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Demonstrationsdelikte


Begriff und rechtliche Einordnung von Demonstrationsdelikten

Demonstrationsdelikte sind Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, die typischerweise im Zusammenhang mit Versammlungen, Kundgebungen oder Demonstrationen begangen werden. Sie spielen im deutschen Recht eine besondere Rolle, da sie an der Schnittstelle zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und der Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stehen. Charakteristisch für Demonstrationsdelikte ist, dass das jeweilige Verhalten im Kontext einer Versammlung erfolgt und nicht selten Ausdruck politischer oder gesellschaftlicher Meinungsäußerung ist.

Typische Demonstrationsdelikte

Straftaten im Kontext von Versammlungen

Demonstrationsdelikte umfassen eine Vielzahl von Straftatbeständen, die nach ihrer gesetzlichen Systematik unterschiedlichen Rechtsgebieten zugeordnet sind:

1. Verstöße gegen das Versammlungsgesetz

Das Versammlungsgesetz (VersG) enthält spezielle Straftatbestände, die gerade im Zusammenhang mit Demonstrationen relevant sind:

  • § 21 VersG – Störung von Versammlungen und Aufzügen: Unter Strafe gestellt werden gezielte Handlungen, die eine Versammlung verhindern oder sprengen sollen.
  • § 22 VersG – Bewaffnetes Mitführen: Der bewaffnete Besuch einer öffentlichen Versammlung kann strafbar sein.

2. Landfriedensbruch (§ 125 StGB)

Landfriedensbruch stellt eine der zentralen Demonstrationsdelikte dar. Dieser Tatbestand erfasst das gemeinschaftliche Begehen von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen aus einer Menschenmenge heraus, die in einer die öffentliche Sicherheit bedrohenden Weise zusammentritt.

3. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB)

Widerstandshandlungen gegenüber der Polizei bei Einsätzen im Rahmen von Versammlungen werden häufig unter § 113 StGB subsumiert. Besonders relevant ist dies bei Räumungen oder Auflösungen von Demonstrationen.

4. Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB)

Imenziell von Bedeutung sind Fälle, in denen es im Zuge von Demonstrationen oder Ausschreitungen zu Körperverletzungen kommt.

5. Sachbeschädigung (§ 303 StGB)

Das Zerstören oder Beschädigen von Sachen etwa im Kontext von Protesten fällt unter diesen Tatbestand und gehört zu den häufig registrierten Straftaten bei Demonstrationen.

6. Vermummungsverbot (§ 17a VersG)

Das Tragen von Schutzkleidung und Masken, mit dem Ziel die Identität zu verschleiern oder Schutz gegen polizeiliche Maßnahmen herzustellen, ist nach dem Versammlungsgesetz verboten und kann strafrechtlich verfolgt werden.

Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Demonstrationen

Neben Straftaten existiert ein breites Spektrum an Ordnungswidrigkeiten, etwa die Teilnahme an einer nicht angemeldeten Versammlung (§ 15 VersG), die Missachtung behördlicher Auflagen oder das Mitführen verbotener Gegenstände.

Besondere Schutz- und Strafzwecke

Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

Das Ziel der strafrechtlichen Sanktionierung von Demonstrationsdelikten liegt in der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Durch die Nähe zum Grundrecht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist die Eingriffsintensität der jeweiligen Vorschriften und deren Anwendung stets am Verhältnismäßigkeitsprinzip zu messen.

Schutz des Versammlungsrechts

Strafbare Handlungen, die sich gegen den Ablauf oder die Funktionsfähigkeit einer Versammlung richten, dienen ebenso dem Schutz der freien Ausübung des Versammlungsrechts.

Besonderheiten im Strafverfahren

Ermittlungsverfahren und polizeiliche Maßnahmen

Demonstrationsdelikte stehen häufig im Fokus der Strafverfolgungsbehörden. Die Polizei muss im Rahmen von Versammlungen das Spannungsfeld zwischen effektiver Gefahrenabwehr und dem Schutz der Grundrechte wahren. Die Ermittlung und Identifikation von Tatverdächtigen gestaltet sich oftmals als schwierig, etwa durch kollektive Handlungen, Vermummung oder Anonymität in großen Gruppen.

Strafzumessung und Verhältnis zur Versammlungsfreiheit

Im Falle der Anklageentscheidung ist regelmäßig eine Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse vorzunehmen. Gerichte berücksichtigen in der Strafzumessung regelmäßig das Motiv der Tat, den Kontext kollektiver Handlungen, den Grad der Individualschuld sowie gegebenenfalls auch polizeiliche Maßnahmen.

Abgrenzung zu politischen Delikten

Demonstrationsdelikte sind nicht zwangsläufig mit politischen Straftaten gleichzusetzen. Die Qualifizierung als politische Straftat erfolgt nach Maßgabe des § 129 StGB beziehungsweise im Kontext des § 5 Abs. 1 Nr. 3 IRG (Internationales Rechtshilfegesetz). Die Praxis differenziert dabei nach dem Beweggrund und Ziel der jeweiligen Handlung.

Relevanz im Kontext verfassungsrechtlicher Vorgaben

Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit bildet eine wesentliche Grenze für den staatlichen Zugriff auf Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Durch die hohe Bedeutung dieses Grundrechts sind alle Eingriffe in das Recht der Versammlungsfreiheit einer strengen verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Polizei und Gerichte sind verpflichtet, ihre Maßnahmen im Lichte des Art. 8 GG stets am Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen.

Zusammenfassung

Demonstrationsdelikte bezeichnen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit Versammlungen, Kundgebungen und Demonstrationen stehen. Sie umfassen sowohl spezielle Tatbestände des Versammlungsgesetzes als auch allgemeine Strafrechtsnormen wie Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung und Körperverletzung. Die rechtliche Bewertung und Sanktionierung solcher Delikte steht im Spannungsfeld zwischen dem Schutz der öffentlichen Ordnung und dem hohen Stellenwert der Versammlungsfreiheit im Verfassungsrecht. Die besondere Bedeutung dieser Delikte spiegelt sich nicht nur in spezialgesetzlichen Vorschriften, sondern auch in den verfassungsrechtlichen Vorgaben und verfahrensrechtlichen Besonderheiten wider.

Häufig gestellte Fragen

Welche Strafen drohen bei Demonstrationsdelikten im deutschen Recht?

Demonstrationsdelikte umfassen verschiedene Straftaten, die im Zusammenhang mit Versammlungen und Demonstrationen stehen. Je nach Tatbestand und Schwere des Delikts kommen unterschiedliche Strafrahmen in Betracht. Häufige einschlägige Straftatbestände sind etwa der Landfriedensbruch (§ 125 StGB), Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB), Körperverletzungsdelikte (§§ 223 ff. StGB) oder das Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (z.B. § 29 VersG). Die Strafen reichen hierbei von Geldstrafen über Freiheitsstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung, besonders bei schwerem Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung oder besonders aggressivem Widerstand. Bei Bagatelldelikten oder geringer Schuld kann das Verfahren eingestellt oder auf eine Verwarnung mit Strafvorbehalt erkannt werden. Strafzumessungsrelevant sind insbesondere Tatbeteiligung, Gefährdung Dritter, Vorstrafen und etwaige Schadensfolgen durch Sach- oder Personenschäden.

Welche Rolle spielt das Versammlungsgesetz bei Demonstrationsdelikten?

Das Versammlungsgesetz (VersG) regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für öffentliche Versammlungen und Aufzüge in Deutschland. Bei Demonstrationen sind bestimmte Pflichten einzuhalten, wie etwa die rechtzeitige Anmeldung nach § 14 VersG. Verstöße gegen diese Pflichten, wie das Durchführen einer nicht angemeldeten Versammlung oder das Mitführen verbotener Gegenstände (§ 17a VersG), können strafrechtlich verfolgt werden. Bußgelder und in schweren Fällen Freiheitsstrafen sind möglich. Das Gesetz sieht außerdem Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und zum Polizeischutz vor, wodurch sowohl Veranstalter als auch Teilnehmer besonderen Sorgfaltspflichten unterliegen.

Wann liegt ein Landfriedensbruch nach § 125 StGB im Kontext einer Demonstration vor?

Landfriedensbruch ist ein zentrales Demonstrationsdelikt. Tatbestandsvoraussetzung ist das Begehen von Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen gegen Menschenleben oder Eigentum durch eine Menschenmenge, die aus Anlass einer Versammlung zusammengekommen ist und dabei gemeinschaftlich handelt. Schon das Mitwirken an gewalttätigen Exzessen einer Gruppe kann zur Strafbarkeit führen. Die Strafe beträgt in einfachen Fällen Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in schweren Fällen, etwa bei schweren Körperverletzungen oder Brandstiftung, kann sie bis zu zehn Jahren betragen. Erfasst sind hierbei nicht nur die eigentlichen Täter, sondern auch Personen, die durch ihr Mitwirken oder durch das Mittragen von Gewalt die Menschenmenge unterstützen.

Wie ist die Strafbarkeit bei passiver Teilnahme an Ausschreitungen während einer Demonstration?

Reine Anwesenheit bei einer Demonstration, auf der Delikte begangen werden, ist grundsätzlich straflos, solange keine aktive Teilnahme oder Unterstützungshandlungen erfolgen. Wer jedoch beispielsweise im Wissen um bevorstehende Straftaten Schutzkleidung mitführt, den polizeilichen Zugriff verhindert oder durch Anfeuern zu Gewalttaten beiträgt, kann als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe strafrechtlich belangt werden. Das entscheidende Kriterium ist die individuelle Tatbeteiligung bzw. die Förderung fremden rechtswidrigen Handelns (§§ 25-27 StGB). Bloße Neugierde oder passives Beobachten reicht nach geltender Rechtsprechung nicht aus.

Welche Rechte stehen Beschuldigten bei Demonstrationsdelikten zu?

Beschuldigte haben im Strafverfahren umfangreiche Rechte, darunter das Recht zu schweigen (Aussageverweigerungsrecht), das Recht auf anwaltlichen Beistand und Akteneinsicht (§ 147 StPO). Sie müssen nicht aktiv an der eigenen Überführung mitwirken und dürfen keine belastenden Angaben gegen sich selbst machen. Im Ermittlungsverfahren steht ihnen auch das Recht zu, gegen Zwangsmaßnahmen (wie Durchsuchungen oder Ingewahrsamnahmen) Rechtsmittel einzulegen. Besondere Bedeutung kommt dem anwaltlichen Beistand bei der Frage zu, ob und wie eine Einlassung zur Sache abgegeben werden sollte, da unbedachte Aussagen zu Nachteilen im Verfahren führen können.

Welche Bedeutung haben Beweismittel wie Videos und Fotos bei der Strafverfolgung von Demonstrationsdelikten?

In den letzten Jahren haben Bild- und Videoaufnahmen bei der Beweisführung erheblich an Bedeutung gewonnen. Material von Presse, Teilnehmern oder Polizei wird regelmäßig zur Identifikation von Tatverdächtigen und zur Aufklärung von Demonstrationsstraftaten herangezogen. Allerdings unterliegt die Verwertung bestimmten rechtlichen Schranken, etwa datenschutzrechtlichen Vorgaben und dem Verwertungsverbot bei rechtswidriger Erlangung. Die Authentizität, Kontext und das Zustandekommen der Aufnahmen sind gerichtlich sorgfältig zu prüfen, da etwa Schnitt oder Manipulationen die objektive Beweisführung beeinträchtigen können. Verteidiger haben das Recht, sich mit dem gesamten Videomaterial auseinanderzusetzen und gegebenenfalls Gegendarstellungen vorzubringen.

Inwiefern kann das Vermummungsverbot bei Demonstrationen strafbar sein?

Nach § 17a VersG ist es verboten, bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzügen Gegenstände mit sich zu führen oder sich zu vermummen, um die Identitätsfeststellung zu verhindern. Verstöße stellen eine Ordnungswidrigkeit, in bestimmten Fällen auch eine Straftat dar. Unter das Verbot fallen das Tragen von Masken, Schals vor dem Gesicht, Helmen oder sonstiger Schutzkleidung, die eine Identifizierung erschweren. Die Gerichte prüfen stets, ob eine Schutzfunktion (z.B. gegen Tränengas) oder eine gezielte Absicht zur Identitätsverschleierung vorlag. Das Vermummungsverbot steht im Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Anonymität und dem öffentlichen Interesse an Sicherheit und Rechtsdurchsetzung.