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Crowdworking


Begriff und Grundlagen des Crowdworking

Crowdworking ist eine Form der digitalen Arbeitsorganisation, bei der Aufgaben oder Projekte über internetbasierte Plattformen an eine Vielzahl von Personen (die sogenannte „Crowd“) vergeben werden. Die Arbeit erfolgt in der Regel auf selbstständiger Basis und dezentral, wobei die Crowdworker ortsunabhängig und flexibel tätig sind. Die so vermittelten Arbeitsleistungen reichen von Mikro-Tätigkeiten (sogenanntes Microtasking) über kreative Dienstleistungen bis hin zu technischen Projekten.

Crowdworking stellt einen Teilbereich des umfassenderen Begriffs Crowdworking dar, der sämtliche internetgestützten Kooperationsformen beschreibt, bei denen Arbeits- oder Dienstleistungen von einer anonymen oder pseudonymen Masse an Auftragnehmern erbracht werden. Über eigens geschaffene Plattformen, sogenannte Crowdworking-Plattformen, werden die Aufgaben ausgeschrieben, vermittelt und die Ergebnisse ausgewertet.

Rechtliche Einordnung und Qualifikation von Crowdworking

Vertragsrechtliche Aspekte und Vertragsverhältnisse

Im rechtlichen Kontext ist vorrangig die Qualifizierung des rechtlichen Verhältnisses zwischen der Plattform, den Crowdworkern und den Auftraggebern relevant. Typischerweise bestehen folgende Beteiligte:

  • Auftraggeber (Unternehmen, Organisationen oder Privatpersonen, die Aufgaben einstellen)
  • Crowdworking-Plattform (vermittelt zwischen Auftraggeber und Crowdworker)
  • Crowdworker (führt die Aufgaben aus)

Zwischen diesen Parteien werden verschiedene Rechtsbeziehungen begründet. Insbesondere wird diskutiert, ob Crowdworker als klassische Selbstständige oder als Beschäftigte im Sinne des Arbeitsrechts angesehen werden können.

Vertragsformen

In der Praxis werden häufig folgende Vertragskonstellationen Anwendung gebracht:

  1. Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB):

Wird eine konkrete Aufgabe mit einem definierten Erfolg geschuldet, liegt in den meisten Crowdworking-Konstellationen rechtlich ein Werkvertrag vor. Die Crowdworker schulden hier ein bestimmtes Ergebnis gegen eine einmalige Vergütung.

  1. Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB):

Nur selten finden Dienstverträge Anwendung, da Crowdworker typischerweise keinen fortlaufenden Dienst, sondern einzeln vergütete Leistungen erbringen.

  1. Auftragsverhältnis (§§ 662 ff. BGB):

In einigen Fällen, vor allem bei rein unterstützenden Tätigkeiten, kann auch das Auftragsrecht einschlägig sein.

Arbeitsrechtliche Einordnung

Obwohl Crowdworker faktisch häufig weisungsgebunden und organisatorisch in die Plattformstrukturen eingegliedert sind, werden sie rechtlich in der Regel als Selbstständige behandelt. Die Kriterien der Arbeitnehmereigenschaft nach § 611a BGB und der dazugehörigen Rechtsprechung sind zentral:

  • Weisungsgebundenheit
  • Eingliederung in die Arbeitsorganisation
  • Fremdbestimmtheit der Arbeit

Ob solche Merkmale vorliegen, ist im Einzelfall zu überprüfen und wurde auch bereits mehrfach gerichtlich entschieden. Das wegweisende Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 01. Dezember 2020 (Az. 9 AZR 102/20) befasste sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Crowdworker als Arbeitnehmer eingestuft werden können. Das Gericht stellte heraus, dass auch bei digital vermittelten Aufträgen eine arbeitnehmerähnliche Stellung mit Ansprüchen auf Mindestlohn, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz bestehen kann, wenn eine arbeitnehmerähnliche Abhängigkeit vorliegt.

Scheinselbstständigkeit

Ein weiteres zentrales Thema ist das Risiko der Scheinselbstständigkeit. Liegen tatsächlich die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses vor, können sowohl Sozialversicherungsbeiträge als auch lohnsteuerrechtliche Verpflichtungen nachträglich entstehen.

Sozialrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Aspekte

Die rechtliche Einordnung der Crowdworker im Sozialversicherungsrecht hängt maßgeblich davon ab, ob sie als abhängig Beschäftigte oder selbstständig Tätige anzusehen sind. Selbstständige Crowdworker unterliegen regelmäßig keiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung. Besteht jedoch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, greift die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Statusfeststellungsverfahren

Das sogenannte Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung kann Klarheit darüber schaffen, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Die Abgrenzung richtet sich maßgeblich nach den tatsächlichen Umständen der Tätigkeit.

Steuerrechtliche Einordnung

Crowdworker, die als Selbstständige tätig werden, unterliegen in Deutschland der Einkommensteuer und möglicherweise auch der Umsatzsteuer. Sie sind verpflichtet, ihre Einkünfte eigenständig anzugeben und die jeweiligen steuerlichen Pflichten zu beachten. Werden Crowdworker jedoch als Arbeitnehmer qualifiziert, führt der Auftraggeber Lohnsteuer ab.

Besonderheiten bestehen bei grenzüberschreitendem Crowdworking, wenn die Beteiligten unterschiedlichen Steuerhoheiten unterliegen (Stichwort Doppelbesteuerungsabkommen).

Datenschutzrecht im Crowdworking

Crowdworking-Plattformen verarbeiten regelmäßig personenbezogene Daten der Crowdworker. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist anwendbar, sobald es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten von EU-Bürgern handelt. Plattformbetreiber müssen insbesondere die Prinzipien der Zweckbindung, Datenminimierung, Transparenz und Datensicherheit beachten. Die Einhaltung der Informationspflichten (Art. 13 DSGVO) sowie gegebenenfalls der Nachweis für eine Übermittlung in Drittstaaten sind zu gewährleisten.

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Da Crowdworker regelmäßig nicht als Beschäftigte im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) gelten, unterliegen sie grundsätzlich nicht dem staatlichen Arbeitsschutz. Die Verantwortung für die Arbeitsgestaltung liegt daher meist bei den Crowdworkern selbst. Dennoch haben Plattformen eine gewisse Sorgfaltspflicht, insbesondere im Hinblick auf transparente Arbeitsbedingungen, Schutz vor Ausbeutung sowie eine angemessene Kommunikation mit ihren Nutzern.

Internationale und europäische Rechtslage

Im internationalen Vergleich bestehen deutliche Unterschiede in der rechtlichen Behandlung von Crowdworking. In der Europäischen Union ist die Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (EU/2019/1152) relevant, die Mindeststandards für neue Arbeitsformen, unter anderem auch für über Plattformen vermittelte Arbeit, festlegt. In einzelnen EU-Mitgliedsstaaten gibt es darüber hinaus Initiativen und Gesetzesvorhaben, die die Rechte der Plattform-Beschäftigten stärken sollen.

Beispielhaft ist Frankreich zu nennen, wo Crowdworker unter bestimmten Bedingungen Zugang zu arbeitsrechtlichen Schutzbereichen haben. In Spanien wurde ein sogenanntes „Rider-Gesetz“ für Plattformarbeit eingeführt, das eine stärkere Regulierung und Absicherung der Plattformarbeiter vorsieht.

Zusammenfassung und Ausblick

Crowdworking bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Flexibilisierung der Arbeit und rechtlicher Unsicherheit. Die rechtliche Einordnung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und ist maßgeblich für die arbeits-, sozial- und steuerrechtlichen Rechte und Pflichten von Plattform, Auftraggebenden und Crowdworkern. Zentrale Problemfelder stellen die Scheinselbstständigkeit, die Abgrenzung von Beschäftigungsverhältnissen, der Zugang zu Sozialversicherung und der Schutz persönlicher Daten dar. Mit der zunehmenden Verbreitung digitaler Arbeitsformen wächst auch der Handlungsbedarf für eine rechtssichere und transparente Regulierung des Crowdworking sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.

Häufig gestellte Fragen

Welche arbeitsrechtlichen Regelungen gelten für Crowdworker?

Crowdworker gelten nach deutschem Recht in der Regel nicht als Arbeitnehmer, sondern als selbständige Auftragnehmer. Dies bedeutet, dass arbeitsrechtliche Schutzvorschriften, wie etwa Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Anspruch auf Urlaub, in der Regel nicht greifen. Das Verhältnis zwischen Plattformbetreiber und Crowdworker basiert meist auf Werkverträgen oder Dienstverträgen. Allerdings gibt es Einzelfälle, in denen Gerichte die persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit von Crowdworkern festgestellt und damit eine Arbeitnehmereigenschaft bejaht haben. Insbesondere wenn Crowdworker in die Arbeitsorganisation des Plattformbetreibers eingegliedert sind und diese eine umfassende Kontrolle über Zeit, Ort und Art der Tätigkeit ausüben, kann eine Scheinselbständigkeit vorliegen und die Anwendung des Arbeitsrechts erfordern. Die Abgrenzung ist stets einzelfallabhängig und basiert auf einer Gesamtwürdigung der Umstände.

Müssen Crowdworker Sozialversicherungsbeiträge zahlen?

Crowdworker als Selbständige sind grundsätzlich selbst für die Abführung ihrer Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich. Sie müssen sich eigenständig bei der Krankenversicherung versichern, sind jedoch nicht automatisch renten- oder arbeitslosenversicherungspflichtig. Die Rentenversicherungspflicht kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eintreten, beispielsweise bei Künstlern, Publizisten oder „arbeitnehmerähnlichen Selbständigen“ nach § 2 Satz 1 SGB VI. Der Status als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Crowdworker auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist und keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt. Wird hingegen eine Scheinselbständigkeit festgestellt, sind nachträglich Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung durch die Plattform abzuführen.

Welche steuerlichen Pflichten haben Crowdworker?

Crowdworker sind als Selbständige steuerpflichtig und müssen ihre Einkünfte aus Crowdworking in der Einkommenssteuererklärung als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit angeben. Hierzu zählt sowohl die Einkommensteuer als auch, bei Überschreiten der entsprechenden Umsatzgrenzen, die Umsatzsteuer. Es besteht die Pflicht zur Anmeldung eines Gewerbes, sofern gewerbsmäßige Tätigkeiten ausgeübt werden, ausgenommen rein freiberufliche Leistungen. Crowdworker sollten zudem Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben führen und Rechnungen korrekt ausstellen, um steuerrechtlichen Anforderungen zu genügen. Plattformen können verpflichtet sein, bestimmte Informationen zu Vergütungen an die Finanzbehörden zu melden, insbesondere im Rahmen des Plattform-Steuertransparenzgesetzes.

Gibt es einen Anspruch auf Mindestlohn für Crowdworker?

Ein Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz besteht für Crowdworker grundsätzlich nur dann, wenn ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 611a BGB vorliegt – also eine persönliche Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit gegenüber dem Plattformbetreiber gegeben ist. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle sind Crowdworker jedoch als Selbständige tätig und daher nicht vom Mindestlohngesetz erfasst. Es gibt bislang keine spezifischen gesetzlichen Regelungen, die den Mindestlohn auch für selbständige Crowdworker zum Schutz vor unangemessen niedriger Vergütung verbindlich vorschreiben. Allerdings können Gerichte im Einzelfall prüfen, ob de facto ein Arbeitsverhältnis vorliegt, das den Mindestlohnanspruch auslöst.

Wie ist die Haftung bei fehlerhaft erbrachten Leistungen geregelt?

Crowdworker haften grundsätzlich als Selbständige für die von ihnen übernommenen Aufgaben. Ihre Haftung ergibt sich aus den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus dem jeweiligen Werk- oder Dienstvertrag. Bei Pflichtverletzungen oder mangelhafter Leistung können Schadensersatzansprüche des Auftraggebers geltend gemacht werden. Die Plattformbetreiber räumen sich in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen oft umfangreiche Haftungsausschlüsse und -begrenzungen ein, meist zu Lasten der Crowdworker. Eine Haftungsbegrenzung ist jedoch nicht uneingeschränkt möglich, insbesondere für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Crowdworker sollten darauf achten, dass sie ausreichenden Versicherungsschutz gegen berufliche Risiken, etwa durch eine Berufshaftpflichtversicherung, vorhalten.

Erhalten Crowdworker Mutterschutz oder Elternzeit?

Für Crowdworker als Selbständige besteht kein Anspruch auf Mutterschutz oder Elternzeit nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) oder dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Die gesetzlichen Schutzvorschriften greifen ausschließlich für Arbeitnehmerinnen. Crowdworker können unter bestimmten Voraussetzungen Mutterschaftsgeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, sofern sie freiwillig gesetzlich krankenversichert sind und entsprechende Beiträge zahlen. Auch Ansprüche auf Elterngeld bestehen, allerdings berechnet sich die Höhe auf Grundlage der selbständigen Einkünfte und unterliegt anderen Voraussetzungen als bei Arbeitnehmern.

Welche Mitbestimmungsrechte stehen Crowdworkern zu?

Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) stehen ausschließlich Arbeitnehmern im Sinne des § 5 BetrVG zu. Crowdworker sind in der Regel keine Arbeitnehmer und daher ebenfalls nicht berechtigt, Betriebsräte zu wählen oder gewählt zu werden. Auch der Zugang zu gewerkschaftlicher Organisierung und kollektiven Tarifverhandlungen ist juristisch umstritten. Zwar gibt es Initiativen zur kollektiven Interessenvertretung von Crowdworkern, jedoch ist die rechtliche Wirksamkeit von Tarifverträgen für diese Gruppe bisher nicht abschließend geklärt. Insbesondere der individuelle Vertragscharakter und die internationale Ausrichtung vieler Plattformen erschweren verbindliche kollektive Regelungen.