Begriff und rechtlicher Rahmen der Direktversicherung
Die Direktversicherung stellt eine spezielle Form der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland dar (§ 1b Abs. 2 Betriebsrentengesetz – BetrAVG). Sie ist dadurch charakterisiert, dass der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer für den Arbeitnehmer zugunsten letzterem eine Lebensversicherung, Rentenversicherung oder vergleichbare Versicherung mit biometrischen Risiken abschließt. Die Direktversicherung nimmt hierbei eine zentrale Rolle innerhalb der fünf Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung ein. Sie verbindet Elemente des Versicherungs- und Arbeitsrechts und unterliegt vielfältigen gesetzlichen Regelungen.
Überblick: Systematik der Direktversicherung
Funktionsweise und Parteien
Im Rahmen der Direktversicherung schließt der Arbeitgeber einen Versicherungsvertrag bei einem privaten Lebensversicherungsunternehmen ab. Der Arbeitnehmer ist hierbei begünstigte Person (versicherte Person und bezugsberechtigte Person) und erwirbt durch die arbeitgeberfinanzierte oder per Entgeltumwandlung finanzierte Versicherung einen Anspruch auf Versorgungsleistungen im Alter, bei Berufsunfähigkeit oder im Todesfall.
Vertragspartner der Direktversicherung
- Arbeitgeber: Versicherungsnehmer, Beitragszahler
- Arbeitnehmer: Versicherte Person und Bezugsberechtigter
- Versicherungsunternehmen: Leistungserbringer gemäß Versicherungsvertrag
Rechtliche Grundlagen
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Direktversicherungen unterliegen in erster Linie dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) sowie einschlägigen Vorschriften aus dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG), dem Einkommensteuergesetz (EStG) und dem Sozialgesetzbuch (SGB).
Betriebsrentengesetz (BetrAVG)
Das BetrAVG regelt Umfang, Anspruchsvoraussetzungen, Unverfallbarkeit, Insolvenzsicherung, Übertragbarkeit und Anpassung der Versorgungsanwartschaften und -leistungen. Die Direktversicherung ist ausdrücklich als Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung anerkannt (§ 1b Abs. 2 BetrAVG).
Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
Die Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen richtet sich nach den Vorschriften des VVG, insbesondere hinsichtlich Abschluss, Durchführung, Kündigung und Auszahlungsbedingungen der Versicherung.
Einkommensteuergesetz (EStG)
Die steuerrechtliche Behandlung von Direktversicherungen ist überwiegend in § 3 Nr. 63, § 40b EStG geregelt (siehe Abschnitt Steuerrechtliche Behandlung).
Durchführungsformen der Direktversicherung
Arten der Finanzierung
Arbeitgeberfinanzierte Direktversicherung
Hier leistet der Arbeitgeber die Beiträge zur Versicherung separat und zusätzlich zum Gehalt.
Entgeltumwandlung
Der Arbeitgeber wandelt vertraglich vereinbarte Teile des Bruttolohns des Arbeitnehmers um und entrichtet diese als Versicherungsbeiträge. Insbesondere der Anspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a BetrAVG) ermöglicht Arbeitnehmern eine sozialversicherungs- und steuerbegünstigte Eigenvorsorge über eine Direktversicherung.
Steuerrechtliche Behandlung
Beiträge zu Direktversicherungen
Beiträge zu Direktversicherungen sind regelmäßig steuerlich begünstigt: Nach § 3 Nr. 63 EStG können Beiträge bis zu 8 % der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfrei eingezahlt werden. Sozialversicherungsfreiheit besteht bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze.
Altverträge (vor 2005 abgeschlossen)
Für sog. Altverträge bis 31.12.2004 besteht eine Pauschalversteuerungsmöglichkeit der Beiträge (§ 40b EStG a.F.).
Besteuerung der Versorgungsleistung
Die Versorgungsleistungen werden im Leistungsfall (Renten- oder Kapitalauszahlung) als nachgelagerte Besteuerung gemäß § 22 Nr. 5 EStG behandelt. Beiträge, die während der Einzahlungsphase steuerfrei waren, werden im Leistungsfall voll als sonstige Einkünfte der Besteuerung unterworfen.
Sozialversicherungsrechtliche Aspekte
Beiträge zur Direktversicherung sind beitragsfrei in der Sozialversicherung, soweit sie den Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG bis zur Grenze von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreiten. Darüber hinausgehende Beiträge gelten als sozialversicherungspflichtig.
Leistungen aus Direktversicherungen zählen als Versorgungsbezüge und unterliegen im Regelfall in der Auszahlungsphase der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 229 SGB V).
Unverfallbarkeit von Anwartschaften
Gemäß § 1b Abs. 2 BetrAVG sind Anwartschaften aus einer Direktversicherung nach Eintritt der Unverfallbarkeit gesichert. Unverfallbarkeit tritt ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem 21. Lebensjahr beendet wurde oder die Zusage mindestens drei Jahre bestanden hat und das 21. Lebensjahr vollendet wurde (bei Zusagen ab 2018: nach drei Jahren und bei mindestens 21 Jahren Alter).
Übertragbarkeit, Portabilität und Beendigung
Portabilität
Seit 2005 besteht nach § 4 BetrAVG ein gesetzlicher Anspruch auf Übertragung (Portabilität) von betrieblichen Altersvorsorge-Anwartschaften bei Arbeitgeberwechsel, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Beendigung des Versicherungsvertrags
Der Arbeitgeber bleibt Versicherungsnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Mit Ende des Arbeitsverhältnisses kann das Versicherungsverhältnis auf den Arbeitnehmer übertragen werden.
Insolvenzschutz
Direktversicherungen unterliegen einem eigenen Schutzregime: Die Ansprüche von Arbeitnehmern, die auf eine Direktversicherung beruhen, sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG grundsätzlich insolvenzgeschützt, sofern eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung besteht oder das Bezugsrecht nicht mehr ohne Zustimmung des Arbeitnehmers entzogen werden kann.
Regelungen bei Ausscheiden aus dem Unternehmen
Beim Ausscheiden des Arbeitnehmers ermöglichen verschiedene gesetzliche Regelungen die Mitnahme oder Fortführung der Direktversicherung (z. B. durch Beitragsfreistellung, Übertragung auf neuen Arbeitgeber, private Fortführung).
Sonstige Besonderheiten
Bezugsrecht
Der Arbeitnehmer hat ein unwiderrufliches Bezugsrecht auf die Versicherungsleistung nach Eintritt der Unverfallbarkeit (§ 2 Abs. 2 BetrAVG), sofern der Vertrag nicht widerruflich ausgestaltet wurde.
Vererblichkeit, Übertragbarkeit und Abtretbarkeit
Die Ansprüche aus der Direktversicherung sind im Regelfall vererbbar, abtretbar und beleihbar, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist.
Abgrenzung zu anderen Durchführungswegen
Im Gegensatz zur Pensionskasse, Unterstützungskasse, Pensionsfonds und Direktzusage bedarf es bei der Direktversicherung keiner zusätzlichen Insolvenzsicherung durch den Pensions-Sicherungs-Verein aG, da die Versicherung im Konkursfall direkt zugunsten des Arbeitnehmers ausgezahlt wird.
Zusammenfassung
Die Direktversicherung ist ein rechtlich umfassend geregelter, insbesondere arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlich relevanter Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung. Dabei stellen sowohl die Absicherung der Anwartschaften als auch die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Begünstigung zentrale Säulen des Rechtsinstituts dar. Die Regelungsdichte, das Zusammenspiel verschiedener Rechtsbereiche sowie die spezifischen Schutzmechanismen machen die Direktversicherung zu einem wichtigen Rechtsbegriff des deutschen Arbeits- und Sozialrechts.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Regelungen sind bei einer Direktversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zu beachten?
Die Direktversicherung als Form der betrieblichen Altersversorgung (bAV) unterliegt in Deutschland insbesondere den Vorgaben des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG). Dieses Gesetz regelt das Grundverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, einschließlich der Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung. Zudem kommt das Einkommensteuergesetz (EStG) zur Anwendung, insbesondere § 3 Nr. 63 EStG, der steuerliche Vorteile für Beiträge zur Direktversicherung ermöglicht sowie die Voraussetzungen für Steuerfreiheit und Beitragspflichten definiert. Sozialversicherungsrechtlich sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs IV maßgeblich, wonach Beiträge zur Direktversicherung grundsätzlich der Sozialversicherungspflicht unterliegen können, insbesondere in der Auszahlungsphase. Außerdem ist das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) hinsichtlich der Vertragsbedingungen der Versicherung selbst relevant. In Fällen der Insolvenz des Arbeitgebers gilt das Insolvenzschutzrecht nach §§ 7-15 BetrAVG, das einen Schutz der betrieblichen Altersversorgung vorsieht. Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten entscheidet in letzter Instanz häufig das Bundesarbeitsgericht oder das Bundesverfassungsgericht, deren Rechtsprechung stets zu beachten ist.
Inwieweit ist der Arbeitgeber bei einer Direktversicherung zu bestimmten Informationspflichten gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet?
Der Arbeitgeber ist nach § 4a BetrAVG verpflichtet, dem Arbeitnehmer auf dessen Verlangen hin Auskünfte über die Art und den Umfang der zugesagten Leistungen, die Voraussetzungen für deren Erfüllung und die Finanzierung der Versorgungsleistungen zu erteilen. Diese Informationspflicht umfasst insbesondere Hinweise auf die Höhe der Beiträge, den Durchführungsweg, mögliche Steuer- und Sozialversicherungspflichten sowie etwaige Risiken, insbesondere bezüglich Garantie und Überschussbeteiligung der Versicherung. Verstöße gegen diese Informationspflicht können Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers begründen, sofern ihm durch die unterlassene oder fehlerhafte Information Nachteile entstehen (§ 280 BGB i.V.m. § 4a BetrAVG). Weiterhin ist Arbeitgeber verpflichtet, bei Änderung der Vertragsbedingungen oder der gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechende Informationen zeitnah an die Arbeitnehmer weiterzugeben.
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Direktversicherung vorzeitig gekündigt oder beitragsfrei gestellt werden und welche rechtlichen Folgen ergeben sich daraus?
Eine vorzeitige Kündigung einer Direktversicherung ist grundsätzlich möglich, jedoch sind hierbei die Einschränkungen des Betriebsrentengesetzes sowie des Versicherungsvertragsgesetzes zu beachten. Eine vollständige Kündigung während der aktiven Dienstzeit führt regelmäßig dazu, dass der Rückkaufswert zur Auszahlung kommt. Diese Auszahlung ist oft mit erheblichen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Nachteilen verbunden, wie der sofortigen Versteuerung des Auszahlungsbetrages und der Erhebung der vollen Sozialversicherungsbeiträge (vgl. § 229 SGB V). Bei einer Beitragsfreistellung bleibt der Vertrag erhalten, aber es werden keine weiteren Beiträge eingezahlt; der Anspruch auf Altersversorgung mindert sich entsprechend. Der gesetzliche Anspruch auf Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG bleibt hiervon unberührt, sofern die entsprechenden Voraussetzungen (z.B. Betriebszugehörigkeit über drei Jahre und Mindestalter von 21 Jahren) erfüllt sind.
Welche Pfändungs- und Abtretungsmöglichkeiten bestehen bei Direktversicherungen im rechtlichen Kontext?
Gemäß § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG sind Ansprüche aus einer Direktversicherung, die im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen wurden, grundsätzlich nicht abtretbar und nicht verpfändbar, solange sie dem Zweck der Altersversorgung dienen. Eine Abtretung oder Beleihung ist nur dann zulässig, wenn der Versorgungsempfänger seine Versorgungsanwartschaften im Falle des Bezugs einer Leistung (z.B. zur Tilgung von Hypothekenschulden) einsetzt. Im Falle einer Pfändung durch Dritte sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 850 ff. ZPO) zu beachten, wonach die Leistungen aus einer Direktversicherung als Arbeitseinkommen behandelt werden können und Pfändungsschutz nur im Rahmen der dort geltenden Pfändungsfreigrenzen besteht. Nur bei vollständiger Privatstellung (z.B. nach Ausscheiden ohne neuen Arbeitgeber) kann eine Abtretung durch die versicherte Person erfolgen.
Was geschieht bei einem Arbeitgeberwechsel mit der Direktversicherung aus rechtlicher Sicht?
Nach § 4 BetrAVG hat der Arbeitnehmer beim Wechsel des Arbeitgebers grundsätzlich einen Anspruch darauf, den Direktversicherungsvertrag in bestimmten Fällen zum neuen Arbeitgeber mitzunehmen (Portabilität). Dies gilt, sofern die Direktversicherung kapitalgedeckt ist und der neue Arbeitgeber bereit ist, an den bestehenden Vertrag anzuknüpfen. Alternativ kann der Vertrag privat weitergeführt werden, wobei der Rechtscharakter der betrieblichen Altersversorgung für bestimmte steuerliche Förderungen regelmäßig erhalten bleibt, solange keine vollständige Kapitalauszahlung erfolgt. Ansprüche auf bereits erdiente Anwartschaften bleiben nach Maßgabe der Unverfallbarkeitsregelungen (§ 1b BetrAVG) bestehen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei Nichteinigung über die Fortführung kann der Vertrag beitragsfrei gestellt werden, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Höhe der späteren Leistungen.
Wie ist die Besteuerung der Leistungen aus einer Direktversicherung rechtlich geregelt?
Die Besteuerung von Leistungen aus einer Direktversicherung folgt den sog. nachgelagerten Besteuerungsgrundsätzen des § 22 Nr. 5 EStG. Das bedeutet, dass während der Ansparphase Beiträge steuerlich gefördert werden können (z.B. durch Steuerfreiheit der Beiträge bis zu einer gewissen Höchstgrenze gemäß § 3 Nr. 63 EStG), während die späteren Auszahlungen als sonstige Einkünfte voll zu versteuern sind, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Auch Sozialversicherungsbeiträge (zum Beispiel zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung) werden auf die ausgezahlte Leistung im Regelfall erhoben (§ 229 SGB V). Ausnahmen gelten bei Verträgen, die vor dem Jahr 2005 abgeschlossen wurden (Altverträge), für die teils abweichende steuerliche Regelungen bestehen.
Welche gesetzlichen Schutzmechanismen existieren im Insolvenzfall des Arbeitgebers bei einer Direktversicherung?
Für Direktversicherungen besteht gemäß § 7 BetrAVG ein besonderer Insolvenzschutz. Beiträge, die vom Arbeitgeber für eine Direktversicherung gezahlt wurden, sind durch das Versicherungsverhältnis gesichert und fallen nicht in die Insolvenzmasse des Arbeitgebers. Wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig wird, bleibt der Anspruch des Arbeitnehmers auf die Versicherungsleistung grundsätzlich bestehen. Die Leistungen werden dann direkt von der Versicherungsgesellschaft an den Arbeitnehmer ausgezahlt, sofern die versicherungsvertraglichen Voraussetzungen vorliegen. Sollte der Arbeitgeber allerdings mit Beitragszahlungen im Rückstand sein, kann der Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) unter bestimmten Bedingungen für nicht gezahlte Beiträge eintreten, wobei hier gesonderte Nachweispflichten zu beachten sind.