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Debt-Equity-Swap

Begriff und Grundprinzip des Debt-Equity-Swap

Ein Debt-Equity-Swap bezeichnet die vertragliche oder verfahrensrechtliche Umwandlung von Forderungen gegen ein Unternehmen (Fremdkapital) in Anteile an diesem Unternehmen (Eigenkapital). Gläubiger werden dadurch ganz oder teilweise zu Anteilseignern. Das Instrument dient der finanziellen Stabilisierung, indem Verbindlichkeiten sinken und die Eigenkapitalbasis wächst.

Definition

Rechtlich handelt es sich um eine Kapitalmaßnahme, bei der Gläubiger ihre bestehenden Ansprüche als Sacheinlage in die Gesellschaft einbringen und dafür neue Anteile erhalten. Die Forderung wird mit Ausgabe der Anteile erfüllt und erlischt insoweit, wie sie in Eigenkapital umgewandelt wird.

Zielsetzung und Einsatzbereiche

Hauptziele sind die Entschuldung, die Verbesserung von Bonität und Bilanzkennzahlen sowie die Angleichung von Interessen zwischen bisherigen Anteilseignern und Gläubigern. Anwendung findet der Debt-Equity-Swap sowohl in außergerichtlichen Sanierungen als auch im Rahmen von gerichtlichen Planverfahren.

Rechtliche Einordnung und Mechanik

Ausgangslage der Forderungen

Gegenstand sind regelmäßig fällige oder gestundete Darlehens- und Anleiheforderungen sowie sonstige Geldforderungen. Voraussetzung ist, dass die Forderung dem Grunde und der Höhe nach besteht und übertragbar bzw. einbringbar ist.

Umwandlung in Eigenkapital

Die Umwandlung erfolgt durch Ausgabe neuer Anteile gegen Sacheinlage in Form der Forderung. Hierzu bedarf es eines Kapitalbeschlusses der Gesellschaft und der formgerechten Einbringung. Die Forderung wird auf die Einlagepflicht angerechnet; ein etwaiger Differenzbetrag kann als Agio behandelt werden.

Corporate-Governance-Folgen

Gläubiger, die Anteile erhalten, erlangen Stimm-, Informations- und Kontrollrechte entsprechend ihrer Beteiligungsquote. Bisherige Anteilseigner werden verwässert; die Zusammensetzung von Organen und Gremien kann sich ändern.

Gesellschaftsrechtliche Umsetzung

Aktiengesellschaft

Beschlusslage und Zeichnung gegen Sacheinlage

Erforderlich ist ein wirksamer Kapitalerhöhungsbeschluss. Die neuen Aktien werden gegen Sacheinlage gezeichnet; hierfür ist eine detaillierte Einbringungsvereinbarung sowie eine Beschreibung und Bewertung der einzubringenden Forderung notwendig. Organe der Gesellschaft bereiten die Maßnahme vor; die Hauptversammlung beschließt mit qualifizierter Mehrheit.

Bezugsrechte und deren Ausschluss

Bei Ausgabe neuer Aktien bestehen grundsätzlich Bezugsrechte der Altaktionäre. Im Rahmen eines Debt-Equity-Swap werden diese häufig ausgeschlossen, da die Aktien gezielt an Gläubiger ausgegeben werden. Der Ausschluss bedarf einer besonderen Begründung im Unternehmensinteresse.

Registrierung und Publizität

Die Kapitalerhöhung ist zur Eintragung in das Register anzumelden. Erforderliche Unterlagen umfassen insbesondere Zeichnungserklärungen, Berichte zu Sacheinlagen sowie die angepasste Satzung. Bestimmte Maßnahmen sind öffentlich bekannt zu machen.

GmbH

Kapitalmaßnahmen und Einbringung

Auch bei der GmbH erfolgt der Debt-Equity-Swap über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage. Die Forderung des Gläubigers wird als Sacheinlage eingebracht; die Gesellschafterversammlung fasst den entsprechenden Beschluss. Etwaige abweichende Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag sind zu beachten.

Notarielle Form und Register

Beschlüsse und Zeichnungen bedürfen regelmäßig der notariellen Beurkundung. Die Kapitalerhöhung wird in das Register eingetragen; mit der Eintragung werden die neuen Anteile wirksam und die Einlagepflichten festgeschrieben.

Konzerngesellschaften und Anleihegläubiger

Bei Konzernen ist die Abstimmung zwischen mehreren Gläubigergruppen üblich. Für Anleihen können Gläubigerversammlungen Beschlüsse fassen, die die Umwandlung in Eigenkapital ermöglichen. Treuhänder und Intercreditor-Vereinbarungen koordinieren die Umsetzung.

Insolvenznahe und insolvenzrechtliche Aspekte

Debt-Equity-Swap außerhalb des Verfahrens

Außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt die Umsetzung durch einvernehmliche Vereinbarungen, abgestimmt mit wesentlichen Gläubigern. Dabei sind Gläubigergleichbehandlung, Kapitalerhaltung und Anfechtungsrisiken zu berücksichtigen.

Debt-Equity-Swap im Planverfahren

Im Rahmen eines gerichtlichen Plans kann die Umwandlung von Forderungen in Anteile vorgesehen werden. Der Plan ordnet die Gläubiger in Gruppen; nach gruppenweiser Zustimmung kann der Plan unter Voraussetzungen auch gegen einzelne ablehnende Gruppen bestätigt werden. Mit Wirksamwerden des Plans werden die im Plan vorgesehenen Umwandlungen vollzogen; Altgesellschafter können dabei erheblich verwässert werden.

Gläubigergleichbehandlung und Anfechtungsrisiken

Die Gleichbehandlung gleichrangiger Gläubiger ist ein Kernprinzip. Abweichungen bedürfen einer sachlichen Rechtfertigung. Vor der Eröffnung eines Verfahrens vorgenommene Maßnahmen können anfechtbar sein, wenn sie einzelne Gläubiger unangemessen bevorzugen oder Benachteiligungen bewirken.

Bewertungs- und Umtauschverhältnis

Bewertungsgrundlagen

Das Umtauschverhältnis bemisst sich nach dem Wert der Forderung und dem Unternehmenswert. Üblich sind unabhängige Bewertungen und Plausibilisierungen, um Fairness und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten. Besondere Beachtung verdienen gestundete, besicherte oder nachrangige Forderungen.

Minderheitenschutz

Minderheitsbeteiligte werden durch Berichtspflichten, Transparenzanforderungen und Anfechtungsmöglichkeiten von Beschlüssen geschützt. Bei erheblichen Verwässerungen sind angemessene Begründungen und eine saubere Bewertungsdokumentation von zentraler Bedeutung.

Kapitalerhalt und Gläubigerschutz

Verbot der Einlagenrückgewähr

Die Einbringung der Forderung muss werthaltig sein; eine unzulässige Rückgewähr von Einlagen ist zu vermeiden. Schein- oder Überbewertungen können Haftungsfolgen auslösen.

Rangverhältnisse und Subordination

Vor einem Swap werden Forderungen häufig nachrangig gestellt oder vertraglich in ihrer Durchsetzung beschränkt, um die Kapitalstruktur zu ordnen. Rangvereinbarungen beeinflussen das Umtauschverhältnis und die Gläubigerrechte.

Kapitalmarkt- und aufsichtsrechtliche Bezüge

Prospekt- und Transparenzpflichten

Bei Emittenten mit Kapitalmarktzugang können bei der Ausgabe neuer Anteile Veröffentlichungspflichten bestehen. Ob ein Prospekt erforderlich ist, hängt von Art, Umfang und Platzierung der neuen Anteile sowie von möglichen Ausnahmen ab.

Insider- und Ad-hoc-Publizität

Planungen zu einem Debt-Equity-Swap können kursrelevant sein. Emittenten haben Insiderinformationen vertraulich zu behandeln und ggf. zeitnah zu veröffentlichen, sofern keine Aufschubsgründe vorliegen.

Stimmrechtsmitteilungen

Durch den Erwerb neuer Anteile können Stimmrechtsschwellen über- oder unterschritten werden. In solchen Fällen können Mitteilungspflichten gegenüber dem Emittenten und der Öffentlichkeit bestehen.

Bankenabwicklung und Bail-in

Bei Instituten können behördliche Abwicklungsinstrumente die Umwandlung bestimmter Verbindlichkeiten in Eigenkapital anordnen. Diese Maßnahmen folgen besonderen aufsichtsrechtlichen Regeln und unterscheiden sich von freiwilligen Swaps.

Arbeits- und Mitbestimmungsrechtliche Aspekte

Änderungen in der Eigentümerstruktur können die Zusammensetzung von Aufsichtsorganen und die Mitbestimmung beeinflussen. Schwellenwerte zur Arbeitnehmerbeteiligung bleiben zu beachten, insbesondere bei signifikanten Beteiligungsverschiebungen.

Typische Vertragsdokumente

Term Sheet und Umsetzungsvereinbarung

Ein Term Sheet fasst die Eckpunkte zusammen (Umtauschverhältnis, Bedingungen, Zeitplan). Die Umsetzungsvereinbarung regelt Einbringung, Zeichnung, Bedingungen und Zusicherungen.

Intercreditor Agreement

Zwischen verschiedenen Gläubigergruppen werden Rang, Verteilung und Zustimmungsanforderungen koordiniert. Ziel ist eine geordnete Umsetzung und Vermeidung von Konflikten.

Lock-up und Support Letters

Gläubiger verpflichten sich, die Maßnahme zu unterstützen und auf widersprechende Schritte zu verzichten. Dies erhöht Planbarkeit und Rechtssicherheit.

Risiken und Streitpunkte

Konflikte entstehen häufig bei der Bewertung, beim Bezugsrechtsausschluss, bei der Gleichbehandlung von Gläubigern und bei Publizitätsfragen. Fehler in Beschlussfassung, Dokumentation oder Registeranmeldungen können Wirksamkeit und Vollzug beeinträchtigen und Haftungsfolgen nach sich ziehen.

Abgrenzung zu verwandten Instrumenten

Kapitalherabsetzung und Forderungsverzicht

Die Kapitalherabsetzung senkt nominell das Eigenkapital; der Forderungsverzicht reduziert Schulden ohne Anteilsausgabe. Der Debt-Equity-Swap kombiniert Entschuldung mit Anteilsausgabe.

Mezzanine-Finanzierungen

Mezzanine weist Mischcharakter zwischen Eigen- und Fremdkapital auf. Beim Swap wird Fremdkapital endgültig zu Eigenkapital.

Wandelschuldverschreibung

Bei Wandelschuldverschreibungen ist das Umtauschrecht schon bei Begebung angelegt. Beim Debt-Equity-Swap wird eine bestehende, ursprünglich nicht wandelbare Forderung umgewandelt.

Internationale Bezüge

Bei grenzüberschreitenden Strukturen stellen sich Fragen der Anerkennung von Kapitalmaßnahmen, der anwendbaren Rechtsordnung und der Koordination unterschiedlicher Gläubigerrechte. Zentral ist die Abstimmung von Bewertungs- und Publizitätsstandards sowie die Behandlung von Sicherheiten in verschiedenen Rechtsräumen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein Debt-Equity-Swap aus rechtlicher Sicht?

Er ist eine Kapitalmaßnahme, bei der Gläubiger ihre Forderungen als Sacheinlage einbringen und im Gegenzug Anteile erhalten. Die Forderung erlischt in Höhe der Einbringung; der Gläubiger wird Anteilseigner mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten.

Welche Beschlüsse sind für einen Debt-Equity-Swap erforderlich?

Erforderlich ist ein wirksamer Beschluss über die Erhöhung des Kapitals gegen Sacheinlage sowie die ordnungsgemäße Zeichnung der neuen Anteile. Je nach Rechtsform sind qualifizierte Mehrheiten, Berichte zu Sacheinlagen, notarielle Beurkundung und Registereintragungen vorgesehen.

Wie wird das Umtauschverhältnis festgelegt?

Es richtet sich nach dem Wert der einzubringenden Forderung und dem Unternehmenswert. Zur Absicherung der Angemessenheit werden regelmäßig unabhängige Bewertungen herangezogen und in Berichten dokumentiert.

Welche Rechte haben Minderheitsgesellschafter beim Debt-Equity-Swap?

Sie profitieren von Informations- und Kontrollmechanismen, können Beschlüsse unter bestimmten Voraussetzungen anfechten und genießen Schutz vor unangemessener Verwässerung, sofern diese nicht sachlich gerechtfertigt und ordnungsgemäß begründet ist.

Wie wirkt sich ein Debt-Equity-Swap im Rahmen eines Insolvenzplans aus?

Der Plan kann die Umwandlung von Forderungen in Anteile anordnen. Nach Zustimmung der Gruppen und Bestätigung durch das Gericht werden die vorgesehenen Maßnahmen wirksam; Altgesellschafter können stark verwässert werden, wenn dies zur Planumsetzung vorgesehen ist.

Bestehen Prospekt- oder Veröffentlichungspflichten?

Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen können Prospektpflichten für die Ausgabe neuer Anteile sowie laufende Transparenz- und Ad-hoc-Publizitätspflichten bestehen. Ob Pflichten greifen, hängt von Umfang, Platzierung und Ausnahmetatbeständen ab.

Wie wird die Gleichbehandlung der Gläubiger gesichert?

Gläubiger gleicher Rangklasse sind grundsätzlich gleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen einer sachlichen Rechtfertigung, etwa aufgrund von Sicherheiten oder Rangvereinbarungen. In Planverfahren erfolgt die Prüfung gruppenbezogen.