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Daktyloskopie


Definition und Bedeutung der Daktyloskopie

Die Daktyloskopie ist ein Verfahren zur Identifizierung von Personen anhand ihrer Fingerabdrücke. Als Teilbereich der forensischen Wissenschaften stellt sie eines der ältesten und zuverlässigsten biometrischen Verfahren zur Individualisierung von Menschen dar. In Deutschland und international spielt die Daktyloskopie in der Strafverfolgung, bei der Erkennung von Identitäten sowie im Datenschutzrecht eine zentrale Rolle.

Historische Entwicklung der Daktyloskopie

Die Entwicklung der Daktyloskopie als anerkanntes Identifikationsverfahren reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. Bereits 1892 gelang Sir Francis Galton die wissenschaftliche Untermauerung der Einzigartigkeit von Fingerabdrücken. In Deutschland setzte sich die Daktyloskopie um die Jahrhundertwende als Standardverfahren zur Personenidentifikation bei Polizei und Justiz durch und wurde auf internationaler Ebene besonders durch die INTERPOL standardisiert.

Rechtliche Grundlagen der Daktyloskopie

Anwendungsbereiche im Strafrecht

Die Erhebung sowie Verarbeitung von Fingerabdrücken ist im deutschen Strafrecht insbesondere in der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Gemäß § 81b StPO kann bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung – zum Beispiel nach einer Festnahme oder bei Verdacht einer Straftat – die Abnahme von Fingerabdrücken angeordnet werden. Die Anordnung ergeht regelmäßig durch die ermittelnde Behörde und in besonderen Fällen durch das Gericht.

Voraussetzungen und Grenzen

Die Abnahme von Fingerabdrücken ist grundsätzlich nur zulässig, wenn dies zur Durchführung eines Strafverfahrens notwendig erscheint oder auch für künftige Strafverfahren von Bedeutung sein könnte (präventive Sicherstellung). Dabei müssen stets Verhältnismäßigkeitsgrundsätze gewahrt werden. Eine unangemessene oder übermäßige Erhebung ist nicht zulässig. Zudem unterliegt die Maßnahme dem Grundrechtsschutz, insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz (GG).

Verwendung in der Gefahrenabwehr

Neben dem Strafprozessrecht findet die Daktyloskopie Anwendung im Gefahrenabwehrrecht. Polizeigesetze der Länder sehen vor, dass die Polizei berechtigt ist, im Rahmen bestimmter gefahrenabwehrender Maßnahmen Fingerabdrücke zu erheben. Auch hier gelten Verhältnismäßigkeits- und Zweckbindungsgrundsätze.

Einsatz im Ausländer- und Passrecht

Im Passgesetz (PassG) und im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist geregelt, dass bei der Ausstellung von Reisepässen und Aufenthaltstiteln biometrische Daten, darunter auch Fingerabdrücke, erhoben und gespeichert werden dürfen. Ziel ist die eindeutige Identifikation bei Sicherheitskontrollen und der Dokumentenausstellung. Im Ausländerzentralregister und europäischen Datenbanken wie EURODAC werden Fingerabdrücke gespeichert und für verschiedene rechtliche Zwecke genutzt.

Datenschutzrechtliche Aspekte der Daktyloskopie

Verarbeitung und Speicherung biometrischer Daten

Biometrische Daten, also auch Fingerabdrücke, gelten gemäß Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als besondere Kategorien personenbezogener Daten, deren Verarbeitung grundsätzlich untersagt ist, es sei denn es liegt eine ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis oder Einwilligung vor. Die Erhebung erfolgt in der Regel auf gesetzlicher Grundlage (beispielsweise nach §§ 81b StPO oder 16 PassG).

Löschung und Auskunftsansprüche

Betroffene Personen haben nach Maßgabe der DSGVO das Recht, Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten zu verlangen und deren Löschung zu beantragen, sofern keine gesetzlichen Aufbewahrungspflichten entgegenstehen. Die Löschung von Fingerabdruckdaten richtet sich nach den jeweiligen Fachgesetzen, etwa nach Abschluss des Strafverfahrens oder nach Ablauf der Speicherfrist bei behördlichen Datenbanken.

Technische und organisatorische Sicherheit

Zur Sicherung der erhobenen Fingerabdrücke sind nach Art. 32 DSGVO geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch, Datenverlust und unbefugten Zugriff zu verhindern. Dies umfasst insbesondere Zugriffsbeschränkungen, Verschlüsselungstechnologien und Protokollierungspflichten.

Beweisrechtliche Bedeutung der Daktyloskopie

Fingerabdrücke als Beweismittel

Im gerichtlichen Verfahren dient die Daktyloskopie als wichtiges Beweismittel. Gefundene Fingerabdrücke am Tatort werden mit Daten aus Datenbanken verglichen, um mögliche Tatverdächtige zu identifizieren. In Deutschland gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 261 StPO, das bedeutet, dass Gerichte über den Beweiswert von Fingerabdrücken im Einzelfall entscheiden.

Fehler- und Manipulationsrisiken

Trotz der hohen Zuverlässigkeit müssen Fehlerquellen, beispielsweise durch fehlerhafte Spurensicherung, Verunreinigungen oder Auswertefehler, ausgeschlossen werden. Auch der richterlichen Kontrolle unterliegt stets, ob die Erhebung und Auswertung der Fingerabdrücke rechtmäßig erfolgt ist.

Internationale Dimensionen und Zusammenarbeit

Europäische und internationale Register

Internationale Zusammenarbeit basiert häufig auf dem Austausch daktyloskopischer Daten innerhalb von Polizei- und Strafverfolgungsbehörden. Die Europäische Union nutzt dazu Systeme wie EURODAC oder das Schengener Informationssystem (SIS II), wobei der jeweils gültige Datenschutzstandard Anwendung finden muss.

Grenzüberschreitende Verwendung und Datenschutz

Die Übermittlung daktyloskopischer Daten ins Ausland unterliegt strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere in Ländern außerhalb der Europäischen Union. Eine Übermittlung ist nur zulässig, wenn ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist oder geeignete Garantien bestehen.

Fazit

Die Daktyloskopie ist nicht nur ein bewährtes, sondern auch ein rechtlich umfassend reguliertes Identifizierungsverfahren. Ihre Anwendung im Strafrecht, Ausländerrecht und weiteren Rechtsgebieten unterliegt detaillierten gesetzlichen Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf Grundrechte, Datenschutz und Beweissicherung. Die stetige technische Weiterentwicklung und der steigende Datenverkehr im internationalen Kontext stellen den Gesetzgeber und die Anwender vor immer neue Herausforderungen, wobei der Schutz und die verantwortungsvolle Behandlung biometrischer Daten einen zentralen Stellenwert einnehmen.

Häufig gestellte Fragen

Wann und warum dürfen Fingerabdrücke im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren abgenommen werden?

Die Abnahme von Fingerabdrücken (Daktyloskopie) im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist in Deutschland grundsätzlich durch §§ 81b StPO (Strafprozessordnung) geregelt. Sie darf immer dann durchgeführt werden, wenn dies zur Aufklärung einer Straftat notwendig erscheint, insbesondere zur Identitätsfeststellung des Beschuldigten oder zum Vergleich von Spuren am Tatort. Die Maßnahme ist jedoch an das Gebot der Verhältnismäßigkeit gebunden: Es muss ein hinreichender Anlass – meist ein Anfangsverdacht – vorliegen, und weniger eingreifende Maßnahmen dürfen nicht ausreichend sein. Die Anordnung kann sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch von den Ermittlungsbehörden getroffen werden; in bestimmten Fällen kann ein Richterentscheid erforderlich werden, etwa wenn der Betroffene nicht freiwillig mitwirkt oder wenn die Maßnahme besonders schwerwiegend ist. Darüber hinaus sind Persönlichkeitsrechte, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie mögliche Grundrechtseingriffe (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen. Die Abnahme muss dokumentiert und protokolliert werden, außerdem sind besondere Belehrungspflichten zu beachten, etwa über die Weigerungsmöglichkeit und die rechtlichen Folgen einer Weigerung.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Fingerabdrücke zur erkennungsdienstlichen Behandlung gespeichert werden?

Werden Fingerabdrücke im Rahmen der sogenannten erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 81b Alt. 2 StPO) abgenommen, erfolgt häufig auch deren Speicherung in Datenbanken, etwa beim Bundeskriminalamt (BKA) oder in polizeilichen Landesdatenbanken. Voraussetzung für diese Speicherung ist in rechtlicher Hinsicht die Erwartung, dass die betroffene Person künftig erneut straffällig werden könnte. Es muss daher eine Prognose getroffen werden, die sich insbesondere auf Art, Schwere und Häufigkeit der bisherigen Delikte sowie weitere individuelle Umstände stützt. Eine dauerhafte Speicherung ist unzulässig, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die betroffene Person zu Unrecht beschuldigt wurde oder die Prognose unzutreffend war. Die Betroffenen haben einen Anspruch auf nachträgliche Überprüfung und Löschung der Daten, was insbesondere datenschutzrechtlich durch Art. 17 DSGVO (Recht auf Löschung) und § 75 BDSG abgesichert ist. Einen generellen Sperrvermerk oder eine zeitliche Begrenzung sieht das Gesetz allerdings nicht zwingend vor; die Dauer hängt von der individuellen Gefährlichkeitsprognose und der laufenden Notwendigkeit ab.

Welche Rechte haben Betroffene bei der Abnahme und Speicherung von Fingerabdrücken?

Betroffene haben umfassende Rechte auf Information, Widerspruch und gerichtliche Überprüfung. Sie müssen, soweit zumutbar, vor Durchführung der Maßnahme über Zweck, Rechtsgrundlage und mögliche Folgen informiert werden. Die betroffene Person kann gegen die Anordnung der Fingerabdrucknahme sowie gegen deren Speicherung Widerspruch einlegen und gerichtlichen Rechtsschutz beantragen (Rechtsweg zu den Verwaltungs- bzw. Strafgerichten). Im Falle rechtswidriger Maßnahmen bestehen Ansprüche auf Löschung und – insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen – gegebenenfalls auf Schadensersatz. Im Rahmen des Datenschutzes stehen Betroffenen zudem Auskunftsrechte zu: Sie können etwa beim BKA oder der jeweiligen Landespolizei Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten verlangen und die Korrektur oder Löschung fehlerhafter Einträge beanspruchen.

Wie lange dürfen daktyloskopische Daten aufbewahrt werden?

Für die Aufbewahrung und Speicherung daktyloskopischer Daten gibt es keine starr festgelegte Frist. Maßgeblich ist stets die fortdauernde Erforderlichkeit zur Zweckerreichung, das heißt zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung. Entfallen diese Voraussetzungen, etwa weil das Verfahren eingestellt wird oder eine Wiederholungsgefahr nicht mehr angenommen werden kann, sind die gespeicherten Daten unverzüglich zu löschen (§ 81b StPO, i.V.m. Art. 17 DSGVO). Regelmäßig finden Überprüfungen durch die speichernde Stelle statt, meist im Abstand von fünf Jahren. Ein Sonderfall sind Minderjährige sowie Personen, bei denen aufgrund besonderer Umstände ein früherer Wegfall der Notwendigkeit festgestellt wird; hier kann eine vorzeitige Löschung angezeigt sein. Die Löschungsfristen können je nach Bundesland und Datenbankführung variieren, sind jedoch stets im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen.

Welche datenschutzrechtlichen Anforderungen gelten bei der Verarbeitung von Fingerabdrücken?

Fingerabdrücke sind als biometrische Daten besonders schützenswert und unterliegen daher den strengen Vorgaben des Datenschutzrechts, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung dürfen nur auf gesetzlicher Grundlage und für festgelegte, eindeutige Zwecke erfolgen. Es müssen technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten – darunter Zugriffs- und Zugriffskontrollmechanismen, Verschlüsselungen und regelmäßige Überprüfungen der Rechtsgrundlagen. Die Verarbeitung zu anderen als den ursprünglich festgelegten Zwecken (Zweckbindung) ist unzulässig, sofern keine neuen gesetzlichen Grundlagen geschaffen und die Betroffenen entsprechend informiert worden sind. Die datenschutzrechtliche Aufsicht erfolgt durch unabhängige Datenschutzbehörden, an die sich Betroffene bei Beschwerden wenden können.

Dürfen Fingerabdrücke auch zur Identifizierung im Ausländer- und Passrecht verwendet werden?

Ja, im Kontext des Ausländerrechts (u.a. § 49 Aufenthaltsgesetz) und des Passrechts (PaßG, PersonalausweisG) dürfen Fingerabdrücke ebenfalls genommen und gespeichert werden, meist zur Identitätsüberprüfung und Dokumentenfälschungsvorbeugung. Hier gelten jedoch besonders restriktive Vorgaben, z.B. für welche Altersgruppen die Abnahme zulässig ist und wie lange die Daten aufbewahrt werden dürfen. Im Passgesetz ist etwa geregelt, dass Fingerabdrücke auf dem Chip des Passes nur für die Dauer der Gültigkeit des Dokuments verwendet und nicht zentral gespeichert werden dürfen. Die Nutzung der Fingerabdrücke ist auf hoheitliche Zwecke beschränkt. Eine Weitergabe an andere Behörden oder eine Nutzung in anderen Verfahren ist nur in ausdrücklich gesetzlich geregelten Ausnahmefällen zulässig. Betroffene müssen vor der Abnahme über ihre Rechte informiert werden, und Kinder unter sechs Jahren sind grundsätzlich von der Abnahmepflicht ausgenommen.