Begriff und rechtliche Einordnung der CSR-Richtlinie
Die CSR-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) ist eine europarechtliche Norm, die Unternehmen verpflichtet, über nachhaltigkeitsbezogene Aspekte ihrer Geschäftstätigkeit zu berichten. Sie ist Teil des europäischen Rechtsrahmens zur Förderung verantwortungsbewusster und nachhaltiger Unternehmensführung. Die CSR-Richtlinie hat grundlegende Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht, das Rechnungswesen und das Wirtschaftsrecht in den EU-Mitgliedstaaten.
Entwicklung und Hintergründe der CSR-Richtlinie
Historische Entwicklung
Die CSR-Richtlinie ist die Weiterentwicklung der Richtlinie 2014/95/EU, bekannt als Non-Financial Reporting Directive (NFRD). Die Notwendigkeit, Informationen über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) offenzulegen, ergab sich aus der wachsenden Bedeutung nachhaltigkeitsbezogener Berichterstattung. Die CSR-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2022/2464 vom 14. Dezember 2022) ersetzt und erweitert den Anwendungsbereich der NFRD erheblich.
Ziele der CSR-Richtlinie
Zentrales Ziel ist die Verbesserung der Transparenz und Vergleichbarkeit nichtfinanzieller Informationen im europäischen Binnenmarkt. Dies soll eine nachhaltige Entwicklung fördern und die Informationslage für Investoren, Konsumenten sowie weitere Stakeholder verbessern.
Anwendungsbereich und Verpflichtete
Persönlicher Anwendungsbereich
Die CSR-Richtlinie richtet sich an große Unternehmen, die im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaats ansässig sind oder dort einen Umsatz generieren. Unter die Richtlinie fallen insbesondere:
- Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Beschäftigten («Public-Interest Entities», PIEs)
- Große Kapitalgesellschaften und Unternehmen, die bestimmte Größenkriterien überschreiten (mindestens 250 Beschäftigte und/oder mehr als 40 Mio. EUR Umsatz beziehungsweise 20 Mio. EUR Bilanzsumme)
- Bestimmte Tochtergesellschaften und Unternehmen auf Konzernebene
Sachlicher Anwendungsbereich
Die CSR-Richtlinie verpflichtet zu einer detaillierten Berichterstattung über:
- Umweltaspekte (z. B. Klimaschutz, Ressourcennutzung)
- Sozial- und Arbeitnehmerbelange (z. B. Gleichstellung, Arbeitsbedingungen)
- Achtung der Menschenrechte
- Bekämpfung von Korruption und Bestechung
- Unternehmensführung (Governance)
Anforderungen an die Berichterstattung
Inhalte der Berichterstattung
Unternehmen müssen Informationen offenlegen, die für das Verständnis der Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf Nachhaltigkeit sowie der möglichen Risiken und Auswirkungen auf das Unternehmen selbst wesentlich sind. Die Berichterstattung erfolgt zu den folgenden Schwerpunkten:
- Unternehmensstrategie und Geschäftsmodell im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit
- Nachhaltigkeitsziele und deren Umsetzung
- Wesentliche Risiken und Chancen aus nachhaltigkeitsbezogenen Faktoren
- Sorgfaltspflichten und interne Kontrollsysteme
- Indikatoren und Leistungskennzahlen (KPIs) für Nachhaltigkeitsziele
Berichtsform und Veröffentlichung
Der Nachhaltigkeitsbericht muss Teil des Lageberichts sein und nach einheitlichen europäischen Standards, den sogenannten European Sustainability Reporting Standards (ESRS), erstellt werden. Der Bericht ist elektronisch im festgelegten European Single Electronic Format (ESEF) zu publizieren.
Prüfpflichten und externe Kontrolle
Die Offenlegungspflichten sind mit einer externen Prüfungspflicht verbunden. Die Angaben zum Nachhaltigkeitsbericht müssen einer (eingeschränkten oder später auch umfassenden) Prüfung auf Einhaltung der Berichtspflichten unterzogen werden. Diese Vorgaben dienen der Sicherstellung von Transparenz und Verlässlichkeit.
Inhaltliche Anforderungen und Berichtsstandards
European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
Die ESRS konkretisieren die inhaltlichen Vorgaben der CSR-Richtlinie auf fachlicher und methodischer Ebene. Es handelt sich um einheitliche Vorgaben und Leitlinien, die durch die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt werden. Die European Sustainability Reporting Standards enthalten detaillierte Kriterien für folgende Berichtsaspekte:
- Umwelt: Energieverbrauch, Emissionen (z. B. Treibhausgase), Ressourceneffizienz, Biodiversität
- Soziales: Arbeitsstandards, Vielfalt, Gesundheit und Sicherheit
- Unternehmensführung: Struktur, Kontrollsysteme, Compliance, Vergütungspolitik
Grundsatz der „doppelten Wesentlichkeit“
Die CSR-Richtlinie verlangt die Anwendung des Doppelwesentlichkeitsprinzips:
- „Inside-Out“: Welche Auswirkungen hat die Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf Umwelt, Soziales und Governance?
- „Outside-In“: Wie beeinflussen ökologische und soziale Faktoren die wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens?
Umsetzung in nationales Recht
Umsetzungsfristen und Übergangsregelungen
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die CSR-Richtlinie bis zum 6. Juli 2024 in nationales Recht umzusetzen. Die neuen Berichtspflichten gelten gestaffelt ab dem Geschäftsjahr 2024, mit unterschiedlichen Fristen für verschiedene Unternehmensgruppen (börsennotierte Unternehmen, große Kapitalgesellschaften, kleine und mittlere, kapitalmarktorientierte Unternehmen).
Sanktionen und Rechtsfolgen bei Verstößen
Die CSR-Richtlinie sieht vor, dass bei unzureichender, verspäteter oder fehlerhafter Berichterstattung Sanktionen verhängt werden können. Art und Umfang der Sanktionen werden durch die nationalen Gesetzgeber bestimmt. Möglich sind Bußgelder oder andere aufsichtsrechtliche Maßnahmen.
Verhältnis zu weiteren europäischen Regelwerken
Wechselwirkung mit der EU-Taxonomie-Verordnung
Die CSR-Richtlinie steht in engem Zusammenhang mit der EU-Taxonomie-Verordnung, die Kriterien für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten festlegt. Ein Teil der Nachhaltigkeitsberichterstattung muss sich auf diese Taxonomiekriterien beziehen.
Verknüpfung mit der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR)
Auch die Anforderungen der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) sind durch die CSR-Richtlinie zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz nachhaltigkeitsbezogener Finanzprodukte.
Bedeutung und Auswirkungen
Die CSR-Richtlinie markiert einen Paradigmenwechsel bei der Unternehmensberichterstattung in Europa. Sie zwingt Unternehmen dazu, Nachhaltigkeit in ihre strategische Planung und Offenlegung einzubinden. Auch außerhalb der EU gewinnt der Standard der CSR-Richtlinie Vorbildcharakter und wirkt sich auf internationale Handelsbeziehungen aus.
Literatur und weiterführende Regelungen
- Richtlinie (EU) 2022/2464 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSR-Richtlinie)
- Delegierte Rechtsakte zu den European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
- Verordnung (EU) 2020/852 (EU-Taxonomie)
- Verordnung (EU) 2019/2088 (SFDR)
- National jeweils einschlägige Umsetzungsgesetze
Hinweis: Dieser Artikel dient der umfassenden Darstellung der CSR-Richtlinie im europäischen Kontext und beleuchtet die wesentlichen rechtlichen Aspekte sowie die Auswirkungen auf Unternehmen und die Wirtschaft.
Häufig gestellte Fragen
In welchem Geltungsbereich findet die CSR-Richtlinie Anwendung?
Die CSR-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) gilt grundsätzlich für große Unternehmen, die in der EU ansässig sind oder deren Wertpapiere an einem EU-regulierten Markt gehandelt werden. Dazu gehören neben großen Kapitalgesellschaften auch Mutterunternehmen von Konzernen und bestimmte große Tochterunternehmen. Die Schwellenwerte zur Bestimmung der Größe orientieren sich am Bilanzwert, Umsatzvolumen und Mitarbeiteranzahl eines Unternehmens. Auch Nicht-EU-Unternehmen, die relevante Tochterunternehmen oder Zweigniederlassungen in der EU besitzen, können unter den Anwendungsbereich fallen. Ausgenommen sind jedoch Kleinstunternehmen und Unternehmen, die keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben. Der genaue Umfang und Zeitpunkt der Anwendung staffeln sich dabei je nach Unternehmensgröße und Rechtsform, wobei der Eintritt in die Berichtspflicht gestaffelt erfolgt.
Welche rechtlichen Pflichten ergeben sich aus der CSR-Richtlinie für betroffene Unternehmen?
Betroffene Unternehmen sind nach der CSR-Richtlinie verpflichtet, detaillierte nichtfinanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Informationen zu veröffentlichen. Diese Berichterstattung muss in den Lagebericht integriert werden und sich an den von der Europäischen Kommission vorgegebenen Standards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) orientieren. Die Offenlegung erstreckt sich auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) und muss insbesondere Risiken, Strategien, Ziele, Auswirkungen sowie den Umgang mit Chancen und Risiken umfassen. Darüber hinaus besteht die Pflicht zur Prüfung dieser Berichte durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer oder einen anderen akkreditierten Prüfer, welcher mindestens eine „limited assurance“ sicherstellen muss. Die Versäumung oder fehlerhafte Erfüllung dieser Berichtspflichten kann Sanktionen und Bußgelder nach sich ziehen.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die CSR-Richtlinie?
Die Durchsetzung der Verpflichtungen aus der CSR-Richtlinie obliegt den Mitgliedstaaten. In Deutschland werden Verstöße gegen die Berichtspflichten nach § 289c bis § 289f HGB und den entsprechenden Ausführungsgesetzen sanktioniert. Sanktionen können Bußgelder, Ordnungsgelder und im Einzelfall auch Ermessen des Bilanzkontrollgremiums umfassen. Diese Sanktionen sind als erhebliche finanzielle Strafen ausgestaltet, um Compliance sicherzustellen. Zudem können Reputationsverluste und zivilrechtliche Haftungstatbestände, beispielsweise durch irreführende Angaben oder unterlassene Informationen gegenüber Investoren, weitere rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Wie erfolgt die Überprüfung und Durchsetzung der Einhaltung der CSRD?
Die Überwachung der Einhaltung der Berichtspflichten obliegt in Deutschland der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie dem Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC). Für alle betroffenen Unternehmen ist eine externe Prüfung vorgesehen, die von unabhängigen Prüfern durchgeführt wird. Die Prüfung erstreckt sich derzeit auf eine begrenzte Prüfungssicherheit („limited assurance“), wobei mittelfristig eine „reasonable assurance“ angestrebt wird. Bei Nichteinhaltung oder unzureichender Prüfung sind die Behörden befugt, Zwangsmaßnahmen, Prüfungsanforderungen und Bußgeldbescheide zu erlassen. Veröffentlichung der Verstöße („naming and shaming“) ist ein weiteres Instrument zur Disziplinierung der Marktteilnehmer.
Welche Übergangsfristen und stufenweisen Umsetzungen sieht die CSR-Richtlinie vor?
Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sehen eine schrittweise Einführung der Berichtspflicht vor. Große Unternehmen von öffentlichem Interesse (PIEs) müssen ab dem Geschäftsjahr 2024 berichten, andere große Unternehmen folgen ab dem Geschäftsjahr 2025. Mittelständische kapitalmarktorientierte Unternehmen sind ab 2026 berichtspflichtig. Für nicht in der EU ansässige Unternehmen mit Tochtergesellschaften im europäischen Binnenmarkt gelten gesonderte Fristen, spätestens aber ab dem Geschäftsjahr 2028. Die Berichtspflichten der einzelnen Phasen richten sich dabei nach den jeweiligen Grenzwerten und der Anzahl der Mitarbeiter. Es bestehen zudem Erleichterungen bzw. Wahlrechte während bestimmter Übergangszeiträume.
Wie verhält sich die CSR-Richtlinie zu nationalen Gesetzen wie dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?
Die CSR-Richtlinie setzt als europarechtliche Vorgabe verbindliche Mindeststandards und Berichtspflichten, die in nationales Recht, z.B. durch Anpassungen im Handelsgesetzbuch (HGB) und verwandten Gesetzen, umgesetzt werden. Bestehende deutsche Regelwerke, etwa der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK), können als freiwilliges Berichterstattungsinstrument weiterhin genutzt werden, bieten jedoch keine Entlastung von den gesetzlichen Mindestvorgaben der CSRD. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen zu menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette und kann inhaltliche Berührungspunkte zur CSR-Richtlinie aufweisen. Allerdings erfüllen freiwillige oder nationale Kodizes sowie separate Berichte nicht automatisch die Anforderungen der EU-geregelten Nachhaltigkeitsberichterstattung, sondern müssen entsprechend koordiniert werden.
Welche inhaltlichen Anforderungen stellt die CSR-Richtlinie an die Nachhaltigkeitsberichterstattung?
Die CSR-Richtlinie verpflichtet Unternehmen, einen möglichst umfassenden und prüfbaren Bericht über wesentliche Themenbereiche zu erstellen, darunter Umweltbelange (Klimaschutz, Ressourcennutzung, Biodiversität), Arbeitnehmerbelange (Gleichstellung, Arbeitsbedingungen, Vergütung), Menschenrechte, Integrität und Bekämpfung von Korruption. Besonders hervorzuheben ist das sogenannte Prinzip der doppelten Materialität: Unternehmen müssen sowohl die Auswirkungen ihres Geschäfts auf Umwelt und Gesellschaft (Inside-Out-Perspektive) als auch die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen (Outside-In-Perspektive) darstellen. Die Berichtspflichten werden durch verbindliche ESRS konkretisiert. Sensible Daten sind dabei unter Berücksichtigung des Geschäftsgeheimnisschutzes und laut Richtlinie zu behandeln.