Degressive Abschreibung: Begriff, Rechtsgrundlagen und Anwendungsbereiche
Die degressive Abschreibung ist ein Abschreibungsverfahren im Steuer- und Handelsrecht, bei dem die Wertminderung eines Wirtschaftsgutes durch jährliche Abschreibungsbeträge erfasst wird, die sich prozentual auf den jeweiligen Restbuchwert des Wirtschaftsgutes beziehen. Im Gegensatz zur linearen Abschreibung, die gleichbleibende Abschreibungsbeträge vorsieht, nimmt die jährliche Abschreibung bei der degressiven Methode mit zunehmender Nutzungsdauer stetig ab. Die degressive Abschreibung wird insbesondere im Bereich der betrieblichen Vermögensverwaltung von Unternehmen häufig genutzt und bietet entscheidende Vorteile sowie spezifische Anforderungen an ihre Anwendung und Dokumentation.
Rechtliche Grundlagen der degressiven Abschreibung
Steuerliches Abschreibungsrecht
Die Möglichkeit der degressiven Abschreibung wird im deutschen Steuerrecht geregelt. Zentrale Vorschrift hierfür war bis einschließlich 2010 und erneut ab 2020 § 7 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Demnach wird als degressive Abschreibung eine Abschreibung auf den jeweiligen Restbuchwert eines Wirtschaftsguts solange gewährt, wie der Gesetzgeber dies befristet zulässt. Die Höhe des Abschreibungssatzes wird durch das EStG begrenzt.
Historische Entwicklung und zeitliche Begrenzung
Die degressive Abschreibung war über mehrere Jahrzehnte ein gängiges Verfahren, wurde jedoch im Rahmen verschiedener Steuerreformen immer wieder modifiziert, ausgesetzt oder befristet wieder eingeführt. Die degressive Abschreibung war beispielsweise im Zeitraum von 2001 bis 2007 und im Zusammenhang mit den Corona-Hilfsmaßnahmen erneut ab dem Jahr 2020 zulässig.
Wirtschaftsgüter und Anwendungsvoraussetzungen
Degressive Abschreibungen sind ausschließlich für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens möglich, die nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. Januar 2023 angeschafft oder hergestellt wurden (Stand: 2023). Nicht zulässig ist die degressive Abschreibung für Gebäude oder immaterielle Wirtschaftsgüter sowie für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens.
Handelsrechtliche Behandlung
Im Handelsrecht wird die Abschreibungsfähigkeit von Vermögensgegenständen grundsätzlich im Rahmen des § 253 Abs. 3 Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt. Das HGB sieht keine ausdrückliche Regelung zur degressiven Abschreibung vor, lässt aber die Anwendung einschlägiger ertragswirksamer Abschreibungsmethoden im Rahmen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) zu, sofern dies die tatsächliche Wertentwicklung des Vermögensgegenstands zutreffender abbildet.
Internationales Rechnungslegungsrecht
Nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) ist die Wahl der Abschreibungsmethode daran gebunden, die voraussichtliche Nutzung des Vermögenswerts korrekt wiederzugeben. Hierbei kann auch die degressive Methode Anwendung finden, sofern sie als die geeignetste angesehen wird.
Methode und Berechnung der degressiven Abschreibung
Abschreibungssatz
Der Prozentsatz für die degressive Abschreibung wird jährlich durch den Gesetzgeber festgelegt. Im Rahmen der Regelungen ab 2020 beträgt der maximale jährliche Abschreibungssatz das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung, jedoch höchstens 25 Prozent des jeweiligen Buchwerts zu Beginn des Wirtschaftsjahres.
Berechnungsformel
Die Berechnung erfolgt auf den jeweiligen Restbuchwert. Der jährliche Abschreibungswert ist somit im Zeitverlauf abnehmend. Die Formel lautet allgemein:
Abschreibungsbetrag im Jahr n = Restbuchwert zu Beginn des Jahres × Abschreibungssatz
Ein Wechsel zur linearen Abschreibung während der Nutzungsdauer ist zulässig, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist, sodass am Ende der Nutzungsdauer keine Restwerte verbleiben.
Steuerliche Bedeutung und Gestaltungsmöglichkeiten
Steuerstundungseffekt
Durch die erhöhte Abschreibung in den ersten Nutzungsjahren ergibt sich ein Steuerstundungseffekt: Die steuerliche Belastung wird auf spätere Jahre verschoben. Dies verbessert die Liquiditätslage gerade in den Anfangsjahren nach Anschaffung bzw. Herstellung eines Wirtschaftsgutes.
Investitionsanreize
Der Gesetzgeber nutzt die Möglichkeit der degressiven Abschreibung insbesondere als steuerpolitisches Instrument, um Investitionen in bestimmten Zeiträumen gezielt zu fördern. Dies zeigt sich beispielsweise in konjunkturell schwachen Phasen wie in den Jahren ab 2020 im Zuge der Corona-Pandemie.
Dokumentationspflichten
Die Anwendung der degressiven Abschreibung setzt eine sorgfältige Dokumentation voraus. Unternehmen müssen im Anlagespiegel offenlegen, für welche Wirtschaftsgüter die degressive Abschreibung gewählt wurde, welchen Prozentsatz sie anwenden und wie die jährlichen Abschreibungsbeträge berechnet werden.
Abgrenzungen zu anderen Abschreibungsmethoden
Lineare Abschreibung
Bei der linearen Abschreibung wird der Anschaffungs- oder Herstellungswert gleichmäßig auf die Nutzungsdauer verteilt. Im Vergleich dazu ermöglicht die degressive Abschreibung höhere Beträge in den ersten Jahren.
Leistungsabhängige Abschreibung
Hier richtet sich der Abschreibungsbetrag nach der tatsächlichen Nutzung oder Leistung des Wirtschaftsguts. Die degressive Abschreibung unterscheidet sich, da der Abschreibungsbetrag unabhängig von der konkreten Inanspruchnahme, allein aufgrund des Restbuchwerts, berechnet wird.
Schaltung und Wechsel der Abschreibungsmethode
Ein Wechsel von der degressiven zur linearen Abschreibung ist zulässig, um Restwerte vollständig abzuschreiben, sobald die lineare Methode einen höheren Abschreibungsbetrag ermöglicht. Eine Rückkehr von der linearen zur degressiven Methode ist jedoch ausgeschlossen.
Steuerliche und bilanziell relevante Besonderheiten
Nachholverbot
Für verpasste Abschreibungen besteht im deutschen Steuerrecht ein Nachholverbot: Nicht vorgenommene, aber zulässige Abschreibung dürfen grundsätzlich nicht nachträglich im Wege der rückwirkenden Bilanzänderung geltend gemacht werden.
Bindungswirkung
Die einmal gewählte Abschreibungsmethode für ein Wirtschaftsgut ist beizubehalten bzw. ein einmal vorgenommener Wechsel zur linearen Methode bindet für die verbleibende Nutzungsdauer.
Degressive Abschreibung in der Unternehmenspraxis
Durch die Möglichkeit, mittels degressiver Abschreibung in den ersten Jahren höhere Abschreibungsbeträge und damit steuerliche Entlastungen zu erzielen, ist dieses Instrument insbesondere für Unternehmen mit hohen Investitionstätigkeiten oder in Expansionsphasen von Bedeutung. Eine umfassende steuerliche Planung sollte stets auch die Auswirkungen auf die Unternehmensliquidität und den zukünftigen Abschreibungsverlauf berücksichtigen.
Zusammenfassung
Die degressive Abschreibung stellt eine bedeutende Methode im deutschen Steuerrecht dar, die Unternehmen im Rahmen von Investitionen flexible Abschreibungsmöglichkeiten eröffnet und steuerliche Vorteile verschaffen kann. Ihre Anwendung ist von aktuellen Gesetzesänderungen, Fristen und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen abhängig. Voraussetzung für die Nutzung ist eine lückenlose Dokumentation und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Im Vergleich zu anderen Abschreibungsmethoden bietet sie durch den zunächst beschleunigten Werteverzehr des Vermögens besondere steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, die verantwortungsvoll genutzt werden sollten.
Häufig gestellte Fragen
Unter welchen Voraussetzungen ist die degressive Abschreibung nach deutschem Steuerrecht zulässig?
Die Zulässigkeit der degressiven Abschreibung unterliegt im deutschen Steuerrecht bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere gemäß § 7 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Nach aktueller Rechtslage ist die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens möglich, sofern sie nach dem jeweiligen Anwendungszeitraum angeschafft oder hergestellt wurden und die Voraussetzungen des jeweiligen Steuergesetzes erfüllen. Gesetzliche Neuregelungen, beispielsweise durch das Corona-Steuerhilfegesetz oder das Wachstumschancengesetz, ermöglichen zeitlich befristet eine degressive Abschreibung. Entscheidend für die rechtliche Zulässigkeit ist stets, dass die Wirtschaftsgüter objektiv abnutzbar sind, einer selbständigen Nutzung dienen und im Anlagevermögen aktiviert werden. Unzulässig ist die degressive Abschreibung dagegen z. B. für Gebäude oder immaterielle Wirtschaftsgüter, es sei denn, es besteht eine explizite gesetzliche Erlaubnis.
Wie wird der Prozentsatz der degressiven Abschreibung rechtlich bestimmt?
Der maximal zulässige Prozentsatz für die degressive Abschreibung ist gesetzlich limitiert. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG darf bei der degressiven Abschreibung höchstens das 2,5- bzw. bei befristeten gesetzlichen Änderungen, z. B. durch das Corona-Steuerhilfegesetz, das 2,5-fache des linearen Abschreibungssatzes, jedoch maximal 25% pro Jahr angesetzt werden. Die konkrete Höhe hängt daher vom Zeitpunkt der Inanspruchnahme und den jeweils geltenden Gesetzen ab. Steuerpflichtige sind verpflichtet, den angewendeten Abschreibungssatz in der Steuerbilanz offenzulegen und dessen Grundlage zu dokumentieren, um gegenüber dem Finanzamt den ordnungsgemäßen Ansatz nachweisen zu können.
Kann während der Nutzungsdauer zwischen degressiver und linearer Abschreibung gewechselt werden?
Rechtlich ist ein Wechsel von der degressiven zur linearen Abschreibung grundsätzlich zulässig, sofern dies endgültig und für die Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgutes erfolgt. Dieser Wechsel ist nach § 7 Abs. 3 EStG gestattet, um so gegebenenfalls eine schnellere vollständige Abschreibung zu erreichen, wenn z. B. der lineare Restwert niedriger ausfällt als die degressive Abschreibung ergeben würde. Ein Rückwechsel von linear auf degressiv ist nach geltendem Recht nicht erlaubt. Die Entscheidung zum Wechsel muss klar dokumentiert und in der Steuerbilanz nachvollziehbar angegeben werden.
Wie ist die degressive Abschreibung bei der steuerlichen Gewinnermittlung zu berücksichtigen?
Im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung ist die degressive Abschreibung als Betriebsausgabe im Rahmen der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen. Steuerpflichtige müssen dabei die gesetzlichen Voraussetzungen prüfen und beachten, dass die degressive AfA nur auf bewegliche, abnutzbare Wirtschaftsgüter gewährt wird und diese eindeutig identifizierbar und im Anlageverzeichnis ausgewiesen sein müssen. Die degressive Abschreibung hat direkte Auswirkungen auf die Höhe des steuerlich zu erfassenden Gewinns, da sie die jährlichen Abschreibungsbeträge in den ersten Nutzungsjahren erhöht. Außerdem sind die entsprechenden Nachweise und Berechnungen der degressiven AfA auf Anforderung der Finanzverwaltung detailliert vorzulegen.
Welche Aufzeichnungspflichten bestehen im Zusammenhang mit der degressiven Abschreibung?
Unternehmer und bilanzierende Steuerpflichtige sind gesetzlich verpflichtet, die Ansätze und Grundlagen der degressiven Abschreibung detailliert zu dokumentieren. Dazu gehören insbesondere der Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der gewählte Abschreibungssatz sowie der Beginn und etwaige Wechsel zur linearen Abschreibung. Die Dokumentationspflicht ergibt sich aus den allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach §§ 238 und 257 HGB in Verbindung mit den Vorschriften der Abgabenordnung (AO). Die Nachweise müssen zehn Jahre lang aufbewahrt werden und sind im Rahmen etwaiger steuerlicher Außenprüfungen vorzulegen.
Wie wirkt sich eine Änderungen der Gesetzeslage rückwirkend auf bereits vorgenommene degressive Abschreibungen aus?
Wenn sich die gesetzliche Regelung zur degressiven Abschreibung ändert, gelten für bereits in Anspruch genommene Abschreibungen grundsätzlich die bisherigen gesetzlichen Bedingungen, sofern in der neuen Rechtslage keine Rückwirkung bestimmt ist. Aus rechtlicher Perspektive ist eine rückwirkende Änderung nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung möglich und bedarf einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. In der Praxis sehen Übergangsregelungen meist vor, dass für bereits im Vorjahr begonnene Abschreibungen die jeweils zum Zeitpunkt der Anschaffung/des Ansatzes geltenden Regeln fortgelten (sog. Bestandsschutz). Eine nachträgliche Korrektur ist nicht zulässig, wenn sie sich zu Ungunsten des Steuerpflichtigen auswirken würde – hier greift das Rückwirkungsverbot.
Ist die degressive Abschreibung im Handelsrecht zulässig oder nur steuerrechtlich anwendbar?
Die degressive Abschreibung ist handelsrechtlich – im Gegensatz zur steuerlichen Betrachtung – grundsätzlich ebenfalls möglich, sofern sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) entspricht und eine wirtschaftlich angemessene Verteilung der Wertminderung aufzeigt. Allerdings sind Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz zu beachten (Maßgeblichkeitsprinzip). Die handelsrechtlichen Vorgaben, insbesondere das Niederstwertprinzip nach § 253 HGB, sind einzuhalten, sodass im Einzelfall zu prüfen ist, ob die degressive Methode angemessen und plausibel ist. Eine zwingende Anwendung wie im Steuerrecht besteht jedoch nicht. Bei Abweichungen muss ein Ansatz in der Steuerbilanz durch eine entsprechende Überleitungsrechnung dokumentiert werden.
Welche Konsequenzen drohen bei nicht rechtmäßiger Anwendung der degressiven Abschreibung?
Die unrechtmäßige Inanspruchnahme der degressiven Abschreibung stellt einen steuerlichen Fehler dar und kann im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung zu erheblichen Konsequenzen führen. Die fehlerhaft zu hohen Abschreibungen werden rückwirkend korrigiert, was zu Steuernachzahlungen samt Zinsen nach § 233a AO führen kann. Zusätzlich kann dies als Steuerverkürzung oder -hinterziehung gewertet und entsprechend sanktioniert werden. Steuerpflichtige sind verpflichtet, die Anspruchsgrundlagen für die Abschreibungsmethode sorgfältig zu prüfen und gegebenenfalls rechtliche Beratung einzuholen. Bei wiederholter oder vorsätzlicher Falschanwendung können strafrechtliche Maßnahmen drohen.