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Desertion


Begriff und Definition der Desertion

Desertion bezeichnet das unerlaubte und eigenmächtige Verlassen des Militärdienstes durch einen Soldaten, ohne die Absicht zur Rückkehr oder in bewusster Absicht, den Dienst dauerhaft zu entziehen. Der Begriff spielt insbesondere im Kontext des Militärrechts eine bedeutende Rolle und ist international in unterschiedlichen Rechtsordnungen geregelt. Historisch und gegenwärtig zählt Desertion zu den schwerwiegenden Dienstvergehen innerhalb bewaffneter Organisationen.

Rechtliche Einordnung der Desertion

Rechtliche Grundlagen in Deutschland

Militärstrafgesetzbuch (VStGB) und Wehrstrafgesetz (WStG)

In der Bundesrepublik Deutschland ist Desertion im Wehrstrafgesetz (WStG) geregelt. Nach § 16 WStG begeht eine Person desselben, „wenn sie sich eigenmächtig vom Militärdienst fernhält, mit der Absicht, sich der Dienstpflicht ganz oder teilweise dauerhaft zu entziehen.“ Es handelt sich dabei um ein vorsätzliches Delikt, bei dem die subjektive Tatseite (Absicht zur dauerhaften Entziehung) explizit gegeben sein muss.

Strafrahmen und Sanktionierung

Das WStG sieht für Desertion Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vor. In besonders schweren Fällen, beispielsweise bei Desertion vor oder während eines Einsatzes der Bundeswehr, kann das Strafmaß entsprechend erhöht werden. In minder schweren Fällen oder bei freiwilliger Rückkehr kann das Gericht das Strafmaß herabsetzen oder von einer Bestrafung absehen (§ 18 WStG).

Internationales Recht und Kriegsrecht

Genfer Konventionen

Im internationalen Recht, insbesondere nach den Genfer Konventionen, wird Desertion als innerstaatliches Vergehen angesehen. Die Konventionen verlangen jedoch, insbesondere im Umgang mit Kriegsgefangenen, dass diese nicht wegen Desertion aus feindlicher Gefangenschaft bestraft werden dürfen (Dritte Genfer Konvention, Art. 91 ff.).

Militärrecht anderer Staaten

Die rechtliche Einordnung und Ahndung variiert international erheblich. Während einige Staaten auf zivile Strafen setzen, kann Desertion in Kriegszeiten in anderen Staaten, wie etwa in den USA oder Russland, sogar mit der Todesstrafe bedroht sein. In Friedenszeiten wird jedoch häufig eine mildere Ahndung, meist in Form von Freiheitsstrafen oder unehrenhafter Ausmusterung, angewandt.

Elemente und Tatbestandsmerkmale der Desertion

Objektiver Tatbestand

Desertion setzt voraus, dass die betreffende Person Angehöriger einer Streitkraft ist und sich eigenmächtig vom dienstlichen Standort, Einsatzort oder ihrer Einheit entfernt. Die Tatbestandsverwirklichung kann auch vorliegen, wenn der Soldat trotz Beurlaubung mit absehbar überschrittenem Rückkehrtermin nicht in den Dienst zurückkehrt, sofern die Absicht besteht, sich dauerhaft zu entziehen.

Subjektiver Tatbestand (Vorsatz)

Desertion liegt nicht bereits bei jedem Fernbleiben vom Dienst vor, sondern erfordert die Absicht, sich der Dienstpflicht ganz oder teilweise dauerhaft zu entziehen. Vorübergehende Motivationen, zum Beispiel Gesundheits- oder Familiengründe, genügen nicht, sofern keine dauerhafte Entziehung beabsichtigt ist.

Abgrenzung zu ähnlichen Tatbeständen

Unbefugtes Entfernen vom Dienstposten (Wachvergehen)

Vom Tatbestand der Desertion ist das einfache unbefugte Entfernen vom Dienstposten oder aus der Kaserne abzugrenzen. Diese werden regelmäßig nach anderen Vorschriften (z. B. Disziplinarmaßnahmen) geahndet, es sei denn, die Dauer und die Umstände erfüllen die Voraussetzungen einer Desertion.

Fahnenflucht

Der Begriff Fahnenflucht wird oftmals synonym verwendet, bezeichnet im engeren Sinne jedoch speziell das dauerhafte, vorsätzliche Fernbleiben vom Militärdienst mit dem Ziel, den Verpflichtungen vollständig zu entgehen. In der aktuellen Gesetzgebung wird der Begriff Desertion jedoch bevorzugt.

Rechtliche Folgen und Verfahren

Strafverfahren und Disziplinarrecht

Ein Verdacht auf Desertion führt regelmäßig zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Militärpolizei oder zuständige Behörden. Nach entsprechender Anklageerhebung kann das Verfahren entweder vor einem zivilen Gericht (bei Strafbarem Verhalten nach Strafgesetzbuch) oder vor einem Truppendienstgericht (bei Disziplinarvergehen) geführt werden.

Entlassung und Dienstenthebung

Neben strafrechtlichen Konsequenzen kann Desertion auch zur unehrenhaften Entlassung aus dem Militärdienst sowie zum Verlust von Ansprüchen auf Versorgung oder Rentenleistungen führen. Die Eintragung in das polizeiliche Führungszeugnis ist möglich, je nach Schwere der Tat und Urteil.

Besonderheiten und Historische Entwicklung

Desertion in Kriegs- und Friedenszeiten

Historisch wurden Deserteure im Kriegsfall oftmals mit drastischen Maßnahmen, bis hin zur Todesstrafe, belegt. Während des Zweiten Weltkriegs und in anderen Konflikten wurden zahlreiche Deserteure, oft nach summarischen Verfahren, hingerichtet oder zur Abschreckung vorgeführt. Im Friedensrecht erfolgt tendenziell eine differenzierte Prüfung unter Berücksichtigung der persönlichen Motive und Umstände.

Moralische und gesellschaftliche Bewertung

Die gesellschaftliche Bewertung von Desertion ist stets Gegenstand kontroverser Debatten, insbesondere im Zusammenhang mit Wehrpflicht, individuellen Gewissensentscheidungen und Konflikten der Loyalität. Die moralische Dimension spielt auch in gerichtlichen Verfahren häufig eine Rolle, etwa wenn Deserteure aus Gewissensgründen oder aufgrund völkerrechtswidriger Befehle handeln.

Rehabilitation und Amnestie

In der Nachkriegsgeschichte, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, wurden zahlreiche Deserteure später rehabilitiert und von staatlicher Seite offiziell entschuldigt. Die Anerkennung als Opfer unverhältnismäßiger Justizmaßnahmen führt zur Wiederherstellung der Ehre und mitunter auch zur Entschädigung.


Literaturhinweise und weiterführende Quellen

Für vertiefende Informationen empfiehlt sich die Konsultation einschlägiger Gesetzestexte, wie das Wehrstrafgesetz (WStG), die Genfer Konventionen sowie rechtswissenschaftlicher Kommentarliteratur zur Militärgerichtsbarkeit.


Dieser Beitrag gibt einen umfassenden Überblick zu Definition, rechtlicher Einordnung, Voraussetzungen und Konsequenzen der Desertion und bietet damit einen fundierten Eintrag für ein Rechtslexikon.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Desertion in Deutschland?

In Deutschland stellt Desertion, das unerlaubte Entfernen von der Truppe mit dem Vorsatz dauerhaft fernzubleiben, gemäß § 16 Wehrstrafgesetz (WStG) eine Straftat dar. Die rechtlichen Konsequenzen sind abhängig von den genauen Umständen der Tat. Wird eine Desertion festgestellt, drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren; in minder schweren Fällen kann die Strafe auch geringer ausfallen. Kommt es während des Wehrdienstes in einem Spannungs- oder Verteidigungsfall zur Desertion, kann dies als besonders schwerer Fall eingestuft und mit bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsentzug geahndet werden. Zusätzlich können disziplinarrechtliche Maßnahmen, Entlassung aus dem Dienstverhältnis sowie der Verlust von Versorgungsansprüchen folgen. Für Soldaten auf Zeit oder Berufssoldaten kommt zudem der Verlust des Dienstgrades in Betracht.

Wie wird eine Desertion rechtlich von anderen Wehrdienstvergehen abgegrenzt?

Die Abgrenzung der Desertion von anderen Wehrdienstvergehen wie Fahnenflucht, unerlaubter Entfernung oder Dienstflucht erfolgt maßgeblich anhand des Vorsatzes und der Dauer der Abwesenheit. Desertion ist ausschließlich dann gegeben, wenn der Soldat mit dem Ziel handelt, seine militärische Dienstverpflichtung dauerhaft zu entziehen – dies ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal. Unerlaubte Entfernung ohne diese Absicht stellt lediglich eine Ordnungswidrigkeit oder ein milderes Dienstvergehen dar. Ein weiterer Unterschied liegt in der Strafzumessung: Während die Desertion mit hohen Freiheitsstrafen geahndet wird (§ 16 WStG), sind die Sanktionen bei anderen Vergehen meist geringer.

Welche Verfahrensabläufe sind im Falle einer mutmaßlichen Desertion vorgesehen?

Sobald der Verdacht auf Desertion besteht, wird ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren durch die Wehrdisziplinaranwaltschaft oder die Staatsanwaltschaft eingeleitet. Es erfolgt eine umfassende Sachverhaltsaufklärung, bei der insbesondere geprüft wird, ob der Vorsatz zur dauerhaften Dienstentziehung vorlag. Der Beschuldigte wird angehört und gegebenenfalls festgenommen. Im weiteren Verlauf findet ein wehrstrafrechtliches Hauptverfahren vor einem Truppendienstgericht oder einem zivilen Gericht statt. Hier beurteilen Richter auf Grundlage der Beweislage und Zeugenaussagen, ob der Tatbestand der Desertion vorliegt und wie die individuelle Strafzumessung auszufallen hat. Die verfahrensrechtlichen Regeln richten sich sowohl nach dem Wehrstrafgesetz als auch nach der Strafprozessordnung.

Kann eine Desertion verjähren und welche Fristen gelten hierbei?

Auch für die Desertion gelten die allgemeinen strafrechtlichen Verjährungsvorschriften. Die Verjährungsfrist bemisst sich nach der angedrohten Höchststrafe: Da Desertion mit bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht sein kann, beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB in besonders schweren Fällen zwanzig Jahre, in einfacheren Fällen zehn Jahre. Die Frist beginnt mit Beendigung der Tat, also ab dem Moment, in dem der Deserteur seine Dienstpflicht dauerhaft aufgibt. In Zeiten eines bewaffneten Konflikts oder anderen außergewöhnlichen Umständen kann die Verjährung unter Umständen gehemmt oder unterbrochen werden.

Besteht die Möglichkeit einer Straffreiheit oder Strafmilderung bei Rückkehr?

Ja, unter bestimmten Bedingungen sieht das Wehrstrafgesetz Strafmilderungs- oder Straffreiheitsregelungen vor. Laut § 16 Absatz 2 WStG kann das Gericht die Strafe mildern oder sogar von Strafe absehen, wenn sich der Soldat freiwillig innerhalb eines bestimmten Zeitraums stellt und noch kein erheblicher Schaden durch seine Abwesenheit entstanden ist. Die genauen Regelungen hängen von der Dauer der Abwesenheit und den Begleitumständen ab. Auch eine tätige Reue, z.B. durch rechtzeitige Rückkehr vor dem Eintritt eines Schadens, kann die Strafzumessung positiv beeinflussen. Dennoch besteht kein automatischer Anspruch auf Straffreiheit; es handelt sich stets um eine Einzelfallentscheidung des Gerichts.

Wie wirkt sich Desertion auf den zivilrechtlichen Status und die soziale Absicherung aus?

Die Rechtsfolgen einer Desertion reichen oft über die rein strafrechtlichen Konsequenzen hinaus. Eine rechtskräftige Verurteilung wegen Desertion kann nach dem Soldatengesetz (SG) zur Entlassung aus dem Dienstverhältnis führen. Dies zieht häufig den Verlust von Pensionsansprüchen, besonderen Versorgungsleistungen und etwaigen dienstlichen Privilegien nach sich. Zudem wirkt sich ein entsprechender Eintrag im Führungszeugnis nachteilig auf spätere zivile Berufschancen aus. Eventuelle Schadenersatzforderungen des Dienstherrn bleiben hiervon unberührt und können separat geltend gemacht werden. Die gesellschaftlichen Folgen wie Stigmatisierung und Einschränkungen im sozialen Leben sind rechtlich zwar nicht geregelt, stellen aber eine oft beachtenswerte Begleiterscheinung dar.

Gibt es besondere rechtliche Regelungen für Desertion im Auslandseinsatz?

Für Soldaten, die sich im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr der Truppe unerlaubt entziehen, greifen besondere Vorschriften. Hier gelten nicht nur die allgemeinen Regelungen des Wehrstrafgesetzes, sondern auch völkerrechtliche Verträge und Statusabkommen, etwa das NATO-Truppenstatut. In solchen Fällen kann die Strafverfolgung erschwert sein, wenn sich der Deserteur in einem Staat aufhält, mit dem kein Auslieferungsabkommen besteht. Zudem kann im Auslandseinsatz durch die erhöhte Gefährdungslage das öffentliche Interesse an Strafverfolgung und die Strafzumessung verschärft sein. Der Auslandseinsatz wirkt sich insbesondere auch auf die Bewertung des Schadens aus, der durch die Abwesenheit entsteht, und kann im Strafmaß stark zu Ungunsten des Beschuldigten berücksichtigt werden.