverletzung.


Weiterführende Begriffe:

  • Arglist
  • Eventualvorsatz
  • Fahrlässigkeit
  • Täuschung
  • Vertragsrecht
  • Unerlaubte Handlung

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedeutung hat dolus im deutschen Strafrecht?

Im deutschen Strafrecht bezeichnet der Begriff „dolus“ den Vorsatz, also das Wissen und Wollen der Verwirklichung eines Straftatbestandes. Dolus ist eine Voraussetzung für die Strafbarkeit der meisten Delikte, da die überwiegende Mehrheit der Strafnormen vorsätzliches Handeln verlangt. Zwischen verschiedenen Vorsatzformen – wie direkter Vorsatz (dolus directus 1. Grades), bedingter Vorsatz (dolus eventualis) und direktem Vorsatz 2. Grades – wird differenziert. Ein Täter handelt mit dolus directus 1. Grades, wenn er zielgerichtet den Taterfolg beabsichtigt. Im Unterschied dazu nimmt der Täter beim dolus eventualis den Erfolg billigend in Kauf, selbst wenn dieser nicht sein primäres Ziel ist. Das Vorliegen von dolus wird regelmäßig aus den Tatumständen, dem Verhalten des Täters und seinen Einlassungen abgeleitet. Fehlt es am dolus, kommt eine Strafbarkeit regelmäßig nur bei Fahrlässigkeitsdelikten in Betracht.

Welche Rolle spielt der dolus bei der Abgrenzung zu Fahrlässigkeit?

Die Unterscheidung zwischen dolus und Fahrlässigkeit bildet eine zentrale Weichenstellung im Strafrecht, da sich der subjektive Schuldvorwurf grundsätzlich voneinander unterscheidet. Beim dolus ist dem Täter der Eintritt des Erfolges bewusst und er will diesen (bzw. nimmt ihn billigend in Kauf), während bei der Fahrlässigkeit der Taterfolg für den Täter nicht vorhersehbar war oder er diesen nicht verhindern wollte. Juristisch relevant ist diese Abgrenzung unter anderem für die Strafzumessung, da bei Vorsatzdelikten meist härtere Strafen drohen als bei Fahrlässigkeitsdelikten. Zudem sind zahlreiche Delikte ausschließlich im Vorsatzbereich strafbar; eine fahrlässige Begehung bleibt hingegen sanktionslos, wenn das Gesetz es nicht ausdrücklich vorsieht.

Wie wird der dolus in der Rechtsprechung typischerweise festgestellt?

In der gerichtlichen Praxis erfolgt der Nachweis des dolus in der Regel durch objektive und subjektive Indizien. Maßgeblich ist, welche Vorstellungen der Täter zum Tatzeitpunkt von den Handlungsfolgen hatte und ob er mit diesen einverstanden war. Aussagen des Täters, seine Reaktionen im Vorfeld und während der Tat, sowie äußerliche Anhaltspunkte wie etwa die Tatplanung, die Wahl der Tatmittel oder gezielte Tatmanöver spielen bei der Beweiswürdigung eine Rolle. Da das Innenleben des Täters nicht direkt einsehbar ist, bedarf es einer sorgfältigen Gesamtwürdigung aller Umstände. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung: Es muss ausgeschlossen werden, dass dem Täter lediglich Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.

Welche strafrechtlichen Folgen hat ein festgestellter dolus für den Täter?

Wird beim Täter dolus festgestellt, trägt dies maßgeblich zur Strafbarkeit und zur Höhe des Strafmaßes bei. Viele Straftatbestände setzen zwingend Vorsatz voraus, weshalb dessen Nachweis die Voraussetzung für eine Verurteilung ist. Außerdem sieht das Strafrecht bei vorsätzlicher Begehung meist deutlich höhere Strafrahmen vor als bei fahrlässigem Verhalten. Der festgestellte Vorsatz kann zudem Einfluss auf Nebenfolgen haben, beispielsweise die Entziehung der Fahrerlaubnis, Bewährungsaussichten oder die Einordnung als besonders gefährlicher Tätertypus, was wiederum Strafmaß und Vollzugsform beeinflussen kann.

Welche Bedeutung haben Irrtumsfragen im Zusammenhang mit dolus?

Irrtumsfragen wie der Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB) oder der Verbotsirrtum (§ 17 StGB) sind eng mit dem Vorsatzbegriff („dolus“) verknüpft. So schließt ein Tatbestandsirrtum den Vorsatz aus, wenn der Täter bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Bleibt ein solcher Irrtum unvermeidbar, entfällt die Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tatbegehung, eine Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit kann jedoch bestehen, sofern diese gesetzlich vorgesehen ist. Beim Verbotsirrtum, also der Unkenntnis, dass das Verhalten verboten ist, bleibt der Vorsatz hingegen bestehen; ein unvermeidbarer Irrtum kann das Verschulden aber ausschließen und so zur Strafausschließung führen.

Gibt es Unterschiede beim dolus im Zivilrecht und im Strafrecht?

Obwohl der Begriff „dolus“ sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht verwendet wird, unterscheidet sich sein Bedeutungsgehalt teilweise. Im Strafrecht steht dolus für den Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung eines Straftatbestandes. Im Zivilrecht hingegen spielt dolus insbesondere im Zusammenhang mit der Anfechtung von Willenserklärungen (§ 123 BGB) eine Rolle, beispielsweise als „arglistige Täuschung“. Hier steht weniger die Absicht einer rechtsgutbeeinträchtigenden Handlung im Vordergrund, sondern vielmehr die bewusste Täuschung einer anderen Person, um diese zur Abgabe einer bestimmten Willenserklärung zu bewegen. Die rechtlichen Konsequenzen von dolus sind daher unterschiedlich gelagert: Während im Strafrecht eine Strafe droht, hat dolus im Zivilrecht beispielsweise die Nichtigkeit von Verträgen oder Schadensersatzansprüche zur Folge.

Welche Beweisanforderungen gelten für die Annahme des dolus eventualis?

Für die Annahme des dolus eventualis („bedingter Vorsatz“) ist es nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur erforderlich, dass der Täter den Taterfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und sich dennoch damit abfindet. Voraussetzung ist zum einen das kognitive Element (Wissenselement), nämlich die Vorstellung, dass der Taterfolg eintreten könnte, und zum anderen das voluntative Element (Willenselement), also das billigende Inkaufnehmen dieses Erfolges. Die Gerichte legen zur Feststellung des dolus eventualis vielfältige Kriterien zugrunde, darunter die Gefährlichkeit der Handlung, Erfahrung des Täters, subjektive Einschätzung der Erfolgschancen und gegebenenfalls entlastende Begleitumstände. Die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit, bei der der Täter auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraut, ist aber oftmals schwierig und wird intensiv diskutiert.