Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Verwaltungsrecht»Demonstrationsschäden

Demonstrationsschäden


Begriff und rechtliche Einordnung von Demonstrationsschäden

Demonstrationsschäden bezeichnen Sach- oder Personenschäden, die im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen, Kundgebungen oder Demonstrationen entstehen. In der Rechtswissenschaft werden darunter insbesondere solche Schadensereignisse gefasst, die durch Teilnehmer oder im Rahmen der Durchführung bzw. Auflösung einer Demonstration verursacht werden. Die rechtliche Behandlung dieser Schäden ist in Deutschland komplex, da verschiedene Rechtsgebiete – darunter das Polizei- und Ordnungsrecht, das Zivilrecht und das öffentliche Haftungsrecht – betroffen sind.

Definition und Abgrenzung

Ein Demonstrationsschaden liegt vor, wenn während oder infolge einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel oder eines Aufzugs ein Schaden an Sachen (z. B. Privateigentum, öffentliche Einrichtungen) oder an Personen eintritt. Die Schadensursachen können vielfältig sein: von gewalttätigen Ausschreitungen einzelner Demonstrationsteilnehmer („Krawallmacher“), über kollektives Fehlverhalten, bis hin zu Maßnahmen staatlicher Gewalt im Zusammenhang mit der Auflösung oder Sicherung der Demonstration.

Abgrenzung zu anderen Schadensarten

Demonstrationsschäden sind von bloßen Zufallsschäden abzugrenzen, die nicht im Zusammenhang mit der kollektiven Menschenansammlung stehen. Ebenso fallen Schäden durch Polizeimaßnahmen unter spezifische haftungsrechtliche Gesichtspunkte und werden nicht generell als Demonstrationsschäden im engeren Sinne behandelt.

Rechtlicher Rahmen

Grundlagen im Grundgesetz

Die Versammlungsfreiheit ist als Grundrecht in Art. 8 des Grundgesetzes (GG) garantiert. Die Wahrnehmung dieses Rechts ist mit dem Risiko verbunden, dass Dritte oder staatliche Maßnahmen zu Schäden führen. In der Abwägung greift hier das Spannungsfeld zwischen Freiheitsausübung und Schutz von Personen sowie Eigentum Dritter.

Polizeirecht und Ordnungsrecht

Im Polizeirecht besteht für die Behörden die Pflicht zur Gefahrenabwehr und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Kommt es im Zuge einer Demonstration zu Schäden durch polizeiliche Maßnahmen, wird die Haftung des Staates nach speziellen Rechtsnormen, etwa § 39 Polizeigesetz (PolG) in einigen Bundesländern, geregelt.

Staatshaftungsrecht – Amtshaftung und Gefährdungshaftung

Amtshaftung

Wird ein Schaden durch ein rechtswidriges oder schuldhaftes Verhalten staatlicher Organe (z. B. Polizeibeamte) verursacht, besteht ein Ersatzanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG (sog. Amtshaftung). Die Anspruchsvoraussetzungen beinhalten die Pflichtverletzung eines Amtsträgers bei Ausübung seiner Tätigkeit und einen daraus resultierenden Schaden.

Gefährdungshaftung

In besonderen Fällen sieht das Landesrecht, z. B. nach dem Gesetz über die Entschädigung für Schäden aus Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden oder nach den entsprechenden Polizeigesetzen, eine Gefährdungshaftung vor. Hier besteht unter bestimmten Bedingungen Entschädigungspflicht, etwa wenn Straßen durch Demonstrationen blockiert und dadurch Schäden an Dritten verursacht werden.

Deliktsrechtliche Ansprüche

Delikte durch Demonstrationsteilnehmer (z. B. Sachbeschädigung gem. § 303 StGB oder Körperverletzung gem. § 223 StGB) können Schadensersatzansprüche nach den § 823 ff. BGB (unerlaubte Handlung) begründen. Die Haftung trifft grundsätzlich den unmittelbaren Schädiger. Erfasst sind dabei sowohl vorsätzliche als auch fahrlässige Handlungen.

Kollektive Haftung von Teilnehmern

Ein kollektiver Schadensersatzanspruch gegen die Gesamtheit der Demonstrationsteilnehmer („Gesamtschuldnerhaftung“) ist im deutschen Recht grundsätzlich restriktiv gehandhabt. Ohne Nachweis einer gemeinsamen Tatbegehung bleibt die Haftung individuell; bei Teilnehmergruppen, die gemeinschaftlich einen Schaden herbeiführen, kann eine Haftung als Mittäter oder Beteiligte in Betracht kommen (§§ 830, 840 BGB).

Besonderheiten der Ersatzansprüche

Geschädigte Dritte

Geschädigte können Betroffene im öffentlichen und privaten Raum sein: Eigentümer von beschädigtem Eigentum, Geschäfte, Kraftfahrzeuge oder Passanten, die zu Schaden kommen.

Ersatzpflicht öffentlicher Stellen

Nach einigen Polizeigesetzen (etwa § 9 Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen) kann unter engeren Voraussetzungen eine Entschädigungspflicht der öffentlichen Hand bestehen, wenn Demonstrationsschäden „aus einer Menschenmenge“ herrühren und eine Täterermittlung nicht möglich oder unzumutbar ist. Anspruch und Höhe der Entschädigung sind gesetzlich normiert und können an zusätzliche Voraussetzungen (z. B. fehlendes Verschulden des Geschädigten) geknüpft sein.

Versicherungsrechtliche Aspekte

Versicherungen (z. B. Gebäude-, KFZ- oder Hausratversicherung) können unter Umständen Schäden durch Demonstrationen abdecken. Die Deckung hängt vom jeweiligen Versicherungsvertrag sowie von bestehenden Ausschlussklauseln ab, die häufig Schäden durch innere Unruhen oder Aufstände ausklammern.

Beweislast und Anspruchsdurchsetzung

Beweislast

Die Geschädigten tragen grundsätzlich die Beweislast für das Vorliegen eines Demonstrationsschadens, die Verursachung und – bei Amtshaftungsansprüchen – die Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns. Die Ermittlung der Täter ist oftmals erschwert und bildet einen zentralen Hinderungsgrund für die Anspruchsdurchsetzung.

Anspruchsdurchsetzung

Erfolgt die Anspruchsdurchsetzung gegen Unbekannt oder im Fall einer kollektiven Schadensverursachung, zum Beispiel bei Ausschreitungen, haben staatliche Ausfallfonds oder gesetzliche Entschädigungsregelungen Bedeutung erlangt.

Gerichtliche und außergerichtliche Klärung

Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Demonstrationsschäden werden vor Zivilgerichten (z. B. für Streitigkeiten zwischen Privatpersonen) oder vor Verwaltungs- bzw. Amtsgerichten (bei Ansprüchen gegen Behörden) verhandelt. Außergerichtliche Einigungen, wie freiwillige Entschädigungszahlungen öffentlicher Stellen, können eine gerichtliche Klärung vermeiden.

Internationale Bezüge

Auch in anderen Rechtsordnungen werden Demonstrationsschäden in ähnlichen Zusammenhängen behandelt. Die Haftung ist international unterschiedlich ausgestaltet, in den meisten Ländern bestehen jedoch vergleichbare Diskussionen zur staatlichen Ersatzpflicht und zur individuellen Haftung der Schädiger.

Zusammenfassung

Demonstrationsschäden stellen eine besondere Form von Schadensereignissen im öffentlichen Raum dar. Sie sind geprägt durch die Wechselwirkung zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einerseits und den Rechten Dritter andererseits. Die Anspruchsdurchsetzung gestaltet sich aufgrund der Beweisproblematik und der Vielzahl beteiligter Akteure häufig schwierig. Je nach Fallkonstellation greifen unterschiedliche Rechtsgrundlagen, wobei das deutsche Recht einen Ausgleich zwischen Freiheitsschutz und Schadensersatzansprüchen anstrebt. Versicherungsrechtliche und staatliche Ausfallregelungen ergänzen den Rechtsschutz für Geschädigte.

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet für Schäden, die während einer Demonstration entstehen?

Für Schäden, die im Zusammenhang mit einer Demonstration entstehen, kommt eine Haftung unterschiedlicher Parteien in Betracht. Verursachen einzelne Demonstrationsteilnehmer vorsätzlich oder fahrlässig Sach- oder Personenschäden, kann der jeweilige Schädiger zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (§ 823 BGB). Eine gesamtschuldnerische Haftung der Versammlungsleitung oder des Veranstalters besteht regelmäßig nicht, es sei denn, diesen wird ein eigenes Verschulden, etwa durch Verletzung von Verkehrssicherungspflichten oder Obliegenheiten aus dem Versammlungsgesetz (VersG), zur Last gelegt. Öffentliche Hand bzw. Polizei haften nur bei schuldhaftem Verhalten ihrer Amtsträger im Rahmen der Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG). Für Schäden, die durch „unmittelbaren Zwang“ seitens der Polizei verursacht werden, besteht prinzipiell ein Amtshaftungsanspruch, sofern das Handeln rechtswidrig war. Ist ein Schaden durch eine anonyme Menschenmenge („aus einer Menge heraus“) entstanden, kann unter Umständen eine Entschädigung über das Land gemäß § 7 Abs. 1 VersG beansprucht werden.

Gibt es besondere Formen staatlicher Entschädigung bei Demonstrationsschäden?

Ja, der Staat gewährt unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung, wenn durch eine Menschenmenge im Zusammenhang mit einer Demonstration ein Schaden verursacht wurde und der unmittelbare Schädiger nicht festgestellt werden kann. Gemäß § 7 VersG besteht ein Anspruch auf staatliche Schadensersatzleistung gegenüber dem Land, in dem der Schaden entstanden ist. Voraussetzung hierfür ist, dass die Tat aus einer Menschenmenge begangen wurde und ein unmittelbarer Täter nicht ermittelt werden kann. Diese staatliche Ersatzpflicht tritt jedoch nachrangig ein, also erst dann, wenn eine private Haftung – etwa durch den Schädiger selbst oder den Veranstalter der Demonstration – ausscheidet. Der Antrag ist binnen einer bestimmten Frist (in der Regel 3 Monate) nach Kenntnis von Schaden und Täterlosigkeit zu stellen.

Welche Pflichten treffen den Veranstalter einer Demonstration im Hinblick auf Schadensverhütung?

Veranstalter und Versammlungsleiter tragen im Rahmen des VersG bestimmte Pflichten zur Schadensverhütung. Sie sind verpflichtet, insbesondere durch ordnende Einflussnahme auf die Teilnehmer und durch Ergreifen angemessener Sicherheitsvorkehrungen drohende Rechtsgutverletzungen nach Möglichkeit zu verhindern (§§ 8 und 13 VersG). Dazu kann die Bestellung von Ordnern, die Zusammenarbeit mit den Behörden und die Umsetzung behördlicher Auflagen gehören. Verletzen Veranstalter oder Versammlungsleiter diese Pflichten schuldhaft, droht ihnen eine zivilrechtliche Haftung gegenüber den Geschädigten. Die Pflichten sind nach der Art und dem zu erwartenden Verlauf der Versammlung zu bemessen und erfassen zum Beispiel auch die Abwehr von Gefahren durch gewaltbereite Gruppen.

Wie sieht die Beweislage bei Schadensersatzansprüchen nach Demonstrationsschäden aus?

Für den Anspruchsteller besteht die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden im Kausalzusammenhang mit der Demonstration entstanden ist sowie für die Täterschaft oder Rechtsgutverletzung durch bestimmte Versammlungsteilnehmer. Bei staatlicher Entschädigung nach § 7 VersG trägt der Geschädigte die Beweislast dafür, dass der Schaden infolge einer Tat aus einer Menschenmenge entstand und der unmittelbare Täter nicht festgestellt werden kann. Die Feststellung, dass die Schadensverursachung tatsächlich aus der Demonstration heraus geschah, kann mitunter Beweisprobleme mit sich bringen, weshalb polizeiliche Ermittlungsakten und Zeugenaussagen häufig eine zentrale Rolle spielen.

Welche Besonderheiten gelten bei Polizeieinsätzen im Rahmen von Demonstrationen?

Wird ein Schaden durch polizeiliches Einschreiten bei einer Demonstration hervorgerufen, ist zunächst zu prüfen, ob der Schaden durch eine rechtmäßige oder rechtswidrige Amtshandlung entstand. Für rechtswidrige Maßnahmen steht dem Geschädigten grundsätzlich ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegen das Land zu. Der Anspruch umfasst sowohl Sach- als auch Körperschäden, sofern die jeweilige Amtshandlung kausal hierfür war. Bei rechtmäßigen Zwangsmaßnahmen besteht lediglich in Ausnahmefällen Entschädigungsanspruch, etwa nach dem Polizeigesetz des jeweiligen Bundeslandes oder Spezialgesetzen (z.B. StrEG bei Ermittlungsmaßnahmen nach der Strafprozessordnung). Die Schadensregulierung erfolgt dann im Rahmen der sogenannten Aufopferungshaftung nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs.

Welche Rolle spielt das sogenannte „Kavaliersdelikt“ bei Demonstrationsschäden?

Im Zusammenhang mit Demonstrationsdelikten, insbesondere Sachbeschädigungen, wird manchmal von „Kavaliersdelikten“ gesprochen. Rechtlich existiert dieser Begriff nicht und hat keine Bedeutung für die Haftungsfrage. Unabhängig von einer etwaigen Bagatellisierung aus gesellschaftlicher Sicht sind die einschlägigen Delikte wie Sachbeschädigung (§ 303 StGB), Landfriedensbruch (§ 125 StGB) oder Körperverletzung (§ 223 StGB) voll straf- und zivilrechtlich sanktioniert und begründen Schadensersatzpflichten. Für mögliche Schadensersatzforderungen des Geschädigten ist es unerheblich, ob die Tat aus Sicht des Täters oder Dritter als geringfügig erscheint – allein die Rechtswidrigkeit und der Schadenseintritt sind maßgeblich.

Können auch Geschäfte oder Anwohner, die indirekt betroffen sind, Ansprüche geltend machen?

Ja, sofern bei einer Demonstration im Umfeld, beispielsweise durch Beschädigungen, Plünderungen oder Einschränkungen der Geschäftstätigkeit, ein ersatzfähiger Schaden entsteht, können auch Gewerbetreibende oder Anwohner Ansprüche geltend machen. Voraussetzung ist jeweils die Zurechenbarkeit zum Geschehen und ein Vermögensschaden. Während materielle Schäden (wie zerstörte Fensterscheiben oder Inventarschäden) regelmäßig ersatzfähig sind, können reine Vermögensschäden (wie Umsatzeinbußen durch Geschäftsschließungen) im Regelfall nicht über § 7 VersG ersetzt werden, da das Gesetz nur Sach- und Personenschäden erfasst. Bei rechtswidrigem Verhalten einzelner Teilnehmer oder Dritter ist gegebenenfalls eine zivilrechtliche Inanspruchnahme möglich, bei Schäden durch hoheitliche Eingriffe nur bei besonderer Rechtsgrundlage.

Was ist bei der Versicherung von Demonstrationsschäden zu beachten?

Schäden durch Demonstrationen sind regelmäßig nicht durch klassische Versicherungen, wie etwa die private Haftpflichtversicherung oder Geschäftsversicherungen, abgedeckt. Viele Versicherer schließen Schäden durch innere Unruhen, Krawalle oder Demonstrationen aus. Es existierten spezielle Policen (bspw. für Veranstaltungen), die einen solchen Versicherungsschutz bieten. Geschädigte sollten nach einem Schadenfall möglichst rasch Kontakt zum Versicherer aufnehmen und prüfen lassen, welchen Umfang der Versicherungsschutz tatsächlich hat. Veranstalter einer Demonstration sollten prüfen, ob eine Veranstalterhaftpflichtversicherung zweckmäßig oder behördlich vorgeschrieben ist, um zumindest das Risiko für bestimmte Eigenschäden oder Drittschäden zu minimieren. Polizei- und staatliche Entschädigungsregelungen treten nur subsidiär ein, wenn keine Versicherungs- oder sonstigen Ersatzmöglichkeiten bestehen.