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Deutscher Volkszugehöriger


Definition und Bedeutung des Begriffs „Deutscher Volkszugehöriger“

Der Begriff „Deutscher Volkszugehöriger“ bezeichnet eine Person, die sich durch Abstammung, Kultur, Sprache oder Erziehung zum deutschen Volk zählt, ohne hierbei zwingend die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Die Begrifflichkeit ist überwiegend im öffentlichen Recht und im Statusrecht gebräuchlich und spielt insbesondere im Kontext der deutschen Geschichte, des Staatsangehörigkeitsrechts, des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) sowie im Zusammenhang mit deutschen Minderheiten eine Rolle.

Historische Entwicklung

Ursprünge bis 1945

Erste rechtliche Kodifizierungen finden sich bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert, doch insbesondere im Nationalitätenrecht des Dritten Reichs wurde das Konzept des „deutschen Volkszugehörigen“ zur rechtlichen und gesellschaftspolitischen Schlüsselkategorie. In Abgrenzung zum Status des „Reichsbürgers“ und auf Basis ethnisch-kultureller Merkmale wurde der Begriff mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (1933) und weiteren Regelungen im Staats- und Fremdenrecht deutlich hervorgehoben.

Nachkriegszeit und Bundesrepublik Deutschland

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Begriff neu kontextualisiert, insbesondere im Zuge der Flüchtlings- und Vertriebenenfrage. Das Bundesvertriebenengesetz von 1953 und seine Novellierungen stellte erstmals einen umfassenden Rechtsrahmen zur Definition und rechtlichen Behandlung von „deutschen Volkszugehörigen“ im Sinne von Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern bereit.

Rechtliche Definition und Kriterien

Abgrenzung zur deutschen Staatsangehörigkeit

Während die deutsche Staatsangehörigkeit durch das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt wird, ist die „Volkszugehörigkeit“ ein eigenständiges Zuordnungsmerkmal ethnisch-nationaler Zugehörigkeit. Ein deutscher Volkszugehöriger ist im Sinne des Gesetzgebers eine Person, die sich zum deutschen Volk bekennt, ohne zwingend auch deutscher Staatsangehöriger zu sein.

Definition nach § 6 BVFG

Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) ist die zentrale Rechtsgrundlage für den Begriff. In § 6 BVFG heißt es:

„Deutscher Volkszugehöriger ist, wer sich als Deutscher aufgrund seiner Sprache, seiner Erziehung, seiner Kultur oder seines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum bekennt, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Tatsachen bestätigt wird.“

Tatbestandsmerkmale

Die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit beruht auf einem mehrstufigen Prüfungsmaßstab:

  • Bekenntnis zum deutschen Volkstum: Das aktive Bekenntnis ist Voraussetzung. Es umfasst Sprache, Erziehung, Kultur und subjektives Zugehörigkeitsgefühl.
  • Objektive Bestätigung: Das Bekenntnis muss durch Tatsachen belegt sein, beispielsweise durch Schulbildung in deutscher Sprache, Zugehörigkeit zu deutschen Vereinen, Teilnahme an deutschem Brauchtum oder durch Dokumente, die die deutsche Herkunft belegen.
  • Kein Erfordernis der deutschen Staatsangehörigkeit: Volkszugehörigkeit ist unabhängig vom Besitz eines deutschen Passes.

Spezielle Regelungen für Personen deutscher Abstammung

Für Vertriebene und Spätaussiedler, vornehmlich aus Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion, stellt die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit die Voraussetzung für die Gewährung besonderer rechtlicher und sozialer Status dar, insbesondere im Rahmen von Aufnahmeverfahren, Integrationserleichterungen und dem Erwerb der Staatsangehörigkeit durch erleichtertes Verfahren.

Relevanz in aktuellen Rechtsvorschriften

Statusrecht innerhalb des Bundesrechts

Der Begriff „deutscher Volkszugehöriger“ besitzt in folgenden relevanten Gesetzen einen normativen Gehalt:

  • Bundesvertriebenengesetz (BVFG): Definition, Aufnahmevoraussetzungen, Rechtsfolgen.
  • Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG): Vereinfachter Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit für deutsche Volkszugehörige nach dem BVFG.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Teilweise Regelungen bezüglich Eheschließung, Namensführung und Staatsangehörigkeitsstatus von Volkszugehörigen vor Gesetzesnovellen.

Internationale Bedeutung

Für deutsche Minderheiten im Ausland – etwa in Polen, Rumänien, Russland oder anderen Staaten Ost- und Südosteuropas – bietet die Anerkennung als deutscher Volkszugehöriger die Grundlage für Bestimmungen internationaler Abkommen oder bilateraler Verträge, insbesondere hinsichtlich Minderheitenrechten und Konsularhilfe.

Rechtsfolgen der Feststellung als Deutscher Volkszugehöriger

Aufnahmeverfahren und Rechtsstatus

Die Anerkennung als deutscher Volkszugehöriger nach § 6 BVFG berechtigt bestimmte Personen(gruppen) zur Durchführung eines Aufnahmeverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland. Mit erfolgreichem Abschluss dieses Verfahrens werden folgende Rechte eröffnet:

  • Recht auf Einreise und Aufenthalt (§ 27 BVFG)
  • Anspruch auf Einbürgerung: Erleichterte und priorisierte Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit gem. § 40a StAG, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
  • Integrationsleistungen: Anspruch auf Integrationshilfen, gegebenenfalls Unterstützung bei Unterbringung, Sozialleistungen und Zugang zu Förderprogrammen.

Besonderheit des Bekenntnisses

Das öffentliche, nachweisbare Bekenntnis zum deutschen Volkstum ist ein wesentlicher Anknüpfungspunkt. Gerichte und Behörden legen im Verwaltungsverfahren einen strengen Maßstab an die Glaubhaftmachung der Merkmale, insbesondere, wenn Zweifel an der Ernsthaftigkeit oder Kontinuität des Bekenntnisses bestehen.

Nachweisanforderungen

Zur Anerkennung sind verschiedenste Nachweise möglich, etwa:

  • Dokumente über deutsche Abstammung oder Geburt,
  • Schul- und Ausbildungsbescheinigungen mit Deutsch als Unterrichtssprache,
  • Mitgliedschaftsnachweise in deutschen kulturellen oder kirchlichen Verbänden,
  • Zeugenaussagen, Bestätigungen ortsansässiger deutscher Vereine oder Gemeinden.

Behörden prüfen die Echtheit und Plausibilität sämtlicher Nachweise auf einer Einzelfallbasis.

Abgrenzung und verwandte Begriffe

Unterschied zum Status „Spätaussiedler“

Spätaussiedler sind nach § 4 BVFG deutsche Volkszugehörige, die ihren Wohnsitz in einem Gebiet außerhalb der heutigen Bundesrepublik Deutschland hatten und nach der Vertreibung oder Umsiedlung nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland eingereist sind. Volkzugehörigkeit ist somit Voraussetzung, Spätaussiedlerschaft ein daraus resultierender Status mit eigenen rechtlichen Folgewirkungen.

Kein Synonym zur deutschen Staatsangehörigkeit

Deutsche Volkszugehörige sind nicht automatisch deutsche Staatsangehörige. Erst durch die gesonderte Einbürgerung oder Geburt als Kind deutscher Eltern wird die deutsche Staatsangehörigkeit erworben.

Bedeutung im Kontext von Integration, Migration und Minderheitenpolitik

Schutz und Förderung deutscher Minderheiten

Die Definition und Anerkennung als deutscher Volkszugehöriger ist ein zentrales Element der Minderheitenpolitik, insbesondere zur Bewahrung der deutschen Sprache, Kultur und Identität in ausländischen Staaten. Hierdurch werden Programme zur Sprachförderung, Kulturpflege und finanzielle Förderungen ermöglicht.

Migration und Rückkehr

Für Rückkehrer aus Osteuropa und anderen Staaten ist die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit Schlüssel zum erleichterten Zugang nach Deutschland und zur sozialen Integration.

Literaturhinweise und Quellen

  • Bundesvertriebenengesetz (BVFG), insb. §§ 6, 15, 27
  • Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)
  • Bundesministerium des Innern: „Verwaltungsvorschrift zum Bundesvertriebenengesetz“
  • Bundeszentrale für politische Bildung: Dossiers zu Flucht, Vertreibung, Aussiedlerpolitik
  • Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.11.2019 – 1 C 38.18

Zusammenfassung

Der Begriff „Deutscher Volkszugehöriger“ hat eine vielschichtige, rechtlich kodifizierte Bedeutung und ist zentral für Fragen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts, der Vertriebene- und Spätaussiedlerpolitik sowie des Minderheitenschutzes. Er grenzt sich klar vom Staatsangehörigkeitsbegriff ab und bildet die rechtliche Grundlage für spezifische Ansprüche, Aufnahmeverfahren und Rechte für deutsche Minderheiten im Ausland und jene mit dauerhaftem Lebensmittelpunkt außerhalb der Bundesrepublik.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Nachweise werden zur Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit benötigt?

Zur rechtlichen Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit sind in der Regel umfassende Nachweise zu erbringen. Die wichtigsten Unterlagen sind hierbei Personenstandsurkunden (wie Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden), aus denen die Abstammung hervorgeht. Zusätzlich gefordert werden historische Dokumente, die die Zugehörigkeit zu einer deutschen Volksgruppe, das Bekenntnis zum deutschen Volkstum sowie seinen Gebrauch der deutschen Sprache belegen. Dazu zählen beispielsweise Meldebescheinigungen aus ehemaligen Siedlungsgebieten, Zeugnisse, Schul- oder Arbeitsbescheinigungen, in denen die deutsche Nationalität oder die Umgangssprache dokumentiert ist. Häufig relevant sind auch Ausweise, Mitgliedschaftsnachweise in deutschen Vereinen oder Kirchenbescheinigungen. Die Behörde prüft die Glaubhaftigkeit sämtlicher Unterlagen, wobei Originale oder amtlich beglaubigte Kopien einzureichen sind. Fehlt ein unmittelbarer Beleg, können sogenannte glaubhafte eidesstattliche Erklärungen zumindest unterstützend anerkannt werden, jedoch selten als alleiniger Nachweis genügen.

Welche gesetzlichen Regelungen betreffen deutsche Volkszugehörige im Bundesvertriebenengesetz (BVFG)?

Das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) definiert und regelt die Stellung der deutschen Volkszugehörigen detailliert. Im § 6 BVFG ist festgelegt, wer als deutscher Volkszugehöriger gilt: Demnach sind Personen umfasst, die sich zum deutschen Volkstum bekannt, die deutsche Sprache gepflegt und sich traditionell im deutschen Kulturkreis eingebunden haben. Weitere maßgebliche Vorschriften betreffen den Erwerb der Spätaussiedlereigenschaft (§ 4 BVFG) und den Nachweis der Vertreibung oder Flucht aus bestimmten Herkunftsgebieten. Das BVFG stellt dabei explizite Anforderungen an das Bekenntnis zum deutschen Volkstum vor einer bestimmten Frist (meistens 1945 bis 1993) sowie an die Umstände der Vertreibung infolge der Nachkriegsereignisse in Mittel- und Osteuropa. Die jeweiligen Paragrafen regeln zudem die Aufnahmeverfahren, Mitwirkungspflichten und die Rechtsfolgen einer Anerkennung.

Welche Privilegien oder Rechtsfolgen ergeben sich aus der Anerkennung als deutscher Volkszugehöriger?

Die Anerkennung als deutscher Volkszugehöriger löst verschiedene rechtliche Folgen aus, insbesondere im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht und den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 7 BVFG). Anerkannte deutsche Volkszugehörige, die als Spätaussiedler nach Deutschland kommen, haben das Recht auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und der schnellen Einbürgerung, sofern die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Mit der Aufnahme als Spätaussiedler geht die Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen einher, was die Aufnahme in das soziale Sicherungssystem, unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zu Bildungs- und Fördermaßnahmen umfasst. Zusätzlich werden sie beim Familiennachzug bevorzugt berücksichtigt. Das Bekenntnis und die nachgewiesene Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum sind damit zentral für den Zugang zu umfassenden Integrationsleistungen und einer bevorzugten Rechtsstellung im deutschen Rechtssystem.

Wie unterscheidet sich die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit von der Feststellung der Staatsangehörigkeit?

Die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit ist ein eigenständiges rechtliches Verfahren und unterscheidet sich grundlegend von der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit. Während die Volkszugehörigkeit Kriterien wie Sprache, Kultur und das Bekenntnis zum deutschen Volkstum erfasst (meist historisch und sozial bestimmt), ist die Staatsangehörigkeit formal-juristisch durch Geburt, Abstammung oder Einbürgerung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt. Die Anerkennung als deutscher Volkszugehöriger ist insbesondere für Spätaussiedler im Rahmen des BVFG relevant, bildet aber nicht automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit ab, sondern kann Voraussetzung für einen erleichterten Erwerb sein. Die Verfahren laufen über unterschiedliche Behörden (Aussiedler- bzw. Einbürgerungsbehörde) und verlangen unterschiedliche Dokumente und Nachweise.

Können auch Nachkommen deutscher Volkszugehöriger Ansprüche geltend machen?

Nachkommen deutscher Volkszugehöriger können unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Anerkennung als Spätaussiedler oder entsprechende Rechtsfolgen geltend machen. Nach § 7 BVFG erstrecken sich Regelungen auch auf Ehegatten und Abkömmlinge (Kinder, Enkel), sofern diese gemeinsam mit dem anerkannten Spätaussiedler eingereist sind und selbst die deutschen Sprachkenntnisse nachweisen. Entscheidend ist, dass das Bekenntnis zum deutschen Volkstum auch im Nachkommenkreis nachgewiesen wird, etwa durch aktive Pflege der deutschen Sprache und Kultur. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung werden insbesondere bei Abkömmlingen zunehmend streng geprüft, sodass umfangreiche Nachweise und ggf. Sprachtests verlangt werden. Kinder, die nach der Einreise in Deutschland geboren werden, erwerben in der Regel automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, sofern ein Elternteil diese schon besitzt.

Welche Behörde ist für die Prüfung und Anerkennung deutscher Volkszugehörigkeit zuständig?

Für die Prüfung und Anerkennung der deutschen Volkszugehörigkeit im Zusammenhang mit Spätaussiedlerangelegenheiten sind primär die Aufnahmeeinrichtungen des Bundesverwaltungsamtes (BVA) zuständig. Das BVA bearbeitet die Aufnahmeanträge gemäß § 27 BVFG und prüft in Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesbehörden (zum Beispiel den Vertriebenenstellen), ob sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und ob ausreichende Nachweise für die deutsche Volkszugehörigkeit vorliegen. Parallel zur Anerkennung als Spätaussiedler wird in vielen Fällen eine Überprüfung durch Außenstellen im Herkunftsstaat (etwa deutsche Konsulate) vorgenommen, um die Echtheit der eingereichten Unterlagen und der behaupteten Volkszugehörigkeit zu bewerten. Die abschließende Entscheidung obliegt dem BVA, gegen dessen Bescheid gegebenenfalls Rechtsmittel eingelegt werden können.