Begriff und rechtlicher Rahmen von diätetischen Lebensmitteln
Diätetische Lebensmittel bezeichnen Lebensmittel, die aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder ihres besonderen Herstellungsverfahrens für eine bestimmte Ernährung bestimmt sind. Sie dienen spezifischen Ernährungszwecken und unterscheiden sich somit in ihrer rechtlichen Behandlung von herkömmlichen Lebensmitteln. Der Begriff war über viele Jahrzehnte fester Bestandteil des deutschen und europäischen Lebensmittelrechts, wurde jedoch mit Inkrafttreten der EU-Verordnung (EU) Nr. 609/2013 weitgehend neu geregelt.
Im Folgenden werden die historischen und aktuellen rechtlichen Grundlagen, Begriffsbestimmungen, Kennzeichnungsvorschriften, Abgrenzungskriterien sowie die Überwachung und Verantwortlichkeit bei diätetischen Lebensmitteln umfassend dargestellt.
Historische Entwicklung und Begriffswandel
Rechtslage bis 2016
Bis zur vollständigen Umsetzung der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 wurde der Begriff „diätetische Lebensmittel“ im deutschen Recht über die Diätverordnung (DiätV) präzisiert. Sie regelte unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes Herstellung, Kennzeichnung und Vermarktung solcher Produkte.
Diätetische Lebensmittel galten als Lebensmittel für besondere Ernährungszwecke, um spezifischen Bedürfnissen bestimmter Bevölkerungsgruppen gerecht zu werden, etwa allergische Reaktionen, Stoffwechselstörungen, Verdauungsprobleme oder besondere physiologische Bedingungen wie Schwangerschaft oder Leistungssport.
Aktuelle Rechtslage ab 2016
Mit Wirkung zum 20. Juli 2016 wurde die Diätverordnung weitgehend durch die EU-Verordnung (EU) Nr. 609/2013 („Verordnung über Lebensmittel für besondere Gruppen“) abgelöst. Diese enthält keine allgemein verbindliche Definition mehr für den Begriff „diätetische Lebensmittel“ und ersetzt diesen durch die Bezeichnung „Lebensmittel für spezielle Gruppen“ (z. B. Säuglingsanfangsnahrung, Säuglingsfolgenahrung, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke – FSMP, und Getreidebeikost für Kleinkinder).
Definitionen und Abgrenzungen
Lebensmittel für besondere Gruppen (EU)
Gemäß VO (EU) Nr. 609/2013 zählen zu Lebensmitteln für besondere Gruppen insbesondere:
- Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung
- Getreidebeikost und andere Beikost für Säuglinge und Kleinkinder
- Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (engl. Foods for Special Medical Purposes, FSMP)
- Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung (Formula-Diäten)
Diese Produktgruppen weisen verbindlich definierte Zusammensetzungen, Eignungsnachweise und spezifische Kennzeichnungspflichten auf, die durch weitere delegierte Verordnungen der EU präzisiert werden.
Abgrenzung zu funktionellen und angereicherten Lebensmitteln
Im Gegensatz zu Lebensmitteln für spezielle Gruppen sind sogenannte „funktionelle Lebensmittel“ oder „angereicherte Lebensmittel“ (mit Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen und sonstigen Stoffen) nicht spezifisch für besondere Ernährungserfordernisse, sondern richten sich an die Allgemeinbevölkerung. Für diese Produkte gelten die allgemeinen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformations-Verordnung).
Kennzeichnung und Vermarktung
Allgemeine Anforderungen
Hersteller und Vertreiber von Lebensmitteln für besondere Gruppen unterliegen besonderen Vorschriften hinsichtlich:
- Zusammensetzung und Höchstmengen bestimmter Inhaltsstoffe
- Zulässigkeit von Zutaten, Vitaminen und Mineralstoffen
- Verbot bestimmter Werbeaussagen
- Vorgaben zur Zubereitung und Anwendung
Kennzeichnungsvorschriften
Die Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung dieser Lebensmittel richten sich nach Art. 9 und Art. 10 der VO (EU) Nr. 609/2013 sowie den sektoralen Einzelverordnungen. Sie verlangen insbesondere:
- Klare Zielgruppenangabe
- Hinweise zu Nährwert und Brennwert
- Genaue Gebrauchsanleitung
- Verpflichtender Hinweis auf ärztliche Aufsicht bei medizinischen Zwecken
Irrführende, unspezifische oder gesundheitsbezogene Aussagen sind, sofern sie nicht durch separate Rechtsakte explizit erlaubt sind, grundsätzlich untersagt.
Nationale Besonderheiten
Auch nach Geltungsbeginn der EU-Regelungen gibt es in Deutschland ergänzende Regelungen im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sowie in spezialgesetzlichen Verordnungen betreffend z. B. diätetische Lebensmittel aus bilanzierter Diät oder für Babys und Kleinkinder.
Zulassung, Überwachung und Haftung
Marktzulassung
Lebensmittel für besondere Gruppen sind grundsätzlich verkehrsfähig, wenn sie den konkretisierenden produktbezogenen Vorgaben der EU und der jeweiligen nationalen Umsetzungsakte entsprechen. Für einzelne Unterarten, etwa Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, ist zudem eine Anzeige bei der jeweils zuständigen nationalen Behörde verpflichtend, bevor das Produkt in Verkehr gebracht werden darf.
Überwachung
Die Überwachung diätetischer bzw. spezieller Lebensmittelgruppen obliegt in Deutschland im Wesentlichen den Behörden der Bundesländer. Verstöße gegen Zusammensetzungs-, Kennzeichnungs- oder Anmeldepflichten können mit Bußgeldern oder Vertriebsuntersagungen sanktioniert werden.
Verantwortlichkeit
Verantwortlich für die Einhaltung aller einschlägigen Vorgaben im Verkehr mit Lebensmitteln für spezielle Gruppen ist grundsätzlich der Lebensmittelunternehmer, der das Produkt herstellt oder im Geltungsbereich des europäischen Lebensmittelrechts erstmals in Verkehr bringt.
Zusammenfassung und Bedeutung für Praxis
Diätetische Lebensmittel im Sinne des heutigen europäischen Lebensmittelrechts werden als „Lebensmittel für besondere Gruppen“ weiterentwickelt und unterliegen strengen spezifischen Vorgaben hinsichtlich Zusammensetzung, Kennzeichnung, Bewerbung, Zulassung und Verkehrsfähigkeit. Durch die Harmonisierung auf EU-Ebene werden die Anforderungen stetig an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst, um den Schutz von besonderen Verbrauchergruppen sicherzustellen und irreführende oder gesundheitsgefährdende Produkte vom Markt auszuschließen.
Für die Praxis bedeutet dies, dass weitreichende Kenntnisse im Lebensmittelrecht erforderlich sind, um Produkte korrekt einzuordnen, zu kennzeichnen und zu vermarkten. Gesetzliche Änderungen und Anpassungen bedürfen fortlaufender Aufmerksamkeit, insbesondere bei der Entwicklung, Zulassung und Bewerbung von Lebensmitteln für spezielle Gruppen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Kennzeichnung diätetischer Lebensmittel?
Die Kennzeichnung diätetischer Lebensmittel ist in der Europäischen Union insbesondere durch die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 über die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittelinformationsverordnung, LMIV) sowie spezifische Verordnungen und nationale Vorschriften geregelt. Diätetische Lebensmittel, die offiziell als „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“ (engl. Foods for Special Medical Purposes, FSMP) oder „Lebensmittel für besondere Gruppen“ klassifiziert sind, unterliegen dabei häufig zusätzlichen Anforderungen. Zu den Kernanforderungen gehören verpflichtende Angaben wie die genaue Bezeichnung des Lebensmittels, eine Zutatenliste, Angaben zu Allergenen, Nährwertkennzeichnung, Name und Anschrift des verantwortlichen Lebensmittelunternehmens sowie das Mindesthaltbarkeitsdatum oder Verbrauchsdatum. Bei diätetischen Lebensmitteln sind darüber hinaus besondere Angaben erforderlich, etwa Informationen zur vorgesehenen Zielgruppe, zur besonderen Beschaffenheit und zum bestimmten Ernährungszweck. Bei Produkten für besondere medizinische Zwecke müssen Hinweise zur medizinischen Indikation, zur Notwendigkeit der Überwachung durch medizinisches Fachpersonal und gegebenenfalls zur geeigneten Dosierung oder Zubereitung enthalten sein. Zusätzliche Regelungen ergeben sich aus der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 über Lebensmittel für besondere Gruppen, die konkrete Vorgaben für die Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung dieser Produkte macht.
Welche Vorschriften gelten für die Vermarktung diätetischer Lebensmittel in der Europäischen Union?
Für die Vermarktung diätetischer Lebensmittel gilt in der EU ein umfassendes Regelwerk. Zentrale Rechtsquelle ist die Verordnung (EU) Nr. 609/2013, die spezifisch Lebensmittel für besondere Gruppen regelt, zu denen neben Säuglingsanfangsnahrung, Folgenahrung und Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke auch Lebensmittel für eine kalorienarme Ernährung zählen. Darüber hinaus greifen allgemeine lebensmittelrechtliche Vorschriften wie die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (Basisverordnung Lebensmittelrecht) sowie sektorspezifische Regelungen, beispielsweise zur Zusammensetzung oder zulässigen Zusatzstoffen. Vor dem Inverkehrbringen muss sichergestellt sein, dass das Produkt der Verkehrsfähigkeit in der gesamten EU entspricht, was regelmäßig auch eine Bewertung des Verwendungszwecks, der Sicherheit und gegebenenfalls eine spezifische Notifizierung bei den zuständigen Behörden beinhaltet. Für bestimmte Produktgruppen, etwa FSMP, ist eine Notifizierung verpflichtend. Zudem dürfen diätetische Lebensmittel nicht irreführend beworben werden (§ 11 LFGB bzw. Art. 7 LMIV), insbesondere in Bezug auf ihre gesundheitlichen Vorteile oder ihren bestimmmten Beitrag zur Ernährung.
Wie sind gesundheitsbezogene Angaben für diätetische Lebensmittel geregelt?
Gesundheitsbezogene Angaben („Health Claims“) auf diätetischen Lebensmitteln unterliegen der Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006). Danach dürfen gesundheitsbezogene Aussagen auf der Verpackung oder in der Werbung nur gemacht werden, wenn sie zuvor von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wissenschaftlich bewertet und durch die Europäische Kommission zugelassen wurden. Für spezielle, für diätetische Lebensmittel zugelassene Claims gelten teils abgeschwächte Anforderungen, sofern diese auf die besonderen Ernährungszwecke oder physiologischen Bedingungen eingehen und auf Verordnungen oder nationale Regelungen gestützt werden. Wichtig ist zudem, dass die Verwendung solcher Angaben nicht irreführend oder missverständlich ist und keine Versprechen über die Heilung, Linderung oder Verhütung einer Krankheit macht, sofern es sich nicht um ausdrücklich zugelassene Produkte für besondere medizinische Zwecke handelt. Für FSMP gelten insoweit Sonderregelungen, hier dürfen Hinweise auf die Notwendigkeit bei bestimmten Krankheitsbildern gegeben werden, soweit diese gesetzlich vorgesehen sind.
Gibt es Zulassungsverfahren für diätetische Lebensmittel?
Die Zulassungspflicht für diätetische Lebensmittel variiert je nach Produktkategorie. Eine generelle Einzelzulassung ist in der EU nur für neue oder neuartige Lebensmittelbestandteile (Novel Food gemäß Verordnung (EU) 2015/2283) erforderlich. Für viele diätetische Lebensmittel, insbesondere Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, besteht jedoch eine Notifizierungspflicht: Das jeweilige Produkt muss vor dem Inverkehrbringen den zuständigen Behörden gemeldet werden, häufig unter Vorlage der für die Zielgruppe geeigneten Zusammensetzung, Verwendungshinweise und gegebenenfalls Studienergebnissen zu Sicherheit und Wirksamkeit. Die zuständigen Behörden führen dabei keine Einzelprüfung durch, können aber bei festgestellten Mängeln einschreiten und ein Vermarktungsverbot oder Rückruf anordnen. Für bestimmte spezifische Produkte, etwa Säuglingsnahrung, existieren besonders strikte Zulassungsprozeduren, gegebenenfalls mit einer Pflicht zur Vorlage zusätzlicher Nachweise zur Eignung und Sicherheit.
Welche Rolle spielen nationale Sonderregelungen bei diätetischen Lebensmitteln?
Trotz umfassender EU-Regelungen existieren weiterhin nationale Sonderregelungen und Konkretisierungen bezüglich diätetischer Lebensmittel. In Deutschland bildet vor allem die Diätverordnung (DiätV; inzwischen größtenteils durch EU-Recht abgelöst) sowie das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) die Grundlage für zusätzliche Anforderungen. Nationale Vorschriften können etwa Regelungen zur Produktmeldung (Notifizierung), zu Aufmachung und Kennzeichnung oder zu Rezeptur und Rückverfolgbarkeit umfassen. Solange keine vollständige EU-Harmonisierung erfolgt ist, sind Unternehmen dazu verpflichtet, sowohl unionsrechtliche als auch nationale Spezialvorschriften zu beachten.
Was sind die wichtigsten Pflichten für Hersteller diätetischer Lebensmittel bezüglich Rückverfolgbarkeit und Produktsicherheit?
Hersteller diätetischer Lebensmittel müssen gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eine durchgängige Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel gewährleisten. Jeder Schritt der Herstellung, Verarbeitung und Distribution muss dokumentiert und nachvollziehbar sein, sodass im Fall eines gesundheitlichen Risikos eine lückenlose Rückverfolgung und gegebenenfalls ein gezielter Produktrückruf möglich ist. Zusätzlich sind Hersteller verpflichtet, durch Eigenkontrollen, Gefahrenanalyse (HACCP-Konzept) und Dokumentation sicherzustellen, dass die Produkte den rechtlichen Vorschriften entsprechen, frei von unerwünschten Stoffen sind und bei Einhaltung der Gebrauchsanweisung keine gesundheitlichen Schäden verursachen können. Produktsicherheit ist dabei ein übergeordnetes Prinzip und kann von den Aufsichtsbehörden jederzeit geprüft werden.
Inwiefern müssen diätetische Lebensmittel besonderen Zusammensetzungsanforderungen genügen?
Diätetische Lebensmittel dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie die gesetzlich festgelegten oder in Durchführungsrechtsakten der EU geregelten Anforderungen an Zusammensetzung und Beschaffenheit erfüllen. Je nach Einsatzbereich (z.B. Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, Säuglingsnahrung, ballaststoffreiche Diätprodukte) sind Mindest- oder Höchstgehalte bestimmter Nährstoffe, Vitamine oder Mineralstoffe vorgeschrieben. Auch die zulässigen Zusatzstoffe und Verarbeitungshilfsstoffe sind exakt geregelt, ebenso wie die Anforderungen an Reinheit, Hygiene und mögliche Kontaminanten. Bei Nichterfüllung dieser Vorgaben liegt ein Verstoß gegen das Lebensmittelrecht vor, der zu Verkaufsverboten, Rückrufaktionen oder behördlichen Maßnahmen führen kann. Hersteller müssen die Einhaltung dieser Vorgaben nicht nur sicherstellen, sondern auch auf Anforderung nachweisen können (z.B. durch Produktspezifikationen, Analysezertifikate oder wissenschaftliche Gutachten).