Begriff und Definition des Crowdworking
Crowdworking beschreibt eine moderne Form der Arbeitsorganisation, bei der Arbeitsaufträge oder Projekte über digitale Plattformen an eine Vielzahl von selbständigen Auftragnehmern (die sogenannte Crowd) vergeben werden. Die Bearbeitung erfolgt in aller Regel online. Dieser Ansatz gehört zum Bereich der Plattformökonomie und wird vielfach unter den Begriffen „Cloudwork“ oder „Gig Economy“ subsumiert. Das Crowdworking unterscheidet sich von klassischer Telearbeit oder Homeoffice dadurch, dass arbeitsteilige, oft kleinteilige Aufgaben (sogenannte „Mikrojobs“) flexibel und projektbezogen an eine Vielzahl von Personen vermittelt werden.
Crowdworking-Plattformen agieren als Vermittler zwischen Auftraggebern (Unternehmen oder Privatpersonen) und Auftragnehmern (den Crowdworkern), die weltweit vernetzt sind. Die Aufgaben reichen von einfachen Tätigkeiten (u.a. Dateneingaben, Produkttests, Recherchen) bis hin zu komplexen, kreativen Dienstleistungen (wie Design, Übersetzungen, Softwareentwicklung).
Rechtsnatur des Crowdworking
Status der Crowdworker
Ein zentrales rechtliches Thema beim Crowdworking ist die Einordnung des Rechtsverhältnisses zwischen Crowdworkern und Auftraggebern bzw. Plattformbetreibern. In der Regel werden Crowdworker als selbständige Dienstleister (Freie Mitarbeit) angesehen, weshalb arbeitsrechtliche Schutzmechanismen, wie Kündigungsschutz oder Anspruch auf Mindestlohn, nicht automatisch zur Anwendung kommen.
Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen
Ob ein Crowdworker als arbeitnehmerähnliche Person oder als Arbeitnehmer einzustufen ist, wird durch die tatsächliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses bestimmt. Hierbei sind insbesondere folgende Kriterien maßgeblich:
- Weisungsgebundenheit: Je stärker der Crowdworker in den Arbeitsablauf und die Entscheidungsstrukturen der Plattform eingebunden ist, desto eher kann eine arbeitnehmerähnliche Stellung vorliegen.
- Art und Umfang der kontinuierlichen Zusammenarbeit: Längerfristige Bindungen, feste Arbeitszeiten oder Vorgaben seitens der Plattform sprechen für eine Beschäftigtenähnlichkeit.
- Eigenverantwortlichkeit: Die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen und Arbeitszeiten frei zu gestalten, spricht für Selbständigkeit.
Die tatsächliche Abgrenzung ist im Einzelfall vorzunehmen. Deutsche Gerichte haben bereits in mehreren Urteilen diese Kriterien angewendet, z.B. bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2020, dass Crowdworker grundsätzlich Selbständige sind, jedoch abhängig vom Einzelfall auch als Arbeitnehmer einzustufen sein können.
Vertragsverhältnisse und rechtliche Rahmenbedingungen
Vertragsgestaltung
Die Rechtsbeziehung beim Crowdworking wird üblicherweise durch zivilrechtliche Verträge geregelt. Zwischen Plattformbetreibern, Auftraggebern und Crowdworkern entstehen unterschiedliche Vertragstypen, oftmals in Form von Werkverträgen, Dienstverträgen oder Geschäftsbesorgungsverträgen. Die Ausgestaltung der vertraglichen Rahmenbedingungen liegt häufig in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), was eine Überprüfung auf AGB-rechtliche Zulässigkeit im Sinne der §§ 305 ff. BGB erforderlich macht.
Plattform-AGB und Transparenz
Plattformbetreiber müssen insbesondere klar definieren:
- Auftragsvergabeprozess und Vergütung
- Rechte und Pflichten der Parteien
- Kriterien bei Ablehnung oder Annahme von Aufträgen
- Haftungsfragen und Gewährleistung
- Rücktrittsrechte und Sanktionen
Unangemessene Benachteiligungen der Crowdworker können gemäß § 307 BGB unwirksam sein.
Vergütung und Sozialversicherungsrecht
Entlohnung und Mindestlohn
Crowdworker gelten im Grundsatz als selbständig, weshalb sie nach deutschem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn gemäß dem Mindestlohngesetz (MiLoG) haben. Sollte jedoch eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit festgestellt werden, kann ein Anspruch auf Mindestlohn bestehen.
Sozialversicherungspflicht
Da Crowdworker regelmäßig als Selbständige arbeiten, sind sie verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge eigenständig abzuführen. Dazu zählen die Beiträge zu:
- Krankenversicherung
- Pflegeversicherung
- Rentenversicherung
- ggf. freiwillige Arbeitslosenversicherung
Eine Scheinselbständigkeit kann zur Pflichtmitgliedschaft in den Sozialversicherungssystemen führen und haftungsrechtliche Konsequenzen für Auftraggeber und Plattformbetreiber nach sich ziehen.
Steuerrechtliche Aspekte beim Crowdworking
Einkommensteuer
Crowdworker unterliegen grundsätzlich der Einkommensteuer. Sie sind zur Versteuerung ihrer Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit verpflichtet. Die steuerliche Einordnung erfolgt nach den Grundsätzen des Einkommensteuergesetzes (§ 18 oder § 15 EStG).
Umsatzsteuer
Erreichen Crowdworker mit ihrer Tätigkeit bestimmte Umsatzgrenzen, unterliegen sie der Umsatzsteuerpflicht. Gemäß § 19 UStG kann bei geringen Umsätzen die Kleinunternehmerregelung angewendet werden.
Arbeits- und Datenschutzrecht im Crowdworking
Arbeitszeitschutz und Arbeitsschutz
Für Crowdworker in selbstständiger Tätigkeit finden die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) sowie die gesetzlichen Arbeitsschutzbestimmungen grundsätzlich keine Anwendung. Eine Ausnahme besteht, wenn das Vertragsverhältnis den Charakter eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erhält.
Datenschutz und Datenverarbeitung
Crowdworking-Plattformen verarbeiten regelmäßig personenbezogene Daten, weshalb die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten sind. Die Transparenz der Datenverarbeitung, Einhaltung der Informationspflichten und die Gewährung datenschutzrechtlicher Betroffenenrechte stehen hierbei im Vordergrund.
Internationales Recht und grenzüberschreitende Aspekte
Anwendbares Recht und Gerichtsstand
Da Crowdworking-plattformen meist global tätig sind und Auftraggeber wie Crowdworker aus unterschiedlichen Ländern stammen können, sind Fragen des internationalen Privatrechts und des anwendbaren Rechts zu beachten. Entscheidend können hierbei die Bestimmungen der Rom-I-Verordnung (VO (EG) Nr. 593/2008) sowie Zuständigkeit nach Brüssel-Ia-VO sein.
Steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten
Internationale Crowdworking-Tätigkeiten können zu komplexen Sachverhalten hinsichtlich der Steuerpflicht und Sozialversicherungspflicht in mehreren Staaten führen, insbesondere aufgrund der Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen und der Europäischen Sozialversicherungskoordinierung.
Gesetzgeberische Entwicklungen und Rechtsprechung
Die Entwicklung der Gesetzgebung zum Crowdworking befindet sich in einem fortlaufenden Wandel. Die Thematik der Scheinselbständigkeit sowie die sozialen Sicherungen für Crowdworker werden national und auf EU-Ebene intensiv diskutiert. Der europäische Gesetzgeber arbeitet aktuell an Richtlinien zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Plattformbeschäftigte, u. a. durch eine verbesserte Definition des Arbeitnehmerbegriffs und Mindestschutzmechanismen.
Gerichtsurteile, wie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 1. Dezember 2020, Az. 9 AZR 102/20, präzisieren die Einordnung und stärken teils die Rechte von Crowdworkern insbesondere bei Vorliegen arbeitnehmerähnlicher Strukturen.
Fazit
Crowdworking stellt eine innovative, aber rechtlich komplexe Form der Erwerbstätigkeit dar, die zahlreiche zivilrechtliche, sozialversicherungsrechtliche, steuerliche und datenschutzrechtliche Fragestellungen aufwirft. Die eindeutige Klassifizierung der Vertragsverhältnisse zwischen Plattformen, Auftraggebern und Crowdworkern ist entscheidend für die Anwendung arbeits- und sozialrechtlicher Schutzvorschriften. Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung, zunehmender Globalisierung und sich wandelnder subjektiver sowie objektiver Vertragsgestaltungen muss die rechtliche Situation fortlaufend geprüft und beobachtet werden. Die aktuellen und geplanten gesetzlichen Entwicklungen auf nationaler und europäischer Ebene tragen dazu bei, einen angemessenen Schutzrahmen und faire Arbeitsbedingungen für Crowdworker zu schaffen.
Häufig gestellte Fragen
Welche arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften gelten für Crowdworker?
Crowdworker sind in der Regel als Selbstständige tätig und nicht als klassische Arbeitnehmer. Daher gelten die meisten arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften wie das Kündigungsschutzgesetz, das Mindestlohngesetz oder das Arbeitszeitgesetz grundsätzlich nicht für Crowdworker. Dennoch können Ausnahmen bestehen: Wenn das Vertragsverhältnis faktisch wie ein Arbeitsverhältnis gestaltet ist – also insbesondere im Fall einer persönlichen Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation – kann im Einzelfall ein sogenanntes „faktisches Arbeitsverhältnis“ festgestellt werden. In diesem Fall müssten die Plattformen wie Arbeitgeber agieren und sämtliche arbeitsrechtlichen Vorgaben einschließlich Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahltem Urlaub berücksichtigen. Die Rechtsprechung, insbesondere das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 1. Dezember 2020 (Az.: 9 AZR 102/20), prüft dies anhand konkreter Umstände des jeweiligen Vertragsverhältnisses.
Besteht für Crowdworker eine Versicherungspflicht in der Sozialversicherung?
Da Crowdworker als Selbstständige gelten, unterliegen sie grundsätzlich nicht der Sozialversicherungspflicht, wie sie für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgeschrieben ist. Das bedeutet, dass keine automatische Absicherung in der gesetzlichen Kranken-, Renten-, Pflege- oder Arbeitslosenversicherung besteht. Crowdworker müssen sich eigenverantwortlich um entsprechenden Versicherungsschutz kümmern. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, beispielsweise für sog. „arbeitnehmerähnliche Selbstständige“, die im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind und keine eigenen Beschäftigten haben – sie können unter bestimmten Voraussetzungen rentenversicherungspflichtig werden (vgl. § 2 SGB VI). Kranken- und Pflegeversicherung müssen selbst abgeschlossen werden; eine Pflichtmitgliedschaft besteht meist in einer gesetzlichen Krankenkasse als freiwilliges Mitglied.
Welche Rechte haben Crowdworker im Hinblick auf Datenschutz?
Im rechtlichen Kontext sind sowohl die Plattformbetreiber als auch die Crowdworker an die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gebunden. Das bedeutet, dass Plattformen umfassende Informationspflichten gegenüber den Crowdworkern haben, etwa bezüglich Art und Zweck der Datenverarbeitung, Speicherdauer und Weitergabe personenbezogener Daten. Crowdworker haben das Recht auf Auskunft über die gespeicherten Daten, auf deren Berichtigung, Löschung und Einschränkung der Verarbeitung sowie auf Widerspruch gegen bestimmte Formen der Datenverarbeitung. Besondere Bedeutung kommt dem Schutz von Kommunikations- und Bewertungsdaten zu, da diese sensible Informationen enthalten können, die Rückschlüsse auf Arbeitsleistung und Verhalten des Crowdworkers zulassen.
Sind Crowdworker durch die Plattform gegen Arbeitsunfälle versichert?
Für Crowdworker besteht grundsätzlich kein Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung, da dieser in Deutschland normalerweise nur für abhängig Beschäftigte („Arbeitnehmer“) gilt. Die Plattformen sind nicht verpflichtet, Beiträge zur Berufsgenossenschaft abzuführen. Crowdworker müssen sich deshalb eigenständig um einen Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten kümmern, wenn sie dies wünschen. Auch bei Tätigkeiten, die im öffentlichen Raum oder beim Kunden stattfinden, gilt kein gesetzlicher Anspruch auf Absicherung durch die Unfallkassen.
Wie ist die steuerrechtliche Behandlung von Crowdwork-Einkünften?
Crowdworker erzielen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und müssen diese im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung (Anlage S) angeben. Je nach Umfang und Art der Einnahmen können auch gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 EStG vorliegen (beispielsweise wenn organisatorische Eigenständigkeit und Gewinnerzielungsabsicht gegeben sind). Crowdworker sind verpflichtet, eine Buchführung zu führen und ihre Einnahmen sowie Ausgaben sorgfältig zu dokumentieren. Zudem besteht ab einem Jahresumsatz von 22.000 Euro (Stand 2024) die Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung bzw. zur Entrichtung der Umsatzsteuer; eine Kleinunternehmerregelung kann auf Antrag in Anspruch genommen werden. Es empfiehlt sich, für die steuerliche Abwicklung einen Steuerberater hinzuzuziehen, da die Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit und die korrekte Verbuchung der Einnahmen rechtlich komplex sein kann.
Welche Möglichkeiten bestehen zur rechtlichen Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber der Plattform?
Crowdworker können zivilrechtliche Ansprüche – etwa auf Vergütung oder im Fall von Streitigkeiten über die Qualität oder Durchführung der Arbeit – gerichtlich geltend machen. Oftmals ist in den Vertragsbedingungen eine ausschließliche Zuständigkeit ausländischer Gerichte oder die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung vereinbart, was eine Anspruchsverfolgung erschweren kann. Nach europäischen Standards (sogenannte Rom-I- und Brüssel-Ia-Verordnung) kann diese Rechtswahl jedoch eingeschränkt sein, insbesondere dann, wenn Crowdworker faktisch als Arbeitnehmer einzustufen sind und damit zwingende Schutzvorschriften des deutschen Rechts gelten müssen. Für internationale Plattformen ist daher stets eine Einzelfallprüfung nötig, ob und in welcher Form deutsche Gerichte angerufen werden können.
Inwieweit sind Vertragsbedingungen der Plattform rechtlich verbindlich?
Die Vertragsbedingungen (AGB) der Plattformen bestimmen maßgeblich Rechte und Pflichten der Crowdworker. Diese unterliegen den allgemeinen Vorgaben des deutschen AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) und dürfen nicht unangemessen benachteiligend sein. Klauseln, die etwa ein einseitiges Löschen von Accounts, unangekündigte Änderungen der Vertragsbedingungen oder die vollständige Haftungsfreistellung der Plattform vorsehen, können unwirksam sein. Bei Streitigkeiten kann die Unwirksamkeit einzelner Klauseln gerichtlich geltend gemacht werden. Besonders relevant sind auch Regelungen zur Vergütung, Kündigungsfristen und der Umgang mit Streitfällen (Schlichtungsverfahren etc.), da sie die wirtschaftliche und rechtliche Position des Crowdworkers maßgeblich beeinflussen.