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Cyberstalking


Begriff und Definition von Cyberstalking

Cyberstalking bezeichnet das fortgesetzte Nachstellen, Belästigen oder Bedrohen einer Person mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel, insbesondere über das Internet. Im rechtlichen Kontext beschreibt Cyberstalking zielgerichtete, oftmals wiederholte und systematische Handlungen, die auf die Beeinträchtigung der Lebensführung, Sicherheit oder des Wohlbefindens des Opfers abzielen. Typische Mittel sind unter anderem E-Mails, Nachrichten in Sozialen Netzwerken, Messenger-Dienste, Forenbeiträge sowie das Manipulieren oder Veröffentlichen personenbezogener Daten im Internet (Doxing).


Rechtliche Einordnung des Cyberstalking

Strafrechtliche Aspekte

Im deutschen Strafrecht fällt Cyberstalking grundsätzlich unter den Tatbestand der Nachstellung gemäß § 238 Strafgesetzbuch (StGB). Das Gesetz schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie die Freiheit der Lebensgestaltung. Strafbar ist das Nachstellen insbesondere dann, wenn dadurch die Lebensgestaltung des Opfers nicht unerheblich beeinträchtigt wird.

Nachstellung (§ 238 StGB)

Der Straftatbestand der Nachstellung wurde durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes vor Nachstellungen (Stalking) im Jahr 2007 eingeführt und 2017 reformiert. Nach § 238 StGB macht sich strafbar, wer einem Menschen unbefugt und beharrlich nachstellt, sodass dessen Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird. Das Nachstellen kann verschiedene Handlungsformen umfassen, u. a.:

  • das wiederholte Kontaktieren mittels Telekommunikationsmitteln,
  • das Bestellen von Waren oder Dienstleistungen im Namen des Opfers,
  • das Verbreiten von personenbezogenen Informationen,
  • das Bedrohen oder Verbreiten von Gerüchten.

Die Strafandrohung reicht von Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen bis zu fünf Jahren.

Datenschutzrechtliche Relevanz

Neben strafrechtlichen Vorschriften sind bei Cyberstalking auch datenschutzrechtliche Normen relevant. Das unbefugte Erheben, Speichern, Verarbeiten oder Verbreiten personenbezogener Daten im Rahmen von Cyberstalking stellt regelmäßig einen Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dar. Opfer können daher auch zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung, Löschung und Schadensersatz geltend machen.


Zivilrechtliche Schutzmöglichkeiten

Unterlassungsansprüche und einstweilige Verfügung

Opfer von Cyberstalking können sich mit zivilrechtlichen Mitteln gegen den Täter wenden. Auf Grundlage von § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht kann ein Unterlassungsanspruch bestehen. Wird die Gefahr fortgesetzt, kann auch eine einstweilige Verfügung erwirkt werden, um den Täter zur Unterlassung bestimmter Handlungen zu verpflichten.

Schadensersatz und Schmerzensgeld

Erleidet das Opfer durch Cyberstalking einen materiellen oder immateriellen Schaden, bieten § 823 BGB (Schadensersatz bei unerlaubter Handlung) sowie § 253 BGB (Schmerzensgeld) Möglichkeiten der zivilrechtlichen Durchsetzung von Ansprüchen.


Maßnahmen und Schutz für Betroffene

Anzeige erstatten

In Fällen von Cyberstalking wird empfohlen, Beweismaterialien (z. B. Screenshots, Nachrichtenverläufe, E-Mails) zu sichern und zügig Anzeige bei den Ermittlungsbehörden zu erstatten. Die Polizei ist verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen.

Kontakt- und Annäherungsverbote (§ 1 Gewaltschutzgesetz)

Das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) sieht vor, dass Gerichte bei akuter Gefahr Kontakt- und Annäherungsverbote aussprechen können. Über § 1 GewSchG kann den Tätern untersagt werden, mit den Betroffenen jegliche Art der Kontaktaufnahme – auch digital – aufzunehmen, sich ihrer Wohnung oder ihrem Arbeitsplatz zu nähern oder sonstige Belästigungen vorzunehmen.


Internationale und europäische Rechtslage

Europäische Union

Die EU hat im Rahmen verschiedener Richtlinien und Konventionen (z. B. der Istanbul-Konvention) Standards zum Schutz vor Formen geschlechtsspezifischer Gewalt einschließlich Cyberstalking entwickelt. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, effektiven Schutz vor Cyberstalking sicherzustellen und geeignete Strukturen für Betroffene vorzuhalten.

Andere Staaten

Die strafrechtliche Verfolgung von Cyberstalking ist je nach Land unterschiedlich geregelt und reicht von eigenständigen Straftatbeständen bis hin zu allgemeinen Vorschriften zu Nachstellung oder Belästigung. Viele Staaten befinden sich im Prozess, einschlägige Gesetze an die Erfordernisse der digitalen Kommunikation anzupassen.


Häufige Erscheinungsformen und technische Vorgehensweisen

Cyberstalking kann verschiedene Formen annehmen, etwa:

  • Andauernde Belästigung oder Bedrohung über soziale Netzwerke oder Messenger-Dienste
  • Identitätsdiebstahl und das Anlegen von Fake-Profilen
  • Veröffentlichen von privaten Fotos, Videos oder Informationen (Doxing)
  • Manipulation und Hacking von E-Mail- oder Social-Media-Konten
  • Installation von Spionage-Software (Spyware) auf den Geräten der Betroffenen

Präventions- und Interventionsmöglichkeiten

Betroffene können technische Maßnahmen ergreifen, beispielsweise die Nutzung sicherer Passwörter, Zwei-Faktor-Authentifizierung, Anpassung der Privatsphäre-Einstellungen in sozialen Netzwerken und regelmäßige Überprüfung der eigenen Online-Präsenz. Beratungsstellen und Hilfseinrichtungen bieten Unterstützung bei der Bewältigung von Cyberstalking und begleiten durch rechtliche Schritte.


Fazit

Cyberstalking ist ein komplexes Phänomen, das tief in Persönlichkeitsrechte eingreift und durch technische Entwicklungen kontinuierlich neue Formen annimmt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen bieten sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche Handlungsoptionen, um Betroffene zu schützen und Täter zur Verantwortung zu ziehen. Ergänzend bringen internationale Abkommen und nationale Gesetzesinitiativen laufende Anpassungen, um dem Phänomen wirksam zu begegnen. Ein ganzheitlicher Schutz umfasst neben der Rechtsdurchsetzung auch präventive sowie technische Maßnahmen zur Sicherung der digitalen Privatsphäre.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Betroffene von Cyberstalking in Deutschland?

Betroffene von Cyberstalking können in Deutschland verschiedene rechtliche Schritte einleiten, um sich zu schützen und gegen den Täter vorzugehen. Zunächst ist zu beachten, dass Cyberstalking in Deutschland gemäß § 238 Strafgesetzbuch (StGB) als Nachstellung („Stalking“) strafbar ist, sofern die Tathandlungen beharrlich erfolgen und das Leben des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt wird. Betroffene können eine Strafanzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft erstatten, wodurch Ermittlungen gegen den Täter eingeleitet werden. Neben der strafrechtlichen Verfolgung besteht für Betroffene auch die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen, etwa im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 1004, 823 BGB, insbesondere wenn Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. Außerdem können bei akuter Bedrohung oder anhaltender Belästigung einstweilige Verfügungen nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) beantragt werden, welche dem Täter bestimmte Kontakt- oder Annäherungsverbote auferlegen. Werden diese Verbote missachtet, drohen dem Täter weitere strafrechtliche Konsequenzen. Die rechtlichen Wege können einzeln oder in Kombination beschritten werden. Es empfiehlt sich, zur Beweissicherung sämtliche Nachrichten, Emails, Chatverläufe und weitere relevante Dokumente zu sichern. Die Beratung durch fachkundige Rechtsanwälte oder Opferhilfeorganisationen wird dringend empfohlen, um die passende Strategie zu wählen und formale Fehler zu vermeiden.

Welche Strafen drohen Tätern von Cyberstalking?

Für Cyberstalking, das nach § 238 StGB als Nachstellung qualifiziert wird, sieht das Gesetz unterschiedliche Strafrahmen vor. Im Grundtatbestand droht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Werden durch die Tat das Opfer oder eine ihm nahestehende Person in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht, ist eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vorgesehen. Kommt es durch die Tat sogar zum Tod des Opfers oder einer ihm nahestehenden Person, so kann der Täter mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden. Strafschärfend wirkt sich aus, wenn der Täter beharrlich handelt oder bereits einschlägig vorbestraft ist. Darüber hinaus sind auch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche (z.B. für immaterielle Schäden) denkbar, die im Rahmen eines gesonderten Verfahrens geltend gemacht werden können. Die Strafverfolgung setzt in der Regel einen Strafantrag des Opfers voraus, es sei denn, die Staatsanwaltschaft sieht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.

Greift das Gewaltschutzgesetz auch bei Cyberstalking?

Das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) findet auf Fälle des Cyberstalkings grundsätzlich Anwendung, da es nicht an körperliche Gewalt anknüpft, sondern auch andere Formen von Nachstellungen umfasst. Opfer können beim zuständigen Familiengericht eine einstweilige Verfügung beantragen, durch die dem Täter unter anderem verboten werden kann, Kontakt zum Opfer aufzunehmen – unabhängig davon, ob der Kontakt über das Internet, durch Telefonate oder persönliche Ansprache erfolgt. Mitunter wird auch ein Annäherungsverbot ausgesprochen. Die Antragstellung kann auch ohne anwaltliche Vertretung erfolgen, jedoch empfiehlt sich aus Gründen der Effizienz und der rechtlichen Absicherung oftmals der Beizug eines Rechtsanwalts. Das Gericht kann die Verfügung bei weiterer Gefährdungslage fortlaufend verlängern. Verstöße gegen gerichtliche Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz stellen eine Straftat dar und können mit Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft sanktioniert werden.

Wie läuft ein Strafverfahren wegen Cyberstalking ab?

Ein Strafverfahren wegen Cyberstalking beginnt regelmäßig mit der Erstattung einer Strafanzeige durch das Opfer. Die Ermittlungsbehörden (Polizei/Staatsanwaltschaft) prüfen daraufhin, ob ein Anfangsverdacht vorliegt, und nehmen Ermittlungen auf, die unter anderem das Auswerten digitaler Beweise, Zeugenvernehmungen und gegebenenfalls Auskunftsersuchen an Internetprovider oder Plattformbetreiber umfassen. Wird der Verdacht bestätigt, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage beim zuständigen Strafgericht. Dort erfolgt dann die Hauptverhandlung, in der das Gericht über Schuld und Strafe entscheidet. Während des laufenden Verfahrens kann das Opfer als Nebenkläger auftreten und eigene Rechte wahrnehmen, z.B. Fragen im Verfahren stellen und Rechtsmittel einlegen. Betroffenen steht auch der Opferschutz durch die Polizei und spezielle Beratungsstellen zu. Ein rechtskräftiges Urteil kann auf Freiheitsstrafe, Geldstrafe, Bewährungsauflagen und Wiedergutmachungsleistungen lauten. Das Verfahren kann sich – je nach Komplexität und Auslastung der Behörden – über mehrere Monate ziehen.

Welche Beweislast trifft das Opfer?

Im deutschen Strafprozess gilt das Legalitätsprinzip und die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln; der Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) gilt. Dennoch sollte das Opfer, soweit möglich, umfangreiche Beweise sammeln, um die Strafverfolgung zu unterstützen. Dazu zählen gespeicherte Chatprotokolle, E-Mails, Nachrichten über Soziale Netzwerke, Screenshots, eventuell Telefonauszüge sowie Zeugenaussagen von Dritten, die die Belästigungen beobachtet haben. Auch die genaue Dokumentation des zeitlichen Ablaufs ist hilfreich. Teilweise ist es schwer, die Identität von Tätern im Internet zu ermitteln, weshalb eine enge Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden ratsam ist. Die Polizei kann zur Sicherung digitaler Spuren und zur Anforderung von Verbindungsdaten technische Maßnahmen einsetzen, soweit diese durch richterlichen Beschluss erlaubt sind.

Unterliegt Cyberstalking besonderen Verjährungsfristen?

Cyberstalking unterliegt den allgemeinen strafrechtlichen Verjährungsfristen gemäß § 78 StGB. Die Verjährungsfrist richtet sich nach der angedrohten Höchststrafe und beträgt bei einfachem Cyberstalking (bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe) in der Regel fünf Jahre. Wird durch verschärfte Umstände eine höhere Freiheitsstrafe angedroht, kann sich die Verjährungsfrist entsprechend verlängern, etwa auf fünf oder sogar zehn Jahre bei besonders schweren Fällen. Die Verjährung beginnt mit dem Tag der letzten Tat – bei fortgesetzten Handlungen, wie sie beim Cyberstalking regelmäßig vorliegen, verschiebt sich der Beginn der Frist stetig nach hinten, solange das Verhalten andauert. Zivilrechtliche Ansprüche unterliegen gesonderten Verjährungsfristen, die im Einzelfall geprüft werden müssen.

Sind Internetplattformen verpflichtet, bei Cyberstalking mitzuwirken?

Viele Internetplattformen und soziale Netzwerke haben sich durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie durch nationale und europäische Gesetzgebung verpflichtet, auf Anzeigen und Hinweise zu rechtswidrigen Inhalten, insbesondere auch zu Cyberstalking, angemessen zu reagieren. Nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) sind Plattformbetreiber insbesondere bei schweren Formen von Hasskriminalität und Nachstellungen verpflichtet, Inhalte zu prüfen, zu entfernen und gegebenenfalls an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten. Auf richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung müssen die Plattformbetreiber notwendige Auskünfte zur Identifizierung der Nutzer herausgeben. Die effektive Zusammenarbeit zwischen Ermittlungsbehörden und Plattformen ist jedoch von deren Standort, technischer Infrastruktur und interner Unternehmenspolitik abhängig. In der Praxis kann es vorkommen, dass Plattformen nur zögerlich oder unvollständig reagieren, weshalb Betroffene ihre Anzeigen und Anträge möglichst präzise und nachvollziehbar gestalten sollten.