CSR-Richtlinie: Begriff, Zweck und rechtliche Einordnung
Die CSR-Richtlinie bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch das europäische Regelwerk zur unternehmerischen Verantwortung für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility/Corporate Sustainability). Gemeint ist damit vor allem die Entwicklung von der früheren EU-Richtlinie zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen (NFRD) hin zur heute maßgeblichen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Diese legt fest, welche Unternehmen in Europa über Nachhaltigkeitsthemen berichten müssen, welche Inhalte der Bericht umfasst, in welcher Form die Berichte zu veröffentlichen sind und wie deren Verlässlichkeit sichergestellt wird.
Hintergrund und Entwicklung
Ausgangspunkt war die EU-weite Pflicht für große kapitalmarktorientierte Unternehmen, ausgewählte nichtfinanzielle Informationen offenzulegen. In Deutschland wurde dies durch ein eigenes Umsetzungsgesetz in nationales Recht überführt und umgangssprachlich als „CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz“ bekannt. Mit der CSRD hat die EU die Anforderungen grundlegend erweitert und präzisiert: Mehr Unternehmen sind erfasst, die Inhalte wurden vereinheitlicht, die Berichte werden digital vergleichbar und einer unabhängigen Prüfung unterzogen. Die Mitgliedstaaten setzen die CSRD in nationales Recht um; der Anwendungsbeginn erfolgt gestaffelt nach Unternehmensgruppen.
Anwendungsbereich: Welche Unternehmen sind erfasst?
Die CSRD erweitert den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich. Erfasst werden insbesondere:
- Große Unternehmen in der EU, unabhängig davon, ob sie kapitalmarktorientiert sind.
- Kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen (mit vereinfachten Anforderungen sowie Übergangs- und Aufschubmöglichkeiten).
- Bestimmte Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten mit erheblichem Umsatz im EU-Binnenmarkt und einer größeren Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU.
Für Konzernstrukturen gelten besondere Regeln: Ein Konzern kann unter bestimmten Voraussetzungen einen Gesamtbericht vorlegen, der Tochterunternehmen entlastet. Umgekehrt müssen Tochterunternehmen berichten, wenn kein geeigneter Konzernbericht vorliegt oder zugänglich ist. Ausnahmen und Befreiungen sind an formale Bedingungen geknüpft.
Berichtsinhalt: Themen, Wesentlichkeit und Standards
Inhaltliche Leitplanken
Die Berichterstattung deckt Umwelt, Soziales und Unternehmensführung ab. Dazu gehören unter anderem Klima- und Umwelteinwirkungen, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte in der Wertschöpfungskette sowie Aspekte der Geschäftsführung und Kontrolle, einschließlich Risiko- und Compliance-Strukturen.
Doppelte Wesentlichkeit
Zentrales Prinzip ist die „doppelte Wesentlichkeit“. Unternehmen beurteilen sowohl, wie ihre Tätigkeiten Umwelt und Gesellschaft beeinflussen (Impact-Perspektive), als auch, wie Nachhaltigkeitsfragen die Geschäftsentwicklung, Lage und Ergebnisse beeinflussen (finanzielle Perspektive). Berichtspflichtig sind die wesentlichen Themen und Auswirkungen aus beiden Blickwinkeln.
Europäische Berichtsstandards (ESRS)
Die Inhalte sind durch einheitliche Europäische Nachhaltigkeitsberichtsstandards (ESRS) strukturiert. Diese Standards legen fest, welche Angaben, Kennzahlen und qualitativen Informationen vorzulegen sind, und ermöglichen Vergleichbarkeit über Branchen und Länder hinweg. Für kapitalmarktorientierte KMU gelten proportionale, vereinfachte Standards sowie zeitlich begrenzte Erleichterungen.
Form, Veröffentlichung und Prüfung
Einbindung in den Lagebericht
Die Nachhaltigkeitsangaben werden in den Lagebericht integriert. Die Veröffentlichung erfolgt zeitgleich mit dem Jahresabschluss, um Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen gemeinsam zugänglich zu machen.
Digitale Aufbereitung
Berichte sind in einem einheitlichen elektronischen Format zu kennzeichnen, damit Daten digital auslesbar und vergleichbar sind. Dies erleichtert die Nutzung durch Kapitalmarkt, Aufsicht, Geschäftspartner und Öffentlichkeit.
Externe Prüfung (Assurance)
Die Angaben unterliegen einer unabhängigen Prüfung. Zunächst gilt eine begrenzte Prüfungstiefe, die perspektivisch ausgeweitet werden kann. Die Prüfung bezieht sich insbesondere auf die Übereinstimmung mit den ESRS, die angewandte Wesentlichkeitsanalyse und die Ordnungsmäßigkeit der Darstellung.
Konzern-, Tochter- und Drittstaatenbezug
Für Konzernabschlüsse gelten konsolidierte Nachhaltigkeitsangaben. Eine Tochtergesellschaft kann unter bestimmten Voraussetzungen von einer eigenen Berichterstattung befreit sein, wenn der Konzernbericht gleichwertig, öffentlich zugänglich und in einer zulässigen Sprache verfügbar ist. Unternehmen aus Drittstaaten mit erheblicher Tätigkeit im EU-Binnenmarkt unterliegen gesonderten Pflichten, etwa über einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht für ihre EU-Aktivitäten.
Verhältnis zu anderen Regelwerken
- EU-Taxonomie: Sie definiert, wann wirtschaftliche Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig gelten. Taxonomie-Angaben werden in die Nachhaltigkeitsberichterstattung eingebunden.
- Offenlegungsregeln im Finanzsektor: Finanzmarktteilnehmer nutzen Nachhaltigkeitsdaten der Unternehmen für eigene Berichtspflichten.
- Sorgfaltspflichten in Lieferketten: Angaben zu Menschenrechten und Umwelt in der Wertschöpfungskette stehen im Sachzusammenhang mit Sorgfaltspflichten-Regelwerken auf EU- und nationaler Ebene.
Aufsicht, Durchsetzung und Sanktionen
Die Einhaltung der Berichtspflichten wird national überwacht. Verstöße können zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, Bußgeldern und reputationsbezogenen Folgen führen. Zusätzlich wirkt der Kapitalmarkt als Disziplinierungsmechanismus, da unvollständige oder verspätete Berichte die Informationslage von Investierenden beeinträchtigen.
Zeitplan und Übergangsregelungen
Die Anwendung erfolgt stufenweise. Zuerst betroffen sind Unternehmen, die bereits zuvor berichtspflichtig waren. In weiteren Stufen folgen andere große Unternehmen, sodann kapitalmarktorientierte KMU mit Erleichterungen und Aufschuboptionen. Für Drittstaatenunternehmen greifen die Pflichten zeitversetzt. Übergangsregelungen erlauben in den ersten Jahren vereinfachte Angaben zu bestimmten Datenpunkten oder zur Wertschöpfungskette, soweit dies vorgesehen ist.
Begriffe und Abgrenzungen
CSR und Nachhaltigkeitsberichterstattung
„CSR“ bezeichnet unternehmerische Verantwortung im weiteren Sinne. Die heutige Rechtslage spricht überwiegend von „Nachhaltigkeitsberichterstattung“. Im deutschsprachigen Raum hat sich der Begriff „CSR-Richtlinie“ als Kurzform für die Entwicklung der EU-Transparenzpflichten etabliert, auch wenn die aktuelle Rechtsgrundlage offiziell Corporate Sustainability Reporting Directive heißt.
Häufig gestellte Fragen zur CSR-Richtlinie
Was ist mit „CSR-Richtlinie“ im heutigen Sinn gemeint?
Gemeint ist die europäische Vorgabe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen. Sie hat sich von der früheren Pflicht zur Offenlegung nichtfinanzieller Informationen hin zur aktuellen Corporate Sustainability Reporting Directive entwickelt, die Umfang, Tiefe und Vergleichbarkeit der Berichte deutlich ausweitet.
Welche Unternehmen fallen unter die Berichtspflichten?
Erfasst sind große Unternehmen in der EU, kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Unternehmen mit angepassten Regeln sowie bestimmte Unternehmen aus Nicht-EU-Staaten mit wesentlicher Geschäftstätigkeit im Binnenmarkt. Für Konzerne, Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen gelten besondere Zurechnungs- und Befreiungsmechanismen.
Welche Inhalte müssen Unternehmen offenlegen?
Gefordert sind Informationen zu Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, einschließlich Strategie, Zielen, Governance, wesentlichen Auswirkungen, Risiken, Chancen und relevanten Kennzahlen. Maßgeblich ist die doppelte Wesentlichkeit aus Wirkungs- und Finanzperspektive. Die Inhalte sind entlang einheitlicher europäischer Standards strukturiert.
Wie verhält sich die CSR-Richtlinie zur EU-Taxonomie?
Die EU-Taxonomie definiert Kriterien für ökologisch nachhaltige Tätigkeiten. Unternehmen berichten im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung unter anderem darüber, inwieweit ihre Umsätze, Investitionen und Ausgaben mit der Taxonomie in Einklang stehen.
Wann und in welcher Form ist zu berichten?
Die Angaben sind im Lagebericht zu veröffentlichen und in einem einheitlichen elektronischen Format zu kennzeichnen. Die Einführung erfolgt in Stufen; zunächst für bereits zuvor berichtspflichtige Unternehmen, anschließend für weitere große Unternehmen und später für kapitalmarktorientierte KMU, die Übergangsoptionen nutzen können.
Gibt es eine Prüfungspflicht?
Ja. Die Nachhaltigkeitsangaben unterliegen einer unabhängigen Prüfung. Zunächst ist eine begrenzte Prüfungstiefe vorgesehen, die zu einem späteren Zeitpunkt ausgeweitet werden kann. Gegenstand der Prüfung sind insbesondere die Einhaltung der Standards und die Belastbarkeit der Angaben.
Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen?
Mögliche Folgen sind aufsichtsrechtliche Maßnahmen und Bußgelder. Zudem können Verstöße Auswirkungen auf Reputation, Finanzierungsmöglichkeiten und Vertragsbeziehungen haben, da Marktteilnehmer auf verlässliche Nachhaltigkeitsinformationen angewiesen sind.
Gilt die CSR-Richtlinie auch für Unternehmen außerhalb der EU?
Unternehmen aus Drittstaaten sind erfasst, wenn sie erhebliche Umsätze im EU-Binnenmarkt erzielen und bestimmte Schwellen im Zusammenhang mit Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen in der EU erfüllen. In diesen Fällen ist ein spezieller Bericht zu den EU-Aktivitäten vorgesehen.