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Digital Markets Act

Digital Markets Act (DMA)

Der Digital Markets Act ist eine Verordnung der Europäischen Union, die große digitale Plattformen mit marktübergreifender Bedeutung reguliert. Ziel ist es, faire und bestreitbare digitale Märkte sicherzustellen. Der DMA richtet sich vor allem an solche Anbieter, die als sogenannte Gatekeeper gelten, weil sie zentrale Plattformdienste bereitstellen und als Zugangspunkte zwischen Unternehmen und Endnutzerinnen und Endnutzern fungieren. Als EU-Verordnung gilt der DMA unmittelbar in allen Mitgliedstaaten und entfaltet damit einheitliche Regeln in der gesamten Union.

Zielsetzung und Regelungsansatz

Hintergrund und Ziele

Digitale Plattformen prägen den Zugang zu Märkten, Daten und Nutzergruppen. Einzelne Anbieter erreichen eine Größe und Vernetzung, die strukturelle Abhängigkeiten erzeugt. Der DMA setzt an dieser Stelle an: Er legt klare, vorab feststehende Verhaltensregeln fest (ex-ante), um Wettbewerbsverzerrungen, Selbstbevorzugung und den Missbrauch von Vermittlungsmacht zu verhindern. Er stärkt damit die Chancengleichheit für Unternehmen, erleichtert den Marktzugang und schützt Wahlfreiheit sowie Transparenz für Nutzerinnen und Nutzer.

Ex-ante-Regulierung im Verhältnis zum Wettbewerbsrecht

Der DMA ergänzt das allgemeine Wettbewerbsrecht. Während wettbewerbsrechtliche Verfahren typischerweise vergangenes Verhalten prüfen und Einzelfälle betreffen, definiert der DMA generalisierte Pflichten für Gatekeeper unabhängig vom Nachweis individueller Marktmachtmissbräuche im Einzelfall. Beide Regelungsstränge bestehen nebeneinander und können parallel angewandt werden.

Anwendungsbereich

Räumlicher und persönlicher Geltungsbereich

Der DMA gilt unionsweit und erfasst Anbieter zentraler Plattformdienste, soweit sie Endnutzerinnen, Endnutzer oder Geschäftsanwender im Binnenmarkt erreichen, unabhängig davon, wo der Unternehmenssitz liegt. Maßgeblich ist die Wirkung auf den EU-Markt.

Zentrale Plattformdienste (Core Platform Services)

Der DMA benennt bestimmte Dienstarten, die typischerweise als Zugangstore zum digitalen Ökosystem fungieren:

Beispiele für zentrale Plattformdienste

  • Online-Vermittlungsdienste (z. B. Marktplätze, App-Stores)
  • Online-Suchmaschinen
  • Online-Soziale Netzwerke
  • Video-Sharing-Plattformdienste
  • Nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste (z. B. Messenger)
  • Betriebssysteme (inklusive mobiler, Desktop- und vernetzter Geräte)
  • Webbrowser
  • Virtuelle Assistenten
  • Cloud-Computing-Dienste
  • Online-Werbedienste (einschließlich Werbenetzwerke, -börsen und Vermittlungsdienste)

Gatekeeper-Definition und Einstufung

Gatekeeper sind Unternehmen, die (1) einen oder mehrere zentrale Plattformdienste erbringen, (2) eine gefestigte und dauerhafte Position innehaben oder absehbar erreichen und (3) eine erhebliche Reichweite bei Endnutzerinnen und Endnutzern sowie Geschäftsanwendern aufweisen. Zur Einstufung nutzt die Europäische Kommission quantitative Schwellenwerte (u. a. Umsatz- und Nutzerzahlen) und qualitative Kriterien. Betroffene Unternehmen melden sich bei Erreichen der Schwellenwerte an. Nach eingehender Prüfung trifft die Kommission eine formale Einstufungsentscheidung. Unternehmen können die Vermutung widerlegen, wenn die Marktrealität im Einzelfall gegen eine Gatekeeper-Rolle spricht.

Pflichten und Verbote für Gatekeeper

Fairer Zugang und Nichtdiskriminierung

Gatekeeper dürfen eigene Dienste im Ranking oder der Darstellung nicht bevorzugen, wenn dies gegenüber Angeboten von Geschäftsanwendern diskriminierend wirkt. Auswahl- und Rankingkriterien müssen fair, transparent und konsistent sein. Geschäftsbedingungen und Zugangsmodalitäten für den Plattformzugang sollen klar, angemessen und nichtdiskriminierend sein.

Daten und Interoperabilität

Die Kombination personenbezogener Daten über verschiedene Dienste hinweg ist nur auf der Grundlage einer gültigen Einwilligung zulässig. Geschäftsanwendern ist Zugang zu den Daten zu gewähren, die durch ihre Interaktionen auf der Plattform entstehen, soweit dies rechtlich zulässig ist. Endnutzerinnen und Endnutzer erhalten effektive Datenportabilität mit fortlaufendem, möglichst in Echtzeit erfolgendem Zugriff auf sie betreffende Daten. Für nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste gilt eine schrittweise herzustellende Interoperabilität mit grundlegenden Funktionen (z. B. Textnachrichten, Bilder), um Wechselkosten zu senken und Kommunikation über Dienste hinweg zu ermöglichen.

App-Stores, Betriebssysteme und Standardvorgaben

Gatekeeper dürfen die Installation und Nutzung von Drittanbieter-Apps oder -App-Stores nicht unangemessen behindern. Sie müssen es Geschäftsanwendern ermöglichen, außerhalb der Plattform über Angebote, Preise und Vertragsabschlüsse zu informieren. Vorgaben, wonach ausschließlich bestimmte Zahlungs- oder Identitätsdienste genutzt werden dürfen, sind eingeschränkt. Vorinstallierte Anwendungen dürfen nicht unveränderlich sein; Nutzerinnen und Nutzer müssen alternative Standardanwendungen wählen und vorinstallierte Apps entfernen können. Nötige Schnittstellen und Hardware-Funktionen (z. B. relevante Geräteschnittstellen) sind zu angemessenen, fairen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zugänglich zu machen, soweit die Sicherheit und Integrität des Systems gewahrt bleibt.

Werbung, Ranking und Transparenz

Werbekunden und Publisher erhalten Zugang zu Informationen, die erforderlich sind, um die Leistung und Abrechnung von Werbeschaltungen nachzuvollziehen. Kriterien für Rankings und Empfehlungsmechanismen sind transparent darzustellen. Klauseln, die Geschäftsanwendern günstigere Konditionen auf anderen Kanälen verbieten, sind beschränkt.

Vertragskonditionen und Kopplungsverbot

Gatekeeper dürfen die Nutzung eines zentralen Plattformdienstes nicht an die verpflichtende Nutzung weiterer, separater Dienste koppeln, sofern dies über das Erforderliche hinausgeht. Identitäts-, Zahlungs- oder andere Kernfunktionen dürfen nicht exklusiv durch den Gatekeeper vorgeschrieben werden, wenn dadurch der Zugang von Wettbewerbern unangemessen erschwert würde.

Meldung von Unternehmensübernahmen

Gatekeeper müssen beabsichtigte Übernahmen in digitalen und datengetriebenen Bereichen der Europäischen Kommission anzeigen, auch wenn die Transaktion nicht den allgemeinen fusionskontrollrechtlichen Anmeldepflichten unterliegt. Ziel ist die frühzeitige Aufsicht über sogenannte Killer- oder Konsolidierungserwerbe.

Durchsetzung und Sanktionen

Rolle der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission ist zentrale Durchsetzungsbehörde. Sie stuft Gatekeeper ein, überwacht die Einhaltung der Pflichten und trifft Entscheidungen bei Verstößen. Unternehmen müssen regelmäßige Compliance-Berichte vorlegen.

Ermittlungsinstrumente und Marktuntersuchungen

Die Kommission kann Auskunftsverlangen richten, Befragungen durchführen und Nachprüfungen anordnen. Marktuntersuchungen dienen der Einstufung als Gatekeeper, der Bewertung systematischer Nichtbefolgung sowie der Prüfung, ob weitere Dienste in den Katalog zentraler Plattformdienste aufgenommen werden sollten.

Bußgelder, Zwangsgelder und Abhilfemaßnahmen

Bei Verstößen drohen erhebliche Geldbußen, die sich am weltweiten Umsatz orientieren. Bei wiederholter Nichtbeachtung sind erhöhte Bußgelder möglich. Zusätzlich kann die Kommission periodische Zwangsgelder auferlegen, um die Befolgung durchzusetzen. Bei systematischer Nichtbefolgung kann sie weitergehende Abhilfemaßnahmen anordnen, die von Verhaltensauflagen bis hin zu strukturellen Maßnahmen reichen.

Zusammenarbeit mit nationalen Behörden und Gerichten

Mitgliedstaatliche Stellen unterstützen die Kommission, etwa durch Informationen oder koordinierte Maßnahmen. Nationale Gerichte können DMA-Regeln bei der Entscheidung zivilrechtlicher Streitigkeiten berücksichtigen und stehen mit der Kommission im Austausch, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden.

Rechtsschutz und Überprüfung

Unternehmen können Entscheidungen der Kommission vor den Unionsgerichten anfechten. So wird eine unabhängige Kontrolle der DMA-Anwendung gewährleistet.

Verhältnis zu anderen Regelwerken

Der DMA wirkt neben anderen EU-Regelungen. Das Datenschutzrecht bleibt maßgeblich für die Verarbeitung personenbezogener Daten; eine nach dem DMA zulässige Datenpraxis setzt deren Vereinbarkeit mit dem Datenschutz voraus. Der Digital Services Act regelt vor allem Inhalte- und Sorgfaltspflichten für Vermittler, während der DMA den Wettbewerb auf zentralen Plattformen adressiert. Zudem besteht Parallelität zum allgemeinen Wettbewerbsrecht sowie zu sektorspezifischen Vorgaben, etwa im Verbraucher- und Telekommunikationsrecht.

Praktische Auswirkungen

Für Gatekeeper

Gatekeeper müssen Prozesse, technische Schnittstellen und Vertragsbedingungen so ausgestalten, dass die DMA-Pflichten dauerhaft eingehalten werden. Das erfordert interne Governance, dokumentierte Verfahren und transparente Kommunikation gegenüber Geschäftsanwendern und Endnutzerinnen sowie Endnutzern.

Für Geschäftsanwender

Unternehmen erhalten einen geregelten Zugang zu Plattformen, mehr Daten- und Transparenzrechte sowie weniger Beschränkungen bei Preisgestaltung, Kommunikation und Vertrieb außerhalb der Plattform.

Für Endnutzerinnen und Endnutzer

Die Verordnung stärkt Wahlfreiheit, Interoperabilität und Kontrolle über Daten. Standardvorgaben werden offener, vorinstallierte Software entfernbar und Datentransfers leichter.

Zeitlicher Rahmen und Umsetzung

Der DMA ist in Kraft und findet Anwendung. Nach der Einstufung als Gatekeeper läuft eine Frist zur Umsetzung der Pflichten. Die Kommission kann die Liste der Gatekeeper und die betroffenen Dienste fortschreiben. Der DMA ist darauf angelegt, auf Marktentwicklungen zu reagieren, unter anderem durch Marktuntersuchungen und ergänzende Entscheidungen.

Begriffsabgrenzungen und zentrale Definitionen

Endnutzer und Geschäftsanwender

Endnutzer sind natürliche oder juristische Personen, die Dienste nutzen, ohne sie zu kommerziellen Zwecken anderen anzubieten. Geschäftsanwender sind Unternehmen, die zentrale Plattformdienste nutzen, um eigene Produkte oder Leistungen Endnutzern anzubieten.

Interoperabilität

Interoperabilität bedeutet, dass unterschiedliche Dienste technisch zusammenarbeiten können. Der DMA adressiert dies insbesondere bei Kommunikationsdiensten sowie im Zugang zu Betriebssystem- und Hardwarefunktionen.

FRAND-Prinzip

Der DMA verlangt in verschiedenen Konstellationen faire, angemessene und nichtdiskriminierende Bedingungen. Dieses Prinzip soll verhindern, dass Zugänge über Preise, Qualität oder Vertragsklauseln einseitig verzerrt werden.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Gilt der Digital Markets Act auch für Unternehmen außerhalb der EU?

Ja. Entscheidend ist, ob zentrale Plattformdienste Nutzerinnen, Nutzer oder Geschäftsanwender im EU-Binnenmarkt erreichen. Der DMA knüpft an die Wirkung in der EU an, nicht an den Sitz des Unternehmens.

Was versteht der DMA unter einem Gatekeeper?

Ein Gatekeeper ist ein Unternehmen, das einen oder mehrere zentrale Plattformdienste erbringt, eine gefestigte und dauerhafte Position innehat und eine erhebliche Reichweite aufweist. Die Einstufung trifft die Europäische Kommission anhand festgelegter Kriterien und Schwellen.

Welche Dienste fallen unter zentrale Plattformdienste?

Dazu zählen insbesondere Online-Vermittlungsdienste, Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Video-Sharing-Plattformen, nummernunabhängige Kommunikationsdienste, Betriebssysteme, Webbrowser, virtuelle Assistenten, Cloud-Computing sowie Online-Werbedienste.

Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen den DMA?

Die Kommission kann hohe Bußgelder verhängen, die sich am weltweiten Umsatz orientieren. Bei wiederholten Verstößen sind erhöhte Bußgelder und weitergehende Abhilfemaßnahmen bis hin zu strukturellen Eingriffen möglich. Zwangsgelder können die Umsetzung absichern.

Wie verhält sich der DMA zum Datenschutzrecht?

Der DMA ergänzt das Datenschutzrecht. Datenverarbeitungen müssen beide Regime einhalten. Bestimmte DMA-Pflichten, etwa zur Datenportabilität oder zum Verbot der Datenkombination ohne Einwilligung, sind im Lichte des Datenschutzes auszulegen und anzuwenden.

Können Unternehmen oder Personen mutmaßliche Verstöße melden?

Ja. Hinweise und Beschwerden können an die Europäische Kommission gerichtet werden. Die Kommission verfügt über Ermittlungsbefugnisse und kann Verfahren einleiten.

Erfasst der DMA Fusionen und Übernahmen?

Gatekeeper müssen beabsichtigte Erwerbe in digitalen und datenintensiven Bereichen der Kommission anzeigen, auch wenn die Transaktion nicht der allgemeinen Fusionskontrolle unterliegt. Dies dient der Aufsicht über Marktkonsolidierungen.

Welche Rolle spielen nationale Gerichte unter dem DMA?

Nationale Gerichte können DMA-Regeln bei der Entscheidung zivilrechtlicher Streitigkeiten berücksichtigen. Sie arbeiten mit der Kommission zusammen, um eine kohärente Anwendung sicherzustellen und Widersprüche zu vermeiden.