Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung: Begriff, Zweck und Einordnung
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung bezeichnet das System der öffentlich-rechtlichen Absicherung gegen die Folgen von Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten in Deutschland. Es hat den Auftrag, Arbeits- und Gesundheitsgefahren vorzubeugen, nach einem Versicherungsfall medizinisch zu versorgen, die Teilhabe am Arbeitsleben und am gesellschaftlichen Leben zu sichern und materielle Schäden auszugleichen. Der Begriff wird umgangssprachlich auch für den gleichnamigen Spitzenverband der Unfallversicherungsträger verwendet; Träger der Versicherung und damit zuständig für den konkreten Schutz sind jedoch die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.
Trägerschaft und Aufbau
Berufsgenossenschaften und Unfallkassen
Die gewerblichen Berufsgenossenschaften sind nach Branchen gegliedert und zuständig für Unternehmen der Privatwirtschaft. Die Unfallkassen tragen den Schutz im öffentlichen Bereich, etwa für Beschäftigte des Bundes, der Länder und Kommunen sowie für Kinder in Kindertageseinrichtungen, Schülerinnen und Schüler und Studierende.
Zuständigkeit und Organisation
Die Zuständigkeit richtet sich nach der Art des Unternehmens oder der Einrichtung. Die Träger sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Sie handeln auf Grundlage eigener Satzungen und erlassen verbindliche Unfallverhütungsvorschriften. Die Aufsicht führen staatliche Stellen.
Spitzenverband
Der gleichnamige Spitzenverband koordiniert Grundsätze, Präventionsstandards, Forschung und gemeinsame Dienste. Er ist nicht der Versicherer im Einzelfall, sondern die Plattform für die Zusammenarbeit der Träger.
Versicherter Personenkreis
Pflichtversicherung
Der Schutz erfasst insbesondere Beschäftigte, Auszubildende und Praktikantinnen und Praktikanten, Personen in Werkstätten für behinderte Menschen, Kinder in Kindertageseinrichtungen, Schülerinnen und Schüler, Studierende in bestimmten hochschulbezogenen Tätigkeiten, ehrenamtlich Engagierte in gesetzlich bestimmten Bereichen, Nothelfende, Blut- und Organspenderinnen und -spender sowie Teilnehmende an arbeitsmarkt- oder rehabilitationsbezogenen Maßnahmen.
Freiwillige Versicherung
Unternehmerinnen und Unternehmer, mitarbeitende Familienangehörige sowie bestimmte selbständig Tätige können sich unter definierten Voraussetzungen freiwillig versichern. Der Umfang ergibt sich aus den Satzungen und Angeboten der zuständigen Träger.
Beginn und Ende des Schutzes
Der Schutz knüpft an die Ausübung einer versicherten Tätigkeit an. Er besteht für die Dauer dieser Tätigkeit sowie für damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Wege. Bei Unterbrechungen und privaten Verrichtungen kann der Schutz entfallen.
Versicherte Ereignisse und Abgrenzungen
Arbeitsunfall
Ein Arbeitsunfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das in ursächlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Erfasst sind auch Wegeunfälle auf dem unmittelbaren Weg zur oder von der versicherten Tätigkeit. Tätigkeiten im Homeoffice können erfasst sein, wenn sie der versicherten Arbeit zuzurechnen sind. Eigenwirtschaftliche Verrichtungen sind grundsätzlich nicht geschützt.
Berufskrankheit
Eine Berufskrankheit ist eine durch die versicherte Tätigkeit verursachte Erkrankung, die aufgrund bestimmter Einwirkungen entsteht und in einer amtlichen Liste erfasst ist. In eng begrenzten Konstellationen können Erkrankungen, die noch nicht gelistet sind, bei gesicherter Erkenntnislage wie eine Berufskrankheit berücksichtigt werden.
Nicht versicherte Risiken
Privat veranlasste Tätigkeiten, allgemeine Lebensrisiken und Ereignisse ohne Bezug zur versicherten Tätigkeit fallen nicht unter den Schutz. Maßgeblich ist der innere Zusammenhang mit der versicherten Verrichtung.
Leistungen
Medizinische Behandlung und Rehabilitation
Die Träger stellen eine auf das Schadensereignis spezialisierte Behandlung sicher. Dazu gehören Akutversorgung, Rehabilitation, Hilfsmittel, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur sozialen Teilhabe sowie Wohnungs- und Fahrzeuganpassungen, sofern die Voraussetzungen vorliegen.
Geldleistungen
Geldleistungen umfassen insbesondere Lohnersatz während der Heilbehandlung, Übergangsleistungen während beruflicher Wiedereingliederung, Renten bei dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie Leistungen an Hinterbliebene wie Renten, Sterbegeld und Kosten der Überführung. Die Höhe richtet sich nach gesetzlichen Maßstäben und individuellen Faktoren wie dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit und dem zugrunde liegenden Arbeitsentgelt.
Prävention
Ein Kernauftrag ist die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Die Träger erlassen Unfallverhütungsvorschriften, beraten Betriebe und überwachen deren Einhaltung. Schulungen, Kampagnen und Forschung ergänzen die Präventionsarbeit.
Finanzierung
Die Versicherung wird umlagefinanziert. In der gewerblichen Wirtschaft tragen die Unternehmen die Beiträge allein. Die Beitragshöhe richtet sich nach der Lohnsumme und der Gefährdungsklasse des Unternehmens sowie dem Finanzbedarf des Trägers. Im öffentlichen Bereich erfolgt die Finanzierung durch die jeweiligen Gebietskörperschaften und Einrichtungen. Versicherte tragen keine Beiträge.
Verfahren und Rechtsweg
Anzeige und Feststellung
Arbeitsunfälle und bestimmte Behandlungsfälle werden dem zuständigen Träger angezeigt. Ärztinnen und Ärzte melden Verdachtsfälle auf Berufskrankheiten. Der Träger prüft die Voraussetzungen, die Kausalität zwischen Tätigkeit und Schaden sowie den Leistungsumfang. Medizinische und berufskundliche Gutachten können einbezogen werden.
Verwaltungsverfahren
Entscheidungen ergehen durch Verwaltungsakte. Gegen ablehnende oder teilweise ablehnende Entscheidungen stehen Rechtsbehelfe im sozialrechtlichen Verfahren offen. Fristen und Formvorgaben sind vorgesehen. Nach Abschluss des Vorverfahrens ist der Sozialrechtsweg eröffnet.
Datenschutz
Personenbezogene Daten unterliegen dem Sozialdatenschutz. Die Verarbeitung erfolgt zweckgebunden zur Aufgabenerfüllung. Schweigepflicht und Vertraulichkeit sind gesetzlich abgesichert.
Verhältnis zu anderen Sicherungssystemen
Krankenversicherung
Bei einem Versicherungsfall übernimmt die Unfallversicherung die Heilbehandlung und damit verbundene Leistungen. Die gesetzliche Krankenversicherung tritt für allgemeine Krankheitsfälle ein. Abgrenzungen richten sich nach dem Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit.
Renten- und Pflegeversicherung
Dauerhafte gesundheitliche Folgen können zu Leistungen der Unfallversicherung führen. Unabhängig davon bleiben renten- und pflegeversicherungsrechtliche Ansprüche aus anderen Gründen unberührt. Es bestehen Koordinationsregeln zur Vermeidung von Doppelleistungen.
Private Unfallversicherung
Private Policen bestehen neben der gesetzlichen Absicherung und beruhen auf vertraglichen Bedingungen. Sie beeinflussen den Anspruch gegen den Unfallversicherungsträger nicht, können aber gesonderte Leistungen vorsehen.
Besonderheiten in Bildung und Ehrenamt
Kinder, Schülerinnen und Schüler, Studierende
Der Schutz umfasst Tätigkeiten in Kindertageseinrichtungen, Schulen und bestimmten hochschulbezogenen Veranstaltungen. Wege zur Bildungseinrichtung und zurück können einbezogen sein, sofern ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.
Ehrenamt und Nothelfer
Bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten im öffentlichen Interesse sowie Hilfeleistungen in Notfällen sind gesetzlich einbezogen. Der Umfang ergibt sich aus den einschlägigen Zuständigkeiten der Unfallkassen.
Internationale Bezüge
Bei Entsendungen, grenzüberschreitenden Tätigkeiten und Auslandsereignissen gelten Koordinierungsregeln. Zuständigkeitsfragen richten sich nach dem Beschäftigungsstaat, besonderen Vereinbarungen und der Dauer des Einsatzes. Die Anerkennung versicherter Ereignisse im Ausland hängt vom Bezug zur versicherten Tätigkeit und den anwendbaren Koordinierungsnormen ab.
Bedeutung für Arbeitgeber und Unternehmen
Unternehmen sind Mitglied bei der zuständigen Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. Es bestehen Pflichten zur Prävention, zur Mitwirkung bei der Aufklärung von Versicherungsfällen, zur Anzeige bestimmter Ereignisse und zur Beitragszahlung. Unfallverhütungsvorschriften sind zu beachten und innerbetrieblich umzusetzen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist in der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung geschützt?
Geschützt sind insbesondere Beschäftigte, Auszubildende, Personen in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, ehrenamtlich Tätige in gesetzlich erfassten Bereichen, Nothelfende sowie Teilnehmende an bestimmten Maßnahmen. Selbständige können unter Voraussetzungen freiwillig beitreten.
Was gilt als Arbeitsunfall?
Ein Arbeitsunfall liegt vor, wenn ein zeitlich begrenztes Ereignis von außen auf den Körper einwirkt und in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Dazu können auch Unfälle im Homeoffice gehören, sofern die Verrichtung der versicherten Arbeit zuzurechnen ist.
Ist der Weg zur Arbeit mitversichert?
Der unmittelbare Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist als Wegeunfall einbezogen. Umwege oder Unterbrechungen aus privaten Gründen können den Zusammenhang lösen.
Wie wird eine Berufskrankheit anerkannt?
Grundlage ist eine amtliche Liste von Erkrankungen, die durch bestimmte Einwirkungen am Arbeitsplatz verursacht werden. Ärztliche Meldungen und Ermittlungen des Trägers klären, ob die medizinischen und ursächlichen Voraussetzungen erfüllt sind. In besonderen Fällen können nicht gelistete Erkrankungen wie eine Berufskrankheit berücksichtigt werden.
Welche Leistungen kommen bei dauerhaften Folgen in Betracht?
In Betracht kommen Renten bei Minderung der Erwerbsfähigkeit, Hilfs- und Pflegeleistungen, Teilhabeleistungen sowie Anpassungen von Wohnung und Fahrzeug. Die konkrete Ausgestaltung hängt von der Schwere und den Auswirkungen der Gesundheitsbeeinträchtigung ab.
Wer finanziert die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung?
Die Finanzierung erfolgt umlageweise durch die Unternehmen der Privatwirtschaft beziehungsweise durch Einrichtungen der öffentlichen Hand. Versicherte zahlen keine Beiträge.
Welche Stelle ist im Einzelfall zuständig?
Zuständig ist die branchenspezifische Berufsgenossenschaft oder die Unfallkasse des öffentlichen Sektors. Die Zuordnung richtet sich nach Art des Unternehmens oder der Einrichtung und der versicherten Tätigkeit.
Wie verläuft das Entscheidungsverfahren bei einem Versicherungsfall?
Nach Anzeige eines Ereignisses prüft der Träger die Voraussetzungen, holt erforderliche Auskünfte und Gutachten ein und entscheidet durch Verwaltungsakt. Gegen Entscheidungen stehen sozialrechtliche Rechtsbehelfe offen.