Delkredere: Begriff, Funktion und rechtliche Einordnung
Delkredere bezeichnet die vertragliche Übernahme des Ausfallrisikos eines Dritten. Eine Person, meist ein Vermittler im Handelsverkehr, verspricht gegenüber dem Auftraggeber, für die Zahlungsfähigkeit und Zahlung des Kunden einzustehen. Kommt der Kunde seiner Zahlungspflicht nicht nach, muss der Delkredereverpflichtete den geschuldeten Betrag ausgleichen. Für diese zusätzliche Risikoübernahme wird regelmäßig eine besondere Vergütung (Delkredereprovision) vereinbart. Der Begriff stammt aus dem Italienischen und ist im grenzüberschreitenden Handelsverkehr verbreitet.
Typische Anwendungsfelder
Handelsvertreter
Handelsvertreter können neben der Vermittlung oder dem Abschluss von Verträgen zusätzlich das Delkredere übernehmen. Sie sichern damit das Bonitätsrisiko der von ihnen geworbenen Kunden ab. Diese Einstandspflicht ist nicht Bestandteil der üblichen Vertretertätigkeit, sondern bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung und wird gesondert vergütet.
Kommissionär und Kommissionsgeschäft
Im Kommissionsgeschäft handelt der Kommissionär im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung. Übernimmt er Delkredere, sichert er die Zahlung des Käufers an den Auftraggeber. Das Delkredere kann sich auf einzelne Geschäfte oder auf einen bestimmten Kundenkreis beziehen.
Makler und sonstige Vermittler
Auch Makler oder andere Vermittler können Delkrederepflichten übernehmen, etwa in Branchen mit hohem Ausfallrisiko. Diese Verpflichtung ist keine typische Maklerpflicht und muss ausdrücklich vereinbart werden.
Factoring und Inkasso mit Delkredere
Beim echten Factoring übernimmt der Factor neben dem Ankauf von Forderungen regelmäßig das Ausfallrisiko (Delkrederefunktion). Ähnlich kann ein Inkassodienstleister gegen Vergütung das Risiko der Uneinbringlichkeit auf sich nehmen.
Kreditversicherung im Vergleich
Bei der Kreditversicherung wird das Ausfallrisiko nicht von einem Vermittler, sondern von einem Versicherer getragen. Delkredere ist demgegenüber eine unmittelbare Einstandspflicht des Vermittlers oder eines anderen Vertragspartners und keine Versicherung.
Rechtsnatur und Abgrenzungen
Rechtsnatur der Einstandspflicht
Delkredere ist eine eigenständige, vertraglich vereinbarte Risikoübernahme für das Bonitäts- und Zahlungsrisiko eines Dritten. Der Verpflichtete haftet unabhängig von eigenem Verschulden für den Zahlungsausfall des Kunden. Die Haftung setzt eine entsprechend klare Vereinbarung voraus.
Abgrenzung zur Bürgschaft
Die Bürgschaft ist akzessorisch, das heißt sie hängt in Bestand und Umfang vom gesicherten Anspruch ab und folgt strengen Bindungen an die Hauptschuld. Delkredere ist demgegenüber eine eigenständige, im Handelsverkehr übliche Einstandspflicht für das Bonitätsrisiko, die inhaltlich flexibler ausgestaltet wird. Formvorgaben und Typenbindung der Bürgschaft gelten hierfür nicht automatisch.
Abgrenzung zur Garantie
Die Garantie ist eine eigenständige Einstandspflicht, die in der Praxis häufig als abstraktes Zahlungsversprechen gegenüber dem Gläubiger gestaltet wird. Delkredere ähnelt zwar einer Garantie für die Zahlungsfähigkeit des Kunden, ist jedoch typischerweise im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Vermittler verankert und auf das Kreditrisiko bezogen.
Abgrenzung zu Gewährleistung und Leistungsstörungen
Delkredere betrifft die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft des Kunden. Sach- oder Rechtsmängel, Leistungsstörungen sowie Fragen der Vertragserfüllung des Kunden sind grundsätzlich nicht vom Delkredere erfasst, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist.
Abgrenzung zur Haftung für Erfüllungsgehilfen
Die Haftung für Erfüllungsgehilfen betrifft Verschulden von Personen, die zur Vertragserfüllung eingesetzt werden. Delkredere ist demgegenüber eine verschuldensunabhängige Risikoübernahme für das Ausfallrisiko eines Dritten, der nicht Erfüllungsgehilfe des Verpflichteten ist.
Zustandekommen und Inhalt der Delkredereabrede
Vertragliche Grundlage und Form
Delkredere bedarf einer ausdrücklichen Abrede. Sie kann auf einzelne Geschäfte, bestimmte Kunden oder eine gesamte Vertragsbeziehung bezogen werden. In der Praxis wird eine klare schriftliche Vereinbarung mit Regelungen zu Umfang, Dauer, Vergütung und Grenzen verwendet.
Umfang der Haftung
Der Umfang richtet sich nach der Vereinbarung. Üblich ist die Einstandspflicht für die Hauptforderung (Kaufpreis oder Provision) und gegebenenfalls für vereinbarte Nebenleistungen wie Zinsen bis zur Fälligkeit. Weitergehende Kosten, Vertragsstrafen oder Folgeschäden sind meist ausgeschlossen, sofern nicht ausdrücklich einbezogen.
Vergütung (Delkredereprovision)
Für die Risikoübernahme wird typischerweise eine zusätzliche Provision vereinbart. Deren Höhe orientiert sich üblicherweise am Risiko, an der Bonität des Kunden, am Geschäftsvolumen und an bestehenden Sicherheiten.
Begrenzungen und Bedingungen
Delkredere kann betragsmäßig (Höchstsumme oder Kreditlimit), zeitlich (Geltungsdauer) und sachlich (nur bestimmte Forderungen) beschränkt sein. Häufig werden Voraussetzungen für die Inanspruchnahme vereinbart, etwa Fälligkeit, Mahnung, Nachweis der Uneinbringlichkeit oder Eintritt einer Insolvenzsituation.
Ausnahmen von der Haftung
Nicht erfasst sind regelmäßig Fälle, in denen der Zahlungsausfall auf Umständen im Verantwortungsbereich des Auftraggebers beruht, etwa bei wirksamen Einreden des Kunden wegen Leistungsstörungen. Ebenfalls üblich sind Ausschlüsse bei Vertragsänderungen ohne Zustimmung des Delkredereverpflichteten oder bei Überschreitung vereinbarter Kreditlimits.
Rechte und Pflichten der Beteiligten
Pflichten des Delkredereverpflichteten
Üblich sind Sorgfalts- und Informationspflichten zur Risikoübernahme, etwa die Beachtung vereinbarter Kreditlimits und die Meldung erkennbarer Bonitätsverschlechterungen. Inhalt und Umfang dieser Pflichten ergeben sich aus der individuellen Vereinbarung und der Verkehrssitte im jeweiligen Marktsegment.
Rechte des Auftraggebers
Der Auftraggeber kann bei Eintritt eines gedeckten Zahlungsausfalls Erfüllung aus der Delkredereabrede verlangen, sofern die vereinbarten Voraussetzungen vorliegen. Dazu gehören häufig Auskunftsrechte über risikorelevante Umstände und die Vorlage von Unterlagen zum Nachweis des Ausfalls.
Rückgriff und Übergang von Rechten
Begleicht der Delkredereverpflichtete den Ausfall, können ihm gegen den zahlungspflichtigen Kunden Rückgriffsrechte zustehen. Üblich ist der Übergang der durch das Delkredere erfüllten Forderung einschließlich etwaiger Sicherheiten, um die Realisierung beim Kunden zu ermöglichen.
Praktische Abläufe im Schadensfall
Fälligkeit und Nachweis des Ausfalls
Voraussetzung ist regelmäßig, dass die Forderung fällig ist und der Ausfall hinreichend nachgewiesen wird. Der Nachweis kann beispielsweise durch fruchtlose Mahnung, dokumentierte Erfolglosigkeit von Inkassoversuchen oder den Eintritt eines insolvenzbezogenen Ereignisses geführt werden, je nach Vereinbarung.
Inanspruchnahme und Zahlung
Nach Anzeige des Ausfalls und Erfüllung etwaiger Mitwirkungspflichten des Auftraggebers ist die Leistung aus Delkredere geschuldet. Die Zahlung erfolgt im vereinbarten Umfang; Einwendungen, die nicht das Bonitätsrisiko betreffen, sind grundsätzlich dem Verhältnis Auftraggeber-Kunde zuzuordnen.
Umgang mit Sicherheiten und Teilzahlungen
Bestehende Sicherheiten sowie erhaltene Teilzahlungen sind auf die delkrederegesicherte Forderung anzurechnen. Die Reihenfolge der Verwertung und Anrechnung richtet sich nach der vertraglichen Abrede; häufig werden Regeln zur vorrangigen Verwertung von Sicherheiten vorgesehen.
Internationale und rechtsvergleichende Aspekte
Herkunft und Terminologie
Der Ausdruck „Delkredere“ geht auf den italienischen Handelsverkehr zurück und ist im internationalen Agentur- und Kommissionsrecht verbreitet. Im englischsprachigen Raum wird vom „del credere agent“ gesprochen.
Übliche internationale Grundlinien
Unabhängig von nationalen Besonderheiten gilt Delkredere weithin als zusätzliche, entgeltliche Risikoübernahme eines Vermittlers für das Bonitätsrisiko des Kunden. Inhalt, Form und Grenzen werden primär vertraglich festgelegt und orientieren sich an Branchenpraxis und Risikoprofil.
Risiko- und Compliance-Aspekte
Transparenz und AGB-Kontrolle
Delkredereklauseln unterliegen Transparenzanforderungen. Ungewöhnliche oder weitreichende Haftungsregeln können einer Inhaltskontrolle unterliegen, insbesondere wenn sie in allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet werden. Klarheit über Umfang, Auslöser und Grenzen der Haftung ist von zentraler Bedeutung.
Insolvenznähe und Anfechtungsrisiken
Leistungen kurz vor oder nach Eintritt der Insolvenz eines Kunden können besonderen insolvenzrechtlichen Regeln unterliegen. Das betrifft sowohl den Nachweis des Ausfalls als auch Rückgriffs- und Verwertungsrechte. Vertragsklarheit reduziert spätere Zuordnungs- und Anfechtungsrisiken.
Datenschutz und Informationsaustausch
Bei der Bewertung von Kundenbonitäten und dem Austausch von Zahlungsinformationen sind datenschutz- und geheimnisschutzrechtliche Anforderungen zu beachten. Die vertragliche Grundlage für den Informationsfluss im Delkredereverhältnis sollte eindeutig sein.
Häufig gestellte Fragen zum Delkredere
Was bedeutet Delkredere und welche Risiken werden abgedeckt?
Delkredere ist die vertragliche Übernahme des Ausfallrisikos eines Kunden durch einen Dritten, meist einen Vermittler. Abgedeckt wird regelmäßig das Risiko, dass der Kunde trotz Fälligkeit nicht zahlt, insbesondere wegen Zahlungsunfähigkeit oder fehlender Zahlungsbereitschaft.
Wer kann eine Delkrederepflicht übernehmen?
Delkredere wird typischerweise von Handelsvertretern, Kommissionären, Maklern, Factors oder Inkassodienstleistern übernommen. Entscheidend ist eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung mit dem Auftraggeber.
Wodurch unterscheidet sich Delkredere von Bürgschaft und Garantie?
Delkredere ist eine eigenständige, entgeltliche Einstandspflicht für das Bonitätsrisiko und typischerweise im Verhältnis Vermittler-Auftraggeber verankert. Die Bürgschaft ist akzessorisch zur Hauptschuld, während die Garantie häufig als abstraktes Zahlungsversprechen ausgestaltet ist.
Wann wird die Delkrederehaftung ausgelöst?
Die Haftung wird durch einen gedeckten Zahlungsausfall des Kunden ausgelöst, zumeist nach Fälligkeit und Nachweis der Uneinbringlichkeit oder bei insolvenzbezogenen Ereignissen, entsprechend den vertraglichen Voraussetzungen.
Welche Ansprüche umfasst Delkredere typischerweise?
Üblicherweise umfasst Delkredere die Hauptforderung (z. B. Kaufpreis) und gegebenenfalls vertraglich einbezogene Nebenansprüche. Kosten, Vertragsstrafen oder Folgeschäden sind nur umfasst, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist.
Kann Delkredere vertraglich begrenzt werden?
Ja, üblich sind Höchstbeträge, Kreditlimits, zeitliche Befristungen und sachliche Beschränkungen. Auch Voraussetzungen für die Inanspruchnahme sowie Ausschlüsse können vereinbart werden.
Welche Rechte hat der Delkredereverpflichtete nach Zahlung?
Nach Ausgleich des Ausfalls stehen dem Delkredereverpflichteten regelmäßig Rückgriffsrechte gegen den Kunden zu. Üblich ist der Übergang der erfüllten Forderung und der dazugehörigen Sicherheiten.