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Demenzerkrankungen


Begriff und medizinischer Hintergrund von Demenzerkrankungen

Demenzerkrankungen bezeichnen einen Sammelbegriff für verschiedene Krankheitsbilder, die mit einer kontinuierlichen Verschlechterung kognitiver, emotionaler und sozialer Fähigkeiten einhergehen. Grundsätzlich sind Demenzerkrankungen durch einen fortschreitenden Verlust geistiger Leistungsfähigkeit, insbesondere des Gedächtnisses, der Orientierung, des Denkens, der Sprache und der Urteilsfähigkeit gekennzeichnet. Zu den häufigsten Demenzformen zählen die Alzheimer-Krankheit, die vaskuläre Demenz, Lewy-Body-Demenz sowie frontotemporale Demenzen.

Aus medizinischer Sicht ist Demenz keine bloße Alterserscheinung, sondern ein chronisches Krankheitsbild, das neben kognitiven Defiziten auch zu Verhaltensauffälligkeiten, Persönlichkeitsveränderungen und einem fortschreitenden Verlust der Selbstständigkeit führt.

Demenzerkrankungen und rechtlicher Status

Geschäftsfähigkeit und Handlungsfähigkeit

Mit dem Fortschreiten einer Demenzerkrankung ergeben sich weitreichende rechtliche Fragestellungen hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit. Geschäftsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Im rechtlichen Sinne bleibt die Geschäftsfähigkeit grundsätzlich solange bestehen, bis eine dauerhafte Aufhebung aufgrund bestehender Erkrankungen, wie einer schweren Demenz, festgestellt wird.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist geregelt, dass geschäftsunfähig ist, „wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet“ (§ 104 BGB). Liegt eine ärztlich festgestellte Demenz im fortgeschrittenen Stadium vor, kann dies zur völligen oder teilweisen Geschäftsunfähigkeit führen. Rechtsgeschäfte, die von dauerhaft Geschäftsunfähigen abgeschlossen werden, sind gemäß § 105 BGB nichtig.

Testierfähigkeit bei Demenz

Die Testierfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, ein wirksames Testament zu errichten. Auch hier ist entscheidend, inwieweit die betroffene Person die Tragweite und den Inhalt ihrer Entscheidung versteht und entsprechend urteilsfähig agiert. Bei fortgeschrittener Demenz ist die Testierfähigkeit zweifelhaft und muss, insbesondere bei Streitigkeiten, häufig durch ein medizinisches Gutachten belegt werden. Das Fehlen der Testierfähigkeit führt zur Unwirksamkeit eines Testaments (§ 2229 BGB).

Einwilligungsfähigkeit und Patientenverfügung

Einwilligungsfähigkeit ist die Fähigkeit, Bedeutung und Tragweite einer ärztlichen Maßnahme zu erfassen, zu bewerten und einen eigenen Willen darauf zu bilden. Menschen mit einer beginnenden Demenz können diese Fähigkeit besitzen, während mit zunehmendem Krankheitsfortschritt die Einwilligungsfähigkeit entfallen kann. In diesem Zusammenhang gewinnt die Patientenverfügung an Bedeutung. Sie ermöglicht es, noch bei bestehender Einsichts- und Einwilligungsfähigkeit, individuelle Wünsche zur medizinischen Behandlung schriftlich festzuhalten, die im Krankheitsverlauf verbindlich werden (§ 1901a BGB).

Betreuung, Vorsorgevollmacht und rechtliche Vertretung

Gesetzliche Betreuung

Bei Menschen, die aufgrund einer Demenzerkrankung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen können, kann das Gericht eine rechtliche Betreuung anordnen. Die Betreuung ist im Betreuungsrecht, insbesondere in den §§ 1814 ff. BGB geregelt. Der Umfang der Betreuung richtet sich strikt nach dem tatsächlichen Unterstützungsbedarf und kann einzelne Teilbereiche wie Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge oder Aufenthaltsbestimmung betreffen.

Vorsorgevollmacht

Eine Vorsorgevollmacht kann ebenfalls wichtige rechtliche Weichen stellen. Sie erlaubt es einer Vertrauensperson, bereits zu einem Zeitpunkt bevollmächtigt zu werden, an dem die Vollmacht erteilende Person noch einwilligungsfähig ist. Die Vorsorgevollmacht kann weitreichend gestaltet werden und umfasst typischerweise die Gesundheits- und Vermögenssorge. Im Gegensatz zur Betreuung ist hierfür keine gerichtliche Anordnung erforderlich.

Betreuungsverfügung

Mit einer Betreuungsverfügung kann eine Person festlegen, wen das Gericht im Betreuungsfall als Betreuer bestellen soll bzw. wen nicht. Diese Verfügung wird erst wirksam, wenn tatsächlich eine Betreuung erforderlich wird.

Medizinrecht und Demenzerkrankungen

Aufklärungspflichten

Im Rahmen medizinischer Interventionen bestehen besondere Aufklärungspflichten. Zu beachten ist, dass bei Demenzerkrankten die Fähigkeit zur Erfassung der Informationen geprüft werden muss. Ist die betroffene Person nicht (mehr) einwilligungsfähig, ist der rechtliche Vertreter zu beteiligen.

Zwangsmaßnahmen und Freiheitsentziehende Maßnahmen

Im Zusammenhang mit Pflege und Unterbringung von Menschen mit Demenzerkrankungen können rechtliche Fragen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen, wie Bettgittern oder Fixierungen, auftreten. Diese Maßnahmen sind nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen nach dem Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine freiheitsentziehende Maßnahme (§ 1831 BGB) zulässig und bedürfen regelmäßig der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung.

Unterbringung

Die zwangsweise Unterbringung einer Person mit einer Demenzerkrankung, beispielsweise in einer geschlossenen Einrichtung, ist stark reglementiert. Voraussetzung ist stets eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung. Eine gerichtliche Genehmigung ist zwingend erforderlich (§ 1831 Abs. 1 BGB).

Sozialrechtliche Aspekte bei Demenzerkrankungen

Pflegegrad und Leistungen aus der Pflegeversicherung

Demenzerkrankungen führen häufig zur Einstufung in einen Pflegegrad nach dem SGB XI. In der Begutachtung wird neben physischen Einschränkungen auch die kognitive Beeinträchtigung berücksichtigt. Ab Pflegegrad 2 bestehen umfassende Leistungsansprüche für Pflegegeld, Sachleistungen, Kurzzeitpflege sowie Leistungen zur Entlastung der pflegenden Angehörigen.

Anspruch auf Teilhabe und Nachteilsausgleiche

Menschen mit Demenzerkrankungen haben Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche, etwa auf einen Schwerbehindertenausweis oder steuerliche Vergünstigungen nach § 33 EStG.

Arbeits- und Mietrecht bei Demenzerkrankungen

Kündigungsschutz am Arbeitsplatz

Der Eintritt einer Demenzerkrankung kann Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben. Arbeitgeber dürfen das Arbeitsverhältnis nicht allein aufgrund der Diagnose beenden; es gelten die gesetzlichen Regelungen zum Kündigungsschutz und zur krankheitsbedingten Kündigung, die eine Interessenabwägung erfordern.

Mietrechtliche Fragestellungen

Im Mietrecht können infolge von Demenzerkrankungen Situationen entstehen, in denen etwa Vertragskündigungen angefochten werden oder ein Anspruch auf barrierearmen Umbau der Wohnung geprüft wird. Schutzvorschriften, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), kommen zum Tragen.

Straf- und Haftungsrechtliche Aspekte

Schuldfähigkeit

Im Strafrecht stellt sich die Frage der Schuldfähigkeit nach den §§ 20, 21 StGB. Liegt eine Demenzerkrankung vor, kann dies zu aufgehobener oder verminderter Schuldfähigkeit führen, was im Einzelfall gutachterlich zu prüfen ist.

Deliktfähigkeit im Zivilrecht

Die Deliktfähigkeit (Fähigkeit, für rechtswidrige Schädigungen einzustehen) ist bei dauerhafter Störung der Geistestätigkeit gemäß § 827 BGB eingeschränkt. Schadenersatzansprüche gegen demenzkranke Personen können daran scheitern.

Erbrechtliche Besonderheiten

Pflichtteilsrecht und Anfechtung

Erbrechtliche Streitigkeiten können entstehen, wenn Personen mit Demenzerkrankungen testieren oder Zuwendungen machen. Die Testierfähigkeit muss bei Anzweiflung nachgewiesen werden. Fehlt diese, ist das Testament anfechtbar.

Schenkungen und deren Rückabwicklung

Schenkungen, die von einem geschäftsunfähigen Menschen mit Demenz vorgenommen werden, sind ebenso nichtig (§ 104 BGB). Bei bereits erfolgten Schenkungen kann unter Umständen Rückabwicklung verlangt werden.

Literatur und weiterführende Informationen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Strafgesetzbuch (StGB)
Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) – Pflegeversicherung
Gesetz über die Betreuung und Unterbringung psychisch Kranker
* Broschüren und Hinweise der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V.

Hinweis: Die rechtliche Einordnung von Demenzerkrankungen ist komplex und hängt vielfach vom individuellen Schweregrad sowie vom jeweiligen Rechtsgebiet ab. Die dargestellten rechtlichen Grundlagen bilden einen allgemeinen Überblick und ersetzen keine persönliche Rechtsberatung im Einzelfall.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die rechtliche Betreuung einer an Demenz erkrankten Person zuständig?

Für die rechtliche Betreuung einer an Demenz erkrankten Person ist in Deutschland regelmäßig das Betreuungsgericht zuständig. Dieses kann eine gesetzliche Betreuung anordnen, wenn die betroffene Person nicht mehr in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Dabei prüft das Gericht zunächst, ob tatsächlich ein erheblicher Unterstützungsbedarf besteht und keine anderweitigen Vorsorgemaßnahmen – wie etwa eine wirksame Vorsorgevollmacht – vorhanden sind. Die Betreuung umfasst in der Regel bestimmte Aufgabenbereiche, beispielsweise die Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge oder Wohnungsangelegenheiten. Der Betreuer wird vom Gericht bestellt und steht unter dessen Kontrolle. In erster Linie wird eine geeignete Person aus dem nahen sozialen Umfeld der betroffenen Person bevorzugt, bevor ein Berufsbetreuer eingesetzt wird. Die Betreuung ist stets an den Bedürfnissen und dem Wohl der betroffenen Person auszurichten und auf das erforderliche Maß zu begrenzen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen zur frühzeitigen Vorsorge im Hinblick auf eine mögliche Demenzerkrankung?

Zur frühzeitigen Vorsorge im Zusammenhang mit einer möglichen Demenzerkrankung stehen insbesondere die Errichtung einer Vorsorgevollmacht und einer Patientenverfügung im Mittelpunkt. Mit einer Vorsorgevollmacht kann eine Person ihres Vertrauens für künftige Fälle der Entscheidungsunfähigkeit bevollmächtigt werden, Rechtsgeschäfte und Angelegenheiten in ihrem Namen zu regeln. Hierbei ist es ratsam, die Vollmacht in notariell beurkundeter Form zu erstellen, insbesondere wenn Immobilienvermögen betroffen ist. Die Patientenverfügung regelt, welche medizinischen Maßnahmen im Krankheitsfall gewünscht oder abgelehnt werden, wenn eigene Entscheidungen nicht mehr möglich sind. Beide Instrumente sollten regelmäßig überprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden, um der Rechtswirksamkeit und den aktuellen Lebensumständen Rechnung zu tragen. Ohne solche Vorsorgemaßnahmen muss im Ernstfall ein Betreuungsverfahren eingeleitet werden, was mit bürokratischem und zeitlichem Aufwand verbunden ist.

Welche Auswirkungen hat eine Demenzerkrankung auf die Geschäftsfähigkeit?

Die Geschäftsfähigkeit, also die Fähigkeit, rechtsverbindliche Willenserklärungen abzugeben, hängt vom Grad der Demenzerkrankung und dem jeweiligen Einzelfall ab. Bei beginnender Demenz besteht häufig noch die volle oder zumindest teilweise Geschäftsfähigkeit, wobei die Fähigkeit zur verständigen Willensbildung von Situation zu Situation unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Mit Fortschreiten der Erkrankung und dem damit verbundenen Verlust von Einsichts- und Steuerungsfähigkeit kann auch die Geschäftsfähigkeit verloren gehen. In der Folge sind dann rechtsgeschäftliche Erklärungen (z.B. Vertragsabschlüsse, Schenkungen, Testamentserrichtungen) der betroffenen Person in der Regel unwirksam. Die Beurteilung erfolgt stets einzelfallbezogen und kann im Streitfall durch ärztliche Gutachten untermauert werden. Für bereits zuvor abgeschlossene Rechtsgeschäfte behält die Geschäftsfähigkeit Bestand, sofern diese zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegeben war.

Welche Rechte und Pflichten hat ein gerichtlicher Betreuer?

Ein gerichtlich bestellter Betreuer hat vorrangig die Aufgabe, die Rechte und Interessen des Betreuten zu wahren und dessen Angelegenheiten im festgelegten Rahmen zu führen. Zu seinen Pflichten zählen die gewissenhafte Vermögensverwaltung, die ordnungsgemäße Organisation der Gesundheitsfürsorge und die Beachtung der Wünsche des Betreuten, soweit diese dessen Wohl nicht gefährden. Der Betreuer muss das Betreuungsgericht regelmäßig über die geführte Betreuung informieren und Rechenschaftsberichte vorlegen. Für bestimmte Maßnahmen, wie etwa die Kündigung von Wohnraum, die Veräußerung von Grundstücken oder risikoreiche medizinische Eingriffe, benötigt der Betreuer die ausdrückliche Genehmigung des Gerichts. Die Rechte des Betreuers ergeben sich aus dem jeweiligen Aufgabenkreis; er darf lediglich in diesen Bereichen tätig werden. Missachtet der Betreuer seine Pflichten oder überschreitet seine Befugnisse, kann das Gericht ihn entlassen oder Schadensersatzansprüche zulassen.

Wie wirkt sich eine Demenzerkrankung auf das Erbrecht aus?

Im Rahmen des Erbrechts kommt insbesondere der Testierfähigkeit zentrale Bedeutung zu. Eine Person ist testierfähig, wenn sie in der Lage ist, die Tragweite ihrer letztwilligen Verfügungen zu erkennen und entsprechend zu handeln. Bei beginnender Demenz kann die Testierfähigkeit noch gegeben sein; dies muss jedoch stets nach den konkreten Umständen geprüft werden. Ist die Demenz weit fortgeschritten und besteht keine Fähigkeit mehr, eigenverantwortlich über den Nachlass zu verfügen, ist ein Testament nicht mehr rechtswirksam errichtbar. Im Streitfall entscheiden Gerichte in der Regel auf Grundlage medizinischer Gutachten über die Frage der Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Bereits erstellte und wirksame Testamente behalten auch bei nachträglich eintretender Demenz ihre Gültigkeit.

Wer haftet für Schäden, die von einer an Demenz erkrankten Person verursacht werden?

Die Haftung einer an Demenz erkrankten Person für von ihr verursachte Schäden beurteilt sich nach ihrer Deliktsfähigkeit. Ist die Erkrankung soweit fortgeschritten, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Handlung einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, dauerhaft aufgehoben ist, entfällt die zivilrechtliche Haftung nach § 827 BGB. Einschränkend gilt jedoch, dass Angehörige, Betreuer oder Pflegepersonen unter Umständen haftbar gemacht werden können, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Besteht eine Privathaftpflichtversicherung, sollte geprüft werden, ob und inwieweit Versicherungsschutz für deliktunfähige Personen und etwaige Aufsichtspflichtverletzungen gewährt wird. Versicherungsverträge in diesem Bereich differieren erheblich hinsichtlich der Deckung, sodass genaue Vertragsprüfung ratsam ist.

Welche gesetzlichen Pflichten bestehen für Angehörige im Zusammenhang mit einer Demenzerkrankung?

Angehörige haben grundsätzlich keine gesetzliche Verpflichtung, pflegerische oder betreuende Tätigkeiten tatsächlich zu übernehmen. Allerdings sind sie, sofern keine Vorsorgevollmacht besteht oder eine Betreuung angeordnet wird, in der Praxis häufig erste Ansprechpartner für die Organisation von Hilfe und Unterstützung, etwa bei der Einleitung eines Betreuungsverfahrens. Im Bereich der Unterhaltspflicht kann eine finanzielle Unterstützungspflicht gegenüber demenzkranken Eltern bestehen, wenn diese nicht in der Lage sind, den eigenen Unterhalt sicherzustellen. Im Falle einer gerichtlich angeordneten Betreuung werden Angehörige bei der Betreuerwahl bevorzugt herangezogen, sofern dies dem Wohl des Betroffenen entspricht und sie zur Übernahme der Aufgabe bereit und geeignet sind. Bei konkreter Übernahme der Betreuung gelten auch für Angehörige sämtliche Anforderungen, die auch für Berufsbetreuer gelten (insbesondere Berichtspflichten und gerichtliche Kontrolle).