Begriff und Zielsetzung des Digital Services Act
Der Digital Services Act (DSA) ist eine unmittelbar geltende Verordnung der Europäischen Union, die einheitliche Regeln für digitale Vermittlungsdienste festlegt. Ziel ist es, ein sicheres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld zu schaffen, in dem die Grundrechte gewahrt, illegale Inhalte wirksam angegangen und transparente Prozesse für Online-Dienste etabliert werden. Der DSA baut auf den bisherigen Haftungs- und Sorgfaltsregeln für Internetdienste auf und modernisiert diese für Plattformen, Marktplätze, soziale Netzwerke, App-Stores, Hostingdienste und Suchmaschinen.
Anwendungsbereich und betroffene Akteure
Räumlicher Anwendungsbereich
Der DSA gilt für Anbieter von Vermittlungsdiensten, die ihre Dienste in der EU anbieten, unabhängig davon, wo sie niedergelassen sind. Anbieter ohne Sitz in der EU müssen eine in der EU erreichbare Ansprechperson benennen. Der DSA erfasst B2C- und B2B-Konstellationen, soweit Dienste in der EU genutzt oder auf sie ausgerichtet werden.
Dienstearten
Reine Durchleitung
Dienste, die Daten unverändert weiterleiten (z. B. Internetzugang), ohne diese zu speichern oder zu beeinflussen.
Zwischenspeicherung
Dienste, die Daten kurzzeitig speichern, um die Übermittlung effizienter zu machen (Caching), ohne inhaltlich einzugreifen.
Hosting
Dienste, die Informationen im Auftrag von Nutzenden speichern (z. B. Cloud, Foren, Videoplattformen). Auf diese Kategorie bauen weitere Pflichten für Online-Plattformen auf.
Online-Plattformen und Suchmaschinen
Online-Plattformen vermitteln die Verbreitung von Informationen an die Öffentlichkeit, etwa soziale Netzwerke, Videodienste, App-Stores oder Online-Marktplätze. Online-Suchmaschinen ermöglichen die Suche in Websites und Diensten Dritter. Beide unterliegen erhöhten Transparenz- und Moderationsanforderungen.
Sehr große Dienste
Sehr große Online-Plattformen und sehr große Online-Suchmaschinen mit einer durchschnittlichen Nutzendenzahl in der EU oberhalb eines festgelegten Schwellenwerts unterliegen weitergehenden Pflichten zur Risikobewertung, Minderung systemischer Risiken, externen Prüfungen und gesteigerten Transparenzanforderungen.
Zentrale Pflichten
Grundsätze und Haftungsprivilegien
Der DSA bestätigt die Haftungsprivilegien für reine Durchleitung, Zwischenspeicherung und Hosting unter bestimmten Voraussetzungen. Es besteht kein allgemeines Überwachungsgebot. Eingreifen wird insbesondere dann erwartet, wenn Anbieter konkrete Kenntnis von illegalen Inhalten erlangen. Die Pflichten richten sich nach der Rolle und Größe des Dienstes und sind gestuft ausgestaltet.
Transparente Moderation und Meldewege
Plattformen müssen leicht zugängliche Meldewege für illegale Inhalte bereitstellen und gemeldete Inhalte zügig prüfen. Entscheidungen über Entfernung, Sperrung oder Einschränkung von Inhalten sind mit verständlichen Begründungen zu versehen. Plattformen richten interne Beschwerdesysteme ein; anerkannte außergerichtliche Streitbeilegungsstellen können angerufen werden. Vertrauenswürdige Hinweisgeber erhalten priorisierte Bearbeitung. Missbräuchliche Nutzung von Meldefunktionen kann sanktioniert werden.
Transparenz zu Bedingungen und Berichten
Anbieter müssen ihre Nutzungsbedingungen klar, verständlich und in Einklang mit Grundrechten formulieren. Es bestehen Berichtspflichten über Moderationsentscheidungen, eingesetzte Erkennungssysteme, Anzahl eingegangener Meldungen sowie Maßnahmen gegenüber Missbrauch. Anlaufstellen für Behörden und Nutzende sind vorzuhalten.
Werbung und Personalisierung
Werbeeinblendungen sind als solche zu kennzeichnen und um Informationen zu Auftraggebenden sowie wesentliche Zielparameter zu ergänzen. Für sehr große Dienste gelten erweiterte Offenlegungspflichten, einschließlich öffentlich zugänglicher Anzeigenarchive. Bestimmte Formen zielgerichteter Werbung sind eingeschränkt, insbesondere gegenüber Minderjährigen und beim Einsatz sensibler Kategorien. Gestaltungspraktiken, die Entscheidungsfreiheit spürbar beeinträchtigen, sind untersagt.
Recommender-Systeme
Plattformen müssen die wichtigsten Parameter ihrer Empfehlungssysteme offenlegen. Sehr große Dienste stellen mindestens eine Option bereit, die nicht auf Profiling beruht, und erläutern auf verständliche Weise, wie Empfehlungen entstehen und angepasst werden können.
Schutz Minderjähriger
Plattformen berücksichtigen die besonderen Rechte und Bedürfnisse Minderjähriger. Dies umfasst altersgerechte Informationen, risikomindernde Voreinstellungen und zusätzliche Vorsicht bei der Gestaltung, Moderation und Personalisierung. Systemische Risiken für junge Menschen sind zu ermitteln und zu verringern.
Online-Marktplätze und Händlernachverfolgbarkeit
Online-Marktplätze müssen die Rückverfolgbarkeit gewerblicher Anbietender sicherstellen (Know-Your-Business-Customer) und geeignete Informationen über Produkte und Dienste einholen. Bei Hinweisen auf unsichere oder illegale Angebote sind angemessene Schritte zur Risikominderung und Benachrichtigung Betroffener vorgesehen.
Anordnungen und Zusammenarbeit mit Behörden
Anbieter reagieren auf behördliche Anordnungen zur Entfernung oder Sperrung illegaler Inhalte sowie zur Herausgabe bestimmter informationsbezogener Daten im Rahmen geltender Verfahren. Hostingdienste informieren zuständige Stellen über Vermutungen schwerer Straftaten, wenn erhebliche Gefahren für Leib, Leben oder Sicherheit bestehen.
Besondere Pflichten für sehr große Dienste
Sehr große Plattformen und Suchmaschinen müssen regelmäßig systemische Risiken bewerten, darunter die Verbreitung illegaler Inhalte, Auswirkungen auf Grundrechte, öffentliche Sicherheit, Gesundheit, demokratische Prozesse und den Schutz Minderjähriger. Sie setzen risikomindernde Maßnahmen um, unterziehen sich unabhängigen Prüfungen, richten Compliance-Funktionen ein, gewähren zugelassenen Forschenden Zugang zu bestimmten Daten, betreiben Anzeigenarchive und beteiligen sich an Krisenreaktionsmechanismen.
Aufsicht, Durchsetzung und Sanktionen
Nationale Koordinatoren und Zusammenarbeit
In jedem Mitgliedstaat überwacht ein Digital Services Coordinator die Einhaltung. Eine europäische Kooperationsstruktur bündelt die Koordination und gibt Leitlinien. Es bestehen Mechanismen für grenzüberschreitende Fälle, Informationsaustausch und gemeinsame Maßnahmen.
Rolle der Europäischen Kommission
Für sehr große Dienste nimmt die Europäische Kommission zentrale Aufsichts- und Durchsetzungsaufgaben wahr, einschließlich Ermittlungen, Datenanforderungen, Vor-Ort-Prüfungen und Anordnung risikomindernder Maßnahmen.
Sanktionen
Verstöße können mit erheblichen Geldbußen geahndet werden. Zusätzlich sind Zwangsgelder möglich. In schweren Fällen kommen vorübergehende Maßnahmen zur Dienstbeschränkung in Betracht, wenn anhaltende, schwerwiegende Risiken nicht behoben werden.
Verhältnis zu anderen Rechtsakten
Der DSA modernisiert den europäischen Rahmen für Vermittlungsdienste und steht neben anderen Regelwerken wie Datenschutzrecht, Wettbewerbs- und Verbraucherrecht, Medien- und Produktsicherheitsrecht. Er legt Verfahren und Sorgfaltspflichten fest, ohne eigenständig zu definieren, was inhaltlich illegal ist; dies ergibt sich aus einschlägigen EU- oder nationalen Vorschriften. Für besonders große Gatekeeper-Dienste gilt ergänzend ein eigener Regulierungsrahmen.
Zeitplan und Status
Der DSA ist in Kraft getreten und gilt seit Anfang 2024 umfassend. Für sehr große Dienste galten bestimmte Pflichten bereits zuvor. Die benannten Aufsichtsstellen sind einsatzbereit, und die Kommission hat mehrere Dienste als sehr groß ausgewiesen.
Rechte der Nutzerinnen und Nutzer
Nutzende erhalten klare Informationen über Moderationsentscheidungen, Gründe für Entfernen oder Sperren und verfügbare Rechtsbehelfe. Sie können Beschwerden einreichen und an einer anerkannten außergerichtlichen Streitbeilegung teilnehmen. Transparenz zu Werbung, Empfehlungssystemen und Nutzungsbedingungen stärkt die Nachvollziehbarkeit und Kontrolle über die eigene Online-Nutzung.
Begriffe im Überblick
Illegale Inhalte
Informationen, Produkte oder Dienste, deren Bereitstellung oder Verbreitung gegen geltendes Recht verstößt. Dazu zählen etwa Täuschung, Betrug, Sicherheitsverstöße bei Produkten, bestimmte Hass- und Gewaltinhalte oder Verletzungen geistiger Schutzrechte, soweit jeweils gesetzlich bestimmt.
Empfangende des Dienstes
Nutzende, die Dienste in Anspruch nehmen, unabhängig davon, ob sie Inhalte bereitstellen, empfangen oder lediglich auf die Dienste zugreifen.
Vertrauenswürdige Hinweisgebende
Anerkannte Einrichtungen mit nachgewiesener Fachkenntnis und Unabhängigkeit, deren Meldungen priorisiert geprüft werden.
Gewerbliche Anbietende
Dritte, die Waren oder Dienste über eine Plattform gegenüber Verbrauchenden anbieten und deshalb besonderen Nachweispflichten unterliegen.
Profiling
Automatisierte Auswertung personenbezogener Informationen, um Vorlieben, Interessen oder Verhalten zu analysieren oder vorherzusagen; hierfür gelten im Zusammenspiel mit Datenschutzrecht besondere Grenzen.
Häufig gestellte Fragen
Für wen gilt der Digital Services Act?
Er gilt für Anbieter von Vermittlungsdiensten, die in der EU genutzt werden oder sich an Nutzende in der EU richten. Dazu zählen Zugangsanbieter, Hostingdienste, Online-Plattformen wie soziale Netzwerke und Marktplätze sowie Online-Suchmaschinen. Die Pflichten sind je nach Diensttyp und Größe gestuft.
Was ist unter illegalen Inhalten im Sinne des DSA zu verstehen?
Illegale Inhalte sind Informationen, Waren oder Dienste, deren Bereitstellung oder Verbreitung gegen geltendes Recht verstößt. Der DSA regelt Verfahren und Sorgfaltspflichten zum Umgang damit, legt aber nicht selbst fest, welche Inhalte materiell illegal sind.
Worin unterscheiden sich Online-Plattformen von sehr großen Online-Plattformen?
Sehr große Online-Plattformen erreichen eine besonders hohe Zahl aktiver Nutzender in der EU und unterliegen zusätzlichen Pflichten: regelmäßige Risikobewertungen, unabhängige Audits, Datenzugang für Forschende, Anzeigenarchive, erweiterte Transparenz zu Empfehlungssystemen und Teilnahme an Krisenmechanismen.
Wie beeinflusst der DSA personalisierte Werbung?
Werbung muss klar als solche erkennbar sein, mit Angaben zu Auftraggebenden und wesentlichen Targeting-Kriterien. Bestimmte Formen zielgerichteter Werbung sind eingeschränkt, insbesondere gegenüber Minderjährigen und bei sensiblen Kategorien. Sehr große Dienste müssen zusätzlich öffentliche Anzeigenarchive führen.
Welche Rechte haben Nutzende bei Moderationsentscheidungen?
Nutzende erhalten eine begründete Mitteilung, wenn Inhalte entfernt oder der Zugang eingeschränkt wird. Es bestehen interne Beschwerdewege, die Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung und in bestimmten Fällen weitere Rechtsbehelfe.
Welche Rolle spielen die nationalen Koordinatoren für digitale Dienste?
Sie überwachen die Einhaltung des DSA im jeweiligen Mitgliedstaat, koordinieren grenzüberschreitende Fälle, erkennen vertrauenswürdige Hinweisgebende an und arbeiten im europäischen Gremium zusammen. Sie sind Anlaufstelle für Nutzende, Unternehmen und Behörden.
Ersetzt der DSA nationale Regelungen?
Der DSA gilt unmittelbar und schafft einheitliche Verfahrens- und Sorgfaltspflichten. Er ersetzt keine materiellen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsnormen und bestimmt nicht eigenständig, was illegal ist. Nationale und europäische Fachgesetze gelten ergänzend.
Seit wann ist der DSA verbindlich?
Die Verordnung gilt umfassend seit Anfang 2024. Für sehr große Dienste galten bestimmte Pflichten bereits zuvor, nachdem sie von der Europäischen Kommission als solche benannt wurden.