Begriff und medizinischer Hintergrund der Diphtherie
Diphtherie ist eine akute, durch das Bakterium Corynebacterium diphtheriae verursachte Infektionskrankheit, die in erster Linie die Schleimhäute der oberen Luftwege befällt, aber auch andere Organe betreffen kann. Das für die Erkrankung typische Diphtherietoxin wirkt systemisch und kann lebensbedrohliche Komplikationen hervorrufen. Die Krankheit ist durch hohe Ansteckungsfähigkeit gekennzeichnet und insbesondere für nicht geimpfte Personen gefährlich.
Rechtliche Einordnung der Diphtherie
Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Meldepflichtige Krankheiten und Erreger
Gemäß § 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist Diphtherie in Deutschland als meldepflichtige Krankheit aufgeführt. Bereits der Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung selbst, sowie der Tod infolge einer Diphtherie-Infektion müssen dem zuständigen Gesundheitsamt unverzüglich gemeldet werden. Darüber hinaus ist nach § 7 IfSG auch der direkte oder indirekte Nachweis des Diphtherie-Erregers meldepflichtig, sofern dieser auf eine akute Infektion hinweist.
Ziel der Meldepflicht
Die Meldepflicht dient der Überwachung und Eindämmung von Infektionskrankheiten, um eine Ausbreitung in der Bevölkerung frühzeitig erkennen und effektiv bekämpfen zu können. Sie stellt damit ein zentrales Instrument des öffentlichen Gesundheitsschutzes dar.
Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz
Isolierung und Quarantäne
Um die Ausbreitung der Diphtherie zu verhindern, können nach § 30 IfSG besondere Maßnahmen angeordnet werden. Dazu zählen die Absonderung (Isolierung) infizierter oder krankheitsverdächtiger Personen in geeigneten Einrichtungen und die Durchführung von Quarantänemaßnahmen. Diese Maßnahmen können mit behördlicher Anordnung auch gegen den Willen betroffener Personen umgesetzt werden, soweit sie zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich sind.
Beobachtung und Berufsverbot
Nach § 29 IfSG kann das Gesundheitsamt anordnen, dass Kontaktpersonen unter Beobachtung gestellt werden. Nach § 31 IfSG und § 42 IfSG kann im Falle einer Diphtherie-Erkrankung oder eines -Verdachts auch ein Tätigkeitsverbot für bestimmte Personen verhängt werden, insbesondere wenn diese im Lebensmittelbereich, im Gesundheitswesen oder in Gemeinschaftseinrichtungen tätig sind.
Impfpflicht und Anforderungen an Gemeinschaftseinrichtungen
Impfempfehlung und Impfpflicht
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt die Schutzimpfung gegen Diphtherie für alle Kinder und Jugendliche. In bestimmten Berufsfeldern, insbesondere im Gesundheitswesen, kann eine Impfung arbeitsrechtlich vorgeschrieben oder als Einstellungsvoraussetzung verlangt werden. Eine generelle gesetzliche Impfpflicht gegen Diphtherie besteht in Deutschland jedoch derzeit nicht.
Diphtherie in Gemeinschaftseinrichtungen
Gemäß § 34 IfSG haben Leiterinnen und Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen, Kindergärten oder Heimen besondere Pflichten. Bei Auftreten oder Verdacht auf Diphtherie sind sie verpflichtet, das Gesundheitsamt zu informieren. Betroffene Kinder, Jugendliche oder andere Personen dürfen die Einrichtung nicht betreten, bis nachweislich keine Ansteckungsgefahr mehr besteht.
Arbeitsrechtliche Implikationen
Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit
Eine mit Diphtherie erkrankte Person gilt als arbeitsunfähig, solange sie infektiös ist. Während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, insbesondere im Hinblick auf Entgeltfortzahlung, Anzeige- und Nachweispflichten gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).
Anzeige- und Nachweispflichten
Beschäftigte sind verpflichtet, dem Arbeitgeber die Erkrankung und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen. Bei meldepflichtigen Erkrankungen wie Diphtherie sind auch Betriebsgesundheitsdienste und das zuständige Gesundheitsamt zu informieren.
Diphtherie als Berufskrankheit
Anerkennung als Berufskrankheit
Diphtherie kann unter bestimmten Voraussetzungen als Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) anerkannt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Infektion während einer beruflichen Tätigkeit, zum Beispiel im Gesundheitswesen, im Laborbereich oder bei bestimmten Tätigkeiten im Umgang mit infektiösen Personen, erworben wurde.
Leistungen und Ansprüche
Ist Diphtherie als Berufskrankheit anerkannt, besteht ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, darunter Heilbehandlung, Rehabilitation, Verletztengeld sowie gegebenenfalls Rentenzahlungen und weitere Leistungen nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Haftungsrechtliche Aspekte bei Diphtherie
Haftung bei Impfschäden
Im Fall von Impfschäden, die durch die ordnungsgemäße Verabreichung des in Deutschland zugelassenen Diphtherie-Impfstoffs entstanden sind, greift das staatliche Entschädigungssystem gemäß § 60 IfSG. Betroffene Personen haben bei nachgewiesenen Impfschäden Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Haftung bei Ansteckung in Einrichtungen
Wird Diphtherie in Gemeinschaftseinrichtungen oder Gesundheitseinrichtungen durch unsachgemäße Hygienemaßnahmen oder Verletzung der Meldepflichten weiterverbreitet, können Schadenersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, deliktischer Haftung (§ 823 BGB) oder aus Amtshaftung (§ 839 BGB) entstehen.
Zusammenfassung und Ausblick
Diphtherie ist in Deutschland eine seltene, aber nach wie vor relevante meldepflichtige Infektionskrankheit, die mit weitreichenden rechtlichen Regelungen zum Infektionsschutz einhergeht. Die umfangreichen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes dienen dem öffentlichen Gesundheitsschutz und regeln Maßnahmen zur Eindämmung, den Schutz von Beschäftigten und Gemeinschaftseinrichtungen sowie die Haftung für etwaige Impfschäden oder Infektionsverbreitung. Die Anerkennung als Berufskrankheit und die damit verbundenen Ansprüche gewähren zusätzlichen Schutz für Personen besonders gefährdeter Berufsgruppen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen unterstreichen die Bedeutung des kollektiven Gesundheitsschutzes und der Prävention durch Impfung und Hygienemaßnahmen.
Häufig gestellte Fragen
In welchen Fällen besteht in Deutschland eine Meldepflicht für Diphtherie?
Die Meldepflicht für Diphtherie ist in Deutschland gesetzlich im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt. Nach § 6 und § 7 IfSG sind sowohl der Verdacht auf eine Erkrankung, die tatsächliche Erkrankung als auch der Tod durch Diphtherie meldepflichtig. Dies gilt für Ärzte sowie für Leiter von medizinischen Einrichtungen. Bereits der begründete Verdacht verpflichtet also zur Meldung an das zuständige Gesundheitsamt, unabhängig davon, ob eine gesicherte Labordiagnose vorliegt. Ergänzend hierzu sieht § 7 IfSG auch eine labordiagnostische Meldepflicht vor, d.h. wenn das zuständige Labor den Erreger Corynebacterium diphtheriae nachweist, muss dies dem Gesundheitsamt gemeldet werden, und zwar namentlich. Die Übermittlung muss spätestens 24 Stunden nach Kenntniserlangung erfolgen. Die Meldepflicht dient vor allem der Früherkennung und der schnellen Verhinderung einer Ausbreitung der Krankheit sowie dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Ein Unterlassen oder Versäumnis der Meldung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit Bußgeldern geahndet werden.
Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich bei einer Verletzung der Meldepflicht für Diphtherie?
Die Verletzung der Meldepflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und ist gemäß § 73 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bußgeldbewehrt. Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Versäumnis, eine Erkrankung, einen Verdacht oder einen Erregernachweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig zu melden, kann das zuständige Gesundheitsamt ein Bußgeld verhängen. Die Höhe des Bußgeldes kann, je nach Bundesland und Schwere des Verstoßes, bis zu 25.000 Euro betragen. In besonders gravierenden Fällen, etwa wenn aus dem Meldeversäumnis heraus eine Verbreitung von Diphtherie mit schwerwiegenden Folgen resultiert, kann neben dem Bußgeld auch strafrechtliche Relevanz entstehen, zum Beispiel aufgrund einer fahrlässigen Körperverletzung. Darüber hinaus kann ein solcher Verstoß auch berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, insbesondere für Ärzte und medizinisches Personal.
Besteht eine Impfpflicht gegen Diphtherie in Deutschland?
Derzeit besteht in Deutschland keine explizite, alleinige Impfpflicht gegen Diphtherie für die Gesamtbevölkerung. Jedoch gilt seit dem 1. März 2020 gemäß Masernschutzgesetz eine Impfpflicht für Masern, bei der Kombinationsimpfstoffe (wie DTP – Diphtherie, Tetanus, Pertussis) regelmäßig verabreicht werden. Dadurch besteht in der Praxis für Kinder im schulischen und vorschulischen Bereich eine mittelbare Verpflichtung, auch gegen Diphtherie geimpft zu sein, wenn sie einen Kombinationsimpfstoff erhalten. Für bestimmte Berufsgruppen, wie medizinisches Personal oder Personen in Gemeinschaftseinrichtungen, fordert das Infektionsschutzgesetz zudem den Nachweis eines Impfschutzes bzw. einer Immunität, wobei dies explizit für Diphtherie empfohlen, aber nicht gesetzlich verpflichtend ist. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) hat dabei hohe Bedeutung, rechtlich verpflichtend ist sie aber grundsätzlich nicht, außer im Rahmen spezifischer Hygiene- oder Infektionsschutzverordnungen von Bundesländern.
Welche besonderen Rechtsgrundlagen gelten für Gemeinschaftseinrichtungen bezüglich Diphtherie?
Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen und ähnliche Bildungseinrichtungen unterliegen den besonderen Bestimmungen des IfSG. Nach § 34 IfSG dürfen Kinder mit Diphtherie oder dem Verdacht darauf sowie deren Geschwister oder andere enge Kontaktpersonen die Einrichtung nicht besuchen, bis eine Weiterverbreitung nicht mehr zu befürchten ist. Dies gilt auch für Betreuungspersonen. Die Leitung der jeweiligen Einrichtung ist verpflichtet, das Auftreten von Diphtherie oder Diphtherie-Verdachtsfällen unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Das Gesundheitsamt entscheidet dann über weitere Maßnahmen, wie ein Betretungsverbot oder Quarantäneanordnungen. Die Einhaltung dieser Maßnahmen ist verpflichtend und Verstöße können mit Bußgeldern belegt werden.
Welche Maßnahmen kann das Gesundheitsamt im Rahmen der Gefahrenabwehr bei Diphtherie anordnen?
Das Gesundheitsamt hat gemäß Infektionsschutzgesetz weitreichende Befugnisse zur Gefahrenabwehr bei Diphtherie. Zu den möglichen Maßnahmen zählen etwa das Anordnen einer häuslichen Isolation (Quarantäne) für Erkrankte und Verdachtsfälle sowie für enge Kontaktpersonen. Auch ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot für bestimmte Einrichtungen kann verhängt werden (§ 31, § 34 IfSG). Darüber hinaus kann das Gesundheitsamt nach § 16 IfSG Anweisungen zur Durchführung von Desinfektionsmaßnahmen, Untersuchungen oder prophylaktischen Maßnahmen erteilen, darunter beispielsweise die Gabe von Antibiotika oder die Impfung eines betroffenen Personenkreises. Bei Nichtbeachtung dieser Anordnungen können Zwangsgelder und Bußgelder verhängt werden. In schweren Fällen sind auch zwangsweise Durchsetzungen, etwa durch polizeiliche Unterstützung, rechtlich möglich.
Welche Dokumentationspflichten bestehen im Zusammenhang mit Diphtherie?
Ärzte und medizinische Einrichtungen unterliegen neben der Meldepflicht auch einer strengen Dokumentationspflicht. Nach dem Infektionsschutzgesetz und den jeweiligen Berufsordnungen müssen sämtliche Verdachtsdiagnosen, Nachweise und Therapien im Zusammenhang mit Diphtherie lückenlos dokumentiert werden. Dies umfasst auch die Meldung an das Gesundheitsamt und die Nachweise über durchgeführte Maßnahmen, wie Isolation, Behandlung, Desinfektion und Kontaktermittlung. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung dienen diese Unterlagen dem Nachweis einer ordnungsgemäßen Amts- und Berufsausübung sowie der Einhaltung der gesetzlichen Melde- und Aufklärungspflichten. Verstöße gegen die Dokumentationspflicht können berufsrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen, etwa bei Schadensersatzforderungen, nach sich ziehen.
Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen dürfen Informationen zu Diphtherie-Fällen an Dritte weitergegeben werden?
Die Weitergabe personenbezogener Daten im Zusammenhang mit meldepflichtigen Erkrankungen wie Diphtherie ist durch das Infektionsschutzgesetz (§ 8, § 10 IfSG) sowie durch datenschutzrechtliche Bestimmungen, insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), geregelt. Grundsätzlich dürfen Gesundheitsdaten nur übermittelt werden, soweit dies zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist und eine gesetzliche Grundlage wie das IfSG vorliegt. Das Gesundheitsamt erhält namentliche Meldungen, interne Weitergaben innerhalb medizinischer Einrichtungen müssen auf das notwendige Maß beschränkt bleiben und sind zu dokumentieren. Eine Weitergabe an nicht medizinisches Personal oder Außenstehende (zum Beispiel Arbeitgeber) ist nur dann zulässig, wenn hierfür eine rechtliche Grundlage besteht, wie bei Anordnung eines Tätigkeitsverbots (§ 31 IfSG), oder bei einer besonderen Gefahrensituation gemäß behördlicher Anweisung. Jede Weitergabe ist auf das erforderliche Maß zu beschränken und unterliegt den Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung; eine unbefugte Offenbarung stellt eine Datenschutzverletzung dar und kann sowohl berufsrechtliche als auch zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.