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Digital Services Act


Digital Services Act (DSA): Gesetzlicher Rahmen für digitale Dienste in der Europäischen Union

Einführung und Begriffsbestimmung

Der Digital Services Act (DSA), offiziell Verordnung (EU) 2022/2065 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste, stellt einen zentralen Baustein des europäischen Rechtsrahmens für Online-Dienste und digitale Plattformen dar. Mit Inkrafttreten am 16. November 2022 und Anwendbarkeit ab dem 17. Februar 2024 hat der DSA das Ziel, einheitliche Vorschriften zur Erbringung digitaler Dienste innerhalb der Europäischen Union zu schaffen und sowohl Verbraucher als auch Grundrechte im digitalen Raum umfassend zu schützen.

Anwendungsbereich und Geltungsbereich

Anwendungsbereich

Der Digital Services Act richtet sich an eine Vielzahl digitaler Akteure, darunter:

  • Vermittlungsdienste (Intermediäre)
  • Hosting-Dienste
  • Online-Plattformen, einschließlich Marktplätzen und sozialen Netzwerken
  • Sehr große Online-Plattformen (VLOPs) und sehr große Online-Suchmaschinen (VLOSEs)

Der DSA gilt für sämtliche Anbieter, die digitale Dienste für Nutzerinnen und Nutzer in der EU anbieten, unabhängig vom Sitz des Anbieters.

Exterritoriale Wirkung

Durch den sogenannten Marktort-Grundsatz erfasst der DSA auch Anbieter mit Sitz außerhalb der EU, soweit diese Dienste in der Europäischen Union bereitstellen und dort Nutzerinnen und Nutzer ansprechen.

Zielsetzung des Digital Services Act

Die zentralen Zielsetzungen des DSA bestehen insbesondere darin:

  • Einen sicheren und vertrauenswürdigen digitalen Binnenmarkt zu gewährleisten
  • Die illegale Nutzung digitaler Dienste einzudämmen und Rechtsdurchsetzung zu erleichtern
  • Transparenz- und Informationspflichten für Anbieter digitaler Dienste einzuführen
  • Die Rechte der Nutzer im digitalen Raum zu stärken
  • Die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden der Mitgliedstaaten zu fördern

Begriffsbestimmungen nach Art. 3 DSA

Der DSA definiert in Art. 3 zentrale Begriffe, die für die Anwendung der Verordnung maßgeblich sind. Zu den wichtigsten zählen:

  • Vermittlungsdienste: Dienste, die es ermöglichen, Informationen im Netz weiterzuleiten, zu speichern oder zu hosten, beispielsweise Internet-Access-Provider oder Hosting-Plattformen.
  • Hostingdienste: Speicherung von Informationen im Auftrag eines Nutzers.
  • Online-Plattform: Hostingdienste, die Informationen auf Wunsch des Nutzers veröffentlichen und verbreiten (z.B. soziale Netzwerke, Marktplätze).
  • Sehr große Online-Plattformen / Suchmaschinen: Dienste mit mindestens 45 Millionen monatlich aktiven Nutzern in der EU, denen besondere Pflichten auferlegt werden.

Wesentliche Pflichten nach dem Digital Services Act

Allgemeine Sorgfaltspflichten für alle Vermittlungsdienste (Art. 11 ff. DSA)

Alle Anbieter digitaler Vermittlungsdienste unterliegen grundlegenden Sorgfaltspflichten, darunter:

  • Benennung eines Kontaktpunkts für Behörden und Nutzer
  • Veröffentlichung eines jährlichen Transparenzberichts über Inhaltssperrungen und eingegangene Anordnungen

Spezielle Pflichten für Hostingdienste (Art. 16 ff. DSA)

Im Bereich Hosting werden spezifische Pflichten statuiert, insbesondere:

  • Implementierung von Verfahren zur Meldung und Entfernung rechtswidriger Inhalte („Notice and Action“-Mechanismus)
  • Information betroffener Nutzer über Sperrungen oder Löschungen

Pflichten für Online-Plattformen (Art. 19 ff. DSA)

Online-Plattformen müssen über die Pflichten für Hostingdienste hinaus:

  • Ein internes Beschwerdemanagementsystem vorhalten
  • Maßnahmen gegen wiederholt illegale Aktivitäten von Nutzern treffen („Repeat Offenders“-Regelung)
  • Transparenzpflichten bezüglich angewandter automatisierter Entscheidungsfindung erfüllen

Besondere Anforderungen an sehr große Online-Plattformen (Art. 33 ff. DSA)

Sehr großen Online-Plattformen und Suchmaschinen werden weitergehende Verpflichtungen auferlegt, unter anderem:

  • Durchführung von Risikoanalysen hinsichtlich potenziell gesellschaftlich schädlicher Auswirkungen (z.B. Verbreitung illegaler Inhalte, Desinformation)
  • Umsetzung risikomindernder Maßnahmen sowie Durchführung unabhängiger externen Audits
  • Offenlegung der Funktionsweise von Empfehlungsalgorithmen
  • Verpflichtung zur Einrichtung spezieller Schnittstellen (APIs) für Forschende und Regulierungsbehörden

Umsetzung und Durchsetzung

Zuständige Behörden

Jeder Mitgliedstaat ist verpflichtet, eine oder mehrere zuständige Behörden („Digital Services Coordinator“ – DSC) zu benennen. Diese Behörden überwachen die Einhaltung der DSA-Vorschriften auf nationaler Ebene und fungieren als Ansprechpartner für Anbieter digitaler Dienste.

Europäische Aufsicht und Zusammenarbeit

Die Kommission übernimmt unmittelbar die Überwachung der sehr großen Online-Plattformen und Suchmaschinen. Ein EU-weiter Ausschuss für digitale Dienste (European Board for Digital Services) soll die Zusammenarbeit, Koordination und Kohärenz der Durchsetzung sicherstellen.

Sanktionen und Durchsetzungsmechanismen

Verstöße gegen den DSA können mit Geldbußen in Höhe von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes eines Dienstleisters geahndet werden. Zudem sind effektive Verfahren zur Bekämpfung von Missbrauch und zum Schutz der Nutzerrechte vorgesehen.

Verhältnis zu anderen Rechtsakten

E-Commerce-Richtlinie

Der DSA ersetzt in weiten Teilen die bisherige E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG) aus dem Jahr 2000 und modernisiert den europäischen Rechtsrahmen, um aktuellen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Digital Markets Act (DMA)

Neben dem DSA wurde der Digital Markets Act (DMA) erlassen, der sich speziell mit Marktregulierung und der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen durch Gatekeeper-Unternehmen befasst. Beide Rechtsakte bilden zusammen den „Digital Services Act Package“ der EU.

Ergänzende nationale Gesetze

Mitgliedstaaten dürfen einzelstaatliche Regelungen, welche den Zielen des DSA nicht zuwiderlaufen, weiterhin anwenden, sofern und soweit sie von der Verordnung nicht direkt harmonisiert sind.

Bewertung der Bedeutung des Digital Services Act

Mit dem DSA verfügt die Europäische Union über einen modernen, detaillierten und einheitlichen Rechtsrahmen für digitale Dienstleistungen, der Innovation, Nutzerrechte und Rechtsdurchsetzung im digitalen Raum gleichermaßen adressiert. Die Verordnung markiert einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Verantwortung und Transparenz digitaler Dienste und stärkt das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer im Binnenmarkt der EU.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Verordnung (EU) 2022/2065 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Oktober 2022
  • EUR-Lex: Official Journal of the European Union
  • Stellungnahmen der Europäischen Kommission zum DSA

Diese ausführliche Übersicht bietet eine rechtssichere Darstellung des Digital Services Act als Bestandteil des europäischen Digitalrechts und erläutert umfassend die zentralen Begriffsbestimmungen, Anwendungsbereiche, Pflichten und Durchsetzungsmechanismen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Pflichten haben sehr große Online-Plattformen (VLOPs) und sehr große Online-Suchmaschinen (VLOSEs) nach dem Digital Services Act?

Sehr große Online-Plattformen (VLOPs) und sehr große Online-Suchmaschinen (VLOSEs) unterliegen nach dem Digital Services Act (DSA) besonders strengen Verpflichtungen, da sie als Akteure mit erheblicher Reichweite und gesellschaftlichem Einfluss gelten. Sie müssen zum einen ein umfassendes Risikomanagementsystem implementieren, das eine Identifikation, Analyse und Minimierung systemischer Risiken ermöglicht, etwa bei der Verbreitung illegaler Inhalte oder schädlichen Auswirkungen auf den demokratischen Diskurs und die öffentliche Gesundheit. Weiterhin sind sie verpflichtet, einmal jährlich detaillierte Risikoberichte zu erstellen und öffentlich zugänglich zu machen. Des Weiteren besteht die Verpflichtung zur Durchführung unabhängiger Audits, welche die Effektivität der getroffenen Maßnahmen überprüfen sollen. Auch müssen sie für eine erhöhte Transparenz sorgen, etwa durch die Offenlegung ihrer Werbesysteme, Empfehlungsmechanismen und die Begründung für Inhaltsentscheidungen gegenüber Nutzerinnen und Nutzern. Zudem sind sie verpflichtet, eine zentrale Anlaufstelle für Behörden und eine leicht zugängliche Kontaktmöglichkeit für Nutzer zu schaffen und Mechanismen für Beschwerdemanagement und außergerichtliche Streitbeilegung bereitzustellen. Die Einhaltung dieser Pflichten wird durch die Europäische Kommission überwacht und kann bei Nichteinhaltung mit erheblichen Bußgeldern sanktioniert werden.

Wie regelt der Digital Services Act das Vorgehen gegen illegale Inhalte?

Nach dem DSA sind Online-Dienste verpflichtet, Mechanismen zur Meldung und schnellen Entfernung illegaler Inhalte bereitzustellen („Notice-and-Action“-Verfahren). Anbieter müssen Meldungen von Nutzern oder „vertrauenswürdigen Hinweisgebern“ (trusted flaggers) effizient bearbeiten und zeitnah bewerten, ob beanstandete Inhalte tatsächlich gegen geltendes Recht oder die eigenen Nutzungsbedingungen verstoßen. Bei einer positiven Bewertung müssen Inhalte unverzüglich entfernt oder gesperrt werden. Gleichzeitig ist Transparenz sicherzustellen, insbesondere müssen die betroffenen Nutzer über die Gründe der Entfernung oder Sperrung informiert werden sowie die Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs erhalten. Plattformen dürfen dabei keine proaktive, allgemeine Überwachungspflicht auferlegt werden, sie sind jedoch zu proaktiven Maßnahmen verpflichtet, um wiederholte Verstöße systematisch zu unterbinden, wenn beispielsweise dieselben Inhalte wiederholt hochgeladen werden. Geregelt ist zudem, dass Behörden Inhalte direkt melden können und Plattformen diesen Anordnungen Folge leisten müssen.

Wie sind die Transparenzpflichten im Hinblick auf Werbung und Empfehlungsalgorithmen geregelt?

Der DSA legt weitreichende Transparenzpflichten insbesondere im Bereich der Online-Werbung fest: Nutzer müssen klar und verständlich darüber informiert werden, dass es sich bei angezeigten Inhalten um Werbung handelt und wer für diese verantwortlich ist. Zusätzlich müssen Plattformen offenlegen, nach welchen Kriterien Nutzern bestimmte Werbeanzeigen angezeigt werden, also welche Daten und Profile zu ihrer Auswahl herangezogen wurden. Im Hinblick auf Empfehlungsalgorithmen müssen Plattformen erklären, wie ihre Algorithmen Inhalte priorisieren oder personalisieren und welche wichtigsten Parameter dabei eine Rolle spielen. Nutzern muss mindestens eine Option bereitgestellt werden, Inhalte ohne Profiling anhand personenbezogener Daten anzuzeigen („nicht-personalisierte“ Empfehlungen). Die Vorgaben werden unter anderem durch regelmäßige Transparenzberichte der Diensteanbieter und spezielle Berichtspflichten für VLOPs und VLOSEs flankiert.

Welche Rechte haben Nutzer bei der Moderation und Entfernung von Inhalten?

Nutzer, deren Inhalte von einer Online-Plattform entfernt oder gesperrt wurden, haben gemäß DSA Anspruch auf eine transparente Information über den Grund der Maßnahme. Plattformen sind verpflichtet, den Nutzern eine verständliche Begründung der Entfernung, Sperrung oder Beschränkung zu senden. Weiterhin sieht der DSA vor, dass Nutzer wirksame Beschwerdemechanismen erhalten, um Entscheidungen der Plattform anzufechten. Dazu gehören sowohl interne Beschwerdesysteme als auch außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren durch unabhängige Stellen. Werden Beschwerden abgelehnt, besteht zusätzlich der Weg zum ordentlichen Gerichtsverfahren. Dies gilt auch für Maßnahmen, die während automatisierter Moderationsprozesse (z.B. durch Künstliche Intelligenz) erfolgen.

Welche Rolle spielen nationale und europäische Behörden bei der Durchsetzung des DSA?

Die Durchsetzung des DSA erfolgt sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Jeder EU-Mitgliedstaat benennt eine sogenannte Koordinierungsstelle für digitale Dienste (Digital Services Coordinator, DSC), die zentrale Anlaufstelle für Beschwerden, Ermittlungen und Durchsetzungsmaßnahmen im jeweiligen Land ist. Diese Stellen überwachen die Einhaltung des Gesetzes und können Untersuchungen anstoßen, Informationsanforderungen stellen und Bußgelder verhängen. Für sehr große Plattformen und Suchmaschinen übernimmt die Europäische Kommission eine direkte Überwachungs- und Durchsetzungsfunktion, einschließlich der Befugnis, eigene Untersuchungen durchzuführen, Auflagen zu erlassen und empfindliche Strafen bei Verstößen zu verhängen. Eine grenzübergreifende Zusammenarbeit wird durch Netzwerke und einheitliche Verfahren sichergestellt.

Welche Besonderheiten sieht der DSA für Minderjährige vor?

Der Digital Services Act stärkt den Schutz von Minderjährigen beim Umgang mit Online-Plattformen. Besonders relevant ist das Verbot gezielter Werbung („Targeted Advertising“), die auf der Profilierung personenbezogener Daten von Minderjährigen basiert. Plattformen müssen sicherstellen, dass altersbezogene Schutzmaßnahmen effektiv umgesetzt werden, einschließlich kindgerechter Datenschutzeinstellungen und klarer Information über Risiken. Funktionen oder Gestaltungselemente, die eine verstärkte Nutzung fördern („Dark Patterns“), sind bei Diensten für Minderjährige unzulässig. Zudem müssen Anbieter altersbezogene Kontrollmechanismen implementieren und dürfen bei Unsicherheit im Zweifel keine personalisierte Werbung ausspielen. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von den jeweiligen Behörden überwacht.

Wie werden Verstöße gegen den DSA sanktioniert?

Verstöße gegen den DSA können mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden, die bis zu 6 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des betroffenen Dienstanbieters betragen können. Die zuständigen Behörden sind dazu ermächtigt, Untersuchungen einzuleiten, Sachverhalte aufzuklären, Zwangsmaßnahmen wie Aufforderungen zur sofortigen Unterlassung einzuleiten oder Datenschutzmaßnahmen anzuordnen. Neben Geldbußen ist auch eine verpflichtende Veröffentlichung des Verstoßes („Naming and Shaming“) möglich. Wiederholte, schwerwiegende Verstöße können im äußersten Fall bis hin zur Sperrung des jeweiligen Dienstes innerhalb der Europäischen Union führen. Besonders hohe Anforderungen gelten bei VLOPs und VLOSEs, da hier die Kommission die unmittelbare Durchsetzungsbefugnis hat.