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Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung


Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) ist ein zentrales Element der sozialen Sicherung in Deutschland und dient dem Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vor den Folgen von Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten. Sie bildet damit einen eigenständigen Zweig der Sozialversicherung neben Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die DGUV basiert auf einem dichten Regelungsnetz, dessen Wurzeln bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, und ist rechtlich maßgeblich durch das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geregelt.

Rechtsgrundlagen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)

Das SGB VII bildet die Kernvorschrift für die gesetzliche Unfallversicherung. Es regelt sowohl die Organisation, die Finanzierung, als auch die Leistungen und den Personenkreis der abgesicherten Personen. Weitere Rechtsgrundlagen finden sich im Sozialgesetzbuch (SGB IV), in der Unfallversicherungs-Anzeigeverordnung (UVAV) sowie in zahlreichen untergesetzlichen Normen und Satzungen der Unfallversicherungsträger.

Organisation und Träger

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung setzt sich aus verschiedenen selbstverwalteten Trägern zusammen. Zu den wichtigsten zählen die Berufsgenossenschaften für gewerbliche Unternehmen sowie die Unfallkassen für den öffentlichen Dienst. Die DGUV als Spitzenverband koordiniert und vertritt die gemeinsamen Interessen der einzelnen Träger.

Aufgabe und Zweck der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

Die Hauptaufgabe der gesetzlichen Unfallversicherung ist es, die Gesundheit und Arbeitskraft der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder deren wirtschaftliche Folgen bei Eintritt eines Versicherungsfalls abzumildern. Ziel ist die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie die bestmögliche Rehabilitation und Entschädigung der Versicherten.

Prävention

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind verpflichtet, Maßnahmen zur Unfallverhütung und zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu ergreifen. Dies umfasst technische Unfallverhütung, Schulungen, Betriebsbesichtigungen und Beratung der Unternehmen.

Rehabilitation und Leistungen

Nach einem Versicherungsfall leistet die DGUV umfassende medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation. Ziel ist es, die Erwerbsfähigkeit der Betroffenen wiederherzustellen oder eine Eingliederung in das Erwerbsleben zu ermöglichen. Leistungen der Unfallversicherung erfolgen unter dem Leitgedanken „Rehabilitation vor Rente“.

Versicherungsschutz

Versicherten Personenkreis

Der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst im Wesentlichen folgende Personengruppen:

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
  • Auszubildende und Beschäftigte vergleichbarer Art
  • Kinder in Kindertageseinrichtungen, Schüler und Studierende
  • ehrenamtlich Engagierte in bestimmten Bereichen
  • bestimmte Selbstständige, sofern keine Befreiung erfolgt ist

Versicherungsfälle

Als Versicherungsfälle gelten nach § 7 SGB VII:

  • Arbeitsunfall: Ein Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit.
  • Wegeunfall: Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeitsstätte.
  • Berufskrankheit: Krankheiten, die durch eine berufliche Tätigkeit verursacht wurden und in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) aufgeführt sind.

Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

Nicht jeder Unfall steht unter Versicherungsschutz. Ausgeschlossen sind unter anderem Unfälle infolge vorsätzlichen Handelns, bei eigenwirtschaftlichen (privaten) Tätigkeiten oder bei sogenannten „Gefälligkeitsdiensten“ außerhalb versicherter Bereiche.

Leistungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

Geldleistungen

  • Verletztengeld (nach § 45 SGB VII): Einkommensersatzleistung während der Arbeitsunfähigkeit
  • Übergangsgeld: Leistung bei Umschulungen oder beruflicher Neuorientierung
  • Rentenleistungen: Dauerschadenrente bei Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 20 %
  • Sterbegeld und Hinterbliebenenrenten: Leistungen an Angehörige im Todesfall

Sach- und Dienstleistungen

  • Heilbehandlung und medizinische Rehabilitation
  • Berufliche Wiedereingliederung, wie Umschulungsmaßnahmen und berufsfördernde Leistungen
  • Soziale Rehabilitation, beispielsweise Haushaltshilfen und Betreuung

Besonderheiten im Leistungsrecht

Die Leistungen der Unfallversicherung gehen demjenigen der anderen Zweige der Sozialversicherung, etwa der Kranken- oder Rentenversicherung, grundsätzlich vor (Prinzip der Subsidiarität und Spezialität). Die DGUV übernimmt im Versicherungsfall sämtliche medizinische, berufliche und soziale Rehabilitationsleistungen aus einer Hand.

Finanzierung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

Umlageverfahren

Die Finanzierung erfolgt im Unterschied zu anderen Sozialversicherungszweigen ausschließlich durch die Arbeitgeber bzw. Unternehmen im Rahmen eines Umlageverfahrens („Umlageprinzip“). Die Höhe der Umlage richtet sich nach der Lohnsumme und dem Gefährdungspotential des jeweiligen Betriebs.

Beitragsberechnung und Beitragsschuldner

Die Beiträge werden jeweils am Ende eines Geschäftsjahres nach der tatsächlich notwendigen Ausgabe der Unfallversicherungsträger berechnet (nachträgliche Beitragsbemessung). Die Beitragsschuld liegt allein bei den Unternehmen, eine Lohnabzugspflicht beim Beschäftigten besteht nicht.

Organisation und Selbstverwaltung

Aufbau

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung ist dezentral organisiert. Die Träger der jeweiligen Versicherungszweige (Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und sonstige Einrichtungen) arbeiten auf regionaler oder Branchenbasis. Die Selbstverwaltung wird durch die Vertreterversammlung als oberstes Organ wahrgenommen.

Spitzenverband DGUV

Die DGUV fungiert als Dachorganisation und vertritt national wie international die Belange der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie ist auch für die Entwicklung von Vorschriften und technischen Standards zuständig.

Meldepflichten und Verfahren

Anzeige bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten

Arbeitgeber sind verpflichtet, Unfälle, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen führen, sowie Verdachtsfälle auf Berufskrankheiten, unverzüglich dem zuständigen Unfallversicherungsträger zu melden (§ 193 SGB VII). Auch Ärzte sind zur Anzeige von Berufskrankheiten verpflichtet.

Feststellungsverfahren

Nach Eingang einer Unfall- oder Erkrankungsanzeige prüfen die Träger der Unfallversicherung das Vorliegen der leistungsrechtlichen Voraussetzungen, führen ggf. medizinische Untersuchungen durch und erteilen einen verbindlichen Bescheid.

Bedeutung und Entwicklung

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat sich beständig weiterentwickelt und trägt heute wesentlich zur Gestaltung sicherer und gesunder Arbeitsplätze bei. Reformen betreffen insbesondere die Prävention sowie die Anpassung des Leistungskataloges an neue Arbeitsformen und berufliche Risiken. Die DGUV ist Vorreiter in Sachen Arbeitsschutz und Rehabilitation und bildet einen unverzichtbaren Pfeiler im deutschen Sozialstaat.


Dieser Artikel bietet eine umfassende und tiefgehende Übersicht über sämtliche rechtlichen Aspekte der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung und deren Stellung im System der sozialen Sicherung in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist nach deutschem Recht in der Gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert?

Nach §§ 2 bis 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) definiert der Gesetzgeber eindeutig, welche Personen dem Schutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) unterliegen. Pflichtversichert sind insbesondere abhängig Beschäftigte, Auszubildende, Kinder in Kindertagesstätten, Schüler, Studierende während des Besuchs von Bildungseinrichtungen, aber auch bestimmte ehrenamtlich Tätige im öffentlichen Interesse. Darüber hinaus erstreckt sich die Pflichtversicherung auf Personen, die in sogenannten arbeitnehmerähnlichen Verhältnissen stehen. Selbständige und Unternehmer hingegen sind nur dann pflichtversichert, wenn sie explizit durch besondere Vorschriften (z. B. im Baugewerbe oder in der Land- und Forstwirtschaft) erfasst sind oder sich freiwillig versichern (§ 6 SGB VII). Die Versicherung gilt kraft Gesetzes und besteht unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsvertrages. Auf die korrekte Anmeldung bei der jeweiligen Berufsgenossenschaft oder UV-Träger ist zu achten, da bei Verstoß Haftungs- und Bußgeldfolgen drohen können.

Welche Leistungen umfasst die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung im Schadensfall?

Der Leistungskatalog der DGUV ist abschließend im SGB VII geregelt und beinhaltet medizinische, berufliche sowie soziale Leistungen. Zunächst umfasst er die Heilbehandlung (§§ 26, 27 SGB VII), medizinische Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 35 SGB VII), Pflegeleistungen (§ 44 SGB VII), Verletztengeld (§ 45 ff. SGB VII), Übergangsgeld (§ 49 SGB VII) und Rentenleistungen (§ 56 ff. SGB VII) bei dauerhaften Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit. Dazu kommen Leistungen an Hinterbliebene im Todesfall, wie Witwen- und Waisenrenten (§§ 63 ff. SGB VII) sowie Sterbegeld (§ 64 SGB VII). Die Sach- und Geldleistungen dienen dem Ziel, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten umfassend abzusichern und die soziale und berufliche Wiedereingliederung zu fördern. Die Leistungen werden stets nach den gesetzlichen Vorschriften bemessen; sie sind subsidiär zu anderen Sozialleistungen.

Was sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung?

Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist, dass ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) vorliegt, das im Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit (§ 8 SGB VII) steht. Der Unfall muss während und im ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit eintreten (Wegeunfall, Betriebsweg, betriebliche Tätigkeit), wobei auch sogenannte Wegeunfälle – also Unfälle auf dem direkten Weg zur oder von der Arbeitsstätte – unter den Schutz fallen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Unerheblich ist die Verschuldensfrage des Versicherten, da es sich beim gesetzlichen Unfallversicherungsschutz um eine verschuldensunabhängige Pflichtversicherung handelt. Eine sorgfältige Dokumentation des Unfallhergangs sowie unverzügliche Meldung an den UV-Träger sind für die Anerkennung und Leistungsgewährung essenziell.

Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber im Zusammenhang mit der gesetzlichen Unfallversicherung?

Arbeitgeber sind nach § 193 SGB VII verpflichtet, ihr Unternehmen unverzüglich bei der zuständigen Berufsgenossenschaft anzumelden und Beiträge zu entrichten (§ 150 SGB VII). Bei Eintritt eines meldepflichtigen Arbeits- oder Wegeunfalls besteht eine Anzeigepflicht gegenüber dem Unfallversicherungsträger (§ 193 SGB VII) innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Unfalls. Ferner sind Arbeitgeber verpflichtet, für sichere Arbeitsbedingungen zu sorgen sowie präventive Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Unfallverhütung zu realisieren (vgl. § 17 SGB VII sowie das Arbeitsschutzgesetz). Die Einhaltung dieser Pflichten ist Gegenstand regelmäßiger Überprüfungen und bei Verstößen mit Bußgeldern oder sogar strafrechtlicher Verfolgung verbunden.

Können Selbstständige und Unternehmer freiwillig der gesetzlichen Unfallversicherung beitreten?

Selbstständige und Unternehmer sind grundsätzlich nicht automatisch pflichtversichert, können aber unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 6 SGB VII eine freiwillige Versicherung beantragen. Dieser Beitritt muss schriftlich beim zuständigen Unfallversicherungsträger, etwa der berufsgenossenschaftlichen Unfallkasse, erfolgen. Nach Annahme des Antrags genießen die Selbstständigen weitgehend die gleichen Ansprüche auf Leistungen wie Pflichtversicherte, allerdings müssen sie die Beiträge in voller Höhe selbst tragen. Die Deckung umfasst den Versicherungsschutz für die berufliche Tätigkeit einschließlich der unternehmensbezogenen Wege, nicht aber private Tätigkeiten. Der Umfang und die Beitragshöhe können je nach Gefährdungsrisiko und Gewähltem Versicherungsschutz variieren.

Welche Rechtsmittel stehen Versicherten nach einem ablehnenden Bescheid der Unfallversicherung zur Verfügung?

Versicherte haben die Möglichkeit, gegen Entscheidungen der Unfallversicherungsträger, etwa die Ablehnung der Anerkennung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, Rechtsmittel einzulegen. Nach § 84 SGG (Sozialgerichtsgesetz) ist zunächst innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes ein Widerspruch einzulegen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, folgt die Klage vor dem Sozialgericht gemäß §§ 87 ff. SGG. Die Sozialgerichtsbarkeit prüft sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen als auch die rechtliche Würdigung des Versicherungsfalls. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Gericht ordnet dies im Einzelfall an. Vor Einleitung weiterer Instanzen (Landessozialgericht, Bundessozialgericht) ist regelmäßig der fachanwaltliche Rat empfehlenswert, um die Erfolgsaussichten und das Kostenrisiko zu bewerten.

Wie erfolgt die Finanzierung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung?

Die Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung erfolgt ausschließlich durch Beiträge der Unternehmen (§ 159 SGB VII). Arbeitnehmer und andere versicherte Personen tragen keine Beiträge zur Unfallversicherung. Die Höhe des Beitrags richtet sich nach der Lohnsumme und dem Gefahrenrisiko der jeweiligen Branche bzw. des Unternehmens. Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen berechnen die Beiträge nach ihren eigenen Umlageverfahren, wobei die Präventions- und Entschädigungskosten maßgeblich sind. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Beitragsklassenregelung, die branchenspezifisch die Gefährdungslage abbildet. Die ordnungsgemäße Beitragsentrichtung ist zwingend für den dauerhaften Versicherungsschutz der Arbeitnehmer und die rechtliche Absicherung des Unternehmens.