Begriff und Grundlagen der Dienstreise
Eine Dienstreise ist im deutschen Recht eine von einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen unternommene Reise, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte erfolgt. Der Begriff findet sowohl im öffentlichen Dienst als auch in der Privatwirtschaft Anwendung und unterliegt verschiedenen rechtlichen Regelungen hinsichtlich Anordnung, Durchführung, Kostenerstattung sowie arbeitszeitrechtlicher Behandlung.
Rechtliche Grundlagen zur Dienstreise
Gesetzliche Bestimmungen
Die rechtlichen Grundlagen für Dienstreisen ergeben sich aus unterschiedlichen Gesetzen, Tarifverträgen und innerbetrieblichen Vereinbarungen. Zentrale Regelungswerke sind:
- das Bundesreisekostengesetz (BRKG) für Beamtinnen und Beamte des Bundes,
- die jeweiligen Landesreisekostengesetze (LRKG) auf Ebene der Bundesländer,
- tarifvertragliche Vorschriften, insbesondere im öffentlichen Dienst (TVöD, TV-L) und der
- individuelle Arbeitsverträgen sowie Betriebsvereinbarungen.
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Privatwirtschaft finden insbesondere arbeitsvertragliche Regelungen und das allgemeine Arbeitsrecht (§§ 611 ff. BGB) Anwendung.
Voraussetzungen und Abgrenzung
Voraussetzungen einer Dienstreise
Eine Dienstreise liegt vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Anordnung oder Genehmigung: Die Reise muss durch den Arbeitgeber oder eine hierzu bevollmächtigte Stelle angeordnet oder genehmigt werden.
- Dienstlicher Zweck: Die Reise muss unmittelbar dienstlichen Zwecken dienen, z. B. Teilnahme an externen Terminen, Schulungen, Tagungen oder Außendiensteinsätzen.
- Verlassen der regelmäßigen Arbeitsstätte: Der Einsatzort muss außerhalb der vertraglich festgelegten regelmäßigen Arbeitsstätte (häufig als erster Tätigkeitsstätte bezeichnet) liegen.
Unterschied zu anderen Formen der Arbeit außerhalb der Arbeitsstätte
Zu unterscheiden ist die Dienstreise von:
- Dienstgang: Dieser betrifft kurze Wege zu dienstlichen Zwecken innerhalb oder nahe der ersten Tätigkeitsstätte.
- Abordnung und Versetzung: Diese sind nicht als Dienstreisen zu werten, da hierbei ein dauerhafter Wechsel des Arbeitsortes vorliegt.
Dienstreise im öffentlichen Dienst
Anordnung und Genehmigung
Bei Beamtinnen, Beamten und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ist die Anordnung oder zumindest Genehmigung einer Dienstreise ausdrücklich vorgeschrieben. Dies setzt eine dienstliche Notwendigkeit voraus. Die Genehmigung kann im Einzelfall oder generell, etwa durch Dienstanweisungen, erfolgen.
Regelungen zum Kostenersatz
Die Erstattung der im Rahmen einer Dienstreise anfallenden notwendigen Mehraufwendungen ist durch das Bundesreisekostengesetz (BRKG) bzw. die jeweiligen Landesvorschriften geregelt. Hierzu zählen insbesondere:
- Fahrtkosten,
- Tage- und Übernachtungsgelder (sog. Verpflegungsmehraufwand und Übernachtungskosten),
- Nebenkosten wie Parkgebühren oder Gepäckkosten.
Einzelne Positionen müssen unter Umständen besonders beantragt und nachgewiesen werden.
Pflichten und Obliegenheiten während der Dienstreise
Dienstreisende haben die Pflicht, bei der Auswahl der Verkehrsmittel und Unterkünfte den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Ferner besteht eine Nachweispflicht gegenüber dem Dienstherrn oder Arbeitgeber über die tatsächlich entstandenen Kosten und den Reiseverlauf.
Dienstreise in der Privatwirtschaft
Vertrags- und arbeitsrechtliche Regelungen
In der Privatwirtschaft sind Inhalt, Ausmaß und Vergütung von Dienstreisen in der Regel im Arbeitsvertrag, in Betriebsvereinbarungen oder in unternehmenseigenen Reiserichtlinien geregelt. Gesetzliche Vorgaben existieren außerhalb des öffentlichen Dienstes überwiegend im Kontext des allgemeinen Arbeitsvertragsrechts (§§ 611 ff. BGB).
Weisungsrecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber ist befugt, im Rahmen seines Direktionsrechts (§ 106 GewO) Dienstreisen anzuordnen, sofern diese vom Arbeitsvertrag gedeckt sind. Übersteigt eine angeordnete Dienstreise das übliche Maß des Arbeitsverhältnisses, kann hierfür eine gesonderte Vergütungsregelung gefordert werden.
Vergütung und Spesen
Der Arbeitgeber hat die während der Dienstreise entstandenen notwendigen Mehrkosten zu erstatten, soweit diese durch betriebliche Vorschriften, Tarifverträge oder einzelvertragliche Regelungen abgedeckt sind. Die Höhe orientiert sich häufig an den steuerlich anerkannten Pauschalen nach dem Einkommensteuergesetz (EStG).
Steuerliche Behandlung von Dienstreisen
Einkommenssteuerrechtliche Regelungen
Im Steuerrecht sind die mit einer Dienstreise verbundenen Aufwendungen als Werbungskosten (§ 9 EStG) abzugsfähig. Anerkannt sind insbesondere:
- Verpflegungsmehraufwand nach festen Pauschalen,
- Übernachtungskosten,
- Fahrtkosten inkl. Kilometergeld für den Einsatz eines privaten Fahrzeugs,
- Reisenebenkosten (z. B. Maut, Parkgebühren).
Aufzeichnungspflichten
Zur steuerrechtlichen Anerkennung sind dienstliche Reisen und deren Aufwendungen entsprechend zu dokumentieren und nachzuweisen. Dazu zählen Reiseanträge, Abrechnungen, Belege und ggf. Fahrtenbücher.
Arbeitszeitrechtliche Aspekte
Arbeitszeit und Wegezeiten bei Dienstreisen
Ob und in welchem Umfang Reisezeiten als Arbeitszeit gelten, richtet sich nach § 2 ArbZG und einschlägigen Tarif- oder Betriebsvereinbarungen. Grundsätzlich gilt:
- Arbeitszeit ist die Zeit, in der auf Weisung des Arbeitgebers fremdbestimmte Tätigkeiten ausgeübt werden.
- Reisezeiten können ganz oder teilweise als Arbeitszeit gewertet werden, insbesondere bei Tätigkeit während der Reise oder wenn der Arbeitgeber diese explizit als Arbeitszeit anweist.
Ruhezeiten und Arbeitszeitgesetz
Während einer Dienstreise gelten auch die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes bezüglich maximaler Arbeitszeiten und Mindestruhezeiten (§§ 3, 5 ArbZG). Reisezeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit können Ausgleichsansprüche, z. B. in Form von Freizeitausgleich, auslösen.
Unfall- und Haftungsschutz
Unfallversicherungsschutz
Während einer Dienstreise stehen gesetzlich unfallversicherte Beschäftigte gemäß § 8 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Versichert sind Wege, die unmittelbar mit der dienstlichen Aufgabe zusammenhängen. Private Tätigkeiten auf Dienstreisen (z. B. private Einkäufe) unterliegen diesem Versicherungsschutz nicht.
Haftungsfragen
Für Schäden, die auf Dienstreisen an im Eigentum des Arbeitnehmers stehenden Gegenständen entstehen, kann – abhängig von Tarifvertrag oder innerbetrieblicher Regelung – unter Umständen eine Haftung oder ein Aufwendungsersatz durch den Arbeitgeber bestehen.
Internationale Dienstreisen
Besonderheiten bei Auslandsdienstreisen
Bei Auslandsdienstreisen gelten zusätzliche Bestimmungen, beispielsweise Reiserichtlinien zur Auswahl der Verkehrsmittel, besondere steuerliche Vorschriften (z. B. Auslandspauschalen für Verpflegung und Übernachtung) und abweichende arbeitszeitrechtliche Regelungen, soweit diese durch völkerrechtliche Abkommen, das anwendbare Recht am Einsatzort oder zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt werden.
Zusammenfassung
Die Dienstreise ist ein komplexer Begriff des deutschen Arbeits- und Reisekostenrechts und umfasst zahlreiche rechtliche Regelungen hinsichtlich Anordnung, Kostenersatz, Arbeitszeit, Unfallversicherung und steuerlicher Behandlung. Die genaue Ausgestaltung richtet sich nach dem Beschäftigungssektor, maßgeblichen Gesetzen, Tarifverträgen sowie unternehmensinternen Vereinbarungen. Die rechtliche Einordnung und die damit verbundenen Ansprüche und Pflichten sind im Einzelfall sorgfältig zu prüfen.
Häufig gestellte Fragen
Wer trägt die Kosten einer Dienstreise und welche Auslagen sind erstattungsfähig?
Die Kostentragungspflicht für eine Dienstreise liegt grundsätzlich beim Arbeitgeber, sofern die Reise zur Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten erforderlich war und vom Arbeitgeber angeordnet oder genehmigt wurde. Erstattungsfähig sind hierbei alle notwendigen und angemessenen Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer infolge der Dienstreise entstehen (§ 670 BGB). Dazu zählen insbesondere Fahrtkosten (z.B. Bahn, Auto, Flug), Übernachtungskosten, Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend den steuerlichen Pauschalen sowie notwendige Nebenkosten wie Parkgebühren, Telefonate dienstlicher Natur oder Eintrittskosten zu Veranstaltungen. Kosten für private Tätigkeiten während der Reise oder insbesondere hohe Komfortwünsche, die über das übliche Maß hinausgehen (z.B. First-Class-Tickets oder Luxushotels ohne betrieblichen Anlass), sind in der Regel nicht erstattungsfähig. Arbeitgeber sind nach § 670 BGB verpflichtet, die entstandenen Kosten zeitnah zu erstatten. Eine Abweichung dieser Regelungen kann durch betriebliche Reiserichtlinien oder individuelle arbeitsvertragliche Vereinbarungen erfolgen, ist jedoch immer an den Grundsatz der Angemessenheit gebunden.
Besteht während einer Dienstreise gesetzlicher Unfallversicherungsschutz?
Für Arbeitnehmer gilt auf einer genehmigten Dienstreise der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 8 SGB VII, sofern die ausgeführte Tätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang mit den betrieblichen Aufgaben steht. Versichert sind somit sowohl die Hauptreise, als auch Nebengänge, die im direkten Interesse des Arbeitgebers erfolgen, wie beispielsweise der Weg vom Hotel zum Kundentermin oder zur Arbeitsstätte. Nicht versichert sind dagegen sogenannte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten, etwa private Einkäufe, private Freizeitaktivitäten oder der Besuch eines Restaurants außerhalb dienstlicher Erfordernisse. Während solcher Unterbrechungen besteht kein Versicherungsschutz. Die Abgrenzung ist hierbei jeweils nach dem konkreten Einzelfall vorzunehmen. Im Schadensfall obliegt dem Arbeitnehmer die Beweislast für das Vorliegen eines betrieblichen Zusammenhangs.
Inwieweit kann der Arbeitgeber eine Dienstreise anordnen und welche Mitbestimmungsrechte bestehen?
Die Anordnung einer Dienstreise erfolgt grundsätzlich im Rahmen des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts nach § 106 GewO sowie gemäß vertraglichen Regelungen und etwaigen Betriebsvereinbarungen. Arbeitnehmer sind verpflichtet, Dienstreisen auszuführen, sofern dies im Rahmen des Arbeitsvertrags, der betrieblichen Übung oder einer expliziten Vereinbarung vereinbart wurde. Einschränkungen bestehen, wenn die Dienstreise persönlich unzumutbar ist (z.B. bei gesundheitlichen Bedenken, besonderen familiären Umständen) oder wesentliche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG (mitbestimmungspflichtige Fragen wie Beginn und Ende der Arbeitszeit oder Ausgestaltung des Arbeitsorts) tangiert sind. Der Betriebsrat kann zudem bei allgemeinen Regelungen zur Durchführung von Dienstreisen und der Ausgestaltung der Reiserichtlinie ein Mitspracherecht geltend machen.
Welche arbeitszeitrechtlichen Vorschriften gelten für eine Dienstreise?
Die Arbeitszeit auf Dienstreisen richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Arbeitszeit ist grundsätzlich die Zeit, während der der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht erfüllt. Wird während einer Dienstreise gearbeitet (z.B. im Zug, bei Terminen), zählt dies zur Arbeitszeit. Reine Reisezeiten sind hingegen in der Regel keine Arbeitszeit, es sei denn, es wird währenddessen gearbeitet oder die Reise erfolgt auf ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers außerhalb der regulären Arbeitszeiten (§ 2 ArbZG, BAG v. 17.10.2018, Az.: 5 AZR 553/17). Insbesondere bei internationalen Dienstreisen können abweichende oder ergänzende Regelungen (z.B. Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten) gelten, so dass unter Umständen zusätzliche gesetzliche Vorgaben und Tarifverträge zu berücksichtigen sind.
Welche steuerrechtlichen Besonderheiten sind bei Dienstreisen zu beachten?
Dienstreisekosten können nach den Regelungen des deutschen Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten geltend gemacht werden, sofern sie nicht vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet wurden. Insbesondere Verpflegungsmehraufwendungen können nur in Form von gesetzlich festgelegten Pauschalen (§ 9 Abs. 4a EStG) steuerfrei erstattet werden; höhere tatsächliche Kosten bleiben unberücksichtigt. Fahrtkosten mit dem eigenen Fahrzeug können per Kilometerpauschale abgerechnet werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 4a EStG), bei Übernachtungskosten wird zwischen tatsächlichen Kosten (gegen Nachweis) und Pauschalen unterschieden. Soweit eine steuerfreie Erstattung durch den Arbeitgeber erfolgt, entfällt die Werbungskostenabzugsmöglichkeit des Arbeitnehmers. Ebenso sind bei grenzüberschreitenden Dienstreisen die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen und die steuerlichen Besonderheiten des Ziellandes zu beachten.
Muss während der Dienstreise ein Arbeitszeitnachweis geführt werden?
Nach § 16 Abs. 2 ArbZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit der Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen sowie bei Überschreiten der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden aufzuzeichnen. Bei Dienstreisen empfiehlt sich eine genaue Dokumentation der Arbeitszeiten und Reisezeiten, um gegenüber dem Arbeitgeber einen Nachweis der aufgewendeten Zeit erbringen zu können. Diese Aufzeichnungen sind insbesondere relevant, wenn es um Fragen der Vergütung, der Gewährung von Freizeitausgleich oder den Nachweis im Streitfall geht. Viele Arbeitgeber stellen hierfür eigene Formulare oder digitale Systeme zur Verfügung. Die Dokumentationspflicht betrifft vor allem den Arbeitgeber, Arbeitnehmer sind jedoch in der Mitwirkungspflicht.
Gilt während einer Dienstreise das deutsche Arbeitsrecht im Ausland?
Das deutsche Arbeitsrecht findet grundsätzlich Anwendung auf das Arbeitsverhältnis, wenn im Arbeitsvertrag deutsches Recht vereinbart wurde oder wenn der überwiegende Tätigkeitsort in Deutschland liegt (Art. 8 Rom I-VO). Während einer Dienstreise ins Ausland gilt jedoch grundsätzlich auch das zwingende Recht des jeweiligen Aufenthaltslandes, besonders in Bezug auf Arbeitssicherheit, Arbeitszeiten und Mindestvorschriften. Es können daher parallele Pflichten und Regelungen bestehen, die zu beachten sind. In besonderen Fällen (z.B. Entsendung) greifen zudem spezifische Vorschriften des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) und ggf. Meldevorschriften der Gastländer. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich vor Dienstreisen ins Ausland über die arbeitsrechtlichen, steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Implikationen informieren.