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Delkredereprovision


Begriff und rechtliche Einordnung der Delkredereprovision

Die Delkredereprovision ist ein Begriff aus dem Handelsrecht und bezeichnet eine besondere Vergütungsform, die einem Handelsvertreter oder Kommissionär für die Übernahme eines Risikos im Rahmen der Vermittlung oder des Abschlusses von Geschäften eingeräumt wird. Im Kern stellt die Delkredereprovision das Entgelt für die Garantie der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des vermittelten Kunden gegenüber dem Prinzipal (Auftraggeber) dar. Im deutschen Recht ist das Delkredere in § 86 Abs. 1 Satz 2 Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt.

Rechtsgrundlage und Vertragsgestaltung

Gesetzliche Regelung

Die rechtliche Grundlage für Delkredere findet sich insbesondere im Handelsvertreterrecht. Nach § 86 Abs. 1 Satz 2 HGB ist der Handelsvertreter grundsätzlich nicht verpflichtet, für die Erfüllung der von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte einzustehen, es sei denn, dass er ausdrücklich eine Delkrederehaftung übernommen hat. Diese Haftung bedarf einer gesonderten Vereinbarung und ist nicht Teil des allgemeinen Pflichtenprogramms eines Handelsvertreters.

Vertragsarteien und Inhalte einer Delkrederevereinbarung

Die Delkredereprovision ist regelmäßig Bestandteil einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handelsvertreter oder Kommissionär. Ein wirksamer Delkrederevertrag bedingt die klare Definition des Haftungsumfangs, der Haftungsdauer sowie der Höhe und Fälligkeit der Delkredereprovision. Auch der Anlass für das Inkrafttreten der Haftung (z. B. Zahlungsausfälle, Insolvenz) muss eindeutig geregelt sein.

Umfang und Grenzen der Delkrederehaftung

Haftungsumfang

Durch das Delkredere übernimmt der Handelsvertreter das Risiko, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Prinzipal nicht nachkommt, z. B. infolge von Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit. Die Haftung bezieht sich dabei auf Forderungsausfälle, die dem Prinzipal aus dem vermittelten Geschäft entstehen. Hierbei kann sowohl für ausbleibende Zahlungen als auch für Teilzahlungen gehaftet werden, je nach vertraglicher Ausgestaltung.

Haftungsgrenzen

Die Haftung aus Delkredere kann durch vertragliche Abreden begrenzt werden, etwa auf bestimmte Höchstbeträge, einzelne Geschäfte oder bestimmte Zeiträume. Daneben bestehen gesetzliche Grenzen der Haftung, insbesondere im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit von Verträgen und die Regelungen zum Schutz des Handelsvertreters (§ 138 BGB, § 242 BGB).

Anspruch auf Delkredereprovision

Verdienstlichkeit und Fälligkeit der Provision

Der Anspruch auf Delkredereprovision entsteht regelmäßig parallel zur Vermittlungs- bzw. Abschlussprovision und wird zusätzlich ausgezahlt. Voraussetzung ist grundsätzlich die vollständige Vermittlung bzw. der erfolgreiche Abschluss eines Geschäfts zwischen dem Prinzipal und dem Kunden. Die Fälligkeit der Delkredereprovision richtet sich nach den vertraglichen Vereinbarungen; regelmäßig wird sie zeitgleich mit der Provision für das betreffende Geschäft fällig.

Höhe und Berechnung

Die Höhe der Delkredereprovision ist frei verhandelbar und hängt vom Umfang des übernommenen Risikos ab. Üblicherweise wird die Delkredereprovision als prozentualer Aufschlag auf die Grundprovision, als fixer Betrag pro Geschäft oder nach anderen vertraglich vereinbarten Modalitäten gezahlt.

Abgrenzung zu anderen Provisionsarten

Die Delkredereprovision unterscheidet sich wesentlich von der normalen Abschlussprovision. Während die Abschlussprovision lediglich die Vermittlungs- oder Abschlussleistung vergütet, stellt die Delkredereprovision eine zusätzliche Vergütung für das Eingehen eines besonderen wirtschaftlichen Risikos dar. Damit übernimmt der Handelsvertreter oder Kommissionär eine Bürgschaftsähnliche Funktion.

Steuerliche und sozialrechtliche Behandlung

Steuerliche Behandlung

Die Delkredereprovision stellt aus steuerrechtlicher Sicht Betriebseinnahmen im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit des Handelsvertreters oder Kommissionärs dar. Sie ist entsprechend als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt zu behandeln und muss in der Gewinnermittlung berücksichtigt werden.

Sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Im Sozialversicherungsrecht hat die Zahlung einer Delkredereprovision grundsätzlich keine eigenständigen Auswirkungen auf die sozialversicherungspflichtige Tätigkeit. Die Provision gilt als Bestandteil der gesamten Bezugsgröße für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge.

Internationale Aspekte der Delkredereprovision

Europäische Regelungen

Im europäischen Kontext gelten ähnliche Regelungen wie im deutschen Recht. Die Handelsvertreterrichtlinie 86/653/EWG legt fest, dass eine Delkrederehaftung ausschließlich mittels ausdrücklicher Vereinbarung übernommen werden darf. Die Durchführung und Ausgestaltung nationaler Regelungen zum Delkredere unterscheiden sich jedoch in Detailfragen.

Anwendung im internationalen Handelsverkehr

Im internationalen Handelsrecht erhält das Delkredere häufig Bedeutung im Rahmen des internationalen Agentur- und Kommissionsgeschäfts. Internationale Handelsbräuche und die Vorschriften des UN-Kaufrechts (CISG) kennen jedoch keine explizite Regelung der Delkredereprovision; maßgeblich sind die jeweils nationalen Vorschriften und die individuellen Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien.

Bedeutung und Praxisrelevanz

Die Delkredereprovision gewinnt insbesondere dort an Bedeutung, wo die Kreditwürdigkeit der Kunden schwer einschätzbar oder das wirtschaftliche Risiko für den Prinzipal erheblich ist. Typische Anwendungsfälle finden sich im Groß- und Außenhandel, bei Bankgeschäften sowie in Sonderbereichen des Kommissions- und Speditionsgeschäfts.

Literaturhinweise

  • Handelsgesetzbuch (HGB), insbesondere § 86 Abs. 1 Satz 2
  • Münchener Kommentar zum HGB, § 86 HGB
  • Handelsvertreterrichtlinie 86/653/EWG
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 138, 242
  • Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch

Hinweis: Dieser Beitrag bietet einen umfassenden Überblick zur Delkredereprovision im Handels- und Vertragsrecht und beleuchtet die wesentlichen rechtlichen Aspekte, Besonderheiten und Abgrenzungen zu anderen Provisionsarten. Die genannten gesetzlichen Normen und Grundsätze sind Grundlage der aktuellen Rechtslage und unterliegen laufenden Änderungen durch Rechtsprechung und Gesetzgebung.

Häufig gestellte Fragen

Wann entsteht der Anspruch auf Delkredereprovision rechtlich gesehen?

Der Anspruch auf Delkredereprovision entsteht rechtlich, sobald der Handelsvertreter neben der normalen Vermittlungs- oder Abschlussprovision zusätzlich die Haftung für die Zahlungsfähigkeit des Kunden übernimmt. Gemäß § 86b Abs. 1 HGB bedarf es hierfür einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter. Ein bloßer Hinweis oder eine branchenspezifische Übung reicht nicht aus; die Übernahme der Delkrederehaftung muss klar und eindeutig geregelt sein. Der Anspruch auf die Delkredereprovision besteht dann, wenn die vom Handelsvertreter vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte abgeschlossen wurden und das entsprechende Inkassorisiko tatsächlich übernommen wurde, unabhängig davon, ob der Kunde letztlich zahlt. Der Handelsvertreter muss lediglich das Risiko der Zahlungsunfähigkeit tragen, nicht das solvente Ausbleiben der Zahlung aus anderen Gründen wie etwa Streitigkeiten über die Vertragserfüllung.

In welchem Verhältnis steht die Delkredereprovision zur normalen Handelsvertreterprovision?

Die Delkredereprovision stellt eine zusätzliche Vergütung dar, die neben der normalen Provision des Handelsvertreters gezahlt wird, wenn dieser ausdrücklich das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Kunden übernimmt. Sie ist nicht Bestandteil der regulären Abschluss- oder Vermittlungsprovision gemäß § 87 HGB, sondern ein eigenständiger Anspruch nach § 86b HGB. Der Zweck der Delkredereprovision liegt darin, den Handelsvertreter für die mit der Haftungsübernahme verbundenen zusätzlichen Risiken und etwaigen späteren Schadensersatzforderungen zu entschädigen. Die Höhe sowie die Fälligkeit der Delkredereprovision müssen vertraglich bestimmt sein. Liegt keine ausdrückliche Regelung über die Zusammensetzung der Provision vor, ist im Zweifel nur die übliche Provision für die bloße Vermittlung oder den Abschluss ohne Delkrederehaftung geschuldet.

Welche rechtlichen Voraussetzungen muss eine Delkrederehaftungsvereinbarung erfüllen?

Die Übernahme der Delkrederehaftung muss laut § 86b HGB ausdrücklich vereinbart werden. Dies kann schriftlich, mündlich oder durch konkludentes Verhalten geschehen, wobei im Streitfall der Unternehmer beweisen muss, dass der Handelsvertreter tatsächlich bereit war, das Delkredere-Risiko zu übernehmen. Die Vereinbarung sollte klar regeln, für welche Geschäfte und in welchem Umfang die Haftung gilt. Sie kann sich entweder auf alle abgeschlossenen Geschäfte oder auf einzelne Verträge beschränken. Außerdem sollte die Höhe der Vergütung und der genaue Haftungsumfang bestimmt werden, zum Beispiel ob neben der Zahlungsunfähigkeit auch andere Ausfallrisiken (wie Zahlungseinstellung oder Scheckprotest) abgedeckt sind. Fehlt eine eindeutige Vereinbarung, besteht keine Delkrederehaftung.

Welche Haftungsbeschränkungen sind bei einer Delkrederevereinbarung rechtlich zulässig?

Grundsätzlich können die Parteien die Delkrederehaftung nach ihrem Ermessen ausgestalten und beschränken. Möglich sind etwa Haftungsobergrenzen für einzelne Geschäfte oder Gesamtvolumina, der Ausschluss bestimmter Risiken (wie Streitigkeiten über die Ware oder Lieferung) oder eine zeitliche Befristung der Haftung. Auch kann die Haftung auf Fälle echter Zahlungsunfähigkeit (z. B. Insolvenz oder Zwangsvollstreckung) beschränkt werden. Gesetzliche Einschränkungen ergeben sich primär aus dem AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) und den Vorschriften über sittenwidrige Verträge (§ 138 BGB), sodass überraschende oder unangemessen benachteiligende Regelungen – insbesondere bei Verwendung von Musterverträgen – unwirksam sein können.

Inwieweit besteht die Möglichkeit zur Aufrechnung mit der Delkredereprovision gegen Schadensersatzforderungen?

Der Unternehmer ist berechtigt, eigene Schadensersatzansprüche, die im Zusammenhang mit der Delkrederehaftung gegen den Handelsvertreter entstehen, mit dessen Anspruch auf Delkredereprovision aufzurechnen. Dies ergibt sich aus der engen wirtschaftlichen Verknüpfung zwischen Vergütung und Haftung. § 87a Abs. 2 HGB regelt zudem, dass bereits ausgezahlte Provisionen für in Verlust geratene Forderungen zurückgefordert werden können, wobei die Delkredereprovision dann als Kompensation für das übernommene Risiko verbleibt. Gleichwohl ist eine Aufrechnung rechtlich nur zulässig, wenn ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Forderung aus der Delkrederehaftung und dem Provisionsanspruch besteht; eine pauschale Verrechnung ist unzulässig.

Welche Beweislastregelungen gelten hinsichtlich der Delkrederehaftung?

Die Beweislast, dass eine wirksame Delkrederehaftung vorliegt und der Handelsvertreter diese übernommen hat, trägt stets der Unternehmer. Dies ist vor allem dann relevant, wenn der Handelsvertreter bestreitet, das Delkredere-Risiko übernommen zu haben. Besteht keine ausdrückliche, nachweisbare Vereinbarung, scheidet eine Delkrederehaftung regelmäßig aus. Ferner muss der Unternehmer konkret nachweisen, dass der Ausfall der Forderung tatsächlich auf die Zahlungsunfähigkeit des vom Handelsvertreter vermittelten Kunden zurückzuführen ist und nicht auf andere Ursachen, wie etwa Vertragsverletzungen. Hinsichtlich der Auszahlung und Rückforderung der Delkredereprovision trägt jeweils derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich hierauf beruft.

Welche Verjährungsfristen gelten für Ansprüche aus Delkredereprovision und -haftung?

Für Ansprüche auf Zahlung einer Delkredereprovision gelten grundsätzlich die regulären Verjährungsfristen des Handelsrechts beziehungsweise nach § 195 BGB die dreijährige Regelverjährung. Die Frist beginnt im Regelfall mit dem Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden und der Unternehmer von den anspruchsbegründenden Umständen erfahren hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erfahren müssen. Für eventuelle Schadensersatzansprüche des Unternehmers aufgrund der Delkrederehaftung gilt dieselbe Verjährungsfrist, sofern keine abweichende vertragliche Regelung existiert. Besondere branchenspezifische oder einzelvertragliche Verjährungsfristen können nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben vereinbart werden.