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Discretionary


Begriffserklärung und Herkunft des Begriffs „Discretionary“

Der Begriff Discretionary stammt aus dem englischsprachigen Rechts- und Wirtschaftswesen und bezeichnet im rechtlichen Zusammenhang allgemein einen Entscheidungsspielraum, der einer Person, Institution oder einem Gremium aufgrund gesetzlicher, vertraglicher oder organschaftlicher Regelungen eingeräumt wird. Das Adjektiv „discretionary“ wird im Deutschen meist mit „ermessensgebunden“, „wahlfrei“ oder auch „nach eigenem Ermessen“ übersetzt. Der Begriff findet insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtsraum breite Anwendung und wird in unterschiedlichen Rechtsgebieten mit unterschiedlichen Ausprägungen verwendet.

Rechtliche Einordnung des Ermessens („Discretion“)

Ermessensspielraum im öffentlichen Recht

Im öffentlichen Recht bezeichnet „discretionary power“ einen Entscheidungsspielraum, der Behörden oder Verwaltungsorganen bei der Ausübung hoheitlicher Befugnisse eingeräumt wird. Gesetzliche Regelungen, in denen Ermessensspielräume vorliegen, sprechen häufig von „kann“, „darf“ oder ähnlich offenen Formulierungen im Gesetzestext. Die Verwaltung kann innerhalb des Ermessensrahmens, unter Berücksichtigung gesetzlicher Zielsetzungen und allgemeiner Grundsätze, eine Entscheidung treffen.

Grenzen des Ermessens

Der Ermessensspielraum ist jedoch nicht unbegrenzt, sondern unterliegt sowohl gesetzlichen als auch verfassungsrechtlichen Schranken. Dies umfasst insbesondere das Verbot des Ermessensmissbrauchs, die Beachtung von Gleichbehandlungsgrundsätzen, das Diskriminierungsverbot sowie das Verhältnis von Ermessen zu gebundenem Verwaltungshandeln. Eine willkürliche oder sachfremde Entscheidung ist rechtswidrig.

Typen des Ermessens

Im deutschen Verwaltungsrecht unterscheidet man insbesondere zwischen dem Entschließungsermessen (ob eine Maßnahme getroffen wird) und dem Auswahlermessen (wie eine Maßnahme getroffen wird). Im anglo-amerikanischen Recht existieren vergleichbare Unterscheidungen unter „discretionary powers“ und „mandatory duties“.

Discretionary im Vertragsrecht und Privatrecht

Im Vertragsrecht bezeichnet „discretionary“ oft Regelungen, die es einer Vertragspartei erlauben, nach eigenem Ermessen bestimmte Handlungen vorzunehmen oder Entscheidungen zu treffen. Dies kann sich auf Optionen, Vertragsänderungen, Kündigungsrechte oder Leistungsbestimmungen beziehen. Grundlegend ist auch hier, dass der Ermessensspielraum nicht zur willkürlichen Benachteiligung der anderen Partei genutzt werden darf, sondern nach Treu und Glauben auszuüben ist.

Discretionary im Strafrecht

Im Strafrecht kann Diskretion beispielsweise bei Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden bestehen. Im US-amerikanischen Recht spricht man von „prosecutorial discretion“, wenn die Staatsanwaltschaft entscheidet, ob und in welchem Umfang Anklage erhoben wird. Auch bei der Strafzumessung werden Gerichten häufig „discretionary powers“ zugebilligt, um die konkreten Umstände des Einzelfalls angemessen berücksichtigen zu können. Hierbei ist die Einhaltung von Leitlinien und Grundrechten sicherzustellen.

Discretionary im Internationalen Recht

Im internationalen Recht kommt dem „discretionary power“ ebenfalls Bedeutung zu, etwa bei der Ausübung von Sanktions- oder Vetorechten in internationalen Organisationen, bei der Verhängung von Strafmaßnahmen oder in völkerrechtlichen Verträgen, die staatlichen Akteuren Ermessensspielräume einräumen. Auch hier gelten allgemeine rechtsstaatliche Prinzipien, etwa das Verbot von Missbrauch oder Diskriminierung.

Discretionary in der Rechtsprechung

Judikative Kontrolle

Gerichtliche Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen ist zentraler Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips. In Deutschland findet eine gerichtliche Kontrolle von „discretionary decision-making“ im Rahmen der Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung oder Ermessensmissbrauch statt. Gerichte prüfen, ob das Ermessen innerhalb der gesetzlichen Grenzen ausgeübt wurde und ob sachfremde Erwägungen eingeflossen sind.

Abgrenzung zu gebundenen Entscheidungen

Nicht jeder gesetzliche Spielraum impliziert einen Ermessensspielraum. Eine „gebundene Entscheidung“ („non-discretionary“) liegt vor, wenn die Rechtsfolge bei Vorliegen aller Voraussetzungen zwingend eintritt. Der Begriff „discretionary“ steht somit in direktem Kontrast zum Begriff der gebundenen Entscheidung.

Praxisbeispiele und Anwendungsbereiche

Discretionary Trust im anglo-amerikanischen Recht

Ein „Discretionary Trust“ ist ein spezieller Typ eines Treuhandverhältnisses, bei dem die Verteilung des Vermögens oder der Einkünfte aus dem Trust im Ermessen des Trustees („Treuhänders“) steht. Die Begünstigten haben keinen festen Anspruch, sondern können nur hoffen, dass der Trustee ihnen Vermögen zuwendet.

Discretionary Mandate im Finanzwesen

Im Finanzdienstleistungssektor spricht man von einem „discretionary mandate“, wenn ein Vermögensverwalter befugt ist, nach eigenem Ermessen Anlageentscheidungen zu treffen, ohne für jede einzelne Handlung die Zustimmung des Kontoinhabers einholen zu müssen. Auch hier gilt, dass das Ermessen im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und regulatorischer Vorgaben auszuüben ist.

Grenzen und Kontrolle der Discretionary Powers

Die Ausübung von „discretionary powers“ ist in allen Rechtsordnungen an spezifische Voraussetzungen und Einschränkungen geknüpft:

  • Beachtung gesetzlicher Vorschriften
  • Rücksichtnahme auf Grundrechte und Diskriminierungsverbote
  • Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung
  • Gerichtliche Überprüfbarkeit und Rechtsschutzmöglichkeiten
  • Bindung an das Prinzip von Treu und Glauben sowie die Verhältnismäßigkeit

Fazit

Der Begriff Discretionary spielt in zahlreichen Rechtsbereichen eine zentrale Rolle und bezeichnet jeweils einen normativ begrenzten Entscheidungsspielraum für Behörden, Gerichte, Privatpersonen oder Institutionen. Wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit und Wirksamkeit von Ermessen ist die Einhaltung gesetzlicher, verfassungsrechtlicher und vertraglicher Schranken sowie die jederzeitige gerichtliche Überprüfbarkeit. Somit sorgt die rechtsstaatliche Rahmung von „discretionary powers“ für Flexibilität, individuelle Sachgerechtigkeit und zugleich für wesentliche Rechtssicherheit und Schutz vor Willkür.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Ausübung von Discretionary-Mandaten in Deutschland erfüllt sein?

Die Ausübung von Discretionary-Mandaten, also der eigenständigen Vermögensverwaltung auf Basis eines Ermessensspielraums, erfordert in Deutschland eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß § 32 Kreditwesengesetz (KWG). Unternehmen, die Portfolios eigenverantwortlich verwalten, müssen strenge Anforderungen bezüglich Organisation, Fachkenntnissen der handelnden Personen, Eigenmittelausstattung und Risikomanagement erfüllen. Zu den rechtlichen Vorgaben zählen insbesondere die Einhaltung des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), die Implementierung von wirksamen Kontroll- und Compliance-Strukturen sowie die Dokumentation und Offenlegung sämtlicher Geschäftsaktivitäten. Regulierte Institute müssen sicherstellen, dass alle Handlungen stets im besten Interesse des jeweiligen Mandanten erfolgen und eine klare Trennung von Vermögenswerten des Kunden und des eigenen Unternehmensvermögens gewährleistet ist. Weiterhin gelten Melde- und Berichtspflichten gegenüber Aufsichtsbehörden und Kunden.

Wie werden Haftungsfragen beim Discretionary-Management rechtlich geregelt?

Beim Discretionary-Management ist der Vermögensverwalter zur ordnungsgemäßen, prudenten Ausübung seines Ermessens verpflichtet. Rechtlich ist geregelt, dass der Verwalter für Sorgfaltspflichtverletzungen haftet, insbesondere bei Verstößen gegen Weisungen, Anlagegrundsätze oder bei Pflichtverletzungen (wie unzureichender Risikostreuung oder fehlerhafter Auswahl von Anlagen). Die Haftung betrifft sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche des Kunden. Trotzdem ist ein gewisses Maß an unternehmerischem Risiko von der Haftung ausgenommen, sofern die Entscheidungen im Rahmen des eingeräumten Ermessens und nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wurden. Für Vermögensverwalter gelten außerdem Informations- und Aufklärungspflichten; deren Verletzung kann ebenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen. Zudem werden Discretionary-Vereinbarungen üblicherweise durch individuelle Vertragsklauseln konkretisiert.

Welche Informations- und Transparenzpflichten bestehen für den Vermögensverwalter bei Discretionary-Mandaten?

Der Vermögensverwalter unterliegt umfangreichen Informations- und Transparenzpflichten. Dies umfasst zunächst die Pflicht, Kunden vor Vertragsabschluss umfassend über die angebotenen Leistungen, die Kostenstruktur, die Anlagestrategie sowie die mit der Vermögensverwaltung verbundenen Risiken aufzuklären. Im laufenden Mandat muss der Verwalter regelmäßig und nachvollziehbar über alle getätigten Transaktionen, Wertentwicklungen sowie relevante Änderungen in der Vermögensstruktur berichten. Spätestens zum Ende jedes Quartals ist eine detaillierte Aufstellung (Reporting) zu erteilen. Bestehende Interessenkonflikte müssen offengelegt werden. Zudem ist die Dokumentation sämtlicher Anlagetätigkeiten für Prüfungen durch Kunden und Aufsichtsbehörden aufzubewahren. Diese Pflichten ergeben sich aus dem WpHG sowie aus den konkretisierenden Verordnungen und Richtlinien (z.B. MiFID II).

Inwieweit sind Weisungsrechte des Kunden rechtlich beschränkt oder möglich?

Rechtlich ist zwischen „Echt-discretionary“ und „Teil-discretionary“ zu unterscheiden. Bei einem echten Discretionary-Mandat hat der Verwalter volle Entscheidungsfreiheit innerhalb der vertraglichen Vorgaben – der Kunde kann keine Weisungen zu Einzeltransaktionen erteilen. Vorgaben bezüglich Anlagestrategie, Risikolimiten oder Ausschlusskriterien können jedoch vertraglich vereinbart werden und sind für den Verwalter bindend. Teil-discretionary-Modelle lassen punktuelle Weisungsrechte des Kunden zu, wobei der Umfang und die Ausgestaltung im Vertrag detailliert festgelegt werden müssen. Generell muss aus rechtlicher Sicht stets klar und transparent abgrenzbar sein, inwieweit das Mandat auf uneingeschränkter Entscheidungsvollmacht basiert oder der Kunde Mitspracherechte besitzt.

Welche Rolle spielen Interessenkonflikte und deren Regulierung?

Bei Discretionary-Mandaten können vielfältige Interessenkonflikte auftreten, insbesondere wenn der Verwalter auch eigene Produkte vertreibt oder Provisionen Dritter erhält. Nach § 63 WpHG und den MiFID II-Vorgaben ist der Verwalter verpflichtet, potenzielle Interessenkonflikte frühzeitig zu identifizieren, zu dokumentieren und geeignete organisatorische Maßnahmen zu deren Vermeidung oder Offenlegung zu treffen. Kunden müssen in verständlicher Form über bestehende oder potenzielle Interessenkonflikte informiert werden. Falls Interessenkonflikte nicht vollständig ausschließbar sind, ist darzulegen, wie diese gemanagt werden. Verstöße können zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und zivilrechtlichen Haftungsansprüchen führen.

Wie sind Kündigungsrechte und Vertragsbeendigungen bei Discretionary-Vereinbarungen rechtlich ausgestaltet?

Das Vertragsverhältnis im Rahmen eines Discretionary-Mandats ist grundsätzlich als Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB ausgestaltet und kann von beiden Seiten jederzeit mit der vereinbarten oder einer angemessenen Frist gekündigt werden. Oftmals werden vertraglich spezifische Kündigungsfristen und Modalitäten festgelegt, wobei übergeordnete gesetzlichen Regelungen Vorrang haben. Bei Kündigung ist der Vermögensverwalter verpflichtet, das Verwaltungsmandat unverzüglich und ordnungsgemäß zu beenden, etwaige offene Transaktionen abzuwickeln und das verwaltete Vermögen an den Kunden oder dessen Beauftragten zu übertragen. Nach Beendigung bestehen Nachwirkungsverpflichtungen, wie etwa die Herausgabe von Unterlagen oder abschließende Berichterstattung.

Welche Anforderungen bestehen hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit bei der Ausführung von Discretionary-Mandaten?

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen von Discretionary-Mandaten unterliegt den strengen Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Rechtlich muss sichergestellt werden, dass sämtliche Kundendaten vertraulich behandelt und nur zu den vertraglich und gesetzlich vorgegebenen Zwecken verarbeitet werden. Zudem besteht die Verpflichtung, angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten vor unbefugtem Zugriff, Verlust oder Manipulation zu treffen. Jede Datenweitergabe an Dritte darf nur unter Wahrung der gesetzlichen Vorgaben und gegebenenfalls nach Einwilligung des Kunden erfolgen. Verstöße können empfindliche Bußgelder und weitere aufsichtsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.